Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Rio de Janeiro – neue Kriegs-Videos auf YouTube. Abschuß des 2. Polizeihubschraubers: „Ai Caralho…“ Urban Warfare. „Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.“(Tourismuspropaganda) Menschenrechte der Slumbewohner unter Lula. „The world´s happiest cities – Rio de Janeiro – top of our list.“

http://www.youtube.com/watch?v=sX6SlA4Q_xg

“Nutzt doch die US-Armee gerade auch solche Computersimulationen, um Soldaten die Hemmung vorm Töten eines Menschen zu nehmen. Der 19-jährige Täter von Erfurt ist sicherlich nicht durch Computerspiele zum Mörder geworden. Aber er konnte vorm Bildschirm die Tatabläufe beim Schießen einstudieren und jene Schnelligkeit trainieren, die er brauchte. Psychologen sprechen auch von `heimlichen Lehrplänen “in Gewaltspielen. Diese , sagen sie, lehrten Konfliktlösungsmodelle und Rollenmuster, die jegliche demokratischen und sozialen Aspekte gesellschaftlichen Zusammenlebens ausblenden – so wie am 26. April 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium. “  Kai Mudra, Mitteldeutsche Zeitung 2009, zur Militarisierung der Gesellschaft.

Wie Barack Obama den Tropenstaat Brasilien bewertet: “Brasilien ist eine beispielhafte Demokratie. Dieses Land ist nicht länger das Land der Zukunft – die Menschen in Brasilien sollten wissen, daß die Zukunft gekommen ist, sie ist hier, jetzt”.

„Guerra no Rio de Janeiro“: http://www.youtube.com/watch?v=6niMfsozMSA

http://www.youtube.com/watch?v=ZaN3qUb807A

„War in Rio“: http://www.youtube.com/watch?v=BhlkpjFX4d8&NR=1&feature=fvwp

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/17/krieg-auf-dem-morro-dos-macacos-von-rio-de-janeiro-youtube-anklicken-bope-im-einsatz/

http://g1.globo.com/Noticias/Rio/0,,MUL1350901-5606,00-MORADORES+REGISTRAM+VIOLENCIA+NO+MORRO+DOS+MACACOS+EM+VIDEOS+NO+YOUTUBE.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/06/08/jose-murilo-de-carvalho-mitglied-der-brasilianischen-dichterakademie-fuhrender-historiker-brasiliens/

Reisewarnungen: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/09/das-menschenrecht-auf-personliche-sicherheit-unter-lula-die-deutsche-botschaft-in-brasilia-informiert/

Offizielle Tourismuswerbung der Lula-Regierung: http://www.embratur.gov.br/site/ge/home/index.php

„Wonderful City“: http://www.mefeedia.com/watch/24315291

Lula-Fan: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/10/lula-fan-nossa-senhora-da-aparecida-gesichter-brasiliens/

„The world´s happiest cities“ – laut „Forbes“: http://www.forbes.com/2009/09/02/worlds-happiest-cities-lifestyle-cities.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/04/the-worlds-happiest-cities-forbes-rio-de-janeiro-top-of-our-list-good-humor-good-living-carnaval/

„Leider sind es nicht mehr so viele, die die ganze Wahrheit wissen wollen.“(Günter Nooke): http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/22/a-censura-nunca-desiste-kampagne-gegen-zensur-von-pubaddict/

Hintergrund von 2007

Neue Terrorwelle in Rio de Janeiro – übliche Regierungsversprechen

In Rio de Janeiro, dem nach Sao Paulo zweitwichtigsten Wirtschaftsstandort Brasiliens, dauert die Ende Dezember 2006 gestartete Terrorserie der hochgerüsteten Banditenmilizen an. Gemäß den wie üblich stark geschönten amtlichen Angaben sind bisher neunzehn Menschen getötet worden, darunter Polizisten, Busreisende und Gangster. Auch im benachbarten Teilstaate Espirito Santo gibt es Terroranschläge.

Attackiert werden wiederum Polizeiposten und -wachen, Bankfilialen und Geschäfte. Der Handel schließt vorsorglich in den am meisten bedrohten Stadtregionen auch wegen Banditendrohungen die Läden, Behörden geben ihren Angestellten arbeitsfrei. Dem Vernehmen nach wurden die neuesten Terrorattacken von Banditenchefs im Slum Mangueira vereinbart und geplant, der gleichzeitig Sitz der traditionsreichsten Sambaschule Brasiliens ist. Von Mangueira aus starteten danach Kommandos zu den Anschlägen in die verschiedensten Stadtteile. Rio de Janeiro, mit rund achthundert Slums, hat eine etwas höhere Bevölkerungszahl als Kuba, weshalb sich zahlreiche soziokulturelle sowie die Menschenrechte betreffende Vergleiche aufdrängen. Gemäß neuesten Studien gelten 3,1 Millionen Bewohner Rios als arm oder verelendet, hausen größtenteils in dem von Banditenmilizen neofeudal beherrschten Parallelstaat der Slums. Anders als in Kuba ist das lebendige Verbrennen Mißliebiger durch Banditen üblich. Den Autoritäten sind diese Zustände seit Jahrzehnten detailliert bekannt. Rios couragierte Chefinspektorin Marina Maggessi, inzwischen zur Kongreßabgeordneten gewählt, hatte erklärt:”Diese Banditenbosse sind Tyrannen “ sie verbrennen Mernschen lebendig, verstümmeln und zerstückeln Slumbewohner, begehen Greueltaten jeder Art, dominieren die Slums mit aller Brutalität.” Ein Großteil der jüngsten Terroranschläge geschieht am Slumkonglomerat „Complexo da Marè”. Vor rund zwei Jahren hatte der jetzige Präsident von Staatschef Lulas Arbeiterpartei(PT), Ricardo Berzoini, in seiner damaligen Funktion als Arbeitsminister gemeinsam mit Kulturminister Gilberto Gil diesen Slum besucht. Laut Presseberichten ließen sich beide von den dortigen gefürchteten Gangsterbossen die Visite genehmigen, fuhren, wie gefordert, ohne Bodyguards, Polizeibegleitung hinein, erkannten damit gemäß Politikwissenschaftlern die neuofeudale Diktatur der Banditenmilizen offiziell an. Paulo Sergio Pinheiro, Experte für Gewaltfragen an der Bundesuniversität von Sao Paulo:”All dies ist ein Skandal “ geschähe derartiges in Berlin, Paris oder London, würde das im Parlament debattiert, würde die Regierung gestürzt.”
–Banditenmilizen und NGO”
Insider haben immer wieder angeprangert, daß nicht wenige brasilianische NGOs, die teils von europäischen Spendern finanziert werden, mit Banditenmilizen in den Slums freiwillig oder erzwungen zusammenarbeiten. Diese NGOs stellen sogar Räume für Banditenfeste zur Verfügung, verstecken Waffen und Drogen, geben Geld für Banditenbeerdigungen. Nicht selten sitzt im NGO-Vorstand ein Vertreter der Banditen. Als in Rio aus dem Slum-Projektgebäude einer europäischen NGO ein Videogerät gestohlen wurde, drohten die sich einmischenden Gangster damit, solange Menschen zu erschießen, bis der Apparat wieder auftaucht. Das war erst nach dem achten Toten der Fall. Ein brasilianischer Projektmitarbeiter dort:”So viel Geld von naiven Spendern wird vergeudet, weil die Projekte in Banditengewalt sind!”
–„barbarische Terroranschläge””
Staatschef Lula hatte bisher ebenso wie seine Amtsvorgänger derartige Attentate stets als „Sicherheitsprobleme” charakterisiert “ jetzt sprach er erstmals von barbarischen Terroranschlägen. Auf der Stadtautobahn zum internationalen Flughafen stoppen Kommandos immer wieder Autos und rauben die Insassen, darunter auch ausländische Touristen, aus.
Gemäß Meinungsumfragen wird nach Auffassung der Rio-Bevölkerung über Gewalt, Verbrechen und Terror nur sehr reduziert berichtet. Dem Vernehmen nach geschieht dies, um dem Image des Landes nicht zu sehr zu schaden. Als ein Banditenkommando das große Reisebüro eines Europäers in Rio gestürmt und mit Maschinenpistolen wahllos auf die Angestellten gefeuert hatte, erreichte dieser durch persönliche Intervention bei den Medien, daß darüber bis heute nicht eine einzige Zeile veröffentlicht wurde
Der bevorstehende Karneval soll ein weiteres Mal von Spezialeinheiten der Armee beschützt werden. Deren Einsatz war erst zu den panamerikanischen Spielen geplant, die im Juli 2007 in Rio stattfinden.
Staatschef Luis Inacio Lula da Silva befürwortete schärfere Gesetze gegen das organisierte Verbrechen: ”Bei den jüngsten barbarischen Untaten handelt es sich um Terrorismus, um terroristische Praktiken, die mit aller Härte bekämpft werden müssen. Das war nicht mehr der gewöhnliche Banditismus, den wir alle hier kennen. Man kann jetzt aber nicht nur dem Staatschef oder dem Gouverneur von Rio de Janeiro die Schuld für das Geschehene geben “ nein, die ganze Gesellschaft muß dafür die Verantwortung übernehmen. Denn die Untaten sind das Resultat von Fehlern, die sich in der Gesellschaft seit langem anhäuften. Ich bin überzeugt “ hier zeigt sich ein Werteverlust, aber auch ein Verfall, eine Verwilderung unserer Gesellschaftsstrukturen. Wenn die Familien zerrüttet, verwildert sind, wenn Vater und Mutter sich nicht mehr verstehen, der Sohn nicht mit dem Vater, werden all diese Probleme schwerlich zu lösen sein, wird dies auch die Polizei nicht schaffen, gegen die Gewalt nichts ausrichten können. Die ehrlichen Arbeiter, die morgens aus dem Haus gehen, müssen sicher zur Familie zurückkehren können.”
–„Sehr perverse weiße Elite in Brasilien“ – Problem Straflosigkeit–
Brasiliens Qualitätsmedien widersprachen Lulas Argumentation. Der Staatschef habe ein weiteres Mal so getan, als seien andere, und besonders seine Amtsvorgänger an der Lage schuld. Beim Amtsantritt vor vier Jahren habe Lula im Grunde genauso dahergeredet, in puncto öffentlicher Sicherheit viel versprochen, doch fast nichts realisiert, die Mittel für Verbrechensbekämpfung sogar stark gekürzt. Die Terroranschläge der Banditenmilizen Sao Paulos vom letzten Jahr würden derzeit von Lula nicht einmal erwähnt, hieß es in den Kommentarspalten.
Sao Paulos damaliger Gouverneur Claudio Lembo hatte erklärt:“Wir haben eine sehr üble Bourgeoisie, eine sehr perverse weiße Elite in Brasilien. Dies ist ein zynisches Land. Der nationale Zynismus tötet Brasilien. Dieses Land ist desintegriert und verlor seine bürgerlichen Werte. Die soziale Frage ist gravierend. “
Roberto Busati, Präsident des brasilianischen Anwaltsverbands OAB, lehnt die von Lula befürworteten schärferen Gesetze ab: ”Wir brauchen keine härteren Gesetze “ nötig ist vielmehr, die Verbrecher überhaupt zu verurteilen. In diesem Land ist bereits zur Normalität geworden, daß sich immer wieder solche Attentate, solche Akte der Barbarei ereignen, die Bevölkerung in Schrecken versetzen. Doch die Täter werden einfach nicht bestraft. Das große Problem dieses Landes ist die Straflosigkeit “ sie ist wie ein Krebsgeschwür, das die Gesellschaft zersetzt und zerstört. Bei jenen, die jetzt einen Bus anzündeten, in dem acht Menschen lebendig verbrannten, handelt es sich um Berufsverbrecher, die schon seit langem hinter Schloß und Riegel sein müßten. Doch alle befinden sich weiter auf freiem Fuß. In diesem Land kommt es stets nur zu Behelfs-und Notlösungen “ doch man muß das Übel endlich einmal an der Wurzel packen. Das Verbrechen ist immer besser organisiert, die Polizei dagegen immer schlechter. Das organisierte Verbrechen beherrscht zunehmend den brasilianischen Staat.”
Busati erinnerte an die Ermordung der nordamerikanischen Amazonas-Missionarin Dorothy Stang von 2005 im extrem gewaltgeprägten Teilstaate Parà. Damals sei von der Regierung ebenfalls viel versprochen, doch nichts gehalten worden. „Heute redet niemand mehr von der Lage in Parà.” Lula hatte damals von scharfem Durchgreifen wie jetzt in Rio gesprochen. Die Medien reagierten mit Hohn und Spott, wiesen auf die zehntausenden Gewalt-Toten im „unerklärten Bürgerkrieg” des Tropenlandes. Lula, so hieß es, spule lediglich den „Kit Massacre” ab, für solche Fälle vorbereitete Propagandaanweisungen, die auch das Ausland beruhigen sollten.
Straflosigkeit betrifft auch die Lage im Straßenverkehr, bleibt es daher bei landesüblicher bewußter Fahrlässigkeit. In Deutschland gab es 2006 rund 5000 Verkehrstote, in Brasilien, mit einer nur etwa doppelt so großen Einwohnerzahl und deutlich weniger Fahrzeugen, jedoch über 60000(!!). Ende 2006 veröffentlichte die Qualitätszeitung “ O Globo“ eine Artikelserie unter dem Titel „Illegal – na und?“ An zwei wichtigen Kreuzungen des vor allem von Mittel-und Oberschichtlern bewohnten Strandstadtteils Barra da Tijuca zählten die Reporter tagsüber innerhalb von zwanzig Minuten insgesamt 123 Autos, die bei Rot über die Kreuzungen fuhren. Auf einem Foto waren die rote Ampel und direkt darunter zwei bewaffnete Rio-Sheriffs zu sehen, die sich an dem Verkehrsdelikt nicht störten. Ebenso wenig hinderte die Autofahrer die Präsenz der Sheriffs daran, bei Rot weiterzupreschen. Man stelle sich eine solche Situation in Berlin, Hamburg oder München vor. „Pech“ haben Fußgänger, die bei Grün über die Straße wollen, aber dank solchen gewöhnlich tolerierten Fahrerverhaltens ihr Leben verlieren. Autofahrer aus Ländern dieses rücksichtslosen Fahrstils haben gewöhnlich große Eingewöhnungsprobleme in Ländern, die dies nicht dulden – und jene Staaten daher nicht selten als engstirnig, pingelig, eklig intolerant und bürokratisch-kalt einstufen. Die Zeitungen Rios veröffentlichen regelmäßig Fotos, die zahlreiche Einschüsse in Verkehrsschilder zeigen – diese als Zielscheiben, auch vom Auto aus, zu benutzen, ist weithin üblich.
–Berufskiller, Killerspiele, Killervideos”
In dem Drittweltland werden jährlich über fünfzigtausend Morde begangen, doch gemäß jüngsten Studien nicht einmal fünf Prozent dieser Verbrechen überhaupt aufgeklärt. In Rio de Janeiro lag laut Presseberichten die Rate letztes Jahr sogar nur bei 1,31 Prozent. Somit laufen anders als in Kuba hunderttausende Mörder frei herum, gehört zu den Eigenheiten Brasiliens, daß dort ein Großteil der Bewohner Mörder persönlich kennt und mit ihnen zwangsläufig Kontakt hat. Mörder bieten selbst Ausländern im Alltag immer wieder an, Mißliebige, Leute, mit denen es Probleme gibt, zu liquidieren. In Sao Paulo hatte eine Textilhändlerin einem Geschäftskunden zahlreiche Kleidungsstücke überlassen, die er nach deren Verkauf bezahlen sollte. Der Geschäftskunde verschwand indessen mit dem Geld, wollte nicht bezahlen “ ein recht häufig auftretender Fall in einem Land, das laut Schriftsteller und Kolumnist Joao Ubaldo Ribeiro von einer „Kultur der Unehrlichkeit und Scheinheiligkeit” gezeichnet ist. In einer der großen Sambaschulen Sao Paulos wurde der Textilhändlerin daraufhin angeboten, den Geschäftskunden gratis ausfindig zu machen und zu töten.
Killerspiele, Killervideos, weit sadistischer und auch sexistischer als die in Deutschland bekannten, sind seit Jahren bei Brasiliens Kindern und Jugendlichen hochpopulär, dienen bekanntermaßen den Banditenmilizen als direkte Anleitung zu perversesten Gewalttaten. Auch in Mittelschichtsfamilien der Großstädte finden zahlreiche Eltern nichts dabei, wenn ihre Kinder die Killerspiele ganz laut stellen, damit man nicht nur die Mpi-Salven, sondern auch die Einschüsse in die Köpfe ganz deutlich hört. Beinahe den ganzen Tag sich mit Massenmorden am Monitor zu beschäftigen, ist in Städten wie Rio und Sao Paulo für zahllose Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, völlig normal. Ein 26-jähriger Mann jetzt in Sao Paulo:”Zu den Weihnachtsfeiertagen habe ich wegen des neuen tollen Killerspiels meine Freundin weggeschickt “ das Game ist einfach geiler.”
Nach den jüngsten Brandanschlägen auf Busse Rios haben Fahrgäste erstmals kleine Feuerlöscher griffbereit dabei.
–Mitverantwortung von SI-Vize Brizola”
Zu den politisch Mitverantwortlichen für die Stärkung des organisierten Verbrechens von Brasilien zählt der inzwischen verstorbene Linkspopulist und Großgrundbesitzer Leonel Brizola, einst auch Vizepräsident der Sozialistischen Internationale “ nach eigenem Bekunden enger Freund Willy Brandts. Brizola wurde zwar von den Putschgenerälen des Jahres 1964 exiliert, unterhielt indessen nach seiner Rückkehr 1982 beste Beziehungen zum letzten Diktaturchef Joao Figueiredo und ging immer wieder Wahlbündnisse mit der Regimepartei PDS ein. Die Sozialistische Internationale störte sich offenbar nicht an diesen Details, als sie Brizolas linkspopulistische PDT(Partido Democratico Trabalhista) in ihre Reihen aufnahm und den Caudilho zu einem der SI-Vizes machte. Wie ein Filialleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung im Interview erläuterte, geschah die Aufnahme aus „pragmatischen Gründen”´, „man war froh, daß überhaupt eine Partei aus Lateinamerika, wie die PDT, zur Sozialistischen Internationale dazugehört und schaute nicht so genau hin, was diese tut.” Wie das führende brasilianische Nachrichtenmagazin „Veja” schrieb, übernahm Brizola wie kein anderer nationaler Politiker den Regierungsstil seines Vorgängers im Gouverneursamt von Rio, Chagas Freitas, der sich von Rios Unterwelt, darunter den Bossen der Slums und den Chefs des verbotenen Glücksspiels „Jogo de Bicho” unterstützen ließ. Konzessionen an die Banditenbosse seien üblich, hieß es, weil diese in den Slums von Rio traditionell darüber bestimmten, welche Kandidaten gewählt würden. Brizolas Idol und geistiger Ziehvater war Diktator Getulio Vargas, ein Hitlerverehrer und Judenhasser. Schriftsteller Stefan Zweig hatte sein PR-Buch „Brasilien “ ein Land der Zukunft” unter der Vargas-Diktatur geschrieben. Brasiliens Zweig-Biograph Alberto Dines aus Sao Paulo:”Stefan Zweig machte ein Geschäft mit der Vargas-Regierung “ er schrieb ein Buch zugunsten Brasiliens im Tausch gegen ein Dauervisum, erhielt es mit unglaublicher Leichtigkeit. Und wenn er ein Buch verfaßt, das günstig für das Land ist, wird er eben bestimmte Dinge nicht sagen.” Zweig, so hieß es, unterhielt enge Kontakte zu Diktator Vargas, an den mitten in Rio ein neues großes Memorial erinnert.
Zur Lage in der Zuckerhutstadt schreibt die Qualitätszeitung „O Globo“:“Rio glaubt seit langem nicht mehr an Rio. Die Landschaft ist zwar hübsch, aber häufig nutzlos. Gewalt, Dekadenz, Flucht von Fachkräften, Abwanderung von Unternehmen, Verdreckung der Strände – all dies hat jenen, die hier wohnen, das Vertrauen genommen. Chico Buarque sagte, daß es gelegentlich hochschlagende Empörung gebe, sich die Leute danach aber an die Dinge gewöhnten. Das allgemeine Gefühl ist, daß es morgen schlechter sein wird als heute.“
Brasiliens bester Liedermacher Chico Buarque aus Rio sagte zu den jüngsten Terroranschlägen:“Man fühlt sich jetzt nicht unsicherer als vorher – was jetzt passierte, war erwartet worden. Als es in Sao Paulo losging, verstanden die sensibleren Zeitgenossen, daß dies auch hier geschehen könnte. All dies hier ist keinerlei Überraschung. Wir sind diesen Dingen immer mehr unterworfen. Seit ich hier lebe, kenne ich viele verschiedene Rio de Janeiros. Viele Städte sind zu stark gewachsen, wurden schlechter.“
Chico Buarque zählt zu den hervorstechendsten Kuba-Sympathisanten Brasiliens, hat immer wieder den Kulturaustausch persönlich gefördert.
Ricardo Cro, Bewohnerpräsident eines Armenviertels von Rio, betonte jetzt:“Wie Schriftsteller Zuenir Ventura hervorhob, leben wir in einer geteilten Stadt. Diese Apartheid hier öffnet die Türen weit, damit Kriminelle, ob in Uniform oder nicht, Zivilisten oder Militärs die öffentliche Gewalt in den verschiedensten Sektoren ersetzen. Was diese Bevölkerung in den letzten Jahren, unter der Herrschaft der Verbrecherkommandos und jetzt, unter den neuen Milizen erleidet, ist unvorstellbar.“ Auch Deutschlands Pseudo-Menschenrechtler, Pseudo-Drittweltbewegte selbst aus der Latino-Szene interessiert indessen just die konkrete Lage der Slumbewohner Rios, von Ausnahmen abgesehen, einen Dreck – vorgegebene Mainstream-Themen sind ihnen weit wichtiger.Â

Brasiliens Intelligentsia erörtert seit Jahrzehnten fruchtlos in den Medien oder auf Konferenzen ausführlich, wie die vielfältigen Probleme des Tropenlandes gelöst werden könnten. Ein im Lande weilender japanischer Wirtschaftsexperte, der die Verhältnisse recht gut kennt, wurde im Zeitungsinterview gefragt, welche Lösungswege er als Ausländer sehe. Der Japaner antwortete mit nur zwei Worten: „Gesetze einhalten.“ Brasilien hat in Bezug auf Menschenrechte oder auf den Umweltschutz hervorragend und sehr detailliert ausgearbeitete Gesetze.
–US-Soldaten von Irak-Aggression nach Rio–
Unterdessen nimmt laut Presseberichten die Zahl der US-Soldaten zu, die ihren „Feldurlaub“ vom Krieg gegen den Irak in den Strandvierteln der Zuckerhutstadt verbringen, als sehr zahlungskräftige Gäste in den teuersten und schicksten Bars, Diskotheken, Bordellen und Restaurants sehr willkommen sind. Ein Teil der Frontsoldaten bekam den Flug von der US-Regierung bezahlt, die ein spezielles Erholungsprogramm für Soldaten unterhält, die im Irak, aber auch in Afghanistan, Kuwait oder Pakistan stationiert sind. Zitiert wird zudem die US-Reiseagentur „Tours Gone Wild“ mit Sitz in Miami, bei der immer mehr Frontsoldaten buchen. Auf ihrer Website präsentiere sie Fotos von „heißen brasilianischen Frauen mit großen Brüsten“ an Stränden oder in Nachtclubs. Zu den Militärs zählen Offiziere ebenso wie Kanoniere der Artillerie oder Scharfschützen. Als bevorzugter Strand der Soldaten gilt Ipanema.

Behinderter Junge in Rio zu Tode geschleift

Brasilianische Öffentlichkeit reflektiert über Normalität sadistischer Verbrechen
Rund eine Woche vor dem weltberühmten Karneval hat die barbarische Tat mehrerer Slum-Banditen Rios in dem Tropenland eine sehr emotionale Diskussion über zur Alltagsnormalität zählende sadistische Verbrechen ausgelöst.
Die Banditen hatten gemäß den Polizei-und Medienberichten in der Zuckerhutstadt zwecks Autoraub den Wagen einer Frau gestoppt, die mit ihrer 13-jährigen Tochter und dem behinderten sechsjährigen Sohn unterwegs war. Die Insassen wurden zum Aussteigen gezwungen, wobei es nicht gelang, den Sitzgurt des auf der Hinterbank befindlichen Jungen zu lösen. Die Banditen fuhren mit dem Wagen los, obwohl der Junge noch außerhalb der hinteren Wagentür im Gurt festhing. Er wurde auf rund zehn Kilometern durch vier Stadtviertel Rios mitgeschleift, was eine enorme Blutspur hinterließ. Die Banditen wollten durch verschiedene Manöver, wie Zickzackkurs und nahes Vorbeifahren an Verkehrshindernissen, sich des Körpers entledigen, was indessen mißlang. Zahlreiche Passanten, andere Verkehrsteilnehmer versuchten, die Banditen im Interesse des Lebens des Jungen zum Anhalten zu bewegen, wurden indessen mit der Waffe bedroht. Einem Zeugen wurde gesagt, bei dem Mitgeschleiften handele es sich um eine Judas-Puppe. Die Gangster stoppten den Wagen schließlich an ihrem Slum, gingen kurz zum Umziehen nach Hause, amüsierten sich dann auf einem Straßenfest. Von dem behinderten Jungen waren nur noch zerfetzte Reste übrig.

Aufgrund von telefonischen Anzeigen konnte Rios Polizei mehrere Täter rasch fassen, die die Tat den Berichten zufolge sofort gestanden haben. Wie in Brasilien üblich, wurden zwei im Fernsehen interviewt – ein 18-jähriger Bandit beschrieb dabei die Tat und sagte, man habe den Jungen nicht gesehen. Der Bandit war, wie es hieß, als Minderjähriger bereits wegen Raubmordes vor Gericht. Ein 16-jähriger Mittäter dürfte gemäß brasilianischen Gesetzen höchstens drei Jahre in Gewahrsam bleiben.
An der Beerdigung des Jungen beteiligten sich sogar Rios Sicherheitschef sowie der Chef der Militärpolizei. In Rio de Janeiro weinten spontan viele Menschen auf den Straßen, darunter auch Polizeibeamte. Die Medien erhielten eine Rekordzahl von Leser-und Hörerreaktionen, in denen unter anderem die Einführung der von der Bevölkerungsmehrheit befürworteten Todesstrafe gefordert sowie die allgemeine Straffreiheit angeprangert wurde. In Rio de Janeiro werden jährlich deutlich weniger als fünf Prozent der Morde aufgeklärt.
Angesichts dieser barbarischen Tat, hieß es außerdem, sollte man den Rio-Karneval boykottieren. Erinnert wurde zudem an andere Verbrechen der jüngsten Zeit, bei denen u.a. Banditen Stadtbusse mit Benzin angezündet hatten, wodurch zahlreiche Menschen verbrannt waren.
Indessen handelt es sich bei diesen bekanntgewordenen Untaten nur um die Spitze des Eisberges, weil Brasiliens Medien im Interesse des Landesimage nur über einen Bruchteil der sadistischsten Taten überhaupt berichten. Gewöhnlich wird nur über Verbrechen informiert, die Angehörige der Mittel-und Oberschicht betreffen, nicht jedoch über schier unbeschreiblichen Sadismus, dem die Slumbevölkerung seit Jahrzehnten ausgesetzt ist. Daß von den die Slums neofeudal beherrschenden Banditenmilizen Mißliebige lebendig verbrannt oder zerstückelt werden, mit abgeschlagenen Köpfen Fußball gespielt wird, man Menschen durch Schweine auffressen läßt, haben zahlreiche Zeugen bestätigt. Ein Großteil der Slumbewohner, darunter bereits kleine Kinder, hat solchen Verbrechen zugesehen – mit den entsprechenden Wirkungen auf die Psyche. Es gibt zudem Berichte, demzufolge auf Rap-und HipHop-Massendiscos, die an der Slumperipherie Rios häufig vom organisierten Verbrechen veranstaltet werden, Jugendliche lebendig verbrannt worden sind. Die auf diesen „Bailes Funk“ gespielten Titel sind extrem machistisch bzw. frauenfeindlich und verherrlichen detailliert sadistische Taten. Nicht zufällig wird in Deutschland von interessierter Seite versucht, derartige brasilianische Musik aus dieser Gewaltkultur gesellschaftsfähig zu machen, zu popularisieren.
Marina Maggessi, seit kurzem Kongreßabgeordnete und zuvor Rio de Janeiros Chefinspektorin der Zivilpolizei, hatte immer wieder die vom organisierten Verbrechen begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Die Banditenbosse, mit denen sich sogar weltbekannte Topathleten und Prominente einlassen, nannte sie Tyrannen:“Sie verbrennen Menschen lebendig, zerstückeln Personen, begehen Greueltaten jeder Art, herrschen über die Slums mit aller Brutalität.“
Auffällig, daß zahlreiche NGOs, die auch mit europäischen Spendengeldern finanziert werden, in den Slums der größten bürgerlichen Demokratie Lateinamerikas zwar tätig sind, jedoch zu den Vorgängen weitestgehend schweigen. Gleiches gilt für teils vom Steuerzahler finanzierte Alibi-Menschenrechtsorganisationen.
In Brasilien werden jährlich über 55000 Menschen ermordet. In Rio de Janeiro wurde jetzt eine Website eingerichtet, die die aktuelle Zahl der Ermordeten angibt: http://www.riobodycount.com.br/
Im Teilstaate Rio de Janeiro wurde 2006 gemäß neuesten Angaben eine Rekordzahl von Homosexuellen umgebracht. Wie es hieß, waren es mindestens 45. „Dies zeigt den machistischen und gewalttätigen Charakter der Gesellschaft Rio de Janeiros“, wurde betont. Rio de Janeiro hat etwa die gleiche Einwohnerzahl wie Kuba, das indessen auch gemäß dem UNO-Index für menschliche Entwicklung völlig andere soziokulturelle Bedingungen aufweist.
Auch in Deutschland nimmt machistische Gewalt ständig zu, wird sogar von den Autoritäten ganz bewußt, u.a. durch Tolerierung, stark gefördert. Die deutsch-türkische Anwältin Seyran Ates, die jetzt den Margherita-von-Brentano-Preis der FU Berlin erhielt, hat über Machismus und Gewaltbereitschaft sowie über Sexualität und Gewalt zahlreiche Analysen angestellt.

Schriftsteller Paulo Coelho von der Copacabana zum sadistischen Verbrechen:
„Wir sind alle schuldig“
Entáo estamos nos aproximando cada vez mais do Mal Absoluto. Quando rapazes, em pleno controle de suas faculdades mentais, sáo capazes de arrastar um menino pelas ruas de uma cidade, isso náo é apenas um ato isolado: todos nós, em maior ou menor escala, somos culpados.

Somos culpados pelo silêncio que permitiu que a situaçáo em nossa cidade chegasse a este ponto.

Somos culpados porque vivemos em uma época de ”tolerância, e perdemos a capacidade de dizer NÃO.

Somos culpados porque nos horrorizamos hoje, mas nos esquecemos amanhá, quando há outras coisas mais importantes para fazer e para pensar.

Somos os olhos que viram o carro passar, o medo que nos impediu de telefonar para a polícia. Somos a polícia, que recebeu alguns telefonemas através do número 190, e demorou para reagir, porque o Mal Absoluto parece já náo pedir urgência para nada. Somos o asfalto por onde se espalharam os pedaços de corpo e os restos de sonhos do menino preso ao cinto de segurança.

A cada dia uma nova barbárie, em maior ou menor escala. A cada dia algum protesto, mas o resto é silêncio. Estamos acostumados, náo é verdade?

Muitos séculos atrás, John Donner escreveu: ”nenhum homem é uma ilha, que se basta a si mesma. Somos parte de um continente; se um simples pedaço de terra é levado pelo mar, a Europa inteira fica menor. A morte de cada ser humano me diminui, porque sou parte da humanidade. Portanto, náo me perguntem por quem os sinos dobram: eles dobram por ti.

Na verdade, podemos pensar que os sinos estáo tocando porque o menino morreu, mas eles dobram mesmo é por nós. Tentam nos acordar deste cansaço e torpor, desta capacidade de aceitar conviver com o Mal Absoluto, sem reclamar muito “ desde que ele náo nos toque.

Mas náo somos uma ilha, e a cada momento perdemos um pouco mais de nossa capacidade de reagir. Ficamos chocados, assistimos às entrevistas, olhamos para nossos filhos, pedimos a Deus que nada aconteça conosco. Saímos para o trabalho ou para a escola olhando para os lados, com medo de crianças, jovens, adultos. Entra ano, sai ano, mudam-se governos, e tudo apenas piora. O que dizer? Que palavra de esperança posso colocar aqui nesta coluna?

Nenhuma.

Talvez apenas pedir que os sinos continuem tocando por nós. Dia e noite, noite e dia, até que já náo consigamos mais fingir que náo estamos escutando, que náo é conosco, que estas coisas se passam apenas com os outros. Que estes sinos continuem dobrando, sem nos deixar dormir, nos obrigando a ir até a rua, parar o trânsito, fechar as lojas, desligar as televisões, e dizer: ”basta. Náo agüento mais estes sinos. Preciso fazer alguma coisa, porque quero de volta a minha paz. Neste momento, entenderemos que embora culpemos a polícia, os assaltantes, o silêncio, os políticos, o hábito, apenas nós podemos parar estes sinos.

Nosso poder é muito maior do que pensamos “ trata-se de entender que náo somos uma ilha, e precisamos usá-lo. Enquanto isso náo acontecer, o Mal Absoluto continuará ampliando seu reinado, e um belo dia corremos o risco de acreditar que ele é a nossa única alternativa, náo existe outra maneira de viver, melhor ficar escutando os sinos e náo correr riscos.

Náo podemos deixar que chegue este dia. Náo tenho fórmulas para resolver a situaçáo, mas sou consciente de que náo sou uma ilha, e que a morte de cada ser humano me diminui. Preciso parar minha cidade. Náo apenas por uma hora, um dia, mas pelo tempo que for necessário. E recomeçar tudo de novo. E, se náo der certo, tentar náo apenas mais uma vez, mas setenta vezes. Chega de culpar a polícia, os assaltantes, as diferenças sociais, as condições econômicas, as milícias, os traficantes, os políticos.

Eu sou a minha cidade, e só eu posso mudá-la. Mesmo com o coraçáo sem esperança, mesmo sem saber exatamente como dar o primeiro passo, mesmo achando que um esforço individual náo serve para nada, preciso colocar máos à obra. O caminho irá se mostrar por si mesmo, se eu vencer meus medos e aceitar um fato muito simples: cada um de nós faz uma grande diferença no mundo.

Stimmen Lateinamerikas: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/lateinamerika.xml

Hintergrund von 2002:
Topsold für Kindersoldaten/Hochbezahlte Gangster-Kids/Kinderarbeit mit NATO-Mpi

Erstaunlich spät hat jetzt die Internationale Arbeitsorganisation erstmals untersucht, wie Slumkinder im Arbeitsmarkt der Verbrechersyndikate integriert sind

Lufthansa-Maschinen mit deutschen Politikern, Konzernmanagern und Touristen steuern niedrig über Rio de Janeiros Slumhütten den nahen Airport an – unten, im Gassenlabyrinth der Favelas, gehört die „Mikrowelle”(Microonda) für den knapp dreizehnjährige Joao mit zum Banditenjob: Das Opfer wird angebunden, Autoreifen werden bis in Kopfhöhe drübergestülpt. Aus einem Kanister reichlich Benzin über den modernen Scheiterhaufen “ und dann Streichholz dran. Joao fühlt sich bereits stolz als Herr über Leben und Tod. Barfuß, nur mit Shorts bekleidet, doch am Gürtel zwei Armee-Handgranaten und eine zweite Pistole, die andere demonstrativ in der Hand, dazu ein Sprechfunkgerät. Joao von Brasiliens mächtigster Verbrecherorganisation „Comando Vermelho”/CV(Rotes Kommando) bewacht ein Drogendepot, hat ein Auge auf die Slumausgänge, vorübergehende Bewohner, erwartet Respekt. Nahten Soldados des rivalisierenden Terceiro Comando/TC(Drittes Kommando) oder gar Militärpolizisten zu einer Razzia, hätte Joao per Walky-Talky rasch einige hundert CV-Leute mobilisiert, fast alles Minderjährige, die mit deutschen oder nordamerikanischen NATO-Mpi ihre Posten beziehen würden. Brasiliens Mindestlohn liegt bei umgerechnet neunzig Euro, doch Joao hat monatlich weit mehr als der Durchschnitt, über fünfhundert, kann damit locker die ganze Großfamilie unterhalten, von der die meisten arbeitslos sind. „Klar bin ich Bandit, na und? Was soll unsereiner denn sonst machen, um ordentlich Kohle zu verdienen?” Lesen und schreiben kann Joao nicht, aber Schießen hat er bereits gut gelernt. „Wenn sich ein Polizist mit mir anlegt, feuere ich zuerst!” Leute durch Kugeln oder Granatenexplosionen sterben sehen, Exekutionen von Gegnern zuschauen, oder der „Microonda”, ist für ihn längst nichts Neues mehr.

Zehntausende Rio-Kids wie er müßten frühmorgens aus den Hangslums zu den öffentlichen Schulen hinuntersteigen “ aber bleiben lieber oben. Schule ist langweilig, bringt nichts, finden auch die Eltern. Anstatt in total überfüllten Klassenzimmern zu hocken, erleben die Kids lieber richtige Abenteuer, Spannung, wie in den importierten Brutalo-Filmen aus der Ersten Welt “ und haben auch noch weit mehr Real in der Tasche als die Eltern.

Merkwürdig spät wollte die Internationale Arbeitsorganisation/IAO in Genf genauer wissen, wie diese Art von Kinderarbeit in der immerhin achtgrößten Wirtschaftsnation, dem laut Kanzler Schröder wichtigsten deutschen Industriestandort Lateinamerikas funktioniert, welche Motive die Minderjährigen antreibt. Auffälligstes Resultat: obwohl es in Millionenstädten wie Rio de Janeiro inzwischen mehr Schulen für Slumkinder gibt, hat das die Attraktivität des organisierten Verbrechens nicht vermindert, ihm keine jugendlichen „Arbeitskräfte” entzogen. Ganz im Gegenteil “ jeden Tag werden mehr angeworben. In zweiundfünfzig Rio-Slums befragten die IAO-Experten junge Gangster und hörten immer dasselbe:”Warum soll ich jahrelang zur Schule gehen, wenn mir das später weder beruflichen noch finanziellen Nutzen bringt?” Denn der Unterricht hat ein extrem niedriges Niveau “ kein Vergleich mit den unerschwinglichen Privatschulen für die Kinder der Mittel-und Oberschicht, die folgerichtig später alle besserbezahlten Jobs besetzen. Brasilien hat rund 170 Millionen Einwohner – die Hälfte der brasilianischen Beschäftigten verdient monatlich nur umgerechnet bis zu 170 Euro, fünfunddreißig Millionen kommen sogar nur auf höchstens vierzig Euro. Kanzler Schröder schritt in Sao Paulo am arbeitsfreien Aschermittwoch mit Unternehmertroß forsch durch leere Fabrikhallen von VW do Brasil, Lateinamerikas größtem Privatunternehmen, gezeichnet von Konflikten mit den Automobilarbeitern, die nur rund ein Fünftel des Lohns ihrer deutschen Kollegen haben. Da ist die Gehaltstabelle der global verzahnten Verbrechersyndikate in den rasch wachsenden Slums aber verlockender: Wer etwa als Acht-bis Neunjähriger dazu eingeteilt ist, als „Olheiro” oder „Soldado” Rauschgiftdepots zu bewachen, Ausschau nach Polizisten, „verdächtigen” Personen zu halten, kann bereits in der Woche umgerechnet bis zu fünfhundert Euro verdienen “ wer als „Endolador” harte Drogen abpackt, kommt sogar auf siebenhundert. Und wer sie als „Vapor” mitverkauft, etwa zur Hauptkundschaft in den Mittel-und Oberschichtsvierteln bringt, hat auf jeden Fall monatlich noch weit mehr in der Tasche, für brasilianische Verhältnisse ein Topgehalt. Weit mehr als Mutter und Vater zusammen zu verdienen, sofern diese irgendwo fest angestellt sind, ist schon einem Zehn-bis Vierzehnjährigen absolut garantiert.

Job-Motiv : viel Geld und „Adrenalina”

Immer ausreichend Geld zu haben, ob für teure Markenklamotten oder neue Tennisschuhe, gilt daher als Hauptmotiv, die Schule sausenzulassen “ gefolgt vom Faktor „Adrenalina”. Normale kindliche Abenteuerlust, sagen selbst katholische Padres, wird von den Banditen schamlos ausgenutzt, „in den Köpfen der Jungen werden diese zu Helden und Vorbildern.” Bereits als Minderjähriger Prestige und Macht zu haben, ist ein weiteres Motiv. Denn außerhalb, in den Cities, in den schicken Strandvierteln Ipanema, Leblon und Barra da Tijuca spüren die Heranwachsenden die „soziale Apartheid” Brasilien, unnütz, ein Nichts, überflüssig zu sein und entsprechend behandelt zu werden. Doch mit der NATO-MPI umgehängt, lässig durch die Favela zu schlendern, Respekt und Unterwerfung zu fühlen “ das wertet auf, stärkt das Selbstbewußtsein. Außerdem sind die meisten Slummädchen richtig scharf auf die Jungbanditen, suchen mit ihnen bevorzugt eine Partnerbeziehung. „Für die Mädchen verkörpert der Gangster Attraktivität, Schönheit, Erstrebenswertes, gar ein Lebensideal.” Zwei Vierzehn-Fünfzehnjährige, Bikini-Oberteil, superkurze Shorts, wachsende Bäuche, erklärten stolz, von zwei Top-Gangstern schwanger zu sein. „Hier oben ist es spannend, geil, richtiges, echtes Abenteuer!”
Selbst laut offiziellen Statistiken der Mitte-Rechts-Regierung des FU-Berlin-Ehrendoktors Fernando Henrique Cardoso besucht über die Hälfte der Fünfzehn-bis Vierundzwanzigjährigen in den rund achthundert Slums von Rio keinerlei Bildungseinrichtung, gab zumeist jegliche Arbeitssuche auf, hängt nur rum. „Eine fabelhafte Arbeitskraft-Reserve fürs organisierte Verbrechen”, wie die Experten konstatierten. Etwa neunzig Prozent der befragten Kindersoldaten rauchen zwar Haschisch, aber nur fünfzehn Prozent nehmen Kokain:”Die Kinder sagen, diese Droge mache unruhig, verhindere klares Denken “ könnte also bei der Arbeit stören.” Daß CV und TC Kinder einstellten, sei ein neues Phänomen, habe es vor 1995 noch nicht gegeben. Komplett falsch, mindestens seit Mitte der achtziger Jahre werden selbst Straßenkinder rekrutiert.

„Kriegerin des Lichts” in deutschen Kinos

Auch Yvonne Bezerra de Mello, Künstlerin, verheiratet mit dem schwerreichen Besitzer der Othon-Hotelkette, weiß es besser, widmet sich schließlich seit Jahrzehnten den Straßen-und Slumkindern Rio de Janeiros, wurde zur Sozialexpertin, schreibt systemkritische Bücher, spricht auf internationalen Konferenzen. Und weiß, was mit Minderjährigen passiert, die bei kriminellen Aktionen nicht mitziehen, schwer drogensüchtig werden, statt Profit Verluste einbringen. „Die werden eliminiert, die Leichen läßt man verschwinden”, sagt sie zum Trend. „In den Slums gibt es Ställe mit Schweinen, die Überreste von Kindern auffressen. Oder auch das: Ein Junge, oft nur dreizehn Jahr oder jünger, muß dem an einen Baum gefesselten Opfer mit einer Rasierklinge solange ins Fleisch schneiden, bis es stirbt, sogar das Herz wird herausgetrennt “ alles zur Einschüchterung der Slumbewohner.” So nahe dran an dieser gerne verdrängten Brasilienrealität, kennt sich Yvonne Bezerra de Mello natürlich auch mit den Heereswaffen der „Soldados do Morro” aus, sagte schon vor Jahren:”Wenn mir hier in Rio ein Schweizer was über Neutralität erzählt, lache ich laut auf. Die hochmodernen schweizerischen Sig-Sauer-Sturmgewehre werden jetzt von den Gangstern am meisten importiert.”

Klischee und Realität

Yvonne Bezerra de Mello kennt auch die anderen Normendiktate von Rios Taleban, die denen der echten nicht nachstehen: Diebstähle werden mit Handabhacken bestraft, Vergewaltigungen durch Kastrieren oder Erschießen. Jedermann muß Drogen, Waffen, Raubgut, bei Razzien selbst Banditen in seiner Kate verstecken, zeitweilige Ausgangssperren ab zweindzwanzig Uhr einhalten. Und vor allem “ zu niemandem ein Wort über interne Slumvorgänge, über die Banditen “ nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Derzeit ist die mutige, eigenwillige Sozialarbeiterin in den deutschen Kinos zu sehen “ die avantgardistische Regisseurin Monika Treut hat im Streifen „Kriegerin des Lichts” wenigstens einen Teil ihres Rio-Alltags nachgezeichnet. Teile der Oberschicht feinden Dona Yvonne an “ Monika Treut ist das natürlich aufgefallen. Über die Verbindungen von Politik, globalisierter Wirtschaft und organisiertem Verbrechen weiß die Filmheldin mehr als genug, reagiert nur zu oft zwangsläufig tiefironisch. „Die wirklich großen Gangster, die eigentlichen Bosse, wohnen nicht in Slums, sondern in den Nobelvierteln Rios, bleiben ungestört, unangetastet.” Und die sind die eigentlichen Arbeitgeber der Kindersoldaten.

Linkspopulisten politisch mitverantwortlich

Direkter Nachbar des größten Othon-Hotels der Copacabana ist Leonel Brizola, schwerreicher Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, mehrfacher Gouverneur des Teilstaates Rio de Janeiro, Parteichef der linkspopulistischen Arbeitspartei PDT. Menschenrechtler werfen ihm vor, das organisierte Verbrechen hochgepäppelt zu haben “ im Tausch gegen politische Unterstützung. Schließlich stellen die leicht manipulierbaren Slumbewohner ein wichtiges Wählerpotential dar, kreuzen auf dem Wahlzettel an, was der Slumboß befiehlt. Derzeit ist in Rio die linkssozialdemokratische Arbeiterpartei PT mit am Ruder “ die auch in der deutschen drittweltbewegten Szene hochgelobte schwarze PT-Politikern Benedita da Silva wurde sogar Gouverneurin. Was in ihrer mehrjährigen Amtszeit unternommen wurde, um die Herrschaft der neofeudalen Banditenmilizen über die Slums zu brechen, aus Kindersoldaten wieder Schulkinder zu machen, zeigt die neue IAO-Studie “ nichts. Unter Benedita da Silva floriert, was die IAO zu den „schlimmsten Formen der Kinderarbeit” zählt. Sogar Vierzehnjährige erreichen inzwischen Chefposten, mit Traumgehältern.

Und selbst große Unternehmen unterwerfen sich den Terror-Regeln, Mitarbeiter nutzen sie makabrerweise manchmal für ihre Zwecke: Letztes Jahr stehlen Frauen in einem Supermarkt der französischen Carrefour-Kette einige Flaschen Sonnenschutzmilch, werden erwischt und Banditen des angrenzenden Slums zur „Bestrafung” übergeben. Die richten die Frauen per „Microonda”hin.
Die Zahlen sprechen für sich: Seit die Militäraktionen in Afghanistan begannen, kamen dort weniger Menschen gewaltsam ums Leben als zur selben Zeit in Brasilien. Im Jahr 2000 wurden in Deutschland laut BKA 1015 Personen ermordet, in Brasilien, mit etwa doppelter Bevölkerungszahl, jedoch über vierzigtausend “ zumeist in den rasch wachsenden Slums.
„Die Slumbewohner sind Geiseln der Banditenmilizen, werden unterdrückt, weil der Staat abwesend ist”, konstatiert erst unlängst Marcelo Itagiba, Chef der Bundespolizei in der Zehn-Millionen-Stadt Rio de Janeiro, deren Bruttosozialprodukt immerhin das von ganz Chile übertrifft.

Brasilien zweitgrößter Kokainmarkt

Daß schon Kinder zu Topverdienern werden, erklären allein schon die immensen Profite aus dem Drogenhandel: Selbst laut Polizeiangaben setzen CV und TC allein in Rio de Janeiro monatlich sechs Tonnen Kokain um; in Sao Paulo, mit über eintausend deutschen Firmen, etwa ebensoviel. Gleich nach den USA ist Brasilien zweitgrößter Kokainverbraucher. Selbst Brasiliens Bischofskonferenz prangert an, daß in den Slums ganze Generationen von Minderjährigen mit völlig verzerrten ethisch-moralischen Werten aufwachsen, „nämlich Gangsterwerten der Gewalt, des Unrechts und der Rache”. Kindersoldaten, andere gravierende Menschenrechtsprobleme “ alles kein Thema, wenn Schröder oder Fischer in Rio, Sao Paulo, Brasilia einfliegen. Prinz Charles hielts beim März-Besuch in zwei Favelas von Rio genauso, ließ sich von Karnevalsmulattinnen umtanzen, der übliche Zirkus wie immer, wenn europäische Politiker kommen. Prinz Charles, wie Schröder von Unternehmern begleitet, hatte schließlich Wichtigeres in Brasilien vor “ britische Militärjets verkaufen.

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 22. Oktober 2009 um 22:36 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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