Katholischer Missionar und wichtigster Leprabekämpfer – Kenner der Indianerkultur
„Die Politiker müßten mehr Herz für ihr eigenes Volk haben“
Im Mittelalter wütete die Lepra auch in Deutschland, wurden die „Aussätzigen“ in etwa 20000 Siechhäusern isoliert. Lediglich dank besserer Lebensbedingungen, ohne jegliche Therapie, konnte die Lepra bereits vor zweihundert Jahren ausgerottet werden. Weltweit gibt es jedoch noch viele Millionen von Kranken, die meisten in Indien, gefolgt von Brasilien, Lateinamerikas größter Demokratie. Dort ist der katholische Missionar Manfred Göbel aus dem bayrischen Eichstätt der bekannteste, angesehenste Leprabekämpfer.
Der große brasilianische Menschenrechtsaktivist Helio Bicudo überreichte ihm den Menschenrechtspreis. Denn Göbels Arbeit ist prinzipiell Menschenrechtsarbeit. Derzeit koordiniert er 15 internationale Leprahilfswerke, darunter die „Deutsche Lepra-und Tuberkulosehilfe”, verhandelt mit der Regierung, unterstützt die Verbände der Lepraopfer. Denn das Tropenland zählt 98 Prozent aller Leprafälle Nord-und Südamerikas.
Brasilien ist die zehntgrößte Wirtschaftsnation, exportiert Flugzeuge und Hightech, Rindfleisch und Soja auch nach Deutschland, hat ein milliardenteures Raumfahrtprogramm. Doch auch unter Staatschef Lula gibt es noch Lepra wie im Mittelalter. „Etwa 48000 neue Leprafälle jährlich, bei sehr hoher Dunkelziffer”, so Manfred Göbel, „das ist kaum zu fassen, das fragt sich jedermann. Weil eben die sozialen Probleme nicht gelöst sind. Millionen hausen in den Slums unter unmenschlichen Bedingungen – es ist schockierend. Man fragt sich, wie die dort überhaupt überleben können, ohne Perspektive. Ich habe den Eindruck, viele Leute aus der oberen Mittelschicht kennen diese Realität überhaupt nicht oder verdrängen sie eben. Die Leprafälle konzentrieren sich nicht im Süden, der gut entwickelt ist, sondern im Norden, Nordosten und Mittelwesten Brasiliens. Lepra ist ein Problem sozial ungerechter Strukturen, der Konzentration des Reichtums. In Brasilien sind diese Strukturen weltweit am ungerechtesten – es hat sich die letzten Jahre nur sehr wenig verändert.”
Lepröser vor Supermarkt in Sao Paulo.
Lepraopfer.
–Boomregion mit Lepra”
Göbel wohnt im westlichen Teilstaat Mato Grosso, in einer Boom-Region, die wegen der Produktions-und Exportrekorde des Agrobusiness immer wieder Schlagzeilen macht. Doch Mato Grosso liegt trotzdem bei der Lepra vorn.
„Das ist es ja. Mato Grosso ist dreimal so groß wie Deutschland, produziert 25 Millionen Rinder, 30 Millionen Tonnen Sojabohnen jährlich, vieles andere mehr. Die zweieinhalb Millionen Bewohner müßten eigentlich mehr als wohlgenährt sein. Doch 800000 leben in Armut, Elend. Neu angelegte Städte sind sehr reich und wohlstrukturiert – und dennoch ist die Leprarate dort am höchsten. Wegen der krassen Gegensätze zwischen Reich und Arm. Viele leben in einfachen Hütten, ohne Hygiene, im Chaos. Besonders schrecklich ist, daß auch sehr viele Kinder an Lepra erkranken.“
Lepra ist längst durch Antibiotika, die sogenannte Multi-Track-Therapie, in mehreren Monaten heilbar – doch im neoliberalen, reichen Brasilien geschieht dies keineswegs flächendeckend, wird keineswegs ausreichend in die Früherkennung investiert. Viele Kranke kommen erst dann zur Behandlung, wenn grauenhafte Folgeschäden, Verstümmelungen nicht mehr zu verhindern sind. Wegen des extrem niedrigen Bildungsniveaus kommen sehr viele Infizierte gar nicht auf die Idee, daß sie Lepra haben könnten.
–„Brasilien hat die Gelder, die Mittel””
Dank Manfred Göbel wurden zwar enorme Erfolge beim Kampf gegen die Lepra erreicht – doch sehr viel bleibt noch zu tun, hängt nicht von seiner Arbeit ab. „Die Gelder müßten besser eingesetzt, die massive Zweckentfremdung müßte gestoppt werden. Die Politiker müßten mehr Herz für ihr Volk haben, sich mehr für die Benachteiligten einsetzen. Denn Brasilien hat die Gelder, die Mittel. Und man müßte mehr in die Erziehung, in das prekäre Schulwesen investieren, um das Niveau der Bevölkerung zu heben. Asiatische Länder erreichten dadurch große Fortschritte. Deshalb ist heute meine Hauptarbeit, mit den Regierungen in Brasilia und den Teilstaaten über eine effizientere Leprabekämpfung zu verhandeln. Ich muß allen Ernstes Politiker, selbst Bürgermeister davon überzeugen, etwas gegen die Lepra zu tun. Dabei warten derzeit immerhin etwa hunderttausend Leprakranke mit schweren Folgeschäden auf chirurgische Maßnahmen. Ich fördere Problembewußtsein, damit möglichst viele Menschen die Lepragefahr verstehen, sich organisieren und politische Forderungen stellen. Ich arbeite auch mit Menschenrechtsorganisationen zusammen, weil Leprakranke diskriminiert, sogar entlassen werden.“
Die brasilianische Megacity Sao Paulo ist Lateinamerikas reichste Stadt, hatte die jetzt zur Tourismusministerin ernannte Marta Suplicy von der Arbeiterpartei PT bereits als Präfektin. Wurde unter der PT die Lepra in Sao Paulo ausgerottet, oder gibt es sie etwa noch in den 2000 Slums?
„Und wie – jedes Jahr werden über 6000 neue Fälle registriert, grassiert außerdem Tuberkulose. In fünfzig Slums in der Stadtregion von Sapobemba starte ich deshalb jetzt ein Programm gegen die tödliche TBC. Brasilienweit zählen wir jährlich etwa 100000 Neuerkrankungen, viel mehr als bei der Lepra.”
Jährlich sterben weltweit rund zwei Millionen Menschen an Tuberkulose, gemäß den Statistiken.
–Hohes Lebensrisiko”
Göbel kam 1979, mitten in der schwärzesten Phase der Militärdiktatur, als katholischer Missionar nach Brasilien, wurde von den Militärs gar als Subversiver angesehen, entsprechend traktiert. Im Land, das jährlich über 50000 Morde zählt, arbeitet er immer noch unter hoher Lebensgefahr, die sich gewöhnlich in Deutschland kaum jemand vorstellen kann. „Um die Leprabekämpfung aufzubauen, bin ich über eine Million Kilometer mit dem Jeep durch den Urwald gefahren, mußte über kaputte Brücken, habe in Hütten geschlafen. Und ich mußte oft vor Berufskillern, bewaffneten Banden flüchten “ es gab Kämpfe zwischen Indianern und Landlosen. Heute sind Gewalt und Kriminalität überall im Land noch viel höher – die Menschen in Brasilien haben Angst. In der sehr gewalttätigen Stadt Cuiabà , wo ich wohne, stellen Drogenbanden sogar Straßensperren auf, gibt es täglich Überfälle und Entführungen. Letztes Jahr wurde meine Sekretärin verschleppt. Ich bin jetzt in Cuiabà von Gangstern verfolgt worden, mußte mit 120 durch die Stadt rasen, um denen zu entkommen. Geht man in Cuiaba abends auf die Straße, hat man Angst – alle meine Freunde haben Angst. Die Gewalt hat in Brasilien stark zugenommen. Wenn man sich für die sozialen Probleme einsetzt, muß man vor allem als Ausländer sehr aufpassen, auf welcher Ebene man sich bewegt. Anfangs konnte ich in Brasilien noch alleine zu den Lepraprojekten von Mato Grosso fahren – das ist heute unmöglich, ich brauche wegen der Gefahren stets Begleiter. ”
–Indiomentalität”
Göbel wohnt in der Region mit der nach Amazonien zweitgrößten Indianerpopulation, lernte durch seine Arbeit zwangsläufig auch Sitten und Gebräuche, die Mentalität von Indianern kennen. Auch bei den Stämmen hat er Programme gegen Lepra und Tuberkulose realisiert. „Im Indianerreservat Dourados gab es die höchste TBC-Rate Brasiliens, eine sehr hohe Kindersterblichkeit wegen Unterernährung, sodaß wir dort Programme gestartet haben – den Indianern erklärten, wie man sich richtig ernähren soll. Wir haben angefangen, dort Gemüsegärten anzulegen und Obst anzubauen. Das war am Anfang sehr schwierig, denn die Indianer wollten nicht mitmachen. Inzwischen haben wir auch die Unterernährung einigermaßen gedrosselt – was aber sehr schwierig ist. In Dourados hatten wir ein wenig Glück, weil die Indios dort schon zivilisierter sind und vor allem der Terena-Stamm bereits Erfahrung mit Ackerbau und Viehzucht besitzt.“ Daß bei den Indianern Unterernährung existiert, daß deshalb sogar immer wieder Kleinkinder sterben, hat nach seiner Beobachtung mit den kulturellen Strukturen zu tun. „In den Familien”, so erläutert er, „essen zuerst die Männer von der Nahrung. Erst dann dürfen die Frauen essen. Denn wenn die Frau vor Hunger stirbt, so die Mentalität, kann sich der Mann ja eine andere nehmen.” Und was ist mit der Ernährung der Kinder? „Zuletzt erst essen die Kinder. Das ist die Kultur bei den Indianern. Denn man kann ja, wenn das Kind stirbt, ein anderes Kind zeugen. Die haben diese Denkweise. Und das ist natürlich ein schwieriges Problem – man muß also neue Strategien entwickeln, damit die Kinder auch genügend zu essen bekommen. Denn es ist nicht damit getan, daß man den Indianern Nahrungsmittelhilfen liefert und es dann eben so abläuft – erst der Mann! Man muß die staatliche Indianerbehörde FUNAI und den Gesundheitsdienst FUNASA in Schutz nehmen gegen Kritik an der Kindersterblichkeit in Dourados – denn alles hängt von der Indio-Kultur ab. Das Reservat von Dourados ist wie ein Glashaus – was dort passiert, wird sofort auf die nationale Ebene gehoben. Wenn dort ein Kind stirbt, führt dies zu einem Riesenskandal, obwohl es in anderen Indioregionen weit schlimmer aussieht. Wunder kann man leider nicht vollbringen.”
In der Region von Dourados existiere zudem das Problem des stark verbreiteten Alkoholismus, aber auch des Konsums anderer Drogen. Manfred Göbel bezweifelt, daß es richtig ist, den Indios regelmäßig Nahrungsmittelpakete zu geben. „Es wäre besser, dafür zu sorgen, daß die Indianer ihre Nahrung selbst produzieren. Auch wir von der Leprahilfe hatten anfangs Nahrungsmittelpakete für die Indios finanziert, was uns aber zu teuer wurde. Wir haben dann angefangen, Gemüse-und Obstgärten anzulegen, was anfangs sehr mühselig war. Erst als ein Indianer Gemüse aus seinem Garten auf dem Markt der Stadt Dourados verkaufte und damit Geld besaß, wollten andere Indios dann auch solche Gärten. Es funktioniert, solange der staatliche Indio-Gesundheitsdienst FUNASA ständig bei diesen Gärten nach dem Rechten sieht. Die Gefahr besteht, daß die Indianer mit ihrer ersten Ernte zwar Geld verdienen, das aber in Alkohol umsetzen – wodurch alles wieder zerstört wird. Ich kenne das Beispiel der Xavantes im Norden von Mato Grosso: Wir hatten dort eine Anti-Tuberkulose-Kampagne gemacht, bei der der Häuptling mich auf die fehlende Nahrung hinwies. Ich sagte, gut, wir zahlen euch das Anlegen eines Gemüsegartens und eine Hühnerzucht – in drei Monaten komme ich wieder und schaue mir an, wie es läuft. Als ich dann kam, hat man eine Versammlung einberufen, bei der sich ein Indio vor mich stellte und mich beschimpfte. Er habe im Traume gesehen, daß hier viele Hühner herumlaufen und alle genügend Hühner zum Sattessen hätten. Wo sind die Hühner, die du uns versprochen hast? Da habe ich gesagt, ihr müßt natürlich warten, bis sich die Hühner vermehren. Wenn ihr vorher alle aufeßt, habt ihr eben keine Hühner. Daraufhin stand ein anderer Indio auf und hat mich ebenfalls wild beschimpft. Du hast uns den Gemüsegarten und die Hühnerzucht gebracht – das war deine Idee, nicht unsere. Jetzt mußt du einen bezahlen, der das alles unterhält. Wir machen das nicht. Das hat mir erst einmal die Sprache verschlagen. Daraufhin habe ich gesagt, hört mal her, ihr habt doch den ganzen Tag nichts zu tun, müßtet euch lediglich um den Gemüsegarten und die Hühner kümmern. Und wenn ihr nicht mal das schafft, nehme ich eben alles Hergebrachte wieder mit. Der Häuptling sagt mir danach, Manfred, ich mußte Wachen aufstellen, damit die nicht alle Hühner aufessen und die Eier stehlen. Ich hatte Angst, daß nichts mehr da ist, wenn du kommst. Der Stamm ist daraufhin in den Krieg gezogen, sodaß von unserem Projekt nichts übrigblieb. Wir versuchen den Leuten zu helfen, damit sie aus ihrer Not herauskommen – doch das ist äußerst schwierig. Denn deren Mentalität ist, keinerlei Vorrat anzulegen. Wenn Nahrung da ist, wird die aufgegessen, bis die Bäuche platzen. Auf einer Indianermissionsstation der katholischen Salesianer funktioniert die Landwirtschaft gut, weil diese mit den Indios gemeinsam arbeiten und alles kontrollieren. Falls die Salesianer weggingen, würden die Indianer sämtliche Rinder aufessen. Das ist eben deren Kultur – was von der Jagd ins Dorf gebracht wird, essen sie restlos auf. Wir haben noch keine Lösung dafür – und solange die fehlt, werden eben die Probleme bleiben.“
In europäischen Ländern wird vor allem aus kommerziellen Gründen an der Idealisierung der Indianer in der Art von Karl May festgehalten.
Hintergrund über Indioreservat Dourados
Schwieriger Kampf gegen tödliche Unterernährung
Zelick Trajber entkam in Polen als kleiner Junge mit der ganzen Familie dem Genozid der Nazis, wurde in Brasilien Kinderarzt und rettet seit Jahren geradezu serienweise kleinen Indios das Leben. Das westbrasilianische Indianerreservat von Dourados, für das er seit sieben Jahren zuständig ist, macht  indessen immer wieder  Negativschlagzeilen. Auch das Fernsehen zeigt anrührend die Beerdigung von Indiokindern vom Stamme der Guarani-Kaiowa, die Opfer von Hunger, Unterernährung und entsetzlicher Misere geworden seien.
Amnesty International und andere internationale Menschenrechtsorganisationen schlagen deshalb Alarm. Hätten Trajber und seine indianischen Mitarbeiter vom staatlichen Gesundheitsdienst FUNASA diesen Kindern nicht helfen können, ja müssen? Selbst Brasiliens Sozialminister Patrus Ananias, zuständig für das nationale Anti-Hunger-Programm, empört sich über den Hungertod der Indio-Sprößlinge.
„Die Situation im Reservat ist sehr komplex, vieles erscheint widersprüchlich, man muß genau hinschauen, genau analysieren”, betont Kinderarzt Trajber. Er schildert den Fall des kleinen Rogerio: Als sein Team entdeckt, daß der nur 14 Monate alte Junge von den Eltern sehr schlecht ernährt wird und zudem starken Durchfall hat, gelingt es Trajber, die Mutter davon zu überzeugen, der Einlieferung in ein kirchliches Hospital zuzustimmen. „Doch wenige Tage danach hat sie Rogerio heimlich herausgeholt, unsere Suchaktion im ganzen Reservat blieb ohne Erfolg.” Erst als das Kind tot ist, wird Trajber gerufen, es abzuholen. „Die Eltern und alle anderen Indios, die wir dort antrafen, waren sehr stark betrunken.” Wäre der kleine Rogerio im Hospital geblieben, hätte man ihn hundertprozentig gerettet, so der Arzt. Also ist die Mutter am Tod des eigenen Kindes schuld? „Ja, so ist es leider.”
Im Falle der kleinen Cleison, deren Tod mit nur zehn Monaten ebenfalls die Nation erregte, liegen die Dinge ähnlich. Selbst der Häuptling des Indiodorfs, Luciano Arevolo, bestätigt: ”Die Eltern haben sogar Lebensmittelpakete von der FUNASA bekommen, doch ihr Kind nicht ernährt, es hungern lassen.” Bei der Beerdigung fällt auf, daß die Angehörigen akkulturiert, gut gekleidet wie Weiße sind, meist schicke Markenjeans tragen.
“gängige Vorurteile, soziokulturelle Faktoren, Kindstötung”
Kinderarzt Trajber stellt ausdrücklich klar, gängige Vorurteile gegen Indianer stets energisch zu bekämpfen. Doch andererseits müsse man über kulturelle Faktoren offen sprechen. „Ich habe als Arzt keine Polizeifunktionen und bin in einer schwierigen Lage, wenn Indiofamilien jegliche medizinische Hilfe strikt ablehnen.” Manche Indios glaubten, der Weiße wolle deren Kinder töten. Sei ein Kind nicht gewollt, komme es vor, daß es die Indiomutter beiseite lasse. „Wenn wir es nicht betreuen können, wird es sterben.” Unternernährte Indiokinder werden häufig während der Wochentage in Heimen der FUNASA speziell betreut, nehmen dort deutlich an Gewicht zu. Doch am Wochenende, wenn die Indioeltern für diese Kinder verantwortlich sind, verlieren sie wieder an Gewicht. „Diese Kinder bekommen bis zu drei Tage lang überhaupt nichts zu essen”, konstatiert die zuständige Ernährungsbeauftragte der FUNASA.
Laut Trajber ist zudem die bei manchen Stämmen übliche Kindstötung wegen Behinderungen, Geburtsfehlern oder des nicht erwünschten weiblichen Geschlechts auch im Reservat von Dourado anzutreffen. „Manchmal wissen wir “ diese oder jene Frau wird ein Kind bekommen “ doch dieses Kind wird sterben, weil es unerwünscht ist. Es gibt Indiofrauen, die in einem solchen Falle es ablehnen, eine vorgeburtliche medizinische Betreuung zu akzeptieren. Und sogar sagen, daß das betreffende Kind nach der Geburt sterben werde. Für mich als Arzt ist das ein gravierendes ethisches Problem. Wie soll ich damit umgehen?”
“Glaube an Hexerei”
Indianer glaubten zudem noch tief und fest daran, daß Krankheiten von Hexerei herrührten. „Da werde die Arznei der Weißen auch nicht helfen.” Häufig stimmten daher Indioeltern nur dann einer Hospitaleinweisung, der Einnahme von Medikamenten zu, wenn gleichzeitig Gesundbeter, Bekämpfer von bösem Zauber vor Ort seien. Gerade hatte ein jugendlicher Indio im Reservat mit Messerstichen eine Frau seines Stammes getötet, die er für eine Hexe hielt. 2005 wurde in der Region eine Indianerin mehrere Tage an einem Baumstamm gefesselt “ unter dem Vorwurf, Hexereien begangen zu haben. Der Stamm hatte den Berichten zufolge vor, die Frau lebendig zu verbrennen. Indioführer konnten das verhindern. „Die Gewalt unter den Indios in den Reservaten ist sehr hoch “ letztes Jahr wurden hier sogar aus nichtigem Anlaß zwei Indianer geköpft”, so Trajber, „die Köpfe hat man in einen Brunnen geworfen.”
Laut Polizeiangaben hatte eine Gruppe von Indios aus Dourados letztes Jahr zwei Polizisten zuerst barbarisch gefoltert und dann erschossen.
2005 waren ebenfalls im Reservat von Dourados Indiokinder wegen Unterernährung gestorben. Der damalige Gouverneur Jose Miranda dos Santos aus Staatschef Lulas Arbeiterpartei erklärte gegenüber der Presse, dafür gebe es auch kulturelle Gründe:”In der indianischen Kultur ernähren sich zuerst die Erwachsenen “ und erst danach, wenn etwas übrig bleibt, die Kinder. In der Indiokultur ist es so, daß die Schwächsten aufgegeben, vernachlässigt werden.” Indioführer weisen zudem auf den Umstand, daß Eltern die staatlichen Nahrungsmittelhilfen gegen Schnaps eintauschen.
Aber haben Indios nicht einen sehr starken Gemeinschaftssinn, sorgt sich denn nicht einer um den anderen, wie gewöhnlich in Europa sozialromantisch propagiert wird? „Das ist eine falsche Vorstellung.”
“Mortalitätsrate stark gesenkt”
Manfred Göbel, deutscher Missionar von der katholischen Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe und Brasiliens bekanntester Lepra-Bekämpfer, arbeitet mit Trajber zusammen, und weist ebenfalls auf problematische soziokulturelle Eigenheiten der Stämme. Göbel bestätigt, daß durch Trajber die Kindersterblichkeit im Reservat sehr stark zurückging, Presse und Politiker derzeit völlig ungerechtfertigt die FUNASA von Dourados attackieren. Trajber hat exakte Statistiken, eine Seltenheit in Brasilien. 2005 starben im ganzen Lande durchschnittlich fünfzig von eintausend neugeborenen Indiokindern, während der Gesamtdurchschnitt, auf alle Brasilianer bezogen, bei etwas mehr als der Hälfte lag. Dem Arzt gelang es indessen, die Kindersterblichkeitsrate bis heute im Reservat unter den Landes-Gesamtdurchschnitt zu drücken. Im Jahre 2000, als Trajber, aus Sao Paulo kommend, dort anfing, waren in der Region von Dourados immerhin noch über 140 von tausend Indio-Neugeborenen gestorben.
Doch danach fragt ihn die Landespresse nicht. „An manchen Tagen komme ich nicht zum Arbeiten, weil mich die Journalisten wegen der neuen Todesfälle einfach nicht in Ruhe lassen. Denn wir verstecken hier ja auch nichts “ ganz im Gegenteil, wir packen alle Wahrheiten, alle Fakten auf den Tisch! Man sollte mal Stämme interviewen, die geradezu enorme Mortalitätsraten haben “ doch das passiert eben nicht, darüber erscheint in der Presse keine einzige Zeile. Unsere Statistiken stimmen “ doch in den meisten Regionen, darunter in Nordbrasilien, existieren gar keine Daten! Das ist erschreckend! Diese Arbeit hier in diesem Reservat ist der reine Wahnsinn. Diesen Job machen nur jene, die sich voll damit identifizieren, ihre Arbeit mögen. Wer hier nicht unserer Philosophie folgt, verläßt unser Team.”
“hoher Alkoholkonsum”
Laut Trajber gehören Alkoholprobleme bei brasilianischen Stämmen zu den kulturellen Faktoren.
Selbst in Amazonien lehnten sich Indianerfrauen gegen den hohen Alkoholkonsum der Männer, und auch der Häuptlinge auf. Zumal den Frauen die Pflicht obliegt, starke alkoholische Getränke für die Männer zumeist aus Früchten herzustellen. Bei Treffen von Indianerinnen wurden bis zu einem Monat andauernde Saufgelage der Männer kritisiert “ die während dieser Zeit eben auch keinerlei Arbeiten für den Stamm, die Familie verrichtet hätten. Zu den Hauptkritikpunkten eines dieser Treffen zählte: „Die meisten unserer Stammesführer sind Trinker.”
Auch im Reservat von Dourados ist Alkoholismus keineswegs selten, auch nicht bei Frauen.
Gemäß Trajber bildete sich eine problematische Abhängigkeit vieler Indiofamilien von Nahrungshilfen des Staates heraus:”Die Indianer brauchen strukturierende Programme, die eine Lebensmittelproduktion stimulieren. Wenn man Indianern Nahrungspakete gibt, passiert folgendes: Hatten sie vorher Maniok angebaut, stoppen sie das, weil sie wissen, an einem bestimmten festen Tag kommt ja das staatliche Nahrungspaket. So schafft man eine Mentalität der Almosenempfänger! Viele Indios haben sich daran gewöhnt, nur noch auf den Tag der Ankunft des Nahrungspakets zu warten, pflanzen überhaupt nichts mehr an.”
“Indios verpachten ihr Land für Sojaanbau”
Laut Trajber geschieht zudem ausgerechnet in Dourados etwas völlig Überraschendes: Indianer, die gewöhnlich über mangelnden Lebensraum für traditionelle Subsistenzwirtschaft klagen, verpachten sehr häufig ihre Ländereien ausgerechnet an Großgrundbesitzer, die auf diesen Flächen dann Soja anbauen. „Dies alles ist sehr widersprüchlich”, betont ein weiteres Mal der Arzt und Indiokenner. „Per Gesetz müßte den Indios eigentlich verboten werden, ihr Land zu verpachten!” Weit über zehntausend Indios aus der Region von Dourados arbeiten in Zucker-und Ethanolfabriken, viele Familien bekommen die Geldhilfe des Anti-Hungerprogramms der Regierung.
Sie sollten ein Buch schreiben, Zelick Trajber “ in Europa hört man gewöhnlich nur Realitätsfremdes über Brasiliens Indianer. „Ich habe überhaupt keine Zeit, bei dieser Wahnsinnsarbeit, die uns völlig vereinnahmt, auffrißt. Da bleibt keine Minute, um mal was zu notieren! Die Medien liefern gewöhnlich nur Schlagzeilenhaftes, identifizieren nicht die echten Probleme. Die Wahrheit sollte absolute Priorität haben!”
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”Man hat uns wie Versuchsratten traktiert, uns keine Medikamente gegeben, erinnert sich Sebastiao dos Santos, heute über siebzig, von Lepra gezeichnet. ”Wer wie ich gegen die Zustände, gegen die Autoritäten aufbegehrte, wurde für geistesgestört erklärt und in die psychiatrische Anstalt dieser Leprakolonie gesperrt, bricht es aus ihm heraus. ”Ich war dort jahrelang, es war schrecklich.
Die ”Vila Padre Bento nahe der Megacity Sao Paulo ist nach einem katholischen Priester benannt, der sich dort um 1800 als erster aufopferungsvoll den Leprakranken widmete, aus eigener Tasche sogar ein Hospital errichtete und bis zu seinem Tode unterhielt. Danach wurde die ”Vila Padre Bento jedoch vom Staat in eines der vielen brasilianischen Lager für Aussätzige umgewandelt, pferchte die Seuchenpolizei etwa 5000 Menschen hinein. ”Ich war damals verheiratet, durfte meine Frau, meine Kinder aber nie sehen, so Sebastiao dos Santos. Abscheu, Verachtung, Vorurteile gegen Lepröse waren enorm – nur zu oft brachen die Angehörigen jeglichen Kontakt zu den Kranken ab. Viele heirateten in der Kolonie erneut, deren Kinder wurden sofort zur Adoption freigegeben. ”Hier drinnen gab es kein Pflegepersonal – wir mußten uns gegenseitig betreuen, sogar unsere Toten selber begraben. Ärzte blieben auf Distanz, Polizisten und Gefängniswärter waren böse und brutal, mitleidlos. Der mittelalterlich wirkende Kerker steht immer noch – Wagner Marques war dort mehrfach inhaftiert: ”Ich konnte fliehen, wurde in Sao Paulo wegen meines Anstaltshemds erkannt, geschlagen, schon als Dreizehnjähriger über 120 Tage in den Koloniekerker gesperrt.
Jetzt werden die Überlebenden aller Aussätzigen-Kolonien eine geringe Wiedergutmachung erhalten. Denn 1959 hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO allen Staaten empfohlen, Leprakranke nicht länger gewaltsam von der Außenwelt, von ihren Mitmenschen zu isolieren. Denn es gab inzwischen hochwirksame Medikamente, die den Leprabazillus in wenigen Tagen abtöteten. Für ein Wegsperren der von Lepra Betroffenen fehlten daher jegliche Argumente. Länder wie Brasilien und selbst Japan behielten indessen gegen die WHO-Empfehlung noch Jahrzehnte die grausame Praxis bei, beraubten Hunderttausende ihrer grundlegenden Menschenrechte. Nach Japan hat sich nun auch der brasilianische Staat zu einer Opferentschädigung entschlossen. ”Dafür haben wir jahrelang gekämpft, sagt Artur de Sousa, Präsident des brasilianischen Lepraopfer-Verbandes MORHAN. ”2005 holten wir sogar die UNO-Menschenrechtskommission in die Leprakolonien, setzten die Regierung in Brasilia unter öffentlichen Druck.
Die ”Vila Padre Bento macht einen deprimierenden Eindruck, Krankengebäude und Wohnhäuser wirken heruntergekommen. Im armseligen Versammlungsraum hocken über einhundert Lepraopfer auf Bänken und können kaum glauben, was ihnen MORHAN-Präsident Sousa da erklärt: ”Mit einer monatlichen Pension bittet der Staat um Verzeihung für all das, was er euch zugefügt hat. Ihr wurdet gejagt, auf Müllautos geworfen und in diese Konzentrationslager verschleppt, aller Bürgerrechte beraubt. Als 1986 in Brasilien die Zwangsisolierung endgültig aufgehoben wurde, habe man die Leprakolonien einfach sich selbst überlassen, seien manche zu Slums geworden. Dann spielt Sousa den Koloniebewohnern von Pirapitingui ein Video von der jüngsten Audienz bei Staatschef Lula vor. Der Verband, so Lula, habe die Regierung, die Politiker sensibilisiert. Ein Leprageschädigter im Rollstuhl: ”Diese Pension ist nur zu gerecht – denn man hat uns in wahre Konzentrationslager gesperrt, uns aus der Gesellschaft ausgestoßen!
Die Pension beträgt umgerechnet rund 300 Euro monatlich. ”Viele Betroffene müßten mehr erhalten, kritisiert Artur de Sousa. ”Doch mehr konnten wir bei der Regierung nicht erreichen. Die Wiedergutmachung bekommen maximal zwanzigtausend. ”Alle sind bereits sehr alt und werden von dem Geld kaum noch viel haben.
Im Mittelalter wütete die Lepra auch in Deutschland, wurden die Kranken in über 20000 Siechhäusern isoliert. Lediglich durch verbesserte Lebensbedingungen, mehr Hygiene und ohne jegliche Therapie konnte die Lepra bereits vor zweihundert Jahren endgültig ausgerottet werden. ”Erschreckend ist, daß in Brasilien die Lepra wieder zunimmt, sagt Sousa. ”2006 wurden 52000 neue Fälle registriert, bei hoher Dunkelziffer. Damit ist Brasilien laut Weltgesundheitsorganisation als zehnte Wirtschaftsnation auch das Land mit der höchsten Lepradichte.
Yanomami-Traditionen, Time-Life-Buch “Der Amazonas”:
Behinderte Kinder werden getötet, die eigene Frau wird dem Gast zum Geschlechtsverkehr angeboten. Auch die lukrative Indianer-Industrie Deutschlands legt großen Wert darauf, solche wichtigen Details indianischen Lebens, indianischer Wertvorstellungen zu verheimlichen, zu vertuschen, zu unterschlagen. “…und der Gastgeber – nun, er bietet ihm seine Frau an. Eine Form von Gastfreundschaft…Natürlich ist die Frau nicht immer einverstanden, und dann gibt es Ärger”.
Ausriß: “Häufig werden Frauen aus anderen Stämmen geraubt. Einige von ihnen werden die Ehefrauen der Männer, die sie geraubt haben. Sie können sich glücklich preisen, denn nicht wenige ihrer Leidensgenossinnen erwartet ein anderes Schicksal – das von Prostituierten in dem neuen Verband. Diese Frauen haben kaum den Rang von menschlichen Wesen…”
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Linda Poppe/Survival International – Wahrheit oder Fake News?: „Survival argumentiert, dass die Indigenen und das lässt sich mittlerweile auch durch wissenschaftliche Studien belegen, eigentlich die besten Hüter ihrer Gebiete sind. Zum Beispiel sind 80 Prozent der biologisch vielfältigsten Gebiete der Welt gleichzeitig Land von indigenen Völkern, das heißt sie leben darauf und nutzen es.“ DLF
Poppe unwidersprochen im Relotius-Spiegel 2022:
Ausriß Spiegel: “Viele Studien zeigen, dass etliche dieser klassischen Wildnisgebiete wie die Serengeti oder auch Regenwälder im Amazonas teilweise seit Tausenden Jahren von Menschen bewohnt, gemanagt und auch verändert wurden. Diese Naturlandschaften sind so artenreich aufgrund und nicht trotz der indigenen Bevölkerung.” Wahrheit oder Fake News?
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https://blog.viventura.de/nachgefragt_indigene-voelker-im-amazonasgebiet
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