Bei der Ethanol-Produktion aus Zuckerrohr werden in Brasilien nach Angaben des Umweltexperten der Bischofskonferenz, Roberto Malvezzi, keinerlei Nachhaltigkeitskriterien erfüllt. Jüngste Äußerungen des deutschen Umweltministers Sigmar Gabriel und seiner Amtskollegin Marina Silva in Brasilia, wonach derartige Kriterien eingehalten würden, seien daher falsch.
Bei Zuckerrrohr handele es sich um eine sehr umweltschädliche Monokultur. Immer mehr Regenwälder würden für zusätzliche Plantagen abgeholzt, auf denen man ungezählte Sklavenarbeiter grauenhaft ausbeute. Die brasilianische Regierung übe derzeit Druck auf die Europäische Union und auch auf die deutsche Regierung aus, Sklavenarbeit nicht in den Kriterienkatalog für Ethanolimporte aufzunehmen. Daß der von Brasilia geförderte Ethanol-Boom der Nahrungsmittelproduktion schade, sei längst nachgewiesen. Laut Malvezzi, der gerade von einer Misereor-Vortragsreise aus Deutschland zurückgekehrt war, wurde in den letzten Jahren die Anbaufläche des wichtigen Grundnahrungsmittels Reis um die Hälfte reduziert, damit mehr Zuckerrohr gepflanzt werden konnte. Bei schwarzen Bohnen, einem weiteren Grundnahrungsmittel der Brasilianer, seien die Relationen ähnlich. In Sao Paulo, Brasiliens größter Stadt, waren innerhalb der letzten zwölf Monate allein die Bohnenpreise um 168 Prozent erhöht worden, hatte man andere Lebensmittel, wie Fleisch, Milch oder Mehl ebenfalls stark verteuert. Der Zuckerrohr-Anbau für die Ethanolerzeugung zerstöre nicht nur Amazonien, sondern auch die wertvollen Savannenregionen und das Pantanal, tierreichstes Feuchtgebiet der Erde.  Im wasserarmen Nordosten, so Malvezzi, würden für die Herstellung von einem Liter Ethanol-Kraftstoff aus Zuckerrohr insgesamt 3600 Liter Wasser benötigt. Dies sei völlig inakzeptabel. Entgegen den Regierungsangaben werde Ethanol auch in Amazonien hergestellt. Wenn die brasilianische Umweltministerin Marina Silva erkläre, daß die Ethanolerzeugung nicht zu Lasten des Regenwaldes und der Nahrungsmittelproduktion gehe, sei just das Gegenteil richtig. Um die Anbauflächen zu erweitern, vertreibe das exportorientierte Agrobusiness Indiostämme und Kleinbauern sogar durch Terror und Mord. Den Verbrauchern in Ländern wie Deutschland sei dies gewöhnlich überhaupt nicht bekannt.
Umweltminister Gabriel hält sich derzeit im Amazonas-Teilstaate Pará auf, in dem 2005 die katholische Umweltaktivistin und Missionarin Dorothy Stang im Auftrage von Farmern und illegalen Holzunternehmern liquidiert worden war. Wenige Tage vor dem Eintreffen Gabriels in Pará war dort der Umweltaktivist Emival Barbosa Machado erschossen worden, der wiederholt illegale Rodungen und Holztransporte angeprangert und deshalb Morddrohungen erhalten hatte.
Ministerin Marina Silva, die einer Wunderheilersekte angehört und Verfechterin des fundamentalistischen Kreationismus ist, hatte gemäß offiziellen Angaben gegenüber Gabriel erklärt:“Wir wenden bereits ökologisch und sozial korrekte Kriterien der Ethanolproduktion an.“ Es sei möglich, die Ethanolproduktion zu verdoppeln, ohne einen Baum zu fällen. Gemäß weiteren amtlichen Angaben wird Gabriel der zehntgrößten Wirtschaftsnation 30 Millionen Euros schenken, die für Schutzgebietsprogramme gedacht seien. Laut Gabriel werde damit das internationale Vertrauen in Brasiliens Waldschutz bekräftigt.
Der französische Menschenrechtsanwalt Xavier Plassat, der in Brasilien die Anti-Sklaverei-Aktionen der Bischofskonferenz leitet, hatte Staatschef Lula vorgeworfen, in Europa Desinformation über die Agrotreibstoff-Erzeugung in Amazonien zu betreiben. Die Zuckerrohr-Anbaugebiete, so Lula bei Europareisen wörtlich, seien von Amazonien sehr weit entfernt – denn dieser Landesteil eigne sich nicht für solche Kulturen. Dies, so Plassat, sei indessen die Unwahrheit. Besonders bedenklich sei, daß er all dies in Europa just an jenem Tage erklärte, als auf einer Zuckerrohrplantage mitten in Amazonien über eintausend Sklavenarbeiter befreit worden seien.
Hintergrund:
Am 13.Mai kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Brasilien, um ein bilaterales Energieabkommen zu unterzeichnen.
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”Wirtschaftsentwicklung bedeutet Kahlschlag, Brandrodungen, Mord
Der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler hat Geldgier und das Streben nach raschem Profit für die nach wie vor ungehinderte Zerstörung der Amazonas-Urwälder verantwortlich gemacht. Die zahlreichen Warnungen der brasilianischen Kirche vor den Folgen dieses Umweltverbrechens hätten unglücklicherweise nicht die erhoffte Wirkung, erklärte Kräutler gegenüber der Presse. Wirtschaftliche Entwicklung Amazoniens sei gleichbedeutend mit Kahlschlag, Brandrodungen und Mord. Großgrundbesitzer hätten schlichtweg befohlen, Riesenflächen abzuholzen, um damit wirtschaftliche Aktivität zu demonstrieren und somit gewaltige ”Entwicklungskredite einheimsen zu können.
Kräutler, der das Amazonas-Bistum Altamira leitet, wies auf jüngste Regierungsangaben, wonach allein im vergangenen November und Dezember rund zweitausend Quadratkilometer Urwald abgeholzt worden seien. Brasilia habe eingeräumt, daß die zerstörte Fläche noch weit größer sein könne. ”Tropenwald in solchen Dimensionen zu vernichten, ist ein Verbrechen. Die Regierung lasse all dies zu, sei aber sehr besorgt darum, ihre ”Initiativen gegen Abholzung und Brandrodungen weltweit bekannt zu machen. Man gebe sich allergrößte Mühe, das ”Image Brasiliens im Ausland zu verteidigen, meinte Bischof Kräutler ironisch. Staatsangestellte, die sich ernsthaft für den Umweltschutz einsetzten, seien indessen von Ermordung bedroht. Kräutler nannte als Beispiel den Leiter der staatlichen Umweltbehörde IBAMA am Bischofssitz in Altamira, Roberto Scarpari. Als dieser kurz in Rio de Janeiro weilte, sollte auf Scarpari ein als Raubmord getarntes Attentat verübt werden, was die Polizei indessen im letzten Moment habe verhindern können. Die Liquidierung von Scarpari in Rio hätte schwerlich den Verdacht auf die Auftraggeber gelenkt, betonte Kräutler. Der IBAMA-Leiter sei bereits längere Zeit im Visier von Holzfirmen Amazoniens, die ihn regelrecht haßten. Scarpari habe für die Überwachung eines Gebietes von der Größe europäischer Länder nur wenige Beamte zur Verfügung. Das brasilianische Umweltministerium sei lediglich eine Schein-Institution, de facto unfähig und uneffizient. Die Zerstörung Amazoniens, so Kräutler, trage stark zum Klimawandel bei. Â
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 In Brasilien wird seit den neunziger Jahren ein sogenanntes ”Pilotprojekt der G-8-Staaten zum Schutze der tropischen Regenwälder realisiert – Hauptfinanzier ist Deutschland, also der deutsche Steuerzahler. Die Fakten zeigen, wozu dieses ”Pilotprojekt tatsächlich dient. Brasilianische Umweltexperten betonen seit langem, daß das sogenannte Schutzprojekt völlig uneffizient sei und in Wahrheit der Gegenseite nütze. Der ebenfalls vom Steuerzahler finanzierte Propagandarummel um das ”Pilotprojekt ist enorm.
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Deutschlands ”Biosprit-Unternehmen in der Krise – Pleiten und Produktionsstopp. ”Eine unrentable Branche wird künstlich am Leben erhalten(natürlich wie immer mit dem Geld des Steuerzahlers)- eine aktuelle Analyse: http://www.n-tv.de/937922.html?240320080933
Von Umweltjournalist Norbert Suchanek: Seit Jahren gibt es kein Halten: Die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes schreitet weiter voran. Neben Aluminium- und Stahlindustrie, Rindfleisch und Sojaproduzenten tritt jetzt auch die Agrarspritbranche zu einer neuen Zerstörungsorgie an.
„Wenn die Ölpreise weiter steigen, wird die Ethanolproduktion im Amazonas explodieren”, warnte Mitte Januar Carlos Nobre, Wissenschaftler am Nationalen Weltraum-Forschungsinstitut Brasiliens, nach Auswertung von Satellitenbildern. Und die Daten geben ihm Recht, stieg doch die monatliche Zerstörungsrate von 234 Quadratkilometern Regenwald im August 2007 auf 948 Quadratkilometer im vergangenen Dezember. Nur einer will von dieser dramatischen Entwicklung wenig wissen: Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.
„Wenn Amazonien zum Zuckerrohranbau taugen würde, dann hätten die Portugiesen, die Zuckerrohr vor vielen Jahrhunderten in Brasilien einführten, längst mit Amazonien Schluss gemacht”, sagte der Präsident im letzten Sommer zu den Ministern der Europäischen Union während eines internationalen Agrartreibstoffkongresses in Brüssel. Und sein Landwirtschaftsminister Reinhold Stephanes versicherte: „Es existiert kein Zuckerrohr in Amazonien, Wir wissen von keinem einzigen Projekt in der Region.” Doch nur einen Tag nach Lulas Aussage berichtete die Tageszeitung Diário do Pará, dass die Polizei über 1000 wie Sklaven gehaltene Feldarbeiter befreit hat, die auf einer fast 12000 Hektar großen Zuckerrohrplantage nahe der Stadt Ulianópolis im Amazonas-Staat Pará schuften mussten.
„Es ist eine Lüge zu behaupten, dass sich Zuckerrohr nicht an das amazonische Klima anpassen könnte”, erwidert auch der Fachmann Sérgio Nunomura vom Nationalen Amazonas-Forschungsinstitut (Inpa) und fügt hinzu, dass es selbst im Bundesstaat Amazonas bereits Zuckerrohrplantagen gibt. Nach offiziellen Daten des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums wird sich die Zuckerrohrernte in den Amazonasstaaten Maranháo, Mato Grosso, Pará, Tocantins und Amazonas in der diesjährigen Saison von 17 auf 19,3 Millionen Tonnen erhöhen.
Hauptgrund der raschen Expansion von Zuckerrohr am Amazonas ist die globale Nachfrage nach dem vermeintlich Klima schonenden Agrarsprit. Hohe Investitionen aus aller Welt schüren die Hausse. So kündigte die Brazilian Renewable Energy Company den Bau ihrer ersten Ethanolfabrik in Mato Grosso an, weil die Region fruchtbare Böden und eine Maschinen gerechte Topographie habe. Bis 2009 will das Unternehmen insgesamt zehn große Ethanolfabriken auf Basis von Zuckerrohr in Brasilien errichten und investiert hierfür 2,2 Milliarden US-Dollar, die unter anderem von Ex-Weltbank-Präsident James Wolfensohn, dem AOL-Mitbegründer Steve Case sowie dem Filmproduzenten Steven Bing stammen.
Im Süden von Pará hat wiederum der Millionär Daniel Dantas seine Claims abgesteckt, um eine der größten Zuckerrohrplantagen des Landes inklusive Fabrik zum Ethanolexport zu errichten. Und auch der nordamazonische Bundesstaat Roraima ist vom Agrarspritboom bedroht. Das Unternehmen Biocapital will von dort Ethanol über das Nachbarland Guyana zollfrei in die USA verschiffen. Brasiliens Regierung forciert diese Exportpläne, in dem sie gerade eine Straße zu den Häfen Guyanas erweitert. Roraimas Klima und Böden seien ideal für Zuckerrohr, erklärte vergangenen September Alvaro Callegari, Landwirtschaftsminister von Roraima. Dafür solle kein Regenwaldbaum für die Zuckerrohrplantagen gefällt werden, versicherte er. Die vorgesehenen Flächen seien ausschließlich bisher für Rinderzucht genutzte Naturgrasgebiete und Savannen, der so genannte Cerrado.
<nsohne>Neben dem weltweit bekannten Regenwald werden damit noch andere einzigartige Ökosysteme vernichtet – vor allem der Cerrado, den Biologen inzwischen als das artenreichste Savannenökosystem der Erde geadelt haben: Obwohl wenig untersucht, wurden hier bereits über 10000 Pflanzenarten identifiziert, von denen 4400 endemisch sind. Daneben ist es reich an großen Tierarten wie Jaguar, Mähnenwolf oder Ameisenbär, weshalb der Cerrado auch als Lateinamerikas Serengeti bezeichnet wird. Zudem ist er Heimat Dutzender indigener Völker und bietet zugewanderten traditionellen Bevölkerungsgruppen Lebensraum und Existenzgrundlage.
„Im Cerrado”, sagt der Geograf Klemens Laschefski von der brasilianischen Bundesuniversität in Minas Gerais, „leben Menschen, die in den Statistiken und der Politik nicht wahrgenommen werden, weil sie nicht zur Wirtschaftskraft beitragen. Es gibt die Illusion, dass dieses Gebiet ökologisch nicht wertvoll sowie sozial untergenutzt ist.” Dies sei eine alte Ideologie, mit der schon das Vordringen in den Amazonas begründet wurde – paradoxerweise werde nun die Erschließung des Cerrados mit der Rettung Amazoniens begründet, so Laschefski. So litt dieses Trockenwald-Ökosystem am stärksten unter der industriellen und oft gewalttätigen Agrarexpansion während der vergangen 30 Jahre: Weite Teile des Cerrado wichen Sojaplantagen und Rinderweiden, wurden rücksichtslos abgeholzt und als Holzkohle in brasilianischen Stahlwerken verfeuert. Die Schätzungen über den Zerstörungsgrad reichen von 40 bis über 60 Prozent – und jetzt kommt der Ethanolfluch hinzu.
„Die Umweltministerin Marina Silva behauptet immer, die Expansion der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Ethanolproduktion werde auf bereits degradierten Gebieten geschehen”, kritisiert der erfahrene Journalist und Koordinator des Umweltinformationsplattform EcoDebate, Henrique Cortez. „Tatsache aber ist, dass die Agrarfront voranschreitet, ohne so genannte degradierte Flächen zu nutzen. Warum? Weil die Wiederherstellung von degradierten Flächen teuer ist und viel Zeit beansprucht.” Es sei schlichtweg billiger und einfacher für die Agrarindustrie den Cerrado abzuholzen und die Agrarfront weiter nach Amazonien zu treiben. Davon unbekümmert spricht Eduardo Pereira de Carvalho, der Präsident von Sáo Paulos Union der Zuckerrohrindustrie, von rund 100 Millionen Hektar Land, die in den nächsten 15 Jahren in Zuckerrohrmonokulturen umgewandelt werden könnten.
„In unseren Feldstudien haben wir festgestellt, dass die Viehfarmer im Cerrado ihr Land an die Zuckerrohrproduzenten verkaufen und den Erlös in neue Viehweiden in Amazonien investieren”, erläutert Laschefski. „Der Raubbau am Amazonas geht also weiter und wird durch die Erschließung des Cerrados verschärft. In manchen Gebieten wandert der ganze Sektor der Milchwirtschaft inklusive der Verarbeitungsbetriebe in Richtung Amazonien.”
<nsohne>Bislang war der Bundesstaat Sáo Paulo Landesmeister in der Ethanolproduktion. Doch die Zukunft des brasilianischen Agrarsprits liegt nach Meinung von Milliardären wie George Soros in Mato Grosso do Sul. Denn für die Ausweitung des Zuckerrohranbaus verfügt der Bundesstaat, der international aufgrund des größten Süßwasserfeuchtgebiets der Erde, dem Pantanal, bekannt ist, über drei wichtige Voraussetzungen: Billige, relativ fruchtbare und ebene Böden, gute klimatische Bedingungen und ausreichend Wasser. Soros lässt gerade Zuckerrohrmonokulturen auf 150000 Hektar anpflanzen und neue Ethanolfabriken bauen. Angestrebte Verarbeitungskapazität: Elf Millionen Tonnen Zuckerrohr pro Jahr.
Insgesamt rechnete die Regierung des Bundesstaates 2007 mit Investitionen von rund zwei Milliarden US-Dollar und einer Ausweitung des Zuckerrohranbaus auf 710500 Hektar in den nächsten beiden Jahren sowie mit wenigstens 31 neuen Ethanolfabriken. Die Zuckerrohrproduktion Mato Grosso do Suls soll nach Meinung der Regierung bis 2012 um 620 Prozent steigen. Auch der Pantanal ist durch den Ethanolwahn bedroht – trotz Lulas Beteuerungen, das Feuchtgebiet nicht zu opfern.
An dessem Rande vollzieht sich aber noch eine weitere Tragödie, von der die letzten indigenen Völker Mato Grosso du Suls betroffen sind. Laut vorläufiger Statistik des Indianermissionsrats CIMI wurden 2007 in ganz Brasilien 76 Indigene umgebracht – 48 davon in Mato Grosso do Sul. Hauptursache: der Kampf um Land.
„Das Agrobusiness behauptet, es wolle Zuckerrohr nur auf degradierten Flächen Mato Grosso do Suls anpflanzen. Aber mit der Perspektive ständig steigender Profite haben sie ihre Ansicht geändert und kämpfen nun um die besten Flächen der Region, die Gebiete der Guarani-Kaiowá”, erläutert Egon Heck, CIMI-Koordinator von Mato Grosso do Sul. „Auf den weniger produktiven Böden kann man 70 bis 80 Tonnen Zuckerrohr je Hektar erzielen, aber auf jenen der Guarani-Kaiowá bis zu 120 Tonnen je Hektar.” Die Guarani-Kaiowá sind schlicht ein unliebsames Hindernis, das es zu beseitigen gelte, so Heck. Große Konzerne kauften strategisch wichtige Flächen auf, um die Naturressourcen des Landes – darunter Wasser – zu kontrollieren.
Unabhängig vom Wasserbedarf auf dem Feld benötigen auch Ethanolfabriken das kostbare Nass: drei bis fünf Liter je Liter Alkohol. Der vom Ethanolwahn und seinem Durst auf Wasser angeheizte Konflikt ist auch entscheidend im Streit um die von der Regierung Lula durchgepeitschte, mindestens zwei Milliarden teure Teilumleitung des Rio Sáo Francisco im Nordosten Brasiliens. Zu den Hauptprofiteuren des Projektes zählen die Zuckerbarone des Nordostens, die in freudiger Erwartung ihre Plantagen erweitern.
Leidtragende sind neben Kleinbauernfamilien, die Äcker und Häuser räumen mussten, rund 9000 Tumbalalá- und Truká-Indianer. Der Schamane der Truká-Gemeinde von Cabrobó, Antônio Cirilo de Sá, klagt: „Seit dem Bau des Sobradinho-Staudammes haben wir unsere fruchtbaren Felder an den Ufern des Sáo Francisco verloren und die Fische im Fluss wurden weniger.” Die Teilumleitung und das Absenken des Flusses werde noch mehr Hunger bringen sowie das Fischen und den Reisanbau weiter erschweren.
Auch der Vizepräsident der Vereinigung der Fischer im Bundesstaat Alagoas, Antonio Gomes dos Santos, kritisiert das Lula-Projekt: „Ich bin gegen den Zuckerrohranbau vor allem in den Wassereinzugsgebieten der Flüsse und Lagunen, weil es schon zu viel Zuckerrohr gibt. Wir brauchen diese Gebiete, um Nahrungsmittel wie Reis, Mais, Bohnen, Kartoffeln anzubauen. Zuckerrohr bringt keine Arbeitsplätze. Was den Gemeinden Jobs gibt, ist die traditionelle Flussfischerei.”
„Brasilien besitzt sechs große Biome: Amazonien, Pantanal, Cerrado, Caatinga, Mata Atlântica und Pampa. Eines davon wurde bereits durch Zuckerrohr vernichtet – die Mata Atlântica, der Atlantische Regenwald”, fasst Roberto Malvezzi, der Koordinator der pastoralen Landkommission, traurig zusammen. „Heute bestimmt Zuckerrohr den Staat Sáo Paulo. Und es will den Cerrado, das Pantanal und in einer perversen Form der Bewässerung die besten Böden der Caatinga übernehmen. Das Volk verdurstet, aber das Zuckerrohr bekommt Wasser im Überfluss.”
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Biosprit macht Arme hungriger
Hungeraufstand in Haiti. Reis, Brot und Bohnen wurden zu teuer für die verarmte Bevölkerung. Brasilianische Blauhelme müssen den Präsidentenpalast in Port-au-Prince mittels Gummigeschossen und Tränengas vor den revoltierenden Menschen verteidigen. Doch nicht nur in der Karibik. Extrem angestiegene Lebensmittelpreise trieben die Menschen ebenso in mehreren afrikanischen Staaten wie Kamerun, der Elfenbeinküste und Burkina Faso auf die Barrikaden.
 Laut Welternährungskommission (FAO) habe sich der Weltmarktpreis der beiden Hauptgrundnahrungsmittel, Reis und Weizen gegenüber 2007 verdoppelt. Schon seit 2005 hatten die Preise vor allem für Weizen, Mais und Milchprodukte kräftig um bis zu 90 Prozent angezogen, was gerade Familien in von Nahrungsmittelimporten abhängigen Entwicklungsländern betrifft. Sie müssten bereits, so die FAO, bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Und ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. Eine der diskutierten Ursachen: Agrarsprit. ”Biotreibstoffe sind ein Verbrechen gegen die Menschheit”, kritisiert der UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, Jean Ziegler, angesichts der sich verschärfenden globalen Nahrungsmittelkrise. Auch für Weltbankpräsident Robert Zoellick seien Biotreibstoffe „ohne Zweifel ein wichtiger Faktor der globalen Preissteigerung.”  Luiz Inácio Lula da Silva, Präsident des weltweit größten Ethanolproduzenten, Brasilien, und globaler Förderer der Agrarenergie allerdings sieht das anders. Der Sprit vom Acker trage keine Schuld an der gegenwärtigen Hungerkrise. Es werde einfach weltweit zu wenig Nahrung produziert und gleichzeitig mehr, vor allem in Indien und China konsumiert. Generell weist Lula da Silva jegliche Kritik an seinem Pro-Bioenergiekurs zurück. In Brasilien geschehe der Ausbau des Agrarspritsektors weder auf Kosten des Amazonasregenwaldes noch auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion, versichert der Präsident. Und sein Agrarminister Reinhold Stephanes legt nach: in Brasilien gebe es keine Konkurrenz zwischen Ethanol und Nahrung. Das Land sei seit Jahren einer der Welt größten Exporteure von Fleisch, Zucker, Kaffee und vor allem Soja, ohne dass die eigene Bevölkerung Hunger leide. Trotz der Ausweitung des Agrarenergiesektors würden Brasiliens Nahrungsmittelexporte stärker anwachsen als die Exporte der USA. Deshalb bewertet Präsident Lula die extrem hohen Weltmarktpreise für Lebensmittel auch positiv, füllen sie doch die Taschen von Brasiliens Weltmarkt abhängigen Großgrundbesitzern wie Soja-Baron Blairo Maggi. So berichtete kürzlich die Folha de Sáo Paulo, dass die explodierenden Sojapreise “ von rund 8 US-Dollar je Sack Sojabohnen auf 28 US-Dollar “ in nur wenigen Monaten Dutzende von Agrarinvestoren in Brasilien zu Multimillionären machte.Â
Bohnen um 150 Prozent teurer
 Das Gros der eigenen Bevölkerung allerdings hat unter dieser Agrarindustriepolitik genauso wie die Haitianer zu leiden. Zahlen des IBGE (Instituto Brasileiro de Geografia e EstatÃstica) zufolge müssen die Menschen des größten lateinamerikanischen Landes seit über einem Jahr gleichfalls mit extrem angezogenen Lebensmittelpreisen leben. Hauptgrundnahrungsmittel Bohnen kosten heute im Schnitt über 150 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, so die Erhebung des Departamento Intersindical de EstatÃsticas e Estudos Socioeconômicos (Dieese). Auch die tägliche Semmel ist in Brasilien so teuer wie seit Jahren nicht mehr. Schuld sei der Weizenpreis, der in den vergangenen 12 Monaten um 45,69 Prozent anzog, berichtet die Fundaçáo Getúlio Vargas (FGV). Entgegen der Behauptung der Regierung Lula nahm der Anbau von 32 traditionellen Nahrungsmittelpflanzen der brasilianischen Bevölkerung im vergangenen Jahr ab, so das landwirtschaftliche Institut (Instituto de Economia AgrÃcola). Reis verlor um 10 Prozent, Bohnen um 13 Prozent, Kartoffeln um 14 Prozent, Tomaten um 12 Prozent und Maniok um drei Prozent an Boden, während Zuckerrohr zulegte: Von 5,6 Millionen Hektar im Jahr 2005 auf 6,7 Millionen im Jahr 2007 und über 7,2 Millionen Hektar in diesem Jahr.
 Kleinbauern ernähren BrasilienÂ
Obwohl Brasiliens Großgrundbesitzer und internationale Investoren wie George Soros 43,7 Prozent der brasilianischen Anbaufläche besitzen, sind es die Kleinbauern, die bis heute den Großteil der Bevölkerung ernähren. Etwa 70 Prozent der in Brasilien verbrauchten Nahrungsmittel stammen von ihren Äckern und Weiden. Doch gerade sie verlieren tagtäglich an Boden, weil sie sowohl der Agrarindustrie wie der industriellen Entwicklung im Wege sind. Präsident Lula hat deshalb in einem Punkt recht. Man kann die Teuerung der Nahrungsmittel nicht nur dem Ethanol anlasten. Schuld sind auch Bodenspekulation, Zersiedelung und großindustrielle Projekt wie der erst vor wenigen Tagen von Lula auf den Weg gebrachte Chemiekomplex von Itaborai vor den Toren Rio de Janeiros. Das über acht Milliarden Dollar teure Mega-Projekt zur Verarbeitung von nationalem Schweröl wird exakt auf einem der fruchtbarsten landwirtschaftlichen Gebiete Rio de Janeiros errichtet, mit der Folge, dass die rund 11-Millionen Einwohner zählende Metropole über kurz oder lang eine der wichtigsten Nahrungsmittel produzierenden Regionen verlieren wird. Ähnliches geschieht gerade durch die Ausweitung der Eukalyptusplantagen zur Zellstoffproduktion “ geplant ist auch die Herstellung von Zellulose-Ethanol – in Südbahia und vor allem in Rio Grande do Sul. Dort, im äußersten Süden Brasiliens wird zwar kein „Amazonasbaum” gefällt, doch werden Zehntausende von Hektar Pampa – ein Naturweide-Ökosystem, auf dem seit Generationen extensive, faktisch ökologische Rinderzucht betrieben wird – in Pestizid verbrauchende und Grundwasser belastende Baummonokulturen umgewandelt. Zellstoff und Zellulose-Alkohol statt gesundem Weidefleisch und Milch.Â
Nahrung ist nicht gleich NahrungÂ
Genau dies ist der für Bevölkerung und Ökologie zu bedauernde Prozess, der sich schon seit den 1970er Jahren mit Regierungshilfe fortsetzt und sich nun im Zuge der neuen Agrarenergie-Investitionen beschleunigt: Die Vernichtung von lokalen Nahrungsmittelressourcen zugunsten einer industriellen Landwirtschaft -und Nahrungsmittelproduktion kontrolliert von wenigen Großgrundbesitzern und transnationalen Konzernen. Gesunde, einfache Grundnahrungsmittel wie beispielsweise Pampa-Rindfleisch oder Eier von freilaufenden Hühnern von Kleinbauern sind dabei ein seltenes Luxusprodukt zu werden. Auf dem größten Bauernmarkt von Rio zum Beispiel, der Feira da Gloria, gibt es inzwischen nur noch zwei Anbieter von Eiern traditioneller Hühnerrassen, und der Preis hat sich in den vergangenen sechs Monaten um 50 Prozent erhöht, während der Markt von „billigen” Eiern aus Legebatterien, gefüttert mit Soja-Mehl, regelrecht überschwemmt wird.Â
Lula will mit Ethanol Hunger bekämpfenÂ
Doch für die Regierung Lula ist dieser Verlust an umweltfreundlicher, das Klima schützender regionaler Produktion und Nahrungsmittelvielfalt kein Thema: Ihr Motto lautet: Mit Ethanolplantagen den Hunger in den Entwicklungsländern bekämpfen. So diktierte es der Präsident bereits 2007 den schwarzafrikanischen Staaten. Oder anders ausgedrückt: Wer Hunger hat, brauche keinen eigenen Nahrungsmittelanbau, sondern einen Job in der Ethanolproduktion, um sich die industrialisierten Nahrungsmittel des Weltmarkts im Supermarkt zu kaufen. Um Haiti aus seiner seit Jahren chronischen „Hungermisere” zu helfen hat die brasilianische Regierung deshalb auch schon 2006 mit der haitischen Regierung ein Abkommen zur Förderung der Ethanolindustrie auf der Insel abgeschlossen. Statt Nahrung für die hungernde Bevölkerung anzubauen, sollte Haiti zum preisgünstigen Agrarspritproduzenten werden.Â
Regen oder Traufe?Â
Die gerade von deutschen Politikern heftigst diskutierte Frage, ob der vermehrte Konsum von Fleisch aus der Massentierhaltung oder der Biodieselboom die Hauptursache der globalen Lebensmittelteuerung sind, ist im übrigen lediglich ein Scheingefecht. Beides nämlich treibt die Preise in die Höhe, und beide haben in Brasilien denselben „Hauptrohstoff”, Soja, der mit steigender Nachfrage eben teurer wird, was wiederum Anreiz zur Ausweitung der Anbauflächen ist. Dasselbe gilt für Ethanol aus Zuckerrohr. Mit anziehenden Preisen expandieren die Zuckerrohrfelder und zwar vor allem auf fruchtbaren, Maschinen gerechten Böden, weil sich dort die Investitionen der Agrarindustrie rasch bezahlt machen. Der Futtermittel- oder Agrarspritanbau auf – durch Abholzung und Raubbau – bereits degradierten Flächen indes ist kostenintensiv und sehr zeitaufwendig und deshalb für Investoren unattraktiv. Das von Regierung und Biospritlobby regelmäßig angeführte Argument, Brasilien habe über 100 Millionen Hektar brachliegende oder degradierte Flächen zur Ausweitung der Agrartreibstoffe zur Verfügung, ist deshalb lediglich ein billiges Propagandamittel, um den brasilianischen Agrarsprit für die europäischen Konsumenten ökologisch rein zu waschen. Â
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/768424/
”Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind ein Motiv für Fröhlichkeit, sagte Brasiliens Staatschef Lula in Holland laut Presseberichten.
Weil die Armen der Welt mehr essen, so Lula gemäß ”Folha de Sao Paulo, erhöhe sich die Nachfrage nach Lebensmitteln, damit auch die Inflation in einigen Ländern. ”Erstens müssen wir alle Gott danken, daß das Volk mehr zu essen hat. Und wenn der Arme mehr Zugang zu Lebensmitteln hat, ist das eine Alegria imensa. Und zweitens gibt es noch eine andere Alegria: Dann nämlich, wenn alle Welt etwas mehr produziert, wird es mehr Reichtum, mehr Arbeit und weniger Inflation geben. Zu Einwänden, die Lebensmittelproduktion werde negativ beeinflußt durch die Herstellung von Agrotreibstoffen, sagte Lula: ”Kommen sie mir nicht mit diesen Redensarten, wonach die Agrotreibstoffe zu einer Preiserhöhung bei Lebensmitteln geführt haben.
Laut ”Folha de Sao Paulo setzte Lula auch auf dieser Europareise seine Werbung für brasilianische Agrotreibstoffe fort, während Hollands Premierminister Jan Peter Balkenende kritisch auf die Umweltaspekte verwiesen habe. Â
« Kuba wandelt selten vollstreckte Todesurteile in Haftstrafen um. In Brasilien ist die Abschaffung der Scheiterhaufen sowie der regelmäßig Todesstrafen verhängenden Ghetto-Sondergerichte nicht in Sicht. – „Schwarzer Tag für den Amazonasregenwald“ – Deutschlands Umweltminister Gabriel in Brasilien. Analyse von „Rettet den Regenwald e.V.“ »
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