Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien, Rassismus unter Lula: Dunkelhäutige verdienen in Sao Paulo nur etwa halb so viel wie Weiße.

Gemäß einer neuen Studie von Seade/Dieese verdienen dunkelhäutige Arbeiter  im Großraum von Sao Paulo, dem wichtigsten Wirtschaftszentrum Lateinamerikas, durchschnittlich nur etwa halb so viel wie weiße(4,36 Real /7,98 Real Stundenlohn). 4,36 Real sind umgerechnet etwa 1,60 Euro. Handelt es sich um Arbeitskräfte mit Universitätsabschluß, verdient der Dunkelhäutige pro Stunde 13,86 Real, der Weiße 19,49 Real.

Deutscher Bundespräsident Walter Scheel, FDP: “Die Toleranz ist das Grundprinzip der brasilianischen Rassendemokratie. Konflikte friedlich zu lösen, ist alte Tradition in ihrem Land.” Scheel zeichnete den Folterdiktator Ernesto Geisel während der Militärdiktatur mit dem Großkreuz zum Bundesverdienstorden der Sonderklasse aus.

Hochqualifizierte Schwarze werden laut Studie in den Unternehmen am beruflichen Aufstieg gehindert, verdienen daher deutlich weniger als Weiße, die in der Firmenhierarchie aufsteigen. „Schaut man sich den Durchschnittslohn von 4,36 Real an und berücksichtigt den Fakt, daß der schwarze Sklave im kolonialen Brasilien Essen und Unterkunft gratis hatte, könnte man sagen, daß sich nichts geändert hat“, erklärte José Vicente, Präsident der NGO Afrobras und Rektor von Unipalmares(Universidade da Cidadania Zumbi dos Palmares). Edson Santos, Staatssekretär für die Förderung der Rassengleichheit, verwies auf die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung im heutigen Brasilien. Daß Unternehmen einem Weißen den Vorzug gäben, rühre von der Ideologie der weißen Überlegenheit her.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/26/brasilien-ist-das-rassistischste-land-der-erde-mauricio-pestana-herausgeber-von-raca-brasil-der-einzigen-schwarzen-zeitschrift-des-tropenlandes/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/18/brasiliens-schwarze-contra-rassismus-dia-da-consciencia-negra-am-20november/

In Ländern wie Deutschland hat die 2003 gestartete Lula-Regierung wegen ihrer Menschenrechtspolitik sehr viele Freunde.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/18/brutale-hausliche-macho-gewalt-in-brasilien-immer-mehr-frauen-leben-deshalb-obdachlos-auf-der-strase/

Hintergrund:

Fünf-Sterne-Rassismus

Schwarze fahren keine Importautos

Der Ehemann ist weiß, die Ehefrau ist schwarz. Am Hoteleingang verwehrt ein Wächter der Ehefrau den Zutritt: Prostituierte dür­fen nicht mit aufs Zimmer. Wer glaubt, dieser Vorfall wäre die Ausnahme, irrt. Unter der Oberfläche scheinbarer In­tegration zeigt sich das Bild einer verdeckten Apartheid.

Die Schwarzen müs­sen wis­sen wo ihr Platz ist, lautet eine uralte, immer noch hochaktuelle Redewendung in Bra­silien. Ge­meint ist damit: Sklavennachfah­ren haben nichts in der Mittel- und Ober­schicht, deren Krei­sen und Ambiente zu suchen. Sie werden entsprechend stigmati­siert und behandelt. Wie dies in der Praxis funk­tioniert, bekam jetzt der Züricher Fritz Müller, Fach­direktor der Cre­dite-Suisse-Bank, in Rio de Janeiro zu spü­ren. Als er mit seiner schwarzen, aus Rio stammenden Ehefrau Adriana nach einem Restaurant­be­such ins First-Class-Hotel In­tercontinental zu­rückkehrte, wur­de Adriana von einem mus­ku­lö­sen Wachmann grob ge­stoppt: Eine Garota de Programa, so hei­ßen Prostitu­ierte im Rio-Slang, dür­fe nicht mit aufs Zim­mer. Direktor Müller ließ sich von seiner Frau über­setzen worum es ging und schlug gehö­rigen Krach, stellte den Wach­mann zur Re­de, verlangte von der Ho­tel­lei­tung eine formelle Entschul­di­gung. Denn ohne ent­sprechende Vor­schrift hätte der Wächter kaum so gehandelt.

Rassismus – Machismus

Die Zeitung O Globo be­schrieb den Fall unter der tref­fenden Überschrift „Fünf-Sterne-Ras­sismus“. Kaum ein mit einer dunkel­häutigen Brasilia­nerin be­freundeter oder verheirateter Eu­ropäer, der in Rio, Sâo Paulo, Sal­vador de Bahia oder Fortaleza nicht ähnliche Erfahrungen ge­macht hat. Wer brasilianisches Portugiesisch nicht versteht, be­kommt kaum mit, daß der Gang über die Strandpromenade für sei­ne Partnerin ge­legentlich ei­nem Spießrutenlauf gleicht. Wei­ße Mit­telschichtsmachos der übel­sten Sorte, in Brasilien alles andere als dünn ge­sät, lassen eine Bösartigkeit oder Obszöni­tät nach der anderen fallen, ge­hen davon aus, daß der tumbe Gringo sicher nichts ver­steht und wohl im­mer noch glaubt, was die mei­sten Reiseführer kolportie­ren: Brasilien, ein wun­dervoller Schmelz­tiegel der Rassen, ein Beispiel gelun­gener Integration ver­schiedener Hautfarben, von Dis­kriminierung keine Spur.
Wer aber die Oberfläche, die schil­lernde Er­scheinungsebene ver­läßt, stößt auf Brasiliens hocheffi­ziente verdeckte Apart­heid. Die ist von den schwachen, wenig respektierten Schwarzen­or­ganisationen weit schwerer zu packen und zu attackieren als die aus Süd­afrika bekannte of­fene Ras­sentren­nung. Schwarze, Mu­latt­Innen gehören in die Slums, in die Unterschicht, in die drek­kig­sten, schlechtbezahltesten Be­ru­fe. Schwarze Frauen sind ge­mäß diesem Denk- und Ver­hal­tens­muster Hausdienerinnen, Rei­ne­machefrauen, bestenfalls Su­per­marktkassiererinnen. Oder aber: Schwarze Frauen sind bis zum Beweis des Gegen­teils Pro­sti­tuierte, Touristenhuren, die man entsprechend behandeln kann.
Untersuchungen belegen, daß in­for­melle Mechanismen ge­wöhn­lich den Auf­stieg Dunkel­häutiger in gutbezahlte qualifi­zierte Mittel­schichtsberufe ver­hin­dern. Privatban­ken bilden da keine Ausnahme. Bei meh­reren spricht das gängige System der zwei Kundenschlangen Bände. Wer besser verdient und umge­rech­net mindestens einige tau­send Mark auf seinem Konto hat, steht in der kürzeren Fila, wird bevorzugt behandelt und ist ge­wöhnlich weiß. Wer zu den Schlecht­bezahlten gehört, aber glück­lich ist, dennoch ein Konto besitzen zu dürfen, muß in der längeren Schlange gelegentlich Stunden warten, schaut nei­disch, frustriert oder mit Groll auf die Be­vorzugten mit dem dickeren Geld­beutel. Welche Hautfarbe in der langen Fila domi­niert, läßt sich in Rio gut beobachten.
Wer mit dunkler Haut den­noch den sozialen Aufstieg schafft, hat im Alltag fast pau­sen­los Ärger. In Sâo Paulo wird eine er­folgreiche schwarze Schau­spielerin von weißen Ma­dames im­mer wieder auf der Straße gefragt, ob sie nicht als Haus­dienerin anfangen wolle, sie sehe so gut und gesund aus. Der schwarze Sänger und Komponist Dicró wird in Rio de Janeiro von Si­cherheitsleuten zu seiner eige­nen Show nicht auf die Bühne ge­lassen. Ironisch erklärt er: „Mehr­mals haben sie mich auch schon ge­schnappt, als ich meinen eigenen Wa­gen klauen wollte.“ Wie überführte Au­todiebe wer­den ebenfalls immer wieder gut­ver­dienende schwarze Fußball­spieler traktiert, die teure Im­portwagen fahren. Oleude Ri­beiro vom Verein Portuguesa von Sâo Paulo wurde mit Blau­licht in seinem Ford-Jeep ge­stoppt und mit dem Revolver am Kopf gründlich durchsucht: „Mein tiefentsetzter kleiner Sohn woll­te danach wissen, ob diese Männer Ban­diten waren. Schwie­rig, ihm zu erklären, daß alles nur geschah, weil wir Schwarze sind.“
Der auch in Eu­ropa bekannte schwarze brasiliani­sche Musiker Djavan erläutert: „Wenn du be­rühmt wirst, ver­lierst du sozusa­gen deine Hautfarbe. Das heißt nicht, daß dich die Leute auf einmal mögen. Sie beginnen nur, dich zuzulas­sen.“

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 19. November 2008 um 12:45 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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