Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Pflichtwahlen und organisiertes Verbrechen – Brasiliens katholische Kirche kämpft für sauberen Urnengang.

Hochbewaffnete Verbrechersyndikate und paramilitärische Milizen nominieren eigene Kandidaten, lassen deren politische Rivalen nicht in die Slum-Hochburgen, setzen dort die Pflichtwähler unter massiven Druck. Des Mordes oder anderer schwerer Verbrechen angeklagte Politiker organisieren ihre Wiederwahl, um weiter parlamentarische Immunität zu genießen. Vor dem Urnengang im Oktober startet deshalb Brasiliens katholische Kirche erneut  zahlreiche politische Initiativen, um die antiethischen Absurdidäten in Lateinamerikas größter Demokratie wenigstens zu begrenzen. Teilerfolge lassen hoffen.

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Wahlen in Brasilien, Angeli, Karikaturist der größten Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“ zu Wahl-Fakten, Ausriß: „Informiere dich vor der Stimmabgabe über deinen Kandidaten.“ Suchplakat mit folgenden Straftatbeständen:“Diebstahl, Raub, Raubmord, Betrug, Veruntreuung, Erpressung.“”Das Gesetz gegen den weit verbreiteten Stimmenkauf haben wir formuliert “ und damit bisher die Kandidatur von über 600 zwielichtigen Politikern verhindert”, sagt Dimas Lara Barbosa, Generalsekretär der Bischofskonferenz(CNBB). Diese unterstützte einen Vorstoß des nationalen Richterbundes, vom Obersten Gericht in Brasilia die Kandidatur schwer belasteter Personen verbieten zu lassen. Die Klage wurde abgelehnt “ solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt sei, müsse die Unschuldsvermutung gelten, dürfe man ihm verfassungsmäßige Rechte nicht beschneiden. Bischof Barbosa, die mit der Kirche verbündeten Sozialbewegungen sehen dies angesichts der gravierenden Zustände völlig anders. Denn nur zu oft werden einflußreiche, vermögende Politiker wegen Verbrechen zwar  verurteilt, legen jedoch vor  höheren Instanzen mittels gewiefter Anwälte stets erneut Widerspruch ein, kommen gewöhnlich ungeschoren davon. So sind im Nationalkongreß von Brasilia ein Drittel der Abgeordneten und vierzig Prozent der Senatoren wegen schwerer Straftaten angeklagt oder verurteilt. Im Abgeordnetenhaus des nach Sao Paulo wirtschaftlich zweitwichtigsten Teilstaates Rio de Janeiro laufen Prozesse sogar gegen fast die Hälfte der Parlamentarier “ wegen Betrugs, Bandenbildung und sogar Mord. „Unsere Gesetze werden von Straftätern gemacht”, beklagen Kommentatoren.  „Wir sammeln deshalb jetzt 1,5 Millionen Unterschriften für ein Gesetzesprojekt gegen Kandidaten mit schmutziger Weste”, betont der Bischof. Angesichts des sehr niedrigen Bildungsniveaus fällt es der Kirche schwer, die Öffentlichkeit ausreichend zu mobilisieren, den rund 400000 Kandidaten für die Kommunalwahlen genauer auf die Finger zu sehen. Denn in  immerhin 17 Prozent der Städte stellen Analphabeten die Wählermehrheit, im Nordosten liegt diese Rate sogar bei 37 Prozent. Viele sind für Stimmenkauf anfällig oder lassen sich von Banditenkommandos einschüchtern. In Slums von Rio de Janeiro gehen Gangster mit umgehängter Mpi von Kate zu Kate und weisen die Bewohner an, für bestimmte Kandidaten zu votieren: „Das ist ein Befehl unserer Bosse!” Journalisten, die den Wahlkampf beobachteten, wurden von Banditenkommandos barbarisch gefoltert. Nicht genehme Kandidaten, denen man dennoch den Slum-Zutritt erlaubte, wurden von  schwerbewaffneten Gangstern eskortiert und suchten rasch das Weite. CNBB-Generalsekretär Barbosa leitete jahrelang die Gefangenenseelsorge in der Zuckerhutmetropole, kennt die Verhältnisse gut. „In Rio sagt man, daß die großen Gangster nicht in den Slums leben, sondern in den Strand-Nobelvierteln.” Der Bischof nennt „sehr problematisch”, daß jetzt im Wahlkampf die evangelikale Wunderheilersekte „Universalkirche vom Reich Gottes” unablässig gegen die katholische Kirche hetzt. Die Universalkirche dominiert Brasiliens „Republikanische Partei”(PRB), die den Vize von Staatschef Lula stellt – den Milliardär und früheren Diktaturaktivisten Josè Alencar. Aussichtsreichster Bürgermeisterkandidat in Rio ist just PRB-Kongreßsenator Marcelo Crivella, gegen den zahlreiche Prozesse liefen. „Die katholische Kirche zählt zur Elite “ wer sich heute um die Armen sorgt, sind wir Evangelikalen”, attackierte Crivella bei den letzten Kommunalwahlen. Barbosa wies dies scharf zurück. „Diesmal ist Crivella vorsichtig, will schließlich auch katholische Wähler gewinnen. Doch seine Universalkirche hetzt weiter gegen uns.”Â

In Brasiliens sind besonders vor Wahlen politisch motivierte Morde häufig: In der nordbrasilianischen Stadt Rio Maria wurde der Bürgermeisterkandidat und Ex-Präfekt Agemiro da Silva(PMDB) erschossen.

In Deutschland wird offenbar wegen dieser Zustände das Tropenland häufig als „stabile, moderne Demokratie“ eingestuft.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/04/03/stimmenkauf-und-wahlmauscheleien-auch-unter-lula-weitverbreitet-katholische-kirche-warnt-vor-wahlbetrug-besorgnis-uber-kindesmishandlungen-und-kindermord/

Lulas Mensalao-Skandal – gerichtliche Aufklärung weiter verzögert:

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/14/ex-sektenbischof-zu-stimmen-und-parteienkauf-skandal-lulas-arbeiterpartei-zahlte-an-sektenpartei/

Dieser Beitrag wurde am Montag, 11. August 2008 um 18:12 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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