Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien: Homosexuelle contra Marta Suplicy, Bürgermeisterkandidatin in Sao Paulo. Empörung über demagogische Wahlpropaganda gegen Rivalen Gilberto Kassab: „Ist er verheiratet? Hat er Kinder?“ Suplicy-Wahlhelfer:“ O Kassab é Veado!“ Lula:“Marta wird gewinnen!“

Die aggressive Wahlpropaganda der Bürgermeisterkandidatin Marta Suplicy aus Lulas Arbeiterpartei gegen ihren Rivalen, den derzeitigen Präfekten Sao Paulos, Gilberto Kassab, hat in der brasilianischen Öffentlichkeit Empörung ausgelöst. In TV-Wahlspots wurde der allein lebende, kinderlose Kassab gezeigt – auf sein Gesicht die Frage projiziert, von einem Sprecher wiederholt: „Ist er verheiratet? Hat er Kinder?“  Wahlhelfer von Marta Suplicy richteten auf den Straßen Sao Paulos schwulenfeindliche Beschimpfungen gegen Kassab, machten Kassab-Wähler lächerlich:“O Kassab é veado! Voce vai votar em um veado!“ Kassab sagte indessen, kein Homosexueller zu sein.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/24/brasilien-und-korruption-regierung-stark-verargert-uber-neue-einstufung-durch-transparency-international-politische-farce/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/20/sao-paulos-franziskaner-und-die-politik-befragung-der-burgermeisterkandidaten-uber-schwarzen-programme-sabatina-afro/

Dies wurde nicht nur von Homosexuellen als schwulenfeindlich und übel demagogisch empfunden, in den Medien entsprechend kritisiert. Der Schwulenaktivist, Thomas-Mann-Experte und Schriftsteller Joao Silverio Trevisan, dessen Buch „Ana in Venedig“ vom deutschen Eichborn-Verlag herausgegeben wird, betonte, Marta Suplicy habe nunmehr die Maske fallen lassen. „Die alte Feministin vergaß alles, was sie bisher sagte.“ Ihre Fortschrittlichkeit sei lediglich demagogisch, ihr Moralismus opportunistisch. Trevisan erinnerte daran, mit Marta Suplicy bereits 2003 öffentlich gebrochen zu haben, als diese in ihrer Eigenschaft als damalige Bürgermeisterin Sao Paulos dafür gesorgt habe, daß die Zivilgarde den Zutritt einer Gruppe von Schwulenaktivisten verhinderte, die um eine Audienz bitten wollten. Ein weiterer auch international sehr bekannter Schwulenaktivist,  Luiz Mott, Führer der „Grupo Gay da Bahia, verlangte von Marta Suplicy eine Entschuldigung für diese Art der Wahlpropaganda.

Schwulenorganisationen warfen in einem Manifest Marta Suplicy vor, mit ihrer Wahlpropaganda Vorurteile und Homosexuellen-Feindlichkeit zu fördern. „Verheiratete Schwule, oder Lesben, können also keine guten Politiker sein?“, fragte der Homosexuellen-Aktivist Julian Rodrigues.  Die lateinamerikanische Sektion der „International Lesbian and Gay Association“ nannte Marta Suplicys Propaganda „ein Desaster“. Marta Suplicy, zuvor Vize-Chefin der Arbeiterpartei sowie Tourismusministerin Lulas, verteidigte die TV-Wahlspots gegen Präfekt Kassab. Wegen der Proteste werden sie ab sofort nicht mehr ausgestrahlt. Kassab zählt zur rechtskonservativen Partei „Die Demokraten“ und liegt derzeit in den Umfragen für die Stichwahl Ende Oktober  vor  Marta Suplicy.

In Rio de Janeiro werden derzeit Flugblätter verteilt, auf denen der Bürgermeisterkandidat Fernando Gabeira von der Grünen Partei(PV) als „Schwuler, Drogensüchtiger und Atheist“ bezeichnet wird. Gabeira hat als stärksten Partner seiner Wahlallianz die PSDB von Sao Paulos Gouverneur José Serra, die Gilberto Kassab unterstützt und in Opposition zur Lula-Regierung steht.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/03/25/schwule-und-transvestiten-neues-regierungsprogramm-zur-aids-pravention-grose-zustimmung-bei-der-zielgruppe/

Hintergrundtexte:

Wahltricks in Brasilien: Beifall für UNO-Generalsekretär in New York wird in PR-Spot als dröhnender Applaus für Lula ausgegeben **

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Im Wahlkampf der größten Demokratie Lateinamerikas wird mit allen schmutzigen Tricks gearbeitet, gibt es reichlich Stimmenkauf – und achtete Neopopulist Lula auf wohlgestalteten Personenkult.

Als er vor den Vereinten Nationen in New York spricht, fallen die üblichen Phrasen, lassen viele der Anwesenden die Ohrhörer auf dem Tisch liegen, wollen die Übersetzung aus dem Portugiesischen gar nicht mitverfolgen. Lula bekommt den üblichen schwachen, diskreten „diplomatischen” Beifall. Zwei Tage später verwendet Lula seine UNO-Ansprache in der abendlichen, auf allen TV-Sendern durchgeschalteten Wahlpropaganda. Aufmerksame Zuschauer kommen ins Stutzen. Denn statt schwachen, diskreten „diplomatischen” Beifalls erntet Lula auf einmal tosenden Applaus, erheben sich die Anwesenden, darunter Staatschefs, Außenminister und Diplomaten, sogar von den Plätzen, jubeln ihm stehend zu. Was war da passiert? Journalisten von Brasiliens Qualitätszeitungen gehen natürlich der Sache nach: An jenem Septembertag nimmt UNO-Generalsekretär Kofi Annan seinen Abschied. Lula redet als erster, Kofi Annan als letzter und erhält von den Anwesenden stehend langanhaltenden Applaus. Lulas Leute fälschen, manipulieren daraufhin den Wahlspot vom 21. September, hängen die Stelle mit dem Applaus für Kofi Annan hinter Lulas UNO-Rede. Lulas Wahlkampfmanager wußten natürlich, daß die Sache rauskommt. Na und? Vorhersehbar beschrieben zwei, drei Qualitätszeitungen den alten PR-Trick, zitierten Oppositionspolitiker, die von „großem Betrug”, Verletzung der Wahlgesetze sprachen. Senator Sergio Guerra von der Sozialdemokratischen Partei/PSDB:”Sicherlich ist das hier eine der lächerlichsten Lügen. Lula will sich mit allen Mitteln als großer Staatsmann herausstellen.” Rio de Janeiros Präfekt Cesar Maia:”Der Fall ist gravierend, weil er in einem Moment geschieht, in dem Betrügereien zur Regel werden, nicht mehr die Ausnahme sind.”
Man muß sich nur einmal vorstellen, derartiges wäre im Wahlkampf Deutschlands passiert, Angela Merkel beispielsweise hätte Kofi-Annan-Beifall für eigenen ausgegeben. Ganz Deutschland hätte schallend gelacht, Angela Merkel hätte sich der Lächerlichkeit preisgegeben. Natürlich macht derartiges kein deutscher Politiker. Doch wir sind in Brasilien “ auf zwei dürre Artikel und einen Kommentar der Qualitätspresse keinerlei Reaktion der Öffentlichkeit. Aus den im Internet verfügbaren TV-Wahlspots von Lula wurde die Stelle mit dem Kofi-Annan-Beifall nachträglich rausgeschnitten, Problem gelöst. Wählermanipulation wird in Brasilien auch dadurch erleichtert, daß aufgrund des absichtlich niedrig gehaltenen Bildungsniveaus drei Viertel der Erwachsenen nicht in der Lage sind, einen simplen Zeitungs-oder-Buchtext zu lesen und zu verstehen. Gemäß Umfragen hat das Gros der Pflichtwähler gar nicht begriffen, um was es bei den zahlreichen Korruptionsskandalen um Lula und dessen Regierung eigentlich ging.

Lula-Kritiker Francisco Whitaker, Träger des Alternativen Nobelpreises, Mitgründer des Weltsozialforums, katholischer Menschenrechtsaktivist **

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”Brasilien ist eine Fassaden-Demokratie, ein Land der Apartheid
Ex-Gewerkschaftsführer Luis Inacio Lula da Silva war auch von den deutschen Kommerzmedien zum ”Star früherer Weltsozialforen hochgejubelt worden – auf dem Forum in Caracas läßt er sich wegen der zu erwartenden Proteste lieber nicht blicken. Kritik an Lula und dessen Arbeiterpartei war in Porto Alegre nur zu oft unterdrückt, kaum wahrgenommen worden – doch die damals verlachten Kritiker haben Recht behalten.

Dazu zählt Francisco Whitaker, 74, angesehener Mitgründer des Weltsozialforums, der die dem Kampf um Menschenrechte gewidmete ”Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der brasilianischen Bischofskonferenz koordiniert und jahrelang enger Mitarbeiter des befreiungstheologischen Kardinals Evaristo Arns in Sao Paulo war.

In der Arbeiterpartei(PT)von Staatschef Luis Inacio Lula da Silva gehörte Whitaker zu den letzten hochgeachteten „Aufrechten”, nachdem zahlreiche seiner Mitstreiter von der zentralistischen Führungsspitze ausgeschlossen worden waren oder aus Unzufriedenheit mit dem Regierungskurs das Parteibuch zurückgegeben hatten.

Im Januar 2006 erklärte auch Francisco Whitaker seinen PT-Austritt, was in der brasilianischen Öffentlichkeit enormes Aufsehen erregte. Der einst zum „Hoffnungsträger”, kurioserweise gar zur „Ikone der Linken” aufgebaute Staatschef Lula und die Spitze seiner Arbeiterpartei stecken tief im Korruptionssumpf, ein raffiniertes System von Abgeordnetenbestechung, Parteien-und Stimmenkauf, Mittelabzweigung und Machtmißbrauch wurde enthüllt. „Die jüngsten Ereignisse gaben mir den letzten Anstoß”, sagte Whitaker im Exklusivinterview. „ Die Parteibasis ist von der Führungsspitze, von Lula regelrecht verraten worden. Was die katholischen Kirche bereits vor den Wahlen von 2002 vorausgesagt hatte, ist eingetroffen, die jetzige politische Krise war vorhersehbar. Um die Wahlen zu gewinnen, wurde sogar der berüchtigte PR-Manager Duda Mendonca, der zuvor für rechte Politiker arbeitete, eingekauft, wurde mit Tricks und Täuschung, mit Lügen gearbeitet. Ist das nicht triste? Um an die Macht zu kommen, so die neue Logik, muß man Wahlen gewinnen, wofür viel Geld nötig ist “ uninteressant, woher es kommt. Ja, der Traum ist aus, überall spürt man Bestürzung und Enttäuschung. Doch es gab Leute wie mich, die dachten, man könnte noch manches reparieren. Das war ein Fehlschluß. Die Deformierung der Partei, sogar den Stimmenkauf bei parteiinternen Wahlen, habe ich seit langem beobachtet. Besonders gravierend, daß man im Ausland sogar auf illegalen Schwarzkonten Geld hortete. Übelste politische Machenschaften, die die Arbeiterpartei stets bekämpft hatte, wurden unter Staatschef Lula auf einmal normal. Die Arbeiterpartei kann wegen der jüngsten Ereignisse ihren gesamten politischen Diskurs nicht mehr benutzen, der ist völlig wertlos, völlig unglaubwürdig.” Aber die PT galt doch sogar international als eherne Säule der Ethik und Moral im zwielichtig-korrupten Politikbetrieb Brasiliens? „Das Ethik-Image wurde nur gepflegt, um die Wahlen zu gewinnen “ doch jetzt macht die Regierung extrem „pragmatisch”, was sie will, wirft die Ethik über Bord, verfährt nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Anhänger werden maximal auf öffentliche Posten verteilt, um abzufassen, so viel und so lange es nur geht. Für mich ist geradezu ein Verbrechen, daß die Lula-Regierung mit übelsten, reaktionärsten Figuren und Parteien paktiert, ihnen das politische Überleben, eine starke Position garantiert. Im Nationalkongreß schloß Lula politische Abkommen mit Leuten wie Josè Sarney und Antonio Carlos Magalhaes “ das ist doch schlimmer als Verrat! Die archaischen Oligarchien Brasiliens haben unter Lula nichts zu befürchten, können ganz beruhigt sein.”
„Brasiliens Eliten finden Lula wunderbar”
Aber tiefgreifende soziale Veränderungen wurden von Staatschef Lula doch scheinbar glaubhaft versprochen, immer wieder spricht er jetzt von enormen Fortschritten? „In Deutschland, überhaupt in Europa, kann sich kaum jemand das tatsächliche Ausmaß der sozialen Ungerechtigkeiten in Brasilien vorstellen. Wenige Betuchte “ doch eine enorme verarmte, verelendete Unterschicht. Die Arbeiterpartei hatte einst auf ihre Fahnen geschrieben, diese krassen Ungleichheiten abzuschaffen. Dafür wäre eine andere Wirtschaftspolitik nötig. Doch jetzt, unter Lula, wird nichts verändert, sollen die Sozialkontraste fortbestehen. Das ist unser Drama. Lula unterwirft sich den Interessen des Kapitals weit mehr als sein Amtsvorgänger Fernando Henrique Cardoso, übernahm dessen Wirtschaftspolitik. Lula hält das Kapital besser, mehr bei Laune, als es eigentlich von ihm verlangt. Lula war ein Gewerkschafter, der wußte, wie man mit Fabrikbesitzern verhandelt. Er war nie gegen die Bosse, er war immer pragmatisch. Die brasilianischen Eliten profitieren heute von Lula wunderbar, finden ihn optimal. Paradoxerweise sind deshalb die Privilegierten heute am meisten daran interessiert, daß er möglichst lange weiterregiert, um das neoliberale Wirtschaftsmodell zu garantieren. Als es um die Frage einer anderen Wirtschaftspolitik ging, schlug sich Lula auf die Seite der Sozialdemokratie. Nie zuvor haben die Banken solche Profite gemacht. Im Falle Lulas und der Arbeiterpartei agierten unsere Machteliten wieder einmal sehr intelligent. Zudem kontrolliert Lula die Sozialbewegungen, hält das Volk mit Almosen von Unruhen ab. Seine Sozialprogramme sollen dazu dienen, die Masse unterwürfig und abhängig zu halten. Selbst die oft so kämpferisch auftretende Landlosenbewegung MST wurde gezähmt, überschreitet nie bestimmte Grenzen der Kritik an der Lula-Regierung. Statt einer für Brasilien so dringend nötigen Agrarreform, die einen neuen Binnenmarkt, eine enorme Nachfrage bislang ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen geschaffen hätte, wurde das exportorientierte Agrobusiness gefördert. Unter Lula wurde zudem der Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen generell ermöglicht, mit den entsprechenden Wirkungen auf die Umwelt. ”
Vertritt Whitaker in Brasilien eine isolierte Position, was meint die Kirche?
„In der Bischofskonferenz denkt man größtenteils wie ich, viele Bischöfe sehen die Dinge genauso. Enttäuschung über die Lula-Regierung gibt es in der Kirche deshalb nicht, weil man die Probleme ganz realistisch ja vorausgesehen hatte. Überrascht hat lediglich das Ausmaß der Machenschaften “ mancher dachte, so weit würde es wohl nicht kommen. Unter den Gläubigen, in den befreiungstheologischen Basisgemeinden finde ich völlige Zustimmung.”
Der Staatschef und die SPD
Lula und seine Arbeiterpartei unterhielten besonders enge Beziehungen zu den deutschen Sozialdemokraten?
„Die PT-Spitze ging auch da ganz pragmatisch vor: Wir brauchen internationale Unterstützung “ ohne die kommen wir nicht aus. Also gehen wir auf die Suche “ wer öffnet uns die Türen mit besonders viel Sympathie, wo können wir möglichst viele Vorteile herausholen? Und so stießen die PT-Führer auf die SPD, die damalige rot-grüne Regierung, mit der ja auch das brasilianische Kapital wunderbare Beziehungen pflegte. Die deutschen Multis kommen wegen der Billigstlöhne nach Brasilien und entlassen dafür in Deutschland – die kapitalistischen Mechanismen sind furchtbar! Brasiliens Regierung stellt dem Auslandskapital keine Forderungen, macht ihm keinerlei Auflagen.”
Will Whitaker jetzt in eine andere Partei eintreten? „Auf keinen Fall. Brasilien ist nur eine Fassaden-Demokratie, ist ein Land der Apartheid “ die Lage in den Slums, die dortige Macht des organisierten Verbrechens sprechen Bände. Der Weg, dies alles zu verändern, läuft nicht über Parteien, sondern über die Zivilgesellschaft, die sich besser organisieren muß, Autonomie gegenüber Parteien und Regierung braucht. Dieser Aufgabe werde ich mich jetzt völlig widmen. Die Zivilgesellschaft muß das Monopol der Parteien auf politische Aktion brechen. Das Weltsozialforum dient dafür als wichtige Erfahrung. Wir dürfen nicht mehr auf Führer hoffen, brauchen andere politische Perspektiven, eine andere politische Kultur. Jene Fraktion, die seit Jahren die PT dirigiert, hat mit eiserner Hand eine falsche Einigkeit konstruiert. Die Parteibasis hatte nur noch auf die von oben getroffenen Entscheidungen zu warten.”

Wie ist die Stimmung derzeit besonders unter den armen Brasilianern? „Nur zu oft halten sie Veränderungen für unmöglich, gerade in Wahlzeiten beobachtet man einen grauenhaften Fatalismus. Darüber hinaus gibt es die freiwillige Unterwerfung “ statt aufzubegehren und dann womöglich das bißchen, was man hat, auch noch zu verlieren. In den Slums unterwirft man sich dem organisierten Verbrechen “ doch es gibt auch Unterwerfung gegenüber korrupten Politikern. Man ist fatalistisch in Bezug auf Möglichkeiten, die Realität zu verändern. Wir hatten in Brasilien nie echte Revolutionen. Seit der Kolonialzeit haben wir eine Kultur der permanenten Anpassung an die Verhältnisse. Doch solche Unterwürfigkeit führt eben nicht zur Lösung der Probleme.”

”Lula kommandierte Staatskorruption(Text von 2006)

Brasiliens Generalstaatsanwalt erhebt Anzeige gegen enge Freunde des Staatschefs
Öffentliche Debatte um Amtsenthebung Lulas
In Lateinamerikas größter bürgerlicher Demokratie hat ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß nach 245 Tagen intensiver Arbeit schwere Korruptionsvorwürfe gegen die Mitte-Rechts-Regierung von Staatschef Luis Inacio Lula da Silva als richtig bestätigt. Gemäß dem Abschlußbericht hat sich die Lula-Regierung politische Unterstützung im Nationalkongreß mit Millionensummen erkauft, bereits vor dem Amtsantritt vom Januar 2003 ein raffiniertes System von Abgeordnetenbestechung installiert. Die Gelder wurden aus Staatsunternehmen abgezweigt, kamen aber auch von Privatfirmen.

Der Bericht nennt als Hauptdrahtzieher Staatschef Lulas rechte Hand, den Minister und Chef des Zivilkabinetts Josè Dirceu. Dieser arbeitete im Präsidentenpalast Tür an Tür mit Lula, koordinierte von dort aus alle Machenschaften meist gemeinsam mit dem Präsidenten, dem Generalsekretär und dem Schatzmeister der Arbeiterpartei(PT) “ bis alle bereits im letzten Jahr unter dem Druck der Enthüllungen von Lula entlassen werden mußten. Nach dem Willen des Untersuchungsausschusses sollen jetzt von der Generalstaatsanwaltschaft gegen Josè Dirceu und über einhundert weitere Personen Verfahren wegen aktiver Korruption, Geldwäsche, Machtmißbrauch und anderen Delikten eröffnet werden.
Die Mitglieder von Lulas Arbeiterpartei im Untersuchungsausschuß versuchten bis zuletzt, die Annahme des brisanten Abschlußberichts zu verhindern.
“„Hurensohn””
Es gab tumultartige Szenen vor und während der Abstimmung, der Ausschußvorsitzende Delcidio Amaral wurde vom PT-Abgeordneten Jorge Bittar aus Rio de Janeiro sogar als „Filho da Puta”, Hurensohn, beschimpft. Senator Delcidio Amaral gehört indessen nicht etwa zur Opposition, sondern just zur Arbeiterpartei und ließ sich auch durch die Androhung von Schlägen nicht irremachen, zog die Abstimmung souverän durch. Bevor Bittar den Ausschußvorsitzenden attackieren konnte, fiel ihm die couragierte Senatorin Heloisa Helena von der „Partei Sozialismus und Freiheit”(P-SOL) in den Arm. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuß hatte sie sich durch ihre Konsequenz und ethisch-moralische Integrität einen Namen gemacht.
Wie durchsickerte, wurde Staatschef Lula ebensowenig wie dessen Sohn infolge dubioser Absprachen zwischen Regierung und großen Teilen der Opposition durch den Ausschußbericht nicht belastet.
Für die Linksopposition im Nationalkongreß ist Lula indessen der Hauptschuldige im Korruptionsskandal. In einer parlamentarischen Demokratie, so hieß es, wäre die Regierung schon längst hinweggefegt worden. Senatorin Heloisa Helena, die wegen Kritik an Lulas Kurs sowie an dessen engsten Gefolgsleuten 2003 aus der Arbeiterpartei entfernt worden war, beschuldigte Lula wiederholt öffentlich, „Comandante” der Regierungskorruption zu sein. „Wären wir in einem Land, wo der Nationalkongreß nicht wie hier schmutzigen Geschäften diente, könnte Lula keineswegs noch als Staatschef agieren.”
Jetzt müssen sich kurioserweise jene PT-Spitzenleute vor Gericht verantworten, die einst den Ausschluß der Senatorin und vieler anderer innerparteilicher Kritiker betrieben hatten. Ungezählte andere wurden gemobbt, hinausgeekelt.
“„Unser Führer””
Wohl in Anlehnung an Vorgänge aus der deutschen Geschichte wird Lula in Zeitungskolumnen unter anderem von Schriftsteller Joao Ubaldo Ribeiro immer öfters ironisch als „Nosso Guia”, Unser Führer, bezeichnet. Lulas Sympathien für Hitler sind u.a. aus einem Interviewzitat allgemein  bekannt.
Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des Ausschußberichts hat Brasiliens Generalstaatsanwalt Antonio de Souza in den Fall eingegriffen und gegen die vierzig am schwersten Belasteten beim Obersten Gerichtshof prompt Anzeige erhoben. Darunter befinden sich zahlreiche enge Freunde und Weggefährten Lulas, die Ministerposten oder hohe Parteiämter bekleideten. Vor der Presse in Brasilia nannte sie Souza in scharfen Worten allesamt Mitglieder einer „hochentwickelten kriminellen Organisation, einer Bande”. ”Gegen Präsident Lula liege indessen keinerlei belastendes Material vor, das ebenfalls eine Anzeige rechtfertigen würde.
Laut Presseberichten soll Lula indessen von den Ermittlungen der Justiz nicht ausgespart werden. Auch den bisherigen Parteivorsitzenden Josè Genoino zählt der Generalstaatsanwalt zum „harten Kern der Bande”. Genoino weist dies als unsinnig zurück. ”Die Vorwürfe sind völlig ungerechtfertigt “ die Arbeiterpartei hat weder eine kriminelle Organisation zum Machterhalt geschaffen, noch Abgeordnete gekauft. Es hat lediglich Wahlkampfabkommen mit bestimmten Koalitionsparteien gegeben. Daß ich aktive Korruption betrieben haben soll, ist lediglich eine These. Vor Gericht werde ich meine Unschuld beweisen. Natürlich ist es möglich, daß wir bestimmte Fehler gemacht haben.”
Die Opposition sieht sich indessen durch die Argumente der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt. Osmar Serraglio von der Zentrumspartei PMDB war Berichterstatter im Untersuchungsausschuß: „Die Arbeiterpartei agiert mit Thesen – wir haben jedoch Fakten und Beweise für den Kauf politischer Unterstützung mit Millionensummen “ einfach lächerlich, wie sich die PT jetzt verteidigt. Nicht zufällig kam der Generalstaatsanwalt zu den gleichen Schlußfolgerungen wie wir. Dies zeigt auch, daß der Untersuchungsausschuß korrekt und ernsthaft gearbeitet hat.”
“„Verräter” Lula und Michelle Bachelet”
Als Staatschef Lula jetzt die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet in Brasilia vor dem Präsidentenpalast mit militärischen Ehren empfängt, wird das Zeremoniell von zahlreichen Streikenden so heftig und lautstark gestört, daß die Klänge der Marschkapelle kaum zu hören sind. Eine peinliche Situation für Lula, der ausgepfiffen und in Sprechchören als Verräter bezeichnet wird.
Zahlreiche PT-Sympathisanten haben Lula nie verziehen, daß er im Präsidentschaftswahlkampf von 2002 nicht auf die Basis, die Sozialbewegungen setzte, sondern mit seinen rechtsgerichteten Bündnispartnern eine extrem teure kommerzielle Kampagne führte, mit Wahl-PR-Tricks und Methoden wie in den USA unter Bush. Lula holte sich dafür den zwielichtigen schwerreichen PR-Manager Duda Mendonca. Der Besitzer großer Werbefirmen hatte stets für rechtsgerichtete Politiker gearbeitet, bis ihn überraschend Lula engagierte. Von Mendonca stammt u.a. Lulas enorm eingängiger Wahlkampfsong, den jeder Brasilianer immer noch im Ohr hat. Jetzt soll der PR-Manager ebenfalls auf die Anklagebank, weil er bei dem Korruptionsskandal eine bedeutende Rolle gespielt hatte, von Staatsfirmen wie der Ölfirma Petrobras, Lateinamerikas größtem Unternehmen, bis heute saftige Werbeaufträge erhielt. Unter Lula war die meist vom Steuerzahler finanzierte Regierungspropaganda in überrascher Weise extrem ausgeweitet worden. In sämtlichen Medien, aber auch auf den Straßen oder in der U-Bahn ist man nicht selten geradezu einem Trommelfeuer von Regierungsreklame ausgesetzt “ was sich beispielsweise in Deutschland die Öffentlichkeit keineswegs bieten ließe. Bezeichnend auch, wie unter Lula der Interessenfilz funktionierte: Zu Duda Mendoncas am höchsten bezahlten Mitarbeitern zählte Luis Favre, Ehemann der Elitedame Marta Suplicy, Vizechefin der Arbeiterpartei. In Sao Paulo wirkte sie als Präfektin desaströs, begünstigte vor allem die ohnehin Privilegierten, wurde nicht wiedergewählt.
“Affäre Palocci: Orgien, Viagra, Huren“
Letztes Jahr hatte Lula betont:”Ich fühle mich durch inakzeptable Praktiken verraten, von denen ich niemals gewußt habe.” Für viele Brasilianer eine lächerliche, unglaubwürdige Entschuldigung, da alle Korruptionsfäden just vom Präsidentenpalast aus geknüpft wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lula noch den eiskalt neoliberalen, bei Kirche und Sozialbewegungen verhaßten Finanzminister Antonio Palocci, mächtigster Mann im Kabinett, an seiner Seite. Palocci bestritt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, jemals eine kleine Villa Brasilias betreten zu haben, in der zwielichtige, teils mit ihm befreundete Lobbyisten krumme Geschäfte ausheckten, illegale Gelder aufteilten und Orgien mit Prostituierten feierten. Doch dann sagte der 24-jährige Hausmeister Francenildo Costa glaubhaft aus, Palocci sei häufig in der Villa bei den Lobbyisten und den Huren gewesen. Nach den Gelagen, so Costa, habe er die Zimmer immer von benutzten Präservativen, übriggebliebenen Viagra-Pillen und Schnapsflaschen säubern müssen. Wenn der „Chef” in der Limousine sich der Villa nahte, hatte Costa stets die Außenbeleuchtung der Villa abschalten müssen, damit niemand von den Nachbarn den Finanzminister erkennen konnte. Diese Aussagen wirkten wie eine Bombe. Gemäß den Presseberichten wurde daraufhin im Präsidentenpalast unter Einschaltung Lulas und selbst des Justizministers beschlossen, den Hausmeister zu diskreditieren, unter anderem sein Bankgeheimnis zu brechen. Costas Vater hatte offenbar gerade eine größere Summe überwiesen “ das sollte gegen den jungen Mann genutzt werden. Minister Palocci versuchte sogar, den brasilianischen Geheimdienst ABIN und die Bundespolizei für diskreditierende Aktionen gegen den Hausmeister zu gewinnen. Costas Bankgeheimnis wurde tatsächlich gebrochen, doch die facettenreiche heimtückische Aktion ging daneben, kam an die Öffentlichkeit “ Lula mußte Palocci raschest entlassen. In einem Großteil der deutschen Kommerzmedien wurde kurioserweise berichtet, Palocci habe als Konsequenz aus der Affäre um illegale Wahlkampffinanzierung seinen Rücktritt erklärt. Paloccis wirtschaftspolitischer Kurs wurde ausdrücklich gelobt.
Doch nun drohen dem einstmals „starken Mann” der Regierung ein Gerichtsprozeß und Gefängnis. (Aktuelle Anmerkung von 2008: Palocci wurde zum Kongreßabgeordneten gewählt)
“„Nicht-Menschen””
Sozialwissenschaftler sahen den Umgang der Mächtigen mit einem einfachen Mann aus dem Nordost-Teilstaat Piaui als Hinweis auf die fortdauernde Sklavenhaltermentalität, auf den Umgang mit „Subalternen”, mit „sprechenden Werkzeugen”, mithin „Nao-Pessoas”, Nicht-Menschen. Diesen traue man gewöhnlich eine eigene Meinung, eigenes Denken und Handeln nicht zu. Man lasse nach Polit-Gelagen Viagra und benutzte Kondome zurück “ und gehe davon aus, daß Hausmeister, die tags darauf alles zu säubern hätten, sich nie Fragen nach den Hintergründen, den Beteiligten stellten. „In interpersonellen Beziehungen andere in solcher Weise zu erniedrigen, führt nie zu einem guten Resultat”, schrieb die angesehene Therapeutin Anna Veronica Mautner in der „Folha de Sao Paulo”.
Interessant, mit welchen Tricks die Lula-Regierung derzeit arbeitet: Damit die Presse nicht mitbekommt, daß Beamte der Bundespolizei zwecks Vernehmung zu Paloccis Haus fuhren, wurden die Journalistenscharen Brasilias wegen eines angeblich wichtigen Anlasses zeitweise in ein Hotel der Hauptstadt gelockt. Ex-PT-Schatzmeister Paulo Okamotto versteckte sich gemäß den Berichten im Nebenzimmer eines Ministeriums, ließ sich von seinen Mitarbeitern gegenüber einem Beamten der Bundespolizei verleugnen, der einen Vernehmungsbescheid persönlich zu überbringen hatte. Der Beamte zog wieder ab, kehrte dann aber wegen einer Formalität noch einmal zurück “ und traf prompt auf den angeblich verreisten Okamotto.
“Impeachment und Lula“
„Die Krise bewegt sich auf niedrigstem Niveau “ beschämend für Brasilien”, analysiert daher der deutschstämmige Odilo Scherer, Generalsekretär der Bischofskonferenz. Das Land durchlebe eine düstere, triste, enttäuschende Phase seiner Geschichte, konstatieren andere Bischöfe. Daß überall, nicht nur in der Politik, ethische Prinzipien fehlten, sei bedrückend. Anerkannte Juristen des Anwaltsverbandes, aber auch Sozialwissenschaftler und Kolumnisten argumentieren, daß Lula schon deshalb ein Impeachmentverfahren verdiene, weil er geradezu surrealistisch zwielichtige Politiker, die er selbst wegen schweren Delikten entlassen mußte, weiterhin öffentlich als „Brüder, Freunde und Genossen” würdige. Und damit jeglichen Anstand, den das Präsidentenamt erfordere, vermissen lasse. Immerhin 83 Prozent der Brasilianer nennen Lula mitverantwortlich für den Korruptionsskandal. Gemäß neuesten Meinungsumfragen sinkt die Popularität Lulas jedoch nur langsam, würde er bis auf weiteres im Oktober wiedergewählt. Begründet wird dies einerseits mit dem sehr niedrigen Informationsgrad der extrem ungebildeten Massen über die innenpolitische Krise, überhaupt politische Zusammenhänge “ was seit jeher ganz im Interesse der brasilianischen Machteliten sei. Andererseits mit den staatlichen Almosen für über elf Millionen arme Familien. Daß „oben in der Politik” alle Diebe seien und sich rücksichtslos bereicherten, werde von vielen als völlig normal angesehen. Der renommierte progressive Anwalt und Rechtsprofessor der Universität von Sao Paulo, Fabio Konder Comparato, wies in diesem Zusammenhang auf die „traditionelle Passivität oder komplette Resignation unseres Volkes angesichts der sozialen Ungerechtigkeiten” hin, was seit der Sklavenzeit von den herrschenden Schichten in einer konzertierten Aktion gefördert, erreicht werde.
“„Kleptokratie”, Pornocracia, Hipocritocracia”
Kolumnisten wie der Schriftsteller Joao Ubaldo Ribeiro fragen daher, welchen Namen man dem politischen System Brasiliens geben könnte. „Denn eine Demokratie ist das hier nicht.” Ribeiro schlug Begriffe wie „Kleptokratie”, aber auch Pornocracia und Hipocritocracia vor. Er und andere Beobachter erinnern daran, daß bislang auch wegen des fehlenden Drucks der Straße im Grunde nur sehr wenige politische Straftaten der Lula-Ära aufgeklärt worden sind. Erinnert wird stets an den Fall des integren Präfekten Celso Daniel von Santo Andrè bei Sao Paulo, der zu den angesehensten Führungspersönlichkeiten der PT zählte, jedoch 2002 unter bis heute nicht geklärten Umständen gefoltert und ermordet wurde, weil er sich offenbar gegen ein lokales PT-Korruptionsnetz auflehnte. Mehrere nahe Familienangehörige Daniels haben wegen Morddrohungen inzwischen das Land verlassen.
“Regierung zerbröckelt“
Infolge der Regierungsskandale hat Lula inzwischen den größten Teil seiner Minister und anderen engen Mitarbeiter verloren, die im Januar 2003 gemeinsam mit ihm ihre Ämter angetreten hatten. Ende März verabschiedeten sich auf einen Schlag acht Minister unter dem Vorwand, im Oktober für andere politische Funktionen kandidieren zu wollen und deshalb bestimmte Fristen einhalten zu müssen. So regiert Lula derzeit zwangsläufig mit einer großen Zahl von Personen, die er zuvor persönlich gar nicht kannte.
Die jüngsten politischen Ereignisse in Brasilien bedeuten auch eine Bankrotterklärung der sogenannten Brasilianisten, die Lula und seinen engsten Führungszirkel größtenteils mit Vorschußlorbeeren bedacht hatten. Der in Brasilien am meisten zitierte und gewürdigte Brasilianist Thomas Skidmore aus den USA erklärte jetzt:Die Korruptionsskandale haben mich sehr überrascht. Dabei war u.a. wegen Lulas Bündnissen mit berüchtigtsten, archaischen Figuren der brasilianischen Geld-und Politikerelite bereits lange vor dem Amtsantritt absehbar, welcher Methoden sich der ”Hoffnungsträger und die Führungszirkel der Arbeiterpartei bedienen würden.

Abfassen mit der Regierungs-Kreditkarte: Neuer Skandal um Abzweigung öffentlicher Gelder **(2008)

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Minister und hohe Parteifunktionäre bereichern sich mit „Cartao Corporativo”

Die Lula-Regierung wird von einem neuen Skandal um die Abzweigung öffentlicher Gelder heimgesucht “ ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß hat bereits die Arbeit aufgenommen. Regierungsmitglieder und sogar hohe Funktionäre der Arbeiterpartei von Staatschef Lula hatten eine spezielle staatliche Kreditkarte immer skrupelloser zur persönlichen Bereicherung sowie für andere illegale Ausgaben benutzt. Skandale dieser Art stürzten bereits acht Lula-Minister.

 Die Kreditkarte namens Cartao corporativo war von der Lula-Regierung an über siebentausend Mitglieder und Angestellte der Regierung vergeben worden und sollte theoretisch nur für kleinere, sporadische Ausgaben in dringenden Fällen benutzt werden. Doch schon nach kurzer Zeit gingen viele Kartenbesitzer dazu über, mittels Cartao corporativo den persönlichen Lebensstandard auf Kosten des Steuerzahlers kräftig anzuheben. Am skrupellosesten war dabei Matilde Ribeiro, Ministerin für die Förderung der Rassengleichheit. Ob Ferienausgaben oder Käufe im Duty-Free-Shop  – Matilde Ribeiro beglich Rechnungen nicht aus ihrem auskömmlichen Ministergehalt, sondern zückte lieber den Cartao corporativo. Das kam schließlich heraus und angesichts der enormen öffentlichen Kritik  wurde sie für Präsident Lula untragbar, mußte vor die Presse:„Ich bekenne mich zu meinen administrativen Verfehlungen bei der Nutzung der Regierungs-Kreditkarte. Angesichts der Fakten, die noch überprüft werden “ und der entsprechenden Konsequenzen für die Regierung, beantrage ich meine Entlassung.”Sportminister Orlando Silva zahlte rasch umgerechnet über 12000 Euro an die Staatskasse zurück und durfte auf seinem Posten bleiben. Erste Ermittlungen und Recherchen der Medien brachten indessen zutage, daß auch die Kreditkarten für Präsident Lula und dessen zahlreiche Angehörigen nicht immer streng nach Vorschrift verwendet wurden. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit, zum Schutze vor Terroranschlägen, so argumentiert Lula, dürfe der parlamentarische Untersuchungsausschuß gegen ihn und seine Familie nicht ermitteln: ”Man muß einfach etwas Vorsicht walten lassen “ damit ein Präsident nicht etwa bei der Morgengymnastik attackiert wird. Man darf nicht offenlegen, wo er einen Wagen gemietet hat und wo seine Body-Guards wohnen. Andernfalls erleichtert man jenen, die Böses im Schilde führen, das Handwerk. Der Untersuchungsausschuß wird die Regierungsarbeit nicht stören, Brasilien muß weiter voranschreiten!”Im Untersuchungsausschuß stellen Kongreßmitglieder seiner Arbeiterpartei die Mehrheit “ und dem Vernehmen nach wurde bereits mit den großen Oppositionsparteien ausgehandelt, die Ermittlungen zu begrenzen. Der Abgeordnete Fernando Gabeira “ zu Diktaturzeiten Stadtguerilleiro und danach im Westberliner Exil –  von den Grünen, die keinen Sitz im Ausschuß erhielten, äußert entsprechende Bedenken: ”Wir sind gegen Abmachungen, die lediglich Dinge verschleiern sollen. Die Ermittlungen dürfen nicht eingeengt werden. Wir sind dagegen, die Ausgaben des Präsidenten und seiner Familie wegen angeblicher Sicherheitsgründe nicht zu untersuchen. Der Präsident sagt, in Brasilien gebe es völlige Transparenz bei Staatsausgaben “ doch wir wissen, daß dies nicht stimmt. Lulas Argument, daß die Terroristen die Zahl seiner Body-Guards erfahren könnten, unterschätzt ja wohl die Terroristen gewaltig.”Fabio Konder Comparato, einer der renommiertesten Rechtsexperten Brasiliens, nennt den Kreditkarten-Skandal erschreckend. „Hier haben wir es mit widerrechtlicher Aneignung von Gütern zu tun, die nicht dem Staat, sondern dem Volke gehören. Präsident Lula ist allen anderen Staatsangestellten gleichgestellt , ist kein Monarch “ und darf daher Ausgaben seiner Angehörigen nicht aus öffentlichen Geldern begleichen. Alles muß offengelegt werden.”Zahlreiche Schatzmeister und andere Parteifunktionäre von Lulas Arbeiterpartei erhielten ebenfalls jene Kreditkarten und ließen sich damit Millionensummen bar auszahlen, über deren Verwendung nichts bekannt ist. Vor dem Hintergrund des laufenden Gerichtsprozesses um Regierungskorruption, Stimmen-und Parteienkauf wird daher von Opposition und Medien der Verdacht geäußert, daß der Cartao corporativo sogar der Bestechung von Politikern diente. “„O mensalao existiu””Der neue Generalsekretär von Lulas Arbeiterpartei PT, der Kongreßabgeordnete Josè Eduardo Cardozo hatte in einem Interview des Nachrichtemagazins „Veja” im Februar 2008 eingestanden, daß einer der bizarrsten Korruptionsskandale in der brasilianischen Geschichte namens „Mensalao” keineswegs eine Erfindung, Übertreibung der Opposition war. Cardozo sagte, es habe in der Tat illegale Zahlungen an verbündete Politiker gegeben. Die Zahlungen seien unbezweifelbar unrechtmäßig gewesen. „Wir können diesen Fakt vor der Gesellschaft nicht verstecken und müssen alle bestrafen, die diese Taten begingen, müssen aus den Fehlern lernen.”Der katholische Menschenrechtsaktivist Chico Whitaker, Träger des Alternativen Nobelpreises, war Abgeordneter der Arbeiterpartei. Wegen der Korruptionsskandale trat er vor rund zwei Jahren aus und wirft der Partei vor, Regierungsmacht vorrangig aus Bereicherungsgründen angestrebt zu haben.”Das Motto ist “ jetzt sind wir dran, solange es geht. Wir verteilen unsere Leute auf möglichst viele Posten “ um abzufassen. Dies habe ich oft in der Arbeiterpartei gehört. Grauenhaft, wenn man genau dasselbe will wie die Vorgänger!”

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/10/taglich-ausergerichtliche-exekutionen-in-brasilien-menschenrechts-minister-paulo-vannuchi/

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 14. Oktober 2008 um 15:34 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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