Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

„Schwarzer Tag für den Amazonasregenwald“ – Deutschlands Umweltminister Gabriel in Brasilien. Analyse von „Rettet den Regenwald e.V.“

Gabriel kündigt für Mai bilaterales Energieabkommen für Agrosprit zwischen Deutschland und Brasilien an

Die Autos auf Deutschlands Straßen vertragen zwar keinen Ethanol und der Regenwald geht dafür vor die Hunde, doch importiert werden soll der Agrosprit auf jeden Fall. Nur drei Wochen nach seinem Flop der für 2009 geplanten Einführung einer siebenprozentigen Beimischungspflicht für Ethanol im deutschen Benzin kann die Ankündigung von Umweltminister Sigmar Gabriel und seiner brasilianischen Amtskollegin Marina Silva für ein bilaterales Energieabkommen nur als verspäteter Aprilscherz aufgefasst werden.

Eine Unterredung mit der Brasilianerin und deren Versicherungen, dass durch Biokraftstoffe weder Regenwaldrodung noch Hunger drohten, reichten aus, um alle gegenteiligen Fakten und Berichte vom Tisch zu fegen. Dass für den Energiedeal neue Urwaldflächen gerodet werden müssen, bereits bestehende landwirtschaftliche Kulturen weiter nach Norden und Westen in die Naturparadiese von Amazonas und Pantanal gedrängt werden, die Freisetzung des im Urwald gebundenen Kohlenstoffs schon jetzt Brasilien zum drittgrössten Klimasünder macht, die Vernichtung der kleinbäuerlichen Existenzen, die erbärmlichen Arbeitsbedingungen auf den Agroplantagen, die fatale Konkurrenz zwischen Tank und Teller, die die Grundnahrungsmittel weltweit explodieren lässt, die drohende Hungerkatastrophe, scheinen den deutschen Umweltminister nicht zu interessieren.

Mit hellseherischen Fähigkeiten verkündete Gabriel eigenhändig die Nachhaltigkeit der brasilianischen Biokraftstoffproduktion und deren Unschädlichkeit für die Nahrungsmittelpreise. Für sein Unbedenklichkeitsattest wartete er nicht einmal die geplanten Ortstermine im brasilianischen Amazonasregenwald im Bundesstaat Pará und einer Ethanolfabrik in Sao Paulo ab, die er während seiner fünftätigen Reise noch besuchen will.

Was soll bei dem Besuch dieser von beiden Regierungen sorgfältig ausgewählten Orte auch schon groß an Neuem herauskommen, wird Gabriel sich gesagt haben, da kann ich auch gleich die Ergebnisse am ersten Tag vorweg nehmen, schliesslich will Kanzlerin Angela Merkel das Energieabkommen bereits in zwei Wochen in Brasilien unterschreiben.

„In den vergangenen zwei Jahren haben wir ALLE von der Bundessregierung für den „Biokraftstoffeinsatz vorgebrachten Argumente bis ins Detail demontiert und als Lügen entlarvt, sagt Südamerikaexperte Klaus Schenck von Rettet den Regenwald e.V. „Ob angeblicher Klimaschutz, Einsparung fossiler Energie, Entwicklungsmöglichkleiten für die armen Kleinbauern in der Dritten Welt, Bepflanzung von Ödland, das alles waren nur Ablenkungsmanöver und Verwirrungstaktik. Doch nun lässt die Bundesregierung die Maske fallen und widmet sich direkt ohne Umschweife ihrem eigentlichen Interesse: Big Bussiness mit Energie vom Acker. Und welches Land könnte dazu besser geeignet sein als Brasilien, dass sich als Weltlieferant für „grüne Energie und aufstrebende Supermacht des globalen Südens sieht.

Anlass der Brasilienreise von Gabriel ist die Vorbereitung der UN-Konferenz für biologische Vielfalt Ende Mai in Bonn, wo Deutschland von Brasilien den Vorsitz übernehmen wird. „Da heutzutage Industrie und Biodiversität in perfekter Harmonie miteinander schwelgen, bildet die für Mitte Mai geplante Unterzeichnung des deutsch-brasilianischen Energieabkommens ohne Zweifel den passenden Auftakt für die Konferenz, kritisiert Schenck.

In der ehemaligen Bundeshauptstadt wollen fünftausend Teilnehmer aus Politik und Wirtschaft Ende Mai vor allem darüber verhandeln, wie Biodiversität gewinnbringend nutzbar gemacht und patentiert werden können. „Man muss nur allen Lebewesen und Ökosystemen der Erde einen ökonomischen Wert zuweisen, und schon wird sich die Wirtschaft im Interesse guter Geschäfte um deren nachhaltige Nutzung und Vermarktung kümmern, so lautet anscheinend die Zauberformel.

Im Vorfeld dazu will Merkel während ihres Staatsbesuchs in Brasilien bereits Fakten schaffen. „Einen krasseren Kontrast zwischen der Artenvielfalt der brasilianischen Urwälder und den 30 Millionen Hektar Soja- und Zuckerrohr-Monokulturen, von denen die Agroenergie stammt, gibt es nicht, sagt Schenck. „Die ersteren sind voller Leben, die letzteren biologische Wüsten. Mehrere Millionen Hektar Soja wachsen bereits am Amazonas. Neu gezüchtete Varianten von Zuckerrohr und Soja einschliesslich genetisch manipulierter Pflanzen machen es möglich. Die grüne Lunge der Erde liegt im Sprühnebel von Pestiziden und ist das Versuchslabor der Genindustrie.

Am vergangenden Sonntag sah sich der brasilianische Präsident Lula da Silva gezwungen, angesichts der massiven Kritik und weltweiten Proteste wegen der vom Agrokraftstoffboom ausgelösten Preisexplosion bei den Grundnahrungsmitteln ein Machtwort zu sprechen. Er forderte, dass die Industriestaaten ihre „heuchlerische Haltung aufgeben und brasilianischen Biokraftstoff kaufen sollten, nach dem Motto, was nicht sein darf, das gibt es auch nicht.

Da fragt man sich natürlich, warum da Silva das nationale „Null Hunger-Programm (Zero Fome) aufgelegt hat, wenn es wirklich so gut mit der Ernährung in Brasilien stünde, vom Rest der Welt ganz zu schweigen. Auch die nicht abreissenden Horrormeldungen von den erbärmlichen Arbeitsbedingungen auf den brasiliansichen Zuckkerrohrplantagen scheinen den ehemaligen Arbeiterführer nicht zu stören. In den letzten Jahren wurden von der Polizei tausende wie Sklaven gehaltene Arbeiter auf den Plantagen befreit.

Der brasilianische Soja-König und Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso do Sul Blairo Maggi sah dann auch die Stunde gekommen, um schamlos in aller Öffentlichkeit das zu fordern, was ihn reich gemacht hat: „Mit der Verschlimmerung der Nahrungsmittelkrise kommt die Stunde, in der es unvermeidlich wird, zu diskutieren, ob wir die Umwelt weiter wie jetzt schützen, oder ob wir mehr Nahrungmittel produzieren. Es ist unmöglich, mehr Nahrung zu produzieren, ohne neue Landflächen zu belegen und Bäume zu fällen,so Maggi.

Diesen Teil der brasilianischen Realität lässt Gabriel lieber ungehört verhallen. Mit Maggis Soja-Schrot aus Urwaldrodung werden die europäischen Hühner, Schweine und Rinder gemästet, und das dabei anfallende Sojaöl wird auch bereits deutschem Diesel-Kraftstoff beigemischt. Um Maggis Soja-Geschäft kräftig zu schmieren, hatten in 2001 auch schon die staatliche Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) und die düsseldorfer WestLB mit Millionen-Krediten ausgeholfen.

Im Herbst vergangenen Jahres musste die brasilianische Regierung de Facto das Scheitern ihres Schutzprogramms für den Amazonasregenwald eingestehen, nachdem sich die rasante Zunahme der Rodungen nicht mehr verheimlichen ließ. Doch Präsident Lula da Silva zog es vor, die Situation herunterzuspielen: „Die Menschen machen aus einem Tumörchen ein Krebsgeschwür.

Auf die offenen Worte Blairo Maggis reagierte die aus dem Amazonasgebiet stammende Umweltministerin Marina Silva lapidar:  „nicht nachhaltige Druck auf die natürlichen Ressourcen ist keine Antwort auf die weltweite Nahrungsmittelkrise. Die Zerstörung der Ökosysteme durch die Landwirtschaft „schiebt die Krise nur für kurze Zeit auf, so Marina Silva lapidar.

Fazit: Ein schwarzer Montag für Natur und Menschen in Brasilien. Rettet den Regenwald fordert statt der geplanten Unterzeichnung des Energieabkommens einen sofortigen Importstopp von Agrosprit und Sojaschrot aus Übersee. Eine umwelt- und sozialverträgliche Produktion ist nicht möglich, die geplante Zertifizierung ein Ettikettenschwindel. Keinen Regenwald in Tank und Teller.

Hintergrund:

Am 13. Mai kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Brasilien, um ein bilaterales Energieabkommen zu unterzeichnen.

Bittersüße Ernte. Die Ethanol-Hausse verwüstet Brasiliens Biodiversität **

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Deutschlands ”Biosprit-Unternehmen in der Krise – Pleiten und Produktionsstopp. ”Eine unrentable Branche wird künstlich am Leben erhalten(natürlich wie immer mit dem Geld des Steuerzahlers)- eine aktuelle Analyse: http://www.n-tv.de/937922.html?240320080933

Von Umweltjournalist Norbert Suchanek: Seit Jahren gibt es kein Halten: Die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes schreitet weiter voran. Neben Aluminium- und Stahlindustrie, Rindfleisch und Sojaproduzenten tritt jetzt auch die Agrarspritbranche zu einer neuen Zerstörungsorgie an.

„Wenn die Ölpreise weiter steigen, wird die Ethanolproduktion im Amazonas explodieren”, warnte Mitte Januar Carlos Nobre, Wissenschaftler am Nationalen Weltraum-Forschungsinstitut Brasiliens, nach Auswertung von Satellitenbildern. Und die Daten geben ihm Recht, stieg doch die monatliche Zerstörungsrate von 234 Quadratkilometern Regenwald im August 2007 auf 948 Quadratkilometer im vergangenen Dezember. Nur einer will von dieser dramatischen Entwicklung wenig wissen: Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.
„Wenn Amazonien zum Zuckerrohranbau taugen würde, dann hätten die Portugiesen, die Zuckerrohr vor vielen Jahrhunderten in Brasilien einführten, längst mit Amazonien Schluss gemacht”, sagte der Präsident im letzten Sommer zu den Ministern der Europäischen Union während eines internationalen Agrartreibstoffkongresses in Brüssel. Und sein Landwirtschaftsminister Reinhold Stephanes versicherte: „Es existiert kein Zuckerrohr in Amazonien, Wir wissen von keinem einzigen Projekt in der Region.” Doch nur einen Tag nach Lulas Aussage berichtete die Tageszeitung Diário do Pará, dass die Polizei über 1000 wie Sklaven gehaltene Feldarbeiter befreit hat, die auf einer fast 12000 Hektar großen Zuckerrohrplantage nahe der Stadt Ulianópolis im Amazonas-Staat Pará schuften mussten.
„Es ist eine Lüge zu behaupten, dass sich Zuckerrohr nicht an das amazonische Klima anpassen könnte”, erwidert auch der Fachmann Sérgio Nunomura vom Nationalen Amazonas-Forschungsinstitut (Inpa) und fügt hinzu, dass es selbst im Bundesstaat Amazonas bereits Zuckerrohrplantagen gibt. Nach offiziellen Daten des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums wird sich die Zuckerrohrernte in den Amazonasstaaten Maranháo, Mato Grosso, Pará, Tocantins und Amazonas in der diesjährigen Saison von 17 auf 19,3 Millionen Tonnen erhöhen.
Hauptgrund der raschen Expansion von Zuckerrohr am Amazonas ist die globale Nachfrage nach dem vermeintlich Klima schonenden Agrarsprit. Hohe Investitionen aus aller Welt schüren die Hausse. So kündigte die Brazilian Renewable Energy Company den Bau ihrer ersten Ethanolfabrik in Mato Grosso an, weil die Region fruchtbare Böden und eine Maschinen gerechte Topographie habe. Bis 2009 will das Unternehmen insgesamt zehn große Ethanolfabriken auf Basis von Zuckerrohr in Brasilien errichten und investiert hierfür 2,2 Milliarden US-Dollar, die unter anderem von Ex-Weltbank-Präsident James Wolfensohn, dem AOL-Mitbegründer Steve Case sowie dem Filmproduzenten Steven Bing stammen.
Im Süden von Pará hat wiederum der Millionär Daniel Dantas seine Claims abgesteckt, um eine der größten Zuckerrohrplantagen des Landes inklusive Fabrik zum Ethanolexport zu errichten. Und auch der nordamazonische Bundesstaat Roraima ist vom Agrarspritboom bedroht. Das Unternehmen Biocapital will von dort Ethanol über das Nachbarland Guyana zollfrei in die USA verschiffen. Brasiliens Regierung forciert diese Exportpläne, in dem sie gerade eine Straße zu den Häfen Guyanas erweitert. Roraimas Klima und Böden seien ideal für Zuckerrohr, erklärte vergangenen September Alvaro Callegari, Landwirtschaftsminister von Roraima. Dafür solle kein Regenwaldbaum für die Zuckerrohrplantagen gefällt werden, versicherte er. Die vorgesehenen Flächen seien ausschließlich bisher für Rinderzucht genutzte Naturgrasgebiete und Savannen, der so genannte Cerrado.

<nsohne>Neben dem weltweit bekannten Regenwald werden damit noch andere einzigartige Ökosysteme vernichtet – vor allem der Cerrado, den Biologen inzwischen als das artenreichste Savannenökosystem der Erde geadelt haben: Obwohl wenig untersucht, wurden hier bereits über 10000 Pflanzenarten identifiziert, von denen 4400 endemisch sind. Daneben ist es reich an großen Tierarten wie Jaguar, Mähnenwolf oder Ameisenbär, weshalb der Cerrado auch als Lateinamerikas Serengeti bezeichnet wird. Zudem ist er Heimat Dutzender indigener Völker und bietet zugewanderten traditionellen Bevölkerungsgruppen Lebensraum und Existenzgrundlage.
„Im Cerrado”, sagt der Geograf Klemens Laschefski von der brasilianischen Bundesuniversität in Minas Gerais, „leben Menschen, die in den Statistiken und der Politik nicht wahrgenommen werden, weil sie nicht zur Wirtschaftskraft beitragen. Es gibt die Illusion, dass dieses Gebiet ökologisch nicht wertvoll sowie sozial untergenutzt ist.” Dies sei eine alte Ideologie, mit der schon das Vordringen in den Amazonas begründet wurde – paradoxerweise werde nun die Erschließung des Cerrados mit der Rettung Amazoniens begründet, so Laschefski. So litt dieses Trockenwald-Ökosystem am stärksten unter der industriellen und oft gewalttätigen Agrarexpansion während der vergangen 30 Jahre: Weite Teile des Cerrado wichen Sojaplantagen und Rinderweiden, wurden rücksichtslos abgeholzt und als Holzkohle in brasilianischen Stahlwerken verfeuert. Die Schätzungen über den Zerstörungsgrad reichen von 40 bis über 60 Prozent – und jetzt kommt der Ethanolfluch hinzu.
„Die Umweltministerin Marina Silva behauptet immer, die Expansion der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Ethanolproduktion werde auf bereits degradierten Gebieten geschehen”, kritisiert der erfahrene Journalist und Koordinator des Umweltinformationsplattform EcoDebate, Henrique Cortez. „Tatsache aber ist, dass die Agrarfront voranschreitet, ohne so genannte degradierte Flächen zu nutzen. Warum? Weil die Wiederherstellung von degradierten Flächen teuer ist und viel Zeit beansprucht.” Es sei schlichtweg billiger und einfacher für die Agrarindustrie den Cerrado abzuholzen und die Agrarfront weiter nach Amazonien zu treiben. Davon unbekümmert spricht Eduardo Pereira de Carvalho, der Präsident von Sáo Paulos Union der Zuckerrohrindustrie, von rund 100 Millionen Hektar Land, die in den nächsten 15 Jahren in Zuckerrohrmonokulturen umgewandelt werden könnten.
„In unseren Feldstudien haben wir festgestellt, dass die Viehfarmer im Cerrado ihr Land an die Zuckerrohrproduzenten verkaufen und den Erlös in neue Viehweiden in Amazonien investieren”, erläutert Laschefski. „Der Raubbau am Amazonas geht also weiter und wird durch die Erschließung des Cerrados verschärft. In manchen Gebieten wandert der ganze Sektor der Milchwirtschaft inklusive der Verarbeitungsbetriebe in Richtung Amazonien.”

<nsohne>Bislang war der Bundesstaat Sáo Paulo Landesmeister in der Ethanolproduktion. Doch die Zukunft des brasilianischen Agrarsprits liegt nach Meinung von Milliardären wie George Soros in Mato Grosso do Sul. Denn für die Ausweitung des Zuckerrohranbaus verfügt der Bundesstaat, der international aufgrund des größten Süßwasserfeuchtgebiets der Erde, dem Pantanal, bekannt ist, über drei wichtige Voraussetzungen: Billige, relativ fruchtbare und ebene Böden, gute klimatische Bedingungen und ausreichend Wasser. Soros lässt gerade Zuckerrohrmonokulturen auf 150000 Hektar anpflanzen und neue Ethanolfabriken bauen. Angestrebte Verarbeitungskapazität: Elf Millionen Tonnen Zuckerrohr pro Jahr.
Insgesamt rechnete die Regierung des Bundesstaates 2007 mit Investitionen von rund zwei Milliarden US-Dollar und einer Ausweitung des Zuckerrohranbaus auf 710500 Hektar in den nächsten beiden Jahren sowie mit wenigstens 31 neuen Ethanolfabriken. Die Zuckerrohrproduktion Mato Grosso do Suls soll nach Meinung der Regierung bis 2012 um 620 Prozent steigen. Auch der Pantanal ist durch den Ethanolwahn bedroht – trotz Lulas Beteuerungen, das Feuchtgebiet nicht zu opfern.

An dessem Rande vollzieht sich aber noch eine weitere Tragödie, von der die letzten indigenen Völker Mato Grosso du Suls betroffen sind. Laut vorläufiger Statistik des Indianermissionsrats CIMI wurden 2007 in ganz Brasilien 76 Indigene umgebracht – 48 davon in Mato Grosso do Sul. Hauptursache: der Kampf um Land.
„Das Agrobusiness behauptet, es wolle Zuckerrohr nur auf degradierten Flächen Mato Grosso do Suls anpflanzen. Aber mit der Perspektive ständig steigender Profite haben sie ihre Ansicht geändert und kämpfen nun um die besten Flächen der Region, die Gebiete der Guarani-Kaiowá”, erläutert Egon Heck, CIMI-Koordinator von Mato Grosso do Sul. „Auf den weniger produktiven Böden kann man 70 bis 80 Tonnen Zuckerrohr je Hektar erzielen, aber auf jenen der Guarani-Kaiowá bis zu 120 Tonnen je Hektar.” Die Guarani-Kaiowá sind schlicht ein unliebsames Hindernis, das es zu beseitigen gelte, so Heck. Große Konzerne kauften strategisch wichtige Flächen auf, um die Naturressourcen des Landes – darunter Wasser – zu kontrollieren.
Unabhängig vom Wasserbedarf auf dem Feld benötigen auch Ethanolfabriken das kostbare Nass: drei bis fünf Liter je Liter Alkohol. Der vom Ethanolwahn und seinem Durst auf Wasser angeheizte Konflikt ist auch entscheidend im Streit um die von der Regierung Lula durchgepeitschte, mindestens zwei Milliarden teure Teilumleitung des Rio Sáo Francisco im Nordosten Brasiliens. Zu den Hauptprofiteuren des Projektes zählen die Zuckerbarone des Nordostens, die in freudiger Erwartung ihre Plantagen erweitern.
Leidtragende sind neben Kleinbauernfamilien, die Äcker und Häuser räumen mussten, rund 9000 Tumbalalá- und Truká-Indianer. Der Schamane der Truká-Gemeinde von Cabrobó, Antônio Cirilo de Sá, klagt: „Seit dem Bau des Sobradinho-Staudammes haben wir unsere fruchtbaren Felder an den Ufern des Sáo Francisco verloren und die Fische im Fluss wurden weniger.” Die Teilumleitung und das Absenken des Flusses werde noch mehr Hunger bringen sowie das Fischen und den Reisanbau weiter erschweren.
Auch der Vizepräsident der Vereinigung der Fischer im Bundesstaat Alagoas, Antonio Gomes dos Santos, kritisiert das Lula-Projekt: „Ich bin gegen den Zuckerrohranbau vor allem in den Wassereinzugsgebieten der Flüsse und Lagunen, weil es schon zu viel Zuckerrohr gibt. Wir brauchen diese Gebiete, um Nahrungsmittel wie Reis, Mais, Bohnen, Kartoffeln anzubauen. Zuckerrohr bringt keine Arbeitsplätze. Was den Gemeinden Jobs gibt, ist die traditionelle Flussfischerei.”
„Brasilien besitzt sechs große Biome: Amazonien, Pantanal, Cerrado, Caatinga, Mata Atlântica und Pampa. Eines davon wurde bereits durch Zuckerrohr vernichtet – die Mata Atlântica, der Atlantische Regenwald”, fasst Roberto Malvezzi, der Koordinator der pastoralen Landkommission, traurig zusammen. „Heute bestimmt Zuckerrohr den Staat Sáo Paulo. Und es will den Cerrado, das Pantanal und in einer perversen Form der Bewässerung die besten Böden der Caatinga übernehmen. Das Volk verdurstet, aber das Zuckerrohr bekommt Wasser im Überfluss.”

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 30. April 2008 um 14:12 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Naturschutz, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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