Im Drittweltland Brasilien grassieren weiterhin Sextourismus und Kinderprostitution, treten sogar nordamerikanische Soldaten, die am Irakkrieg teilnehmen und in Rio de Janeiro Fronturlaub machen, als Sextouristen in Erscheinung. Bereits zehn-und elfjährige Mädchen bieten keineswegs nur in den Fremdenverkehrszentren ihren Körper für umgerechnet achtzig Cents feil. Brasiliens katholische Kirche bekämpft das sehr komplexe Phänomen mit Projekten verschiedenster Zielrichtung, beklagt indessen die fehlende Unterstützung des Staates ebenso wie die Förderung und Verharmlosung der Prostitution. Diese zerstöre die geistige und körperliche Gesundheit von Frauen so gravierend, daß selbst die brasilianische CARITAS eine Frührente für Prostituierte ab vierzig befürworte.
„Sehr viele Brasilianer reisen als Sextouristen in den Norden und Nordosten “ Ausländer fallen lediglich mehr auf”, sagt Monique Laroche, Präsidentin der katholischen Pastoral für marginalisierte Frauen in ihrem Büro der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo. „Auch von Brasilianern selbst wird sehr viel Geld für Sextourismus ausgegeben. Wer hier in Sao Paulo die Hotels bevölkert, als Sextourist agiert, sind zuallererst Brasilianer.”
Monique Laroche fährt regelmäßig auch in die nordostbrasilianische Küstenstadt Fortaleza, um Projekte der Pastoral zu kontrollieren und anzuleiten. An den Stränden Fortalezas attackiert ihr Kollege, der aus Italien stammende Priester Renato Chiera mit seinem Team ausländische Sextouristen ganz direkt. Sein Ausruf „Ihr italienischen Schweine, macht euch zurück nach Italien”, sorgte für Schlagzeilen “ erstmals wurden Ausländer verhaftet und sogar zwei nur mit italienischen Männern besetzte Chartermaschinen von Fortaleza sofort nach Rom zurückgeschickt. Monique Laroche lobt Brasiliens Bischöfe, welche kontinuierlich auch in den Medien den Sextourismus anprangern, von der Regierung schärfere Gegenmaßnahmen fordern. ”Die Bischöfe haben indessen eine sehr begrenzte Sicht des Problems, kennen nicht den schwierigen Alltag der Prostituierten. Diese werden gewöhnlich von einer Zuhältermafia und sogar Verbrecherkommandos beherrscht, erleiden viel Gewalt, haben eine stark angeschlagene Gesundheit, sind häufig psychisch gestört, drogenabhängig, halten sich für den Müll, den Abschaum der Stadt. Daher ist es sehr schwierig, Prostituierten den Ausstieg zu ermöglichen, sie aus ihrer Lage zu befreien. Viele in der Kirche wollen rasche Erfolge sehen, doch das ist unmöglich. Wir gehen zu den Prostituierten auf die Straße, suchen ihr Vertrauen, überzeugen möglichst viele in langsamen Schritten, daß der Ausstieg, daß ein besseres Leben möglich ist. Dann erarbeiten wir mit ihnen erfolgversprechende Projekte, etwa die Gründung einer Kooperative, berufsbildende Kurse.”
In Brasilien herrscht nach wie vor Massenarmut, Massenarbeitslosigkeit “ müssen die Ausstiegsprojekte daher gut überlegt sein. ”Manche Prostituierte absolvieren einen berufsbildenden Kurs, finden hinterher aber keine Arbeit “ und da sie ja von irgendetwas leben müssen, kehren sie in die Prostitution und zu den Drogen zurück. Wir suchen daher gemeinsam mit den Frauen Berufe aus, die tatsächlich passen. Viele Prostituierte wurden Friseusen, Pediküren, andere sogar Anwältinnen “ eine praktiziert heute als Ärztin. Eine andere gründete just im Hinterland mit Hilfe von Misereor ein Ausstiegsprojekt für jugendliche Prostituierte. Unsere Pastoral tut landesweit, soviel sie kann “ doch angesichts der gravierenden Lage ist es dennoch viel zu wenig.”
Das bestätigt auch Maria do Rosario, Leiterin der Kinderpastoral in der Erzdiözese von Sao Paulo, zu der auch über zweitausend Slums zählen. ”Wir als Kirche können nur einer beschränkten Zahl betroffener Mädchen helfen. Wir leisten ohnehin Sozialarbeit, die eigentlich Sache des Staates ist. Für Mädchen, die der Prostitution entfliehen wollen, gibt es in Brasilien immer noch keine staatliche Struktur, die sie auffängt. Zerrüttete, verwahrloste Familien der Slums stimulieren Mädchen nur zu oft zur Prostitution, um daraus Gewinn zu schlagen. In Sao Paulo betreuen wir daher rund 14000 solcher Familien, um genau das zu verhindern. Und das funktioniert auch. Aber die Zahl bedürftiger Familien ist natürlich viel höher. Daher nimmt die Kinderprostitution weiter zu. Die Regierung hat versprochen, die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen völlig zu stoppen. Doch den Worten folgten keine Taten.”
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