Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien, Oscar Niemeyer: Der Staatsarchitekt und sein Kritiker Joaquim Guedes. Niemeyers unerwähnte Kommerzbauten. Massaker an Bauarbeitern Brasilias in Mitteleuropa gewöhnlich verschwiegen.

„Hier in Brasilien hat niemand Courage, Niemeyer zu kritisieren –  der jetzige Personenkult ist einfach absurd”
Der Architekt und Uni-Professor Guedes aus Sao Paulo hat zwar diese Courage, wirkt indessen wie ein Rufer in der Wüste – die nationalen Medien meiden ihn derzeit wie die Pest. „Hör auf damit, Niemeyer zu kritisieren, du erntest dafür nur Prügel, sagen mir wohlmeinende Bekannte.” Doch angesichts des auch in Brasilien überbordenden Personenkults zum hundertsten Geburtstag Niemeyers kann Guedes einfach die Klappe nicht halten. Guedes zählt ebenso wie Niemeyer zu den Größen der brasilianischen Architektur, bekam viele Preise, realisierte hunderte Projekte. Andreas Hempel, Präsident des Internationalen Architekturkongresses von 2002 in Berlin, holt Guedes nicht zufällig ins wissenschaftliche Komitee des Expertentreffens.Niemeyer-Bauten in Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/31/oscar-niemeyer-gebaude-in-sao-paulo-california-eiffel-montreal-copan/
http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/07/oscar-niemeyer-memorial-da-america-latina-in-sao-paulo-architekturkritik-von-joaquim-guedes-fotoserie/

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Joaquim Guedes in Sao Paulo beim Website-Interview.

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Ausriß. Lula bei Schmidt in Hamburg.

“Ich glaube, ihr seid auf einem fabelhaft gutem Wege.” Schmidt zu Lula 2009…

Schmidt:”Ich kenne Oscar Niemeyer – und ich habe einen großen Respekt vor ihm…Ich war einer, der dafür gesorgt hat, daß er den japanischen kaiserlichen Kunstpreis für Architektur bekommen hat. So habe ich Oscar Niemeyer in Tokio kennengelernt.”(Extrem stark beschnittenes Gespräch Schmidt-Lula auf youtube)

Henry Kissinger spricht auf Trauerfeier für Helmut Schmidt in Hamburg:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/11/17/henry-kissinger-haelt-rede-auf-staatsakt-fuer-helmut-schmidtspd-am-23-11-2015-in-hamburg-kissinger-und-schmidt-viele-gemeinsame-wertvorstellungen/

DIE ZEIT und der Tod des Mitherausgebers Helmut Schmidt/SPD 2015 – was alles in den Nachrufen fehlt:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/11/12/die-zeit-und-der-tod-des-mitherausgebers-helmut-schmidtspd-2015-was-alles-in-den-zeit-nachrufen-fehlt/

Kuriose Mythenbildung um Schmidt und Lula:

http://www.hart-brasilientexte.de/2015/11/11/helmut-schmidt-2015-gestorben-mainstream-verbreitet-falschmeldungen-kuriose-mythen-schmidt-hatte-angeblich-den-damaligen-gewerkschaftsfuehrer-lula-begehrt-bei-unternehmern-als-verhandlungs-und-g/

Kreuz und Gedenkstein am Ort des Massakers: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/04/16/kreuz-und-gedenkstein-am-ort-des-massakers-an-bauarbeitern-brasilias-oscar-niemeyer-der-die-errichtung-brasilias-leitete-sagt-im-dokumentarfilm-von-dem-blutbad-nie-etwas-gehort-zu-haben/

“Ist Brasilia unmenschlich?” DIE ZEIT 1967, Helmut Schmidt/SPD ist noch nicht Mitherausgeber, steuert noch nicht die Inhalte:http://www.zeit.de/1967/50/ist-brasilia-unmenschlich/komplettansicht?print=true

Oscar Niemeyer und das Massaker an Bauarbeitern während der Errichtung von Brasilia:

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/11/11/brasilia-50-und-das-massaker-an-bauarbeitern/


Im Exklusivinterview macht sich Guedes über die jetzige Lob-und Hudel-Welle lustig, nennt sie zugleich „absurd und entsetzlich”. Mehr oder weniger bekannte Figuren der brasilianischen Architektur füllen derzeit Niemeyer-Sonderausgaben mit ellenlangen Elogen “ von Guedes, dem wichtigsten Kritiker druckt man bestenfalls ein winziges Zitat. Brasiliens große, teure Architektur-und Urbanismus-Zeitschrift „AU”(Arquitetura & Urbanismo) bringt es fertig, in die dicke Niemeyer-Dezember-Ausgabe gerade einen einzigen Guedes-Satz einzubauen. Doch der hat es in sich, und gibt angesichts der Fachautorität des über Siebzigjährigen die Hudel-Autoren im Grunde der Lächerlichkeit preis. „Niemeyers Diskurs paßt weder zu seinen professionellen Kontrakten aus einer inakzeptablen offiziellen Marktreserve “ seit Juscelino Kubitschek, von 1960 – noch zu seiner Architektur, der eine echte soziale Funktion fehlt.”
Wie Guedes sagt, bekam der Hundertjährige in den letzten Monaten mehrere Staatsaufträge, darunter die Restaurierung des Präsidentenpalasts von Brasilia “ was ihm, seinen Angehörigen, seinem Team Millionenhonorare einbringen werde. „Alles ohne Ausschreibung”, betont Guedes, „Niemeyer hat seine garantierte Marktreserve, braucht sich um Ausschreibungen, gar Mitbewerber nicht zu scheren.” Derartige Staatsprojekte dienten Politikern und deren Anhang dazu, sich schamlos zu bereichern, stets sei viel Betrug im Spiel. „Ich habe keinerlei Möglichkeiten, all dies öffentlich zu machen “ viele Intellektuelle Brasiliens schweigen über Niemeyer.”
Während der Militärdiktatur war Guedes im französischen Exil, lehrte als Professor an der Universität von Strasbourg Architektur. „Brasilianische Intellektuelle gaben in Frankreich die Parole aus, wer hierzulande Niemeyer kritisiere, sei für das Militärregime. Man wollte auch von mir, daß ich den Mund halte und in meinen Uni-Vorlesungen nicht sage, was ich über Niemeyer denke. Ich antwortete diesen Figuren, ich werde mir meine intellektuelle Freiheit von euch nicht rauben lassen, werde mich diesem Druck, all diesen Pressionen nicht beugen.” Die Schleimer von damals schleimen munter weiter.
Guedes, der mehrfach mit Architekturpreise geehrt wurde, erinnert dagegen an Kurioses:”Oscar Niemeyer erhielt die höchsten, jemals an einen Architekten gezahlten Honorare just während der Militärdiktatur, weil ja vieles in der Hauptstadt Brasilia erst nach dem Putsch von 1964 fertiggestellt wurde. Für mich ist Niemeyer kein echter Architekt, weil er keine Ahnung vom Menschen, von der menschlichen Persönlichkeit hat.”
Insider haben indessen entdeckt, daß Guedes jetzt für ein Buch des spanischen Verlags „Perspectiva”, das unter dem Titel „Conversas com Gaudì” (Gespräche mit Gaudì” herauskam, das Vorwort verfaßt hat, und darin auch Niemeyer erwähnt. Guedes stellt ihn auf eine Stufe mit jenen, denen in ihrer Arbeit die menschliche Person fremd, unbekannt sei, „die obrigatorischer Mittelpunkt jeder Architektur ist…” Solche Leute, fährt Guedes ironisch fort, redeten mit ihren Göttern und vor allem mit sich selbst.
Unterdessen wird ganz vereinzelt in Qualitätsmedien an Niemeyersche Fehlleistungen erinnert, darunter die Probleme mit den halbhohen, nicht bis zur Decke hochgezogenen Wänden in über 500 öffentlichen Schulen Rio de Janeiros. Oder an fehlende Funktionalität in Regierungsgebäuden Brasilias, wo weder ein günstiger Lichteinfall noch eine ordentliche Belüftung bedacht wurden:”Wenn die Air Condition ausfällt, müssen die Staatsangestellten wegen der extremen Hitze und des Fehlens von Fenstern, die für Ventilation sorgen, nach Hause geschickt werden.”
Niemeyer ist berühmt wegen seiner panischen Angst, ein Flugzeug zu besteigen. Deshalb hatte er die Strecke zwischen Rio de Janeiro und Brasilia stets mit dem Wagen zurückgelegt, suchte auch im Unterschied zu anderen Architekten die Orte im Ausland geplanter Bauprojekte nur selten auf, war bei Ehrungen, der Entgegennahme von Preisen nur selten anwesend.
Der bekannte brasilianische Umweltexperte Fabio Feldmann aus Sao Paulo erklärte während seiner Zeit als Kongreßabgeordneter über Brasilias Niemeyer-Bauten:”Hier sieht man überall, daß die Architektur von Oscar Niemeyer nicht funktional ist, schlecht in Bezug auf Komfort und inadequat in Bezug auf Belüftung und Beleuchtung. Seine Gebäude sind wunderbar für jenen, der sie von außen betrachtet, doch unbewohnbar, unangenehm, wenn man darin arbeiten, leben soll.”
Schlecht nur für Menschen? Ein Blick in etwas Fachliteratur, beispielsweise aus Europa, hätte Niemeyer davor warnen müssen, ein Gebäude wie Brasiliens Generalstaatsanwaltschaft in der jetzigen Form zu entwerfen. Jeder einigermaßen ökologisch gebildete Schüler Mitteleuropas hätte Niemeyer gesagt, daß sein Entwurf die reinste Vogelfalle ist. Kurz nach der Einweihung im August 2002 fand man täglich getötete, stark verletzte Vögel direkt unter der kurvigen, wie ein Spiegel funktionierenden Total-Glasfassade, andere verendeten weiter entfernt. Unter den Opfern viele streng geschützte Arten, wie seltene Kolibris. Niemeyers naturfeindliches Werk sorgte für soviel Unruhe und Diskussion, daß schließlich eine Expertengruppe der Universität Brasilias gerufen wurde. In Europa, so hiesige Qualitätsmedien, pflanze man vor derartige Fassaden im Interesse des Naturschutzes hohe Bäume oder realisiere andere Lösungen gegen Vogelschlag. Miguel Marini, Leiter der Expertenstudie:”Die Leute von Architektur und Bau pflegen sich um mögliche Umweltschäden nicht zu kümmern. Die schauen nur auf die Ästhetik. Es fehlt einfach Verantwortungsbewußtsein bei der Planung.”
Ist die offizielle Liste der Werke Niemeyers komplett “ oder fehlt da gewöhnlich einiges? Die über 500 Betonmonster-Schulen Rio de Janeiros werden häufig unterschlagen. Und wie die brasilianische Kunsthistorikerin Daniela Viana Leal herausfand, fehlen auch zahlreiche Kommerzbauten in und um Sao Paulo, weil diese im Widerspruch zu Niemeyers Diskurs über dessen eigene Architektur stünden. Laut Diana Viana Leal unterhielt Niemeyer in Sao Paulo ein Architekturbüro, dessen Existenz er heute abstreite. Die Kunsthistorikerin mußte daher nach dem Dementi Niemeyers mühselig und aufwendig alte Zeitungs-und Anzeigenarchive durchsuchen, um mehr über die sogenannte „fase renegada” des Architekten zu erfahren.
Ganz zu schweigen von Vladimir Carvalhos Dokumentarfilm über das Massaker an Bauarbeitern während der von Niemeyer mitbeaufsichtigten Errichtung Brasilias. Irgendwie ist das offenbar auch immer natürlich rein zufällig vergessen worden.

Chris Dercon, Direktor des Hauses der Kunst in München: „Aber immerhin erreicht er mit seiner Ideologie unglaublich sinnliche Architektur.“

Die Folha de Sao Paulo gibt 2012  die Position des Herausgebers des Mondadori-Verlags in Milano  über Oscar Niemeyer, den Architekten des Verlagsgebäudes, gegenüber einer brasilianischen Journalistin wieder:

„Sage ihm, daß es eine Folter ist, in diesem Ambiente zu sein. Das Licht von draußen knallt einem direkt ins Genick, die Belüftung ist unerträglich und thermisch, von der Wärmeregulierung her,  ist es die Hölle.“ 

Dieser Beitrag wurde am Montag, 11. Februar 2008 um 14:17 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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