Wie Alston 2009 in einem UNO-Dokument betont, ist die Lage im nordostbrasilianischen Teilstaat Pernambuco besonders gravierend. Für etwa 70 Prozent der dort verübten Morde seien Todesschwadronen verantwortlich. An etwa 80 Prozent der von den Todesschwadronen begangenen Morde seien Polizisten, vor allem Militärpolizisten, beteiligt.
Hintergrund:
Brasiliens „Haiti”
Kirche prangert Massaker und Terror der Todesschwadronen von Rio de Janeiro an
Priester Pierre ToussaintÂ
Roy aus Haiti bei Demo gegenÂ
Todesschwadronen von Rio
„Die Slumperipherie von Rio war schon immer das Haiti Brasiliens”, sagt der aus dem Karibikstaat stammende Priester Pierre Toussaint Roy. „Unbeschreibliche Gewalt, Misere, das Volk von den Autoritäten im Stich gelassen, die Jugend ohne Perspektiven, Sozialindikatoren wie in Haiti.” In seiner Diözese Nova Iguazu mordet eine mit Militärpolizisten durchsetzte Todesschwadron Ende März in einer einzigen Nacht dreißig unschuldige Menschen, darunter Frauen und Kinder. Es ist das größte Massaker in einer Rio-Region, die selbst die UNO bereits vor Jahren als gewaltgeprägteste der Erde definiert hatte. Priester Roy will deshalb mit seinen vielen Diözese-Mitstreitern jetzt nicht nur die Zivilgesellschaft des Tropenlandes mobilisieren, sondern auch die Menschen in Europa, in Deutschland aufrütteln, damit sich die furchtbare Lage ändert.Â
Fast jeden Tag steht er deshalb mit Diözesanbischof Luciano Bergamim an Kundgebungsmikrophonen, führt mit ihm Protestdemonstrationen an. „Die Regierung muß hier endlich für soziale Gerechtigkeit, Arbeitsplätze, Bildung sorgen, die Straflosigkeit beenden “ oder die Gewalt hört nie auf.” Padre Roy, der das Menschenrechtszentrum der Diözese sowie die Brasilien-Sektion der größten interamerikanischen Bürgerrechtsvereinigung (PIDHDD) leitet, hat natürlich eine klare Position zu den Vorgängen in seiner Heimat:” Was jetzt in Haiti geschieht, ist eine von den USA angezettelte Invasion, und wie immer bei solchen US-Invasionen mit den üblichen negativen Resultaten.” Er geißelt den Egoismus der brasilianischen Autoritäten:” Denen sind ihre persönlichen Absichten, politischen Projekte wichtiger als die Nöte, Bedürfnisse des Volkes.” Â
Leider gelinge es Rios Bevölkerung nicht, sich dagegen zu artikulieren. Selbst in Zeitungskarikaturen werden Staatschef Lula, Rios Gouverneurin Rosinha Mateus sowie Stadtpräfekt Cesar Maia als die eigentlichen Schuldigen des jüngsten Massakers angeprangert. Die Lula-Regierung kürzte auch dieses Jahr für öffentliche Sicherheit vorgesehene Mittel drastisch “ um fast sechzig Prozent. Nicht zuletzt deshalb werden im Teilstaate Rio gemäß Expertenstudien sage und schreibe neunundneunzig Prozent  aller Morde nicht aufgeklärt. Die zahlreichen Todesschwadronen, die Killermilizen der Verbrechersyndikate kommen daher fast nie hinter Gitter. Die meisten Blutbäder bleiben von den Autoritäten, den Medien völlig unbeachtet. In der Nacht des Massakers wurden außer den dreißig Toten weitere elf Leichen ins gerichtsmedizinische Institut gebracht. Von denen nahm niemand Notiz, auch die Presse nicht “ es handelte sich schließlich nur um die sogenannten „Cadà veres de Rotina”, die Routine-Kadaver. So viele werden täglich eingeliefert, nichts besonderes also.  Zwei Frauen, die beim jüngsten Blutbad mehrere Söhne verloren:” Auch wir werden jetzt bedroht, eingeschüchtert “ die Leute schweigen hier aus Angst um ihr Leben.” Frühere unregistrierte Massaker, sogar während der letzten Fußballweltmeisterschaft, hätten weit mehr als dreißig Opfer gefordert.Â
Chico Alencar, einer der wenigen progressiven Abgeordneten in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Lulas:” Natürlich ist die Regierung mitschuldig an dem Massaker. Die Arbeiterpartei legte ein exzellentes Programm für öffentliche Sicherheit vor “ nur wird es eben nicht realisiert.” Die katholische Menschenrechtsaktivistin Regineia de Assis trägt das T-Shirt der diesjährigen kirchlichen Brüderlichkeitskampagne “ ganz hochaktuell dem Kampf gegen die komplexen Ursachen der ausufernden Gewalt gewidmet. „Die Todesschwadronen dienen mächtigen, reichen, egoistischen Gruppen “ mit solchen Untaten will man die Bevölkerung terrorisieren, einschüchtern, soziales Engagement verhindern. Wir werden verfolgt, als subversiv angesehen, weil wir uns wie Jesus Christus für die Armen einsetzen!” Nicht neu in dieser Diözese: Bischof Bergamims Vorgänger Adriano Hipolito wird zur Diktaturzeit als „Roter” diffamiert, 1976 von einem Kommando der Geheimpolizei überwältigt, entführt, geschlagen. Völlig entkleidet und mit roter Farbe beschmiert, wirft man den Bischof in den Staub einer abgelegenen Straße. „Vermögende, einflußreiche Leute unterstützen das Klima des Terrors, ziehen daraus Vorteile, sind auf der Seite des Bösen”. Bischof Bergamim appelliert auch an alle Menschen guten Willens in Deutschland:”Wir möchten, daß sie Druck machen, Staatschef Lula und seinem Justizminister Protestbriefe, Protestmails schicken “ Solidarität wäre für uns so wichtig!”Â
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