Gemäß einer neuen Studie von Seade/Dieese verdienen dunkelhäutige Arbeiter  im Großraum von Sao Paulo, dem wichtigsten Wirtschaftszentrum Lateinamerikas, durchschnittlich nur etwa halb so viel wie weiße(4,36 Real /7,98 Real Stundenlohn). 4,36 Real sind umgerechnet etwa 1,60 Euro. Handelt es sich um Arbeitskräfte mit Universitätsabschluß, verdient der Dunkelhäutige pro Stunde 13,86 Real, der Weiße 19,49 Real.
Hochqualifizierte Schwarze werden laut Studie in den Unternehmen am beruflichen Aufstieg gehindert, verdienen daher deutlich weniger als Weiße, die in der Firmenhierarchie aufsteigen. „Schaut man sich den Durchschnittslohn von 4,36 Real an und berücksichtigt den Fakt, daß der schwarze Sklave im kolonialen Brasilien Essen und Unterkunft gratis hatte, könnte man sagen, daß sich nichts geändert hat“, erklärte José Vicente, Präsident der NGO Afrobras und Rektor von Unipalmares(Universidade da Cidadania Zumbi dos Palmares). Edson Santos, Staatssekretär für die Förderung der Rassengleichheit, verwies auf die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung im heutigen Brasilien. Daß Unternehmen einem Weißen den Vorzug gäben, rühre von der Ideologie der weißen Überlegenheit her.
In Ländern wie Deutschland hat die 2003 gestartete Lula-Regierung wegen ihrer Menschenrechtspolitik sehr viele Freunde.
Hintergrund:
Der Ehemann ist weiß, die Ehefrau ist schwarz. Am Hoteleingang verwehrt ein Wächter der Ehefrau den Zutritt: Prostituierte dürÂfen nicht mit aufs Zimmer. Wer glaubt, dieser Vorfall wäre die Ausnahme, irrt. Unter der Oberfläche scheinbarer InÂtegration zeigt sich das Bild einer verdeckten Apartheid.
Die Schwarzen müsÂsen wisÂsen wo ihr Platz ist, lautet eine uralte, immer noch hochaktuelle Redewendung in BraÂsilien. GeÂmeint ist damit: SklavennachfahÂren haben nichts in der Mittel- und OberÂschicht, deren KreiÂsen und Ambiente zu suchen. Sie werden entsprechend stigmatiÂsiert und behandelt. Wie dies in der Praxis funkÂtioniert, bekam jetzt der Züricher Fritz Müller, FachÂdirektor der CreÂdite-Suisse-Bank, in Rio de Janeiro zu spüÂren. Als er mit seiner schwarzen, aus Rio stammenden Ehefrau Adriana nach einem RestaurantÂbeÂsuch ins First-Class-Hotel InÂtercontinental zuÂrückkehrte, wurÂde Adriana von einem musÂkuÂlöÂsen Wachmann grob geÂstoppt: Eine Garota de Programa, so heiÂßen ProstituÂierte im Rio-Slang, dürÂfe nicht mit aufs ZimÂmer. Direktor Müller ließ sich von seiner Frau überÂsetzen worum es ging und schlug gehöÂrigen Krach, stellte den WachÂmann zur ReÂde, verlangte von der HoÂtelÂleiÂtung eine formelle EntschulÂdiÂgung. Denn ohne entÂsprechende VorÂschrift hätte der Wächter kaum so gehandelt.
Rassismus – Machismus
Die Zeitung O Globo beÂschrieb den Fall unter der trefÂfenden Überschrift „Fünf-Sterne-RasÂsismus“. Kaum ein mit einer dunkelÂhäutigen BrasiliaÂnerin beÂfreundeter oder verheirateter EuÂropäer, der in Rio, Sâo Paulo, SalÂvador de Bahia oder Fortaleza nicht ähnliche Erfahrungen geÂmacht hat. Wer brasilianisches Portugiesisch nicht versteht, beÂkommt kaum mit, daß der Gang über die Strandpromenade für seiÂne Partnerin geÂlegentlich eiÂnem Spießrutenlauf gleicht. WeiÂße MitÂtelschichtsmachos der übelÂsten Sorte, in Brasilien alles andere als dünn geÂsät, lassen eine Bösartigkeit oder ObszöniÂtät nach der anderen fallen, geÂhen davon aus, daß der tumbe Gringo sicher nichts verÂsteht und wohl imÂmer noch glaubt, was die meiÂsten Reiseführer kolportieÂren: Brasilien, ein wunÂdervoller SchmelzÂtiegel der Rassen, ein Beispiel gelunÂgener Integration verÂschiedener Hautfarben, von DisÂkriminierung keine Spur.
Wer aber die Oberfläche, die schilÂlernde ErÂscheinungsebene verÂläßt, stößt auf Brasiliens hocheffiÂziente verdeckte ApartÂheid. Die ist von den schwachen, wenig respektierten SchwarzenÂorÂganisationen weit schwerer zu packen und zu attackieren als die aus SüdÂafrika bekannte ofÂfene RasÂsentrenÂnung. Schwarze, MuÂlattÂInnen gehören in die Slums, in die Unterschicht, in die drekÂkigÂsten, schlechtbezahltesten BeÂruÂfe. Schwarze Frauen sind geÂmäß diesem Denk- und VerÂhalÂtensÂmuster Hausdienerinnen, ReiÂneÂmachefrauen, bestenfalls SuÂperÂmarktkassiererinnen. Oder aber: Schwarze Frauen sind bis zum Beweis des GegenÂteils ProÂstiÂtuierte, Touristenhuren, die man entsprechend behandeln kann.
Untersuchungen belegen, daß inÂforÂmelle Mechanismen geÂwöhnÂlich den AufÂstieg DunkelÂhäutiger in gutbezahlte qualifiÂzierte MittelÂschichtsberufe verÂhinÂdern. PrivatbanÂken bilden da keine Ausnahme. Bei mehÂreren spricht das gängige System der zwei Kundenschlangen Bände. Wer besser verdient und umgeÂrechÂnet mindestens einige tauÂsend Mark auf seinem Konto hat, steht in der kürzeren Fila, wird bevorzugt behandelt und ist geÂwöhnlich weiß. Wer zu den SchlechtÂbezahlten gehört, aber glückÂlich ist, dennoch ein Konto besitzen zu dürfen, muß in der längeren Schlange gelegentlich Stunden warten, schaut neiÂdisch, frustriert oder mit Groll auf die BeÂvorzugten mit dem dickeren GeldÂbeutel. Welche Hautfarbe in der langen Fila domiÂniert, läßt sich in Rio gut beobachten.
Wer mit dunkler Haut denÂnoch den sozialen Aufstieg schafft, hat im Alltag fast pauÂsenÂlos Ärger. In Sâo Paulo wird eine erÂfolgreiche schwarze SchauÂspielerin von weißen MaÂdames imÂmer wieder auf der Straße gefragt, ob sie nicht als HausÂdienerin anfangen wolle, sie sehe so gut und gesund aus. Der schwarze Sänger und Komponist Dicró wird in Rio de Janeiro von SiÂcherheitsleuten zu seiner eigeÂnen Show nicht auf die Bühne geÂlassen. Ironisch erklärt er: „MehrÂmals haben sie mich auch schon geÂschnappt, als ich meinen eigenen WaÂgen klauen wollte.“ Wie überführte AuÂtodiebe werÂden ebenfalls immer wieder gutÂverÂdienende schwarze FußballÂspieler traktiert, die teure ImÂportwagen fahren. Oleude RiÂbeiro vom Verein Portuguesa von Sâo Paulo wurde mit BlauÂlicht in seinem Ford-Jeep geÂstoppt und mit dem Revolver am Kopf gründlich durchsucht: „Mein tiefentsetzter kleiner Sohn wollÂte danach wissen, ob diese Männer BanÂditen waren. SchwieÂrig, ihm zu erklären, daß alles nur geschah, weil wir Schwarze sind.“
Der auch in EuÂropa bekannte schwarze brasilianiÂsche Musiker Djavan erläutert: „Wenn du beÂrühmt wirst, verÂlierst du sozusaÂgen deine Hautfarbe. Das heißt nicht, daß dich die Leute auf einmal mögen. Sie beginnen nur, dich zuzulasÂsen.“
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