Brasiliens Staatschef verteidigt Sektenklagen gegen kritische Medien als legitim
Die jüngste Prozeßlawine evangelikaler Sekten gegen kritische Medien und Journalisten ist vom brasilianischen Staatspräsidenten Luis Inacio Lula da Silva als legitim bezeichnet worden. Derartigen Klagen bedrohten keineswegs die Pressefreiheit, sondern gehörten zur Konsolidierung der Demokratie im Lande, erklärte Lula. Wenn die „Universalkirche vom Reich Gottes“ jetzt vor Gericht ziehe, bediene sie sich eines Pfeilers der Demokratie. Lula nahm keinen Anstoß daran, daß die über fünfzig Prozeßklagen offenbar in einer orchestrierten Aktion über das gesamte Land verteilt worden waren.
Die Position des Staatspräsidenten wurde von den Qualitätsmedien Brasiliens teilweise scharf verurteilt. Zu hoffen sei, daß Lula nicht aus parteipolitischen Gründen mit den Attacken gegen die Pressefreiheit paktiere, hieß es. Die von der Universalkirche kontrollierte Republikanische Partei(PRB) gehöre immerhin zu seiner Regierungsallianz und stelle Lulas Vize Josè Alencar. Bei diesem handelt es sich um einen Milliardär, Großunternehmer und früheren Diktaturaktivisten. Nachdem in jüngster Zeit zahlreiche Analysen über Machenschaften und wirtschaftliche Strategien evangelikaler Sekten veröffentlicht worden waren, hatte die Universalkirche als größte und ökonomisch stärkste neupfingstlerische Wunderheilersekte mehr als fünfzig Schadenersatzklagen von Gläubigen und Pastoren gegen wichtige Zeitungen sowie einzelne Journalisten angestrengt. Die Prozesse waren über das gesamte Riesenland von der 24-fachen Größe Deutschlands verteilt worden. Viele  wurden sogar in schwer zugänglichen Orten Amazoniens eingereicht. Der Transport von Anwälten und Angeklagten zu den Gerichtsverhandlungen verursacht den betreffenden Medien daher enorme Kosten. Die brasilianische Journalistenvereinigung, aber auch internationale Rechtsexperten haben die Sektenklagen als Angriff auf die Pressefreiheit bezeichnet, die Medien und deren Mitarbeiter sollten eingeschüchtert werden. Bischof Edir Macedo, Gründer und Chef der Universalkirche, gilt als Milliardär, weil ihm unter anderem Brasiliens zweitgrößte TV-Anstalt „Rede Record“ gehört. Macedo und sein aus 32 weiteren Bischöfen bestehender Führungszirkel, so hatten die Medien berichtet, kontrollierten bereits die meisten TV-Stationen und besäßen den größten Teil der vom Staate vergebenen Sendelizenzen. Die Universalkirche sei zu einem bedeutenden Wirtschaftskonzern mit vielen Auslandsfilialen aufgestiegen. Die evangelikalen Sekten Brasiliens hatten ihre Anhängerschaft massiv für den Wahlsieg Lulas mobilisiert.
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Evangelikale Sekten Brasiliens starten zunehmend Prozeßlawinen gegen Medien und einzelne Journalisten, die kritische Berichte über Machenschaften und wirtschaftliche Strategien dieser Religionsvereinigungen veröffentlicht hatten. Brasiliens Journalistenverband und Medienexperten haben dies als ”Einschüchterung und Zensurversuch sowie als Angriff auf die Pressefreiheit scharf verurteilt.
Sie kritisierten besonders Brasiliens größte neupfingstlerische Wunderheilersekte, die ”Universalkirche vom Reich Gottes, welche kürzlich eine ganze Serie von Prozessen gegen die auflagenstärkste Qualitätszeitung ”Folha de Sao Paulo und deren Religionsexpertin Elvira Lobato sowie gegen die populäre Tageszeitung ”Extra aus Rio de Janeiro und ”A Tarde in Salvador da Bahia gestartet hatte. Anlaß waren jüngste Artikel, die den Weg der Universalkirche zu einem bedeutenden Wirtschaftskonzern mit vielen Auslandsfilialen nachgezeichnet hatten, außerdem Berichte über Vandalismus eines Sektenmitglieds in einer katholischen Kirche Salvadors. So wurden allein gegen die Qualitätszeitung und ihre Journalistin von Pastoren und Sektenanhängern fast fünfzig Schadensersatzklagen angestrengt, die in den wichtigsten Formulierungen identisch sind. Durchweg hieß es, die kritischen Artikel hätten jedem einzelnen stark moralisch geschadet. Die Prozesse waren über das gesamte Riesenland von der 24-fachen Größe Deutschlands verteilt worden, viele Gerichtsverhandlungen fielen auf den selben Tag. Daher mußte die Rechtsabteilung der Zeitung ein sehr kostenaufwendiges logistisches System entwickeln, um teilweise sogar per Schiff ihre Anwälte zu den Prozeßorten zu bringen. Die ”Folha de Sao Paulo hatte berichtet, daß die Universalkirche vor allem in der Medien-, Finanz-und Immobilienbranche aktiv sei, eine Privatkrankenkasse, Plattenfirmen und Buchverlage, eine Tourismusagentur sowie ein Luftttaxi-Unternehmen besitze. Über Beteiligungsgesellschaften halte die Universalkirche Aktienanteile in verschiedensten Wirtschaftssektoren. Der Sektengründer und selbsternannte Bischof Edir Macedo gilt als Milliardär, weil ihm unter anderem Brasiliens zweitwichtigste TV-Anstalt „Rede Record” gehört, die zunehmend erfolgreicher mit der Nummer Eins, dem Fernsehkonzern „TV Globo” konkurriert. Macedo und sein aus 32 weiteren Bischöfen bestehender Führungszirkel, so hieß es weiter, kontrollierten inzwischen die meisten TV-Stationen und besäßen den größten Teil der vom Staate vergebenen Sendelizenzen. In ganz Brasilien habe Macedo zudem eine Radiokette mit vierzig Stationen, 36 weitere Rundfunkstationen seien angemietet. In dem von Deutschstämmigen geprägten Südstaat Rio Grande do Sul gehört der Universalkirche die zweitgrößte Tageszeitung “ die landesweit erscheinende Wochenzeitung „Folha Universal” hat inzwischen eine Auflage von 2,3 Millionen. Folha de Sao Paulo führt den raschen wirtschaftlichen Erfolg der Sekte auf „ausgeprägten kapitalistischen Unternehmergeist” und aggressive Marketingtechniken zurück. Zudem seien die mehreren Millionen Anhänger mittels Heils-und Prosperitätsversprechen permanent zu Spenden angeregt worden.
Noch in den neunziger Jahren hatte Sektenchef Macedo regelmäßig im überfüllten Maracanà von Rio, dem damals größten Fußballstadion der Welt, regelmäßig Wunderheilungen zelebriert und war wegen Scharlatanerie zeitweilig im Gefängnis. Über zwanzig Gerichtsverfahren, darunter wegen Steuerhinterziehung, konnten zunehmend rascher abgewehrt werden, da den Analysen zufolge auch der politische Einfluß der Universalkirche deutlich anwuchs. Sie dominiert Brasiliens Republikanische Partei, die mit Josè Alencar, einem Milliardär und Großunternehmer, sogar den Vize von Staatspräsident Luis Inacio Lula da Silva stellt. Es wird damit gerechnet, daß der Sektengründer bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im größten katholischen Land erstmals einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt. Religionsexperten führen auch auf den zunehmenden politischen Einfluß der Wunderheilersekten zurück, daß die strengen Gesetze gegen Scharlatanerie seit Jahren nicht mehr angewendet werden.
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