Große Mauerinschrift im Slum „Vila Cruzeiro“ der Scheiterhaufen-Stadt Rio de Janeiro. Der Slum wird von hochbewaffneten Banditen des „Comando Vermelho“(Rotes Kommando) beherrscht, der zu den führenden Verbrecherorganisationen Brasiliens zählt.
TV-Nachrichtenfilm über den Einsatz der Sondereinheit „BOPE“(Thema des Berlinale-Siegers „Tropa de Elite“):
Hintergrund:
Regisseur Padilha: Kritik, die den Streifen als faschistisch klassifiziert, war besonders stupide
Brasilien ist begeistert über den Berlinale-Preis für ”Tropa de Elite – ein hochaktueller sozialkritischer Film über den widerspruchsvollen Kampf der Polizei-Sondereinheit ”BOPE Rio de Janeiros gegen das in den Slums neofeudal, terroristisch  und diktatorisch herrschende organisierte Verbrechen. Die Jury hatte sich offenbar von den überwiegend sehr oberflächlichen, politisch korrekten Mainstream-Kritiken vieler Medien nicht beeindrucken lassen. Regisseur Josè Padilha wurde kurioserweise u.a. vorgeworfen, einen argumentativ schwachen Film ohne Tiefgang, eine monotone Gewaltorgie vorgelegt zu haben. Die Berlinale-Kritiker, hieß es, hielten den brasilianischen Streifen nicht für einen Favoriten. Daß Padilha führende Gewaltforscher und Sozialwissenschaftler Brasiliens, wie Luiz Eduardo Soares und Alba Zaluar, an seiner Seite hatte, wurde nicht berichtet. Padilha und Hauptdarsteller Wagner Moura erklärten, da man von der Kritik  falsch interpretiert worden sei, handele es sich um eine große Anerkennung. Brasiliens größte Qualitätszeitung ”Folha de Sao Paulo betonte, der Film sei von der ausländischen Kritik abgelehnt, negativ aufgenommen worden. Jury-Präsident Constantin Costa-Gavras habe indessen hervorgehoben, daß der Streifen bei den Jury-Mitgliedern ”komplette Akzeptanz gefunden habe, die jedes Filmdetail diskutiert hätten. Laut Regisseur Padilha, so die Zeitung, hätten viele den Film einfach nicht verstanden, obwohl er keineswegs schwer verständlich sei. ”Ich meine, die Mehrheit der Brasilianer hat diesen Film verstanden. Für einen ”Urso de Ouro sei seine ”expectativa zero gewesen.
Bezeichnend, daß die Scheiterhaufen-Szene, ein Beleg und Symbol für den brutalen Terror der neofeudalen Slum-Diktatoren gegen Millionen von Verelendeten, für gravierende Menschenrechtsverletzungen, von den meisten Kritikern und Medien unterschlagen worden ist.
Deutschlandradio Kultur – Moderne Scheiterhaufen aus Autoreifen: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/668242/
Der erste Goldene Bär für einen brasilianischen Spielfilm ging 1998 an ”Central do Brasil des Regisseurs Walter Salles.
Eine sehr interessante  Perlentaucher-Kritik von Ekkehard Knörer: http://www.perlentaucher.de/artikel/4455.html
Regisseur Padilha und Alba Zaluar in Sao Paulo bei Film-Diskussion
Sozialwissenschaftler Luiz Eduardo Soares bei Tropa-de-Elite-Diskussion in Sao Paulo
Rio de Janeiro “ Stadt der modernen Scheiterhaufen
Sozialwissenschaftlerin Alba Zaluar „Microondas sind alltäglich”
Bei einer Podiumsdiskussion über den neuen Spielfilm” Tropa de Elite” hat die brasilianische Sozialwissenschaftlerin Alba Zaluar in Sao Paulo erklärt, daß es zu den alltäglichen gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Rio de Janeiro gehöre, Menschen so wie in dem Streifen gezeigt, auf modernen Scheiterhaufen aus Autoreifen lebendig zu verbrennen. In der betreffenden Szene des Films, der in Deutschland erstmals auf der  Berlinale zu sehen ist, wird dargestellt, wie ein sadistisches Banditenkommando weithin sichtbar hoch über Rio de Janeiro über einen Mann Autoreifen gestapelt hat, das Opfer dann mit Benzin übergießt und anzündet. „Derartige Vorgänge”, so Alba Zaluar vor einem größtenteils aus Universitätsstudenten bestehenden Publikum, „sind alltäglich “ ich habe indessen Berichte von weit grauenhafteren Untaten.” Danach würden in dem Armenviertel „Cidade de Deus” von Banditenkommandos sogar Menschen den Alligatoren lebendig zum Fraß vorgeworfen. „Der dortige Verbrecherboß befiehlt, mit Personen, die er nicht mag, so zu verfahren.” In den Slums, so Brasiliens führende Gewaltexpertin, „ist eine neue tyrannische Kultur feudalistisch-machistischer Werte inzwischen fest installiert “ alles hingenommen von den Autoritäten.”
Der Regisseur von „Tropa de Elite”, Josè Padilha, bezeichnete Alba Zaluar als wichtigsten Ideengeber für den brasilianischen Film „City of God”, der auch in Europa erfolgreich lief.
Eine schwarze Menschenrechtsanwältin kennt einen Zeugen, dem zufolge inmitten von Bailes Funk Jugendliche lebendig verbrannt wurden. Baile-Funk-Fans haben nach der Massendisco wiederholt Bettler verbrannt.
Bereits ab 1990 hatte in Rio de Janeiro das vielgelesene Boulevardblatt „A Noticia” regelmäßig auch Fotos von modernen Scheiterhaufen, den sogenannten „Microondas”(Mikrowelle) gedruckt. Auch eine auf dem Uni-Campus von Rio vergewaltigte und danach lebendig verbrannte 20-jährige Frau wurde in „A Noticia” als „Presunto”(Schinken) bezeichnet. Das Opfer wurde sexistisch-appellativ fotografiert und kannibalistisch mit zubereitetem Grillfleisch verglichen, im Bildtext mit Toastbrot. Der Beitrag war humorig gehalten.
Der renommierte Therapeut und Direktor des Instituts für Sozialmedizin an der Bundesuniversität von Rio, Jurandir Freire Costa, erklärte dazu, in Brasilien herrsche „ethisch-moralische Schizophrenie”. Arnaldo Jabor, Filmemacher und Brasiliens meistgelesener Kolumnist:”Auffallend ist die Katastrophe unserer wachsenden Unsensibilität angesichts des Horrors. Die Fakten rufen nach mehr als Mitleid. Der Überdruß angesichts von Katastrophen nimmt zu, die Seele wird zur Rhinozeros-Haut.” Der damalige Primas von Brasilien, Kardinal Lucas Moreira Neves, sprach von „Anstiftung zur Gewalt, Verblödung ganzer Bevölkerungsschichten, Vermischung von Gewalt und Pornographie.”
Die Scheiterhaufen betreffenden Fakten und Hintergründe sind mindestens seit den 80er Jahren in allen Details den für solche Tatsachen Zuständigen auch in den deutschsprachigen Ländern genau bekannt.
Rio de Janeiro hat etwa die gleiche Bevölkerungszahl wie der Karibikstaat Kuba, der gemäß UNO-Statistiken andere Sozialindikatoren aufweist.
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Foto-Installation ”Microondas über die modernen Scheiterhaufen von Rio. Fotograf Rogerio Reis stellte die Arbeit jetzt in Paris aus.
Deutsche Brasilien-Solidaritätsgruppen stark geschrumpft
Brasiliens Regierung verspricht erneut GewaltbekämpfungBanditendiktatur in Slums immer grausamerAngesichts der ausufernden Gewaltkriminalität hat Brasiliens Staatschef Lula zum wiederholten Male energische Gegenmaßnahmen versprochen. Mit Milliardenaufwand sollen danach der Polizeiapparat ausgebaut und 160 Gefängnisse errichtet werden. Im Unterschied zu den deutschen Medien haben jene in Brasilien über Lulas Ankündigungen nur kurz oder gar nicht berichtet, da nach früheren „Maßnahmenpaketen” dieser Art in Wahrheit die Ausgaben für öffentliche Sicherheit teils drastisch gekürzt oder vorgesehene Haushaltsmittel gar nicht freigegeben worden waren. In großer Aufmachung betont die Landespresse dagegen, daß seit Lulas Amtsantritt von 2003 ausgerechnet die ärmsten Brasilianer weiterhin am stärksten dem Terror der Banditenmilizen ausgesetzt seien. Allein in Rio de Janeiro, so die auflagenstarke Qualitätszeitung „O Globo”, sind 1, 5 Millionen Slumbewohner der „Diktatur des Verbrechens” unterworfen und nahezu sämtlicher Menschenrechte beraubt. Es handele sich um eine „kolumbianische” Tragödie.„Wir haben daher in diesem Land noch keinen demokratischen Rechtsstaat”, analysiert die renommierte Anthropologin und Kolumnistin Alba Zaluar. Gemäß den neuesten Studien ist allein in Rio, mit rund ebensoviel Einwohnern wie Kuba, die Zahl der Verschwundenen bis heute mindestens 54-mal höher als während des 21-jährigen Militärregimes. Wie damals sei unter der vom organisierten Verbrechen sowie von paramilitärischen Milizen errichteten Slum-Diktatur das Foltern von mißliebigen Bewohnern üblich. Zwecks Einschüchterung würden Menschen in aller Öffentlichkeit lebendig verbrannt oder in Stücke gehackt, die Opfer in geheimen Friedhöfen verscharrt. „Das Verschwindenlassen und die Folter sind häufig, Gewalt trifft heute viel mehr Menschen als unter der Militärdiktatur”, betont die Universitätsprofessorin Cecilia Coimbra, Präsidentin der Menschenrechtsorganisation „Nie mehr Folter”(Tortura nunca mais). Toleriert von den Autoritäten, hat das organisierte Verbrechen im Parallelstaat der Slums seit Jahrzehnten auch Sondergerichte installiert, die meist drakonische Strafen verhängen. Dazu zählen das Handabhacken ebenso wie der Scheiterhaufen aus Autoreifen. Ungezählte Familien werden zudem aus ihren Slumkaten vertrieben. Die Banditenkommandos agieren zudem als Zensoren, verbieten Musiktexte und Bands, kontrollieren die gesamte Kulturproduktion, hören Telefongespräche ab, legen Sprachregelungen und Kleidervorschriften fest. Wer sich den Normen nicht fügt, muß zumeist mit Folter oder Tod rechnen.„All diese Grausamkeiten entsprechen der Realität”, erklärte jetzt Rio de Janeiros Gouverneur Sergio Cabral. „Die Parallelmacht agiert mit aller Rohheit.”Auch Brasiliens katholische Kirche ist vom Banditenterror direkt betroffen. Der deutschstämmige Kardinal Eusebio Scheid in Rio de Janeiro hat die Verbrecherdiktatur häufig verurteilt. Immer wieder werden Geistliche ermordet, dringen Gangster mit NATO-MGs und Handgranaten in Slumkirchen ein, erzwingen sogar den Stopp von Sozialprojekten. Menschenrechtsaktivisten kritisierten, daß manche sogar vom Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen mit dem organisierten Verbrechen kooperieren. Zudem wird an einen bezeichnenden Vorfall erinnert. So hatten Staatschef Lulas Kulturminister Gilberto Gil und der damalige Arbeitsminister Ricardo Berzoini, heute Chef der Arbeiterpartei, vor rund zwei Jahren laut Presseberichten einen Rio-Slum besucht und dafür die Genehmigung der Banditenbosse eingeholt. Der renommierte brasilianische UNO-Berater und Experte für Gewaltfragen, Sergio Pinheiro: ”All dies ist ein Skandal “ geschähe derartiges in Berlin, Paris oder London, würde das im Parlament debattiert, würde die Regierung stürzen.”Polizeiattacken gegen die Verbrecherhochburgen haben bislang nur die Wirkung von Nadelstichen. Zudem gelten nicht wenige Beamte als korrupt und brutal, werden immer wieder moderne Feuerwaffen an die Gangstermilizen verkauft. In den Millionenstädten sterben tagtäglich niedrig bezahlte Polizisten durch Attentate oder Racheakte.Im Stadtpark von Sao Paulo trauern die ambulanten Fahrradmechaniker derzeit um ihren Kollegen, einen Detektiv und Familienvater. Er flickte dort in der Freizeit für ein Trinkgeld Schläuche, reparierte Gangschaltungen, besserte damit sein mageres Gehalt auf. „Vier Kugeln in den Hinterkopf, sonntagmorgens “ so geht das hier zu.” In Brasilien werden jährlich über 50000 Menschen ermordet, nicht einmal fünf Prozent der Täter ermittelt.Pressefreiheit und Slumdiktatur
Journalisten arbeiten unter hohem Lebensrisiko
Die Herrschaft des organisierten Verbrechens über erhebliche Teile der brasilianischen Städte schränkt die Pressefreiheit, die Recherchemöglichkeiten der Journalisten des Tropenlandes deutlich ein. Falls sie die Aktivitäten der Banditenkommandos im Parallelstaat der Slums konkret kritisieren, drohen zudem Racheakte.
Vergangene Woche wurde auf den brasilianischen Journalisten Amaury Ribeiro ein Attentat verübt. In Tageszeitungen hatte er eine Artikelserie über den Terror des organisierten Verbrechens veröffentlicht, erhielt deshalb Morddrohungen, wagte sich aber dennoch erneut in die Slumperipherie der Hauptstadt Brasilia. Dort feuerte ein junger Mann auf den Journalisten “ glücklicherweise konnte Ribeiro rasch in ein Hospital gebracht werden und überlebte den Anschlag. Fälle dieser Art sind in Brasilien nichts Neues. 2002 recherchierte der bekannte Fernsehreporter Tim Lopes allein in einem Slum von Rio de Janeiro, wurde von einem Banditenkommando entdeckt, bestialisch gefoltert und auf einem Scheiterhaufen aus Autoreifen verbrannt. Carla Rocha, eine Kollegin von Tim Lopes, zählt zu den wichtigsten investigativen Journalistinnen des Landes.
”In diesen Slumregionen gelten weder Gesetz noch Verfassung, nur das Diktat bewaffneter Gruppen. Der Staat ist nicht präsent und läßt zu, daß dort Verbrecherorganisationen, Gangsterbosse, paramilitärische Milizen die Regeln gewaltsam bestimmen. Man hält dort die Menschen isoliert, in einer eng begrenzten Welt, diese Slumbewohner sind als Staatsbürger anulliert. Und dies dient den übelsten, schlechtesten, reaktionärsten Teilen unserer Elite, die keinen sozialen Fortschritt, keine Veränderungen wollen. Wer sich den Normen der Verbrecherorganisationen widersetzt, wird sogar mit dem Tode bestraft, lebendig verbrannt. Folter ist gängige Praxis “ alles eine mittelalterliche Barbarei.”
In dem neuen brasilianischen Spielfilm „Tropa de Elite”, der auf der nächsten Berlinale gezeigt wird, ist in einer Szene die von Carla Rocha genannte „Microondas”, Mikrowelle der Banditenkommandos zu sehen: Über das Opfer werden an einer gut sichtbaren Stelle hoch über Rio Autoreifen gestapelt und dann mit Benzin angezündet.
Rio-Funk, HipHop aus den Slums, der derzeit auch in Deutschland popularisiert wird, ist laut Carla Rocha keineswegs eine eigenständige Musik unabhängiger, frei arbeitender Komponisten.
„HipHop und Funk sind heute die typische Musik der Slums von Rio, es gibt viele Gruppen, Bands. Doch die gesamte kulturelle Produktion der Ghettos wird heute vom organisierten Verbrechen kontrolliert, zensiert. Dies geht soweit, daß DJs, HipHop-Formationen eines Slums auf keinen Fall die Namen eines anderen Slums nennen dürfen, weil dort eine rivalisierende Gangsterorganisation herrscht. Es ist verboten, in eine Band Mitglieder aus gegnerischen Slums aufzunehmen. Und natürlich darf in Musiktiteln nur die Polizei kritisiert werden, nie das organisierte Verbrechen. Andernfalls würden die Musiker mit dem Tode bestraft. Um die Kontrolle über den Informationsfluß des Slums zu halten, hören die Banditenkommandos sogar die Telefongespräche der Bewohner ab, überwachen selbst den Austausch von E-Mails.Gangsterkommandos befehlen, daß Kleidung bestimmter Marken, aus bestimmten Geschäften nicht getragen werden darf. Die NGOs in Slums müssen sich ebenfalls dem Normendiktat unterwerfen. ”
Jetzt hat Carla Rocha gemeinsam mit ihren Kollegen Dimmi Amora, Fabio Vasconcelos und Sergio Ramalho zum wiederholten Male in einer großen Artikelserie der Qualitätszeitung „O Globo” die Herrschaftsmethoden der Slumdiktatoren ausführlich dokumentiert. Die Serie trägt den Titel „Os Brasileiros que ainda vivem na Ditadura”, Brasilianer, die noch in der Diktatur leben. Didaktisch werden stets jene wichtigen Verfassungsparagraphen und Gesetze Brasiliens genannt, die für Millionen von Landesbewohnern nicht gelten. Berichtet wird über die Sondergerichte, die drakonischen Strafen und die Scheiterhaufen, über Vertreibungen, Ausgangssperren und Zensur. Und belegt wird auch, daß Gewalt heute viel mehr Menschen trifft als unter der Militärdiktatur, daß die Zahl der Verschwundenen viel höher ist als in den 21 Diktaturjahren. Wer über all das schreibt, so die Journalistin Carla Rocha, erleidet ein hohes Lebensrisiko.
”Wir müssen sehr aufpassen, denn Tim Lopes wurde ja in einem solchen Slum von Rio ermordet. Seitdem gehen wir nicht mehr in die Ghettos hinein. Da wir gegen die Interessen der Verbrecherbanden handeln, sind wir vom Tode bedroht, müssen ständig bestimmte Sicherheitsregeln einhalten. Nicht anders als die Polizeibeamten oder Richter und Staatsanwälte.”
Entsprechend schwierig war es für Carla Rocha und ihre Kollegen, handfeste Informationen, Fakten aus den rund 800 Slums von Rio de Janeiro zu bekommen.
”Wir wußten, daß es sehr leicht sein würde, kritische Stellungnahmen über Polizeieinsätze zu bekommen. Doch wir wollten ja alle Aspekte der Unterdrückung in den Slums zeigen, die Aktivitäten der Banditenkommandos, der paramilitärischen Milizen. Indessen hat die Menschenrechtskomission des Stadtparlaments von Rio seit zehn Jahren noch nie eine Anzeige gegen das organisierte Verbrechen erhalten. Nur die Polizei wird dort gelegentlich angeklagt “ was stets von den Verbrechersyndikaten unterstützt wird, die ja ein Interesse an solchen Anzeigen haben. Für uns Journalisten schafft das eine komplizierte Situation. Wir haben in unserer Artikelserie über den Präsidenten einer Assoziation von Slumbewohnern berichtet “ er wurde jetzt ermordet.”
Carla Rocha ist bedrückt, daß auch die neuesten genau dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wiederum typischerweise im Ausland, also auch in Ländern wie Deutschland, keinerlei Echo fanden. Aus den bekannten Gründen.
”In Rio de Janeiro ist es unmöglich, all diese Vorgänge, diese Tatbestände nicht wahrzunehmen. Daher finde ich es traurig, daß es dafür kein internationales Interesse, keinerlei internationalen Druck gibt. Denn Druck aus dem Ausland ist am wichtigsten, damit sich an der Lage in den Ghettos etwas ändert. Unglücklicherweise wird wohl bis dahin noch sehr viel Zeit vergehen, werden bis dahin noch sehr viele Menschen getötet. Im Ausland denken eben noch viele, Brasilien sei das Land des Samba, des Fußball und der fröhlichen, sonnengebräunten Leute. Wir hatten erwartet, daß unsere Artikelserie größere Reaktionen, Empörung auslöst “ aber das ist leider nicht passiert.”FilmORF Wien Kultur: ”Tropa de Elite
posted by KLAUS HART at 4:02 PM
Neuer Spielfilm „Tropa de Elite” macht in Brasilien Furore
Der sozialkritische Streifen über den Kampf der Polizei-Elitetruppe „BOPE” Rio de Janeiros gegen das organisierte Verbrechen ist nach Angaben des brasilianischen Nachrichtenmagazins „Veja” bereits der meistgesehenen und meistdiskutierte Film in der Geschichte des nationalen Kinos. Der von einem großen US-Verleih kommerzialisierte Streifen zeigt das widerspruchsvolle gesellschaftliche Universum brasilianischer Großstädte wie Rio, die dortigen Privilegiertenviertel und Slums im Vorfeld des Besuchs von Papst Johannes Paul dem Zweiten im Jahre 1997. Der Film bricht zahlreiche wohlgepflegte Tabus und weckt beim Publikum zwiespältigste Gefühle und Reaktionen. Ganz im Sinne der Autoren und Schauspieler. Beim Drehen der Scheiterhaufen-Szene in der Favela ”Morro dos Prazeres von Rio waren laut Presseberichten Dutzende von Banditen, die Mpis, Pistolen und Handgranaten trugen, in der Nähe und schauten zu, gaben aus eigener Scheiterhaufen-Praxis Tips.Po, der Typ stirbt nicht so, der schreit viel mehr, sagte einer von ihnen zu den Schauspielern. Die hielten sich, wie es hieß, an die Anweisungen der Banditen, produzierten die Microondas-Szene exakt so. Scheiterhaufen dieser Art loderten bereits häufig in der Amtszeit von Rio de Janeiros Gouverneur Leonel Brizola, der Vizepräsident einer großen weltweiten Parteienassoziation war. Die Favela „Morro dos Prazeres” befindet sich unweit der weltberühmten Paradestraße des Karnevals, dem Sambodrome.Laut Veja-Umfrage mochten 94 Prozent der Zuschauer den Film. 72 Prozent waren der Meinung, daß in dem Streifen die Banditen so behandelt wurden, wie sie es verdienen. 53 Prozent sehen die Hauptfigur, den Polizeioffizier Nascimento, als einen Helden an. Laut Veja ist 2007 unter Staatschef Lula die Gewalt erstmals Hauptsorge der Brasilianer. Für 59 Prozent ist fehlende Sicherheit ein größeres Problem als Arbeitslosigkeit oder niedrige Löhne.
Wer die konfliktreiche Sozialstruktur brasilianischer Millionenstädte einigermaßen kennt, fühlt sich oft wie in einem Dokumentarfilm “ alles scheint echt, nachvollziehbar, präzise und didaktisch geschildert. Denn der Streifen basiert auf dem Bestseller „Elite da Tropa” des renommierten brasilianischen Sozialwissenschaftlers Luis Eduardo Soares. Dieser war 2003 nur kurze Zeit Staatssekretär für Öffentliche Sicherheit in der Regierung von Staatschef Lula, wurde unter fadenscheinigen Vorwänden entfernt und warf Brasilia wiederholt vor, die gravierende Lage in den Slums, das „Inferno unseres alltäglichen Krieges”, wie er es ausdrückte, hinzunehmen. Da das Gesellschaftssystem kalt und berechnend sei, grausam mit den Verlierern, dazu hierarchisch, machistisch und autoritär, reproduzierten jene jungen Menschen der Verbrecherkommandos dieses System exakt so wie in der Gründerzeit des wilden, kolonialen Kapitalismus. Natürlich freut Soares der enorme Erfolg seines Buches “ und des Films: ”Ich bin deswegen perplex und glücklich “ denn Buch und Film zeigen unsere widersprüchliche Realität, doch auch die widersprüchlichen Erfahrungen der Brasilianer mit dem Thema Gewalt, alle extremen Standpunkte, die in unserer Gesellschaft existieren. Der Film verzichtet auf Vereinfachungen, Stereotype “ und deshalb ist bezeichnend, wenn man mir sagt: Der Streifen ist phantastisch, denn ich hasse diese Elitetruppe und liebe sie zugleich, fühle dasselbe auch gegenüber den Verbrechern im Film. Der Hauptheld Wagner Moura ist einfach spektakulär gut!”
Filmkritiker entsetzt, daß in Rio ein Mittelschichtspublikum im Kino jedesmal applaudiert, wenn BOPE-Offizier Nascimento Banditen tötet oder durch Folter aus gefangenen Kriminellen wichtige Informationen etwa über den Aufenthaltsort von Gangsterbossen herauspreßt.
Ist der Streifen gar faschistisch, wie ein Kritiker fragt, werden hier brutale Polizeigewalt und sogar Folter gerechtfertigt, verherrlicht? Jose Padilha, Regisseur von „Tropa de Elite”, weist dies scharf zurück. ”Auf meiner Werteskala ist Folter schlimmer als Korruption “ ich sehe nicht, daß dieser Film diese Polizei und deren Methoden glorifiziert.” Es sei notwendig, endlich einmal das Denken und Fühlen der Polizisten im permanent lebensgefährlichen Einsatz zu verstehen. Brasilianische Streifen über Gewalt zeigten stets nur die Perspektive des Verbrechers oder des Slumbewohners, während nordamerikanische, französische, italienische Filme durchaus Polizisten in den Vordergrund stellten. Laut Statistik werden in Brasilien täglich Polizeibeamte Opfer von Attentaten oder bei Schußwechseln mit Gangstern getötet, selbst in der Freizeit unerbittlich verfolgt.
„Tropa de Elite” verzichtet darauf, die von den Banditenkommandos auch zwecks Einschüchterung der Slumbewohner verwendeten Terrormethoden darzustellen. Eine übliche, seit Jahren alltägliche barbarische Tötungsart namens „Microondas”, Mikrowelle, wird indessen gezeigt. Hoch über Rio de Janeiro und weithin sichtbar werden Autoreifen über einen Mann gestapelt und dann mit Benzin angezündet.
Weder Kulturminister Gilberto Gil noch Tourismusministerin Marty Suplicy hatten sich bisher zur Frage der alltäglichen Scheiterhaufen Rios geäußert, die dem Image Brasiliens und dem Fremdenverkehr der Zuckerhutstadt immerhin erheblich schaden könnten. Interessanterweise bleiben auch sogenannte Menschenrechtsorganisationen bisher stumm.
Rio de Janeiro hat etwa die gleiche Einwohnerzahl wie der Karibikstaat Kuba, der auf dem UNO-Index für menschliche Entwicklung deutlich vor Brasilien rangiert.
Erstmals wird in „Tropa de Elite” zudem thematisiert, daß zweifelhafte regierungsunabhängige Organisationen in Slums fragwürdige Sozialprojekte betreiben, dabei mit Gangstersyndikaten kooperieren. Zu sehen ist, wie Universitätsstudenten eines solchen Projekts gemeinsam mit extrem grausamen Banditen harte Drogen konsumieren “ und sogar als Rauschgifthändler agieren. Der schwarze, aus der Unterschicht stammende Polizist Andre Matias studiert im Film gemeinsam mit diesen weißen Studenten. Als er sie in der Universität bei einer scheinheiligen Anti-Gewalt-Demonstration trifft, gehen ihm die Nerven durch, stellt er sie alle zur Rede, schlägt zu. Danach wird Polizist Matias ein Offizier jener Eliteeinheit „BOPE”, der zwar unbestechlich ist, doch nicht davor zurückschreckt, einen blutrünstigen, verwundet am Boden liegenden Verbrecherboß außergerichtlich zu exekutieren, der zuvor das lebendige Verbrennen eines Mannes ebenso befohlen hatte wie die Ermordung eines BOPE-Beamten.Wochenzeitung ”Freitag: ”Streichholz für die MikrowelleFavelas in BrasilienSchweizer Birkhäuser – Verlag für Architektur
Basel – Boston – BerlinFavelaMetropolis
Elisabeth Blum
Peter Neitzke(Hg.)Favela-KapitelMenschenrechte und moderne Scheiterhaufen in Rio de Janeiro
posted by KLAUS HART at 3:43 PM Scheiterhaufen-Szene aus Berlinale-Film ”Tropa de Elite„Totquälen, zerstückeln, lebendig verbrennen”
Brasiliens populäre Gangsta-Raps verherrlichen sadistische Gewalt und die Verbrechersyndikate
Vor Lateinamerikas Leitbörse, vor Banken, Kirchen, Armee-und Polizeikasernen, dem Gouverneurspalast “ überall in der brasilianischen Megacity Sao Paulo wird die nationale Gangsta-Rap-Produktion seit den neunziger Jahren ganz offen und massenhaft von Straßenhändlern verkauft. Die CDs sind unter denen mit Samba, Sertaneja, Forrò oder Rock leicht zu erkennen, kosten umgerechnet keinen Euro. Auf den Covern prangen Totenköpfe, Leichen, das World Trade Center in Flammen, Zielfernrohr-MGs, Granaten, die Namen der Verbrecherorganisationen und ihrer Bosse, aber auch von Osama Bin Laden. Eine CD-Serie nennt sich „Taliban “ Park der Monster”. Die vorbeischlendernden Militärpolizisten, aber auch die theoretisch zuständigen Behörden für Jugendschutz wissen genau, daß es sich um verbotene, gesellschaftlich brisante Ware handelt. Doch niemand greift ein, für Europäer schwer nachvollziehbare Indifferenz dominiert.
Sao Paulo erlebte jetzt eine Serie von Terroranschlägen, die die drittgrößte Stadt der Welt mit ihren rund tausend deutschen Firmen zeitweise regelrecht lahmlegte. Über vierzig Polizisten, Feuerwehrleute und Gefängniswärter wurden erschossen; Banken, Geschäfte, Busse standen in Flammen. Nichts anderes hatte das „Erste Kommando der Hauptstadt”(Primeiro Comando da Capital), kurz PCC, Brasiliens führende Verbrecherorganisation, in seinen Gewalthymnen dem Staat seit Jahren angedroht, in Stadtguerillataktik bereits nadelstichartig praktiziert. PCC-Hits sind mit MG-Salven und Granatenexplosionen, Todes-und Schmerzenschreien untermalt. Die Botschaft ist in abgewandelter Form stets die gleiche: Unser Gegner ist der Staat, dessen Polizei “ unsere Feinde mähen wir nieder, quälen sie zu Tode, verbrennen sie lebendig. Zahlreiche Radios der rasch wachsenden Slumperipherie spielen die PCC-Songs sogar als Wunschmusik. Denn die Slums der brasilianischen Großstädte sind Hochburgen des organisierten Verbrechens, werden von ihm wie ein Parallelstaat neofeudal regiert.
Wer gewisse sozialromantische Vorstellungen über Brasilien kultiviert, könnte sie auf den Bailes Funk, gewalttätig-machistischen Rap-und HipHop-Massenfeten, verlieren. Denn dort singen nicht selten gleich Tausende von tanzenden jungen Leuten diese viehischen Hits lauthals und begeistert mit, identifizieren sich offen mit dem PCC. In den Hallenecken wird mit Kokain und Crack gedealt, der DJ bellt ein Rap-Stakkato mit finsterem Höllenecho in die Menge: „Vai dançar”. Du wirst tanzen, heißt es mechanisch-harmlos übersetzt. Doch jedermann verstehts im Slang-Sinne: Du wirst sterben, gekillt werden, Blei fressen. Tudo mundo vai dançar “ alle sind dran.
Der PCC veranstaltet einen Großteil der Bailes Funk in Sao Paulo und seinen Satellitenstädten, das populäre DJ-Duo „Renatinho e Alemao” komponiert und produziert einen Gangsta-Rap nach dem anderen. „Im Morgengrauen singt das MG, startet ein Kommando neue Aktionen”, heißt es. „Messer an die Kehle, Schuß ins Genick, Hochspannung, Terror, Kopf ab “ der Unterdrückte gegen die Unterdrückung.” Und immer wieder der PCC-Held Bin Laden in den Texten: ”Ich plane mit dem Kopf Aktionen nach Art Bin Ladens, zeige so meine Macht/ ich gehöre zur terroristischen Organisation, bin Terrorist, bin Taliban¦” Kein Problem für das Duo, gelegentlich auch Chè Guevara, Saddam Hussein und Jesus Christus als PCC-Vorbilder in einem Rap zu bejubeln. Hohe Politiker, darunter der Gouverneur Sao Paulos, werden als Attentatsziele konkret genannt.
In Rio de Janeiro, Brasiliens zweitwichtigstem Wirtschaftszentrum, haben die beiden mächtigsten Gangstersyndikate „Comando Vermelho”(Rotes Kommando) und „Terceiro Comando”(Drittes Kommando), die mit dem PCC kooperieren, ebenfalls zahlreiche Rapper unter Vertrag. Was Slumbewohnern blüht, die sich dem Normendiktat der Banditenmilizen nicht beugen wollen, wird detailliert beschrieben: „Wir hacken den Kopf, die Beine, die Arme ab, wir töten und vierteilen “ wenn du dich nicht an die Regeln hältst, machen wir dich zu gerösteten Grillhuhnstückchen¦” Erst kürzlich hatte Brasiliens Grünen-Abgeordneter Fernando Gabeira, der einst als Diktaturgegner Jahre im Westberliner Exil zubrachte, auf Felsenhöhlen Rio de Janeiros verwiesen, in denen Mißliebige zur Einschüchterung lebendig verbrannt werden. Eine schwarze Menschenrechtsanwältin kennt einen Zeugen, dem zufolge inmitten von Bailes Funk Jugendliche Rios den Feuertod starben. Fotos verkohlter Opfer veröffentlichen die Horror-und Crime-Blätter beinahe täglich. Gruppen junger Männer haben nach Bailes Funk wiederholt Bettler verbrannt.
In zahlreichen Raps stellen die Gangstersyndikate ihre Waffen vor: Das deutsche G 3 von Heckler und Koch, die israelische Uzi, das schweizerische Sig-Sauer-Sturmgewehr, die österreichische Glock-Pistole, das nordamerikanische M-16-MG, schwedische Bazookas zum Abschießen von Helikoptern, Handgranaten aus Argentinien¦
Auch im populären „Rap da Bandida” wird als vergnüglich beschrieben, Leute aus gegnerischen Syndikaten oder Polizisten mit Mpi-Salven zu durchsieben, sie aufzuhängen, zu köpfen. Am Schluß heißt es:”Ich bin Rauschgifthändler und Straßenräuber, mache massenhaft Entführungen, ich will dich an meiner Seite, Banditin von guter Rasse.” Gelegentlich richtet sich der Rap direkt an potentielle Verbrechensopfer, beschreibt gar die häufigen Überfälle auf Autofahrer:”Laß die Hände am Lenkrad, schau mich nicht an, rühr dich nicht/ los, raus aus dem Wagen, her mit dem Audi, Civic, Citroen und Corolla/ willst du flüchten, kriegst du sofort die Kugel/ das ist der Terror der Nordzone Rios, hier ist Bagdad, ganz im Stile Osama Bin Ladens¦” In Brasilien werden jährlich mehr als fünfzigtausend Menschen getötet, selbst laut UNO-Angaben weit mehr als im Irakkrieg.
Sozialwissenschaftler und Psychologen analysieren regelmäßig neue populäre Gangsta-Raps, die Faszination von deren Texten gerade auf junge Menschen. „Da das Gesellschaftssystem kalt und berechnend ist, grausam mit den Verlierern, dazu hierarchisch, machistisch und autoritär”, so der Anthropologe Luiz Eduardo Soares, „reproduzieren jene Jungen, die beim Verbrechen mitmachen, dieses System exakt so wie in der Gründerzeit des wilden, kolonialen Kapitalismus.” Ihre Gewalthymnen dokumentierten das „Inferno unseres alltäglichen Krieges”, die Spaltung der Gesellschaft, die perversen Sozialkontraste. Jene auch in Deutschland systematisch gepflegten Brasilienklischees sollen all dies verdecken. Arnaldo Jabor, Schriftsteller, Filmemacher und dazu Brasiliens bekanntester TV-und Zeitungskommentator:”Auf den Bailes Funk pulsiert ein brutaler Strom des Wollens, der Lust “ die Gewalt als Hunger nach Ausdruck, das Töten als Erleichterung und Trost nach Erniedrigungen. Eine Normalität des Mordens entsteht, bar jeder Schuld und Sünde. Die Masse der Unglücklichen wächst jeden Tag, wir können sie nicht mehr ignorieren. Die Peripherie wird zur Avantgarde der Verhaltensnormen. Unsere hübschen Sozialprojektchen “ wie sind die doch lächerlich. Eine Lösung? Zu spät, vorbei¦”
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