http://www.hart-brasilientexte.de/2009/11/02/amazonasindianerin-2009-rio-negro-gesichter-brasiliens/
Adario-Hintergrund: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/01/29/weltsozialforum-2009-emporung-uber-mittelkurzung-in-lulas-umweltministerium-um-79-prozent-greenpeace-skandalos/#more-1711
Amazoniens „Agrobanditen” ermorden Menschenrechtler, Umweltschützer, Landlosenführer
Greenpeace, WWF und brasilianische Umweltorganisationen prangern Einknicken der Regierung an – massive Urwaldvernichtung wird toleriert(2005)
Unter der Mitte-Rechts-Regierung von Staatschef Lula geht der Terror gegen Umweltaktivisten und Menschenrechtler, die sich der Amazonasvernichtung widersetzen, ungehindert weiter. Im Februar wurde im Teilstaate Parà , von der dreifachen Größe Deutschlands, der Landarbeiter-Gewerkschaftsführer Soares da Costa Filho ermordet, wenige Tage zuvor die hochengagierte nordamerikanische Missionarin Dorothy Stang. Beide hatten seit langem Morddrohungen von illegalen Holzfirmen und Großfarmern erhalten. Die brasilianische Regierung, das vom Sektenmitglied Marina Silva geleitete „Umweltministerium”, haben jetzt dem Druck der Holzbranche nachgegeben und die zunächst per Dekret gestoppte, größtenteils illegale Rodung von Urwäldern Amazoniens wieder erlaubt. Greenpeace und WWF, aber auch die nationalen Umweltschutzverbände verurteilen dies heftig. Sie sehen Parallelen zum Einknicken der Lula-Regierung bei Gensoja. Dessen Anbau war zunächst zum Schein verboten worden “ de facto ließen die zuständigen Behörden jedoch zu, daß massiv Gensoja gepflanzt und eine Ernte von etwa zwei Millionen Tonnen eingefahren wurde. Auf Druck des Agrobusiness gab Staatschef Lula unter Bruch von Wahlversprechen schließlich den Anbau frei
.–Amazonasvernichtung mit Gewalt und Sklaverei”
Urwald wird auch gerodet, um mehr Soja zu pflanzen und in Industrieländer wie Deutschland exportieren zu können. Laut Greenpeace-Experte Paulo Adario, der wegen Morddrohungen zeitweise unter Polizeischutz stand, eine kugelsichere Weste trug, wird die Vernichtung der Urwälder mit massiver Gewalt und selbst Sklaverei vorangetrieben. Amazonien erlebte die letzten Wochen Proteste völlig neuer Art. Nicht Landlose oder Arbeiter gingen auf die Straße, sondern Holzunternehmer und Großgrundbesitzer. Sie blockierten mit ihren Angestellten die wichtigsten Verkehrswege, die schiffbaren Flüsse, besetzten Gebäude staatlicher Behörden. Die mit der Holz-und Agrarbranche liierten Politiker, darunter konservative Kongreßabgeordnete, Gouverneure und Bürgermeister, machten gleichzeitig in Brasilia Druck auf die Regierung, die zuständigen Ministerien. Man wollte Regierungsdekrete zu Fall bringen, die Wald- und Landbesitzer zwingen sollten, erstmals klipp und klar ihre Besitzrechte nachzuweisen “ ein ganz heißes Eisen in Amazonien. Holzunternehmen wurde solange das Roden von Urwald untersagt.Â
Paulo Adario, Greenpeace-Koordinator in Amazonien: „Doch jetzt gab Brasilia nach, akzeptierte Rodungsprojekte, die zu achtzig Prozent Staatswald betreffen und damit völlig illegal sind. Daß private Unternehmen Bäume in Urwäldern fällen, die der Allgemeinheit gehören, ist ja schließlich verboten. Jetzt dürfen diese Firmen ein ganzes Jahr lang weitermachen, brauchen erst später Besitzurkunden vorzulegen oder Rodungsrechte zu beantragen. Der Druck kam von jenen Wirtschaftssektoren, die seit jeher gewöhnt sind, Amazonien als eine Art Niemandsland zu behandeln, ohne Recht und Gesetz.” Und sind die Wälder erst einmal gerodet, rücken die Großgrundbesitzer nach, pflanzen Soja und Baumwolle für den Export, legen riesige Weideflächen an. ”Seit 2003 ist Brasilien der größte Rindfleischexporteur der Welt “ wie bei Soja auf Kosten der Amazonasurwälder. Die Regierung verhält sich schizophren, bricht ihre Versprechen, die Umwelt zu schützen, hat nun ihre Glaubwürdigkeit verloren, ist demoralisiert. Und die Holzbranche schafft jetzt Fakten. Bei einem Rodungsstopp sagt sie, es fehle Holz, das dem Land viele Devisen einbringe “ wir müssen Sägewerke schließen, Leute entlassen – welch enormer Schaden für das ganze Land! Doch diese Firmen arbeiten kriminell, illegal. Letztes Jahr hatten wir offensichtlich die zweithöchste Abholzungsrate in der Geschichte Brasiliens und 2005 wird vermutlich das gleiche passieren.”
Laut Greenpeace und den anderen Verbänden liegt die Schuld nicht allein beim Umweltministerium, das durchaus einige positive Maßnahmen traf, sondern bei der gesamten Regierungskoalition, zu der konservative und rechte Kräfte gehörten. Und für diese sei nachhaltige Entwicklung, Umweltschutz keineswegs Priorität. Adario betont interessanterweise, daß das brasilianische Umweltministerium ebenso wie in Deutschland zu den schwächsten Ressorts gehöre. Kein Geheimnis, daß Trittins Ministerium nach der Pfeife von Banken und Großindustrie tanzt, die Zerstörung von Landschaft, Natur und Artenvielfalt durch die konservative deutsche Regierung entgegen den üblichen offiziellen PR-Sprüchen gefördert wird. Nicht zufällig liegt Deutschland gemäß einer neuen globalen Umweltstudie nur auf Platz 31, Großbritannien auf dem 66., Spanien auf dem 76. Rang
.–„Deutschland sollte Druck auf Lula machen””
Greenpeace-Koordinator Adario lobt indessen die Rolle Deutschlands als Hauptfinanzier des Pilotprojekts der G-7-Staaten zum Schutz der Amazonas-Regenwälder. ”Die deutsche Regierung beobachtet sehr aufmerksam, was in Amazonien geschieht, überprüft derzeit die Effizienz des Pilotprojekts. Deutsche Gelder trugen entscheidend zum Schutz großer Waldgebiete bei. Die Demarkation der Indianergebiete geschah hauptsächlich durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit(GTZ). Es gibt hier verschiedene extrem positive deutsche Waldschutz-Investitionen. Indessen – als man das Pilotprojekt 1991/92 startete, wurden jährlich zwölftausend Quadratkilometer Urwald vernichtet “ heute sind es 23000 Quadratkilometer, also etwa doppelt so viel. Trotz aller Investitionen auch von deutscher Seite. Deutschland hat als Hauptfinanzier hohes politisches Gewicht in dieser Frage, müßte mehr Druck machen.Â
Es geht nicht nur um Druck auf das brasilianische Umweltministerium, sondern auch auf Lula selbst, damit Schutzauflagen erfüllt werden, die immerhin von dessen Umweltministerium selber erlassen worden sind “ in Richtung nachhaltiger Entwicklung.” Greenpeace Brasilien rate der deutschen Regierung, die Probleme in Amazonien nicht als Rechtfertigung zu benutzen, um weniger zu investieren und aufzugeben, die brasilianische Regierung zu unterstützen. „Im Gegenteil, Deutschland sollte die Investitionen, aber auch den politischen Druck vergrößern, damit die Lula-Regierung ihre Hausaufgaben macht.” Auch der Amazonas-Experte vom WWF, Luis Meneses, verweist auf die unglaublich erscheinende Tatsache, daß Holzunternehmen und Großfarmer hauptsächlich Amazonasregionen okkupierten, die dem Staat gehören. Und dieser dort auch noch die Rodung genehmigt.
”Wir meinen, die Urwälder sollten zum Nutzen aller Brasilianer auch weiterhin in öffentlichem Besitz bleiben – und nicht privaten Holzfirmen gehören, die zerstörerisch und oft illegal vorgehen. Nur 1,7 Prozent des in Amazonien geschlagenen Holzes haben überhaupt ein Umweltzertifikat, stammen also aus nachhaltiger Holzwirtschaft. Extrem besorgniserregend, daß die Vernichtungsraten so stark angestiegen sind.” Laut Meneses gibt es Waldbesitzer, denen eine Fläche so groß wie der mittelamerikanische Staat El Salvador gehört.
–Politische Morde”
Brasiliens Bischof Tomas Balduino, Präsident der Bodenpastoral, in der die nordamerikanische Missionarin Dorothy Stang zugunsten von Landlosenfamilien arbeitete, hatte scharf verurteilt, daß die Lula-Regierung nur wenige Tage vor den neuesten politischen Morden erneut gegenüber den Holzfirmen eingeknickt war. „Dadurch sieht sich die Holzbranche bestärkt “ der Mord an der Missionarin ist ebenfalls eine Form des Drucks auf Brasilia, um weitere Zugeständnisse herauszuholen.” Die allgemeine Straffreiheit stimuliere zu noch mehr kriminellen Aktionen.
Laut Bischofskonferenz werden anders als im Falle der sehr bekannten ausländischen Missionarin zahlreiche politische Morde dieser Art an brasilianischen Menschenrechtlern Amazoniens gar nicht offiziell bekanntgegeben, registriert. Gemäß Bodenpastoral sind allein im Teilstaat Parà mindestens 25 Berufskiller auf freiem Fuß, die bereits solche Taten verübten, allein letztes Jahr elf Menschen umbrachten. Dorothy Stang habe ganz oben auf einer Todesliste mit den Namen von weiteren 41 Personen gestanden. Keineswegs selten würden gleich mehrere Mitglieder der selben Familie liquidiert, verschwänden Prozeßunterlagen.
2001 reiste eine Delegation kirchlicher Menschenrechtler und Umweltexperten Brasiliens durch Deutschland, kritisierte den deutschen Sojaimport, wies auf Sklaverei und Urwaldzerstörung, Landkonflikte, die Milizen der Berufskiller. Und appellierte an bürgerliche Parteien wie Grüne, PDS oder SPD, sich gegen eine noch raschere Urwaldvernichtung zu engagieren, Sensibilität für Brasiliens Umwelt-und Menschenrechtsprobleme zu zeigen. Passiert ist vorhersehbar nichts dergleichen. Die „Agrobandidos”, so ein neuer Begriff des „Nationalforums für Agrarreform und Gerechtigkeit in den Landregionen”, haben weiter freies Schußfeld.
Rasante Urwaldvernichtung auch unter Staatschef Lula(2003)
Über 25000 Quadratkilometer letztes Jahr “ ebensoviel für 2003 erwartet – Greenpeace und andere Umweltverbände stark enttäuscht von neuer Regierung
Letztes Jahr feierte die Mitte-Rechts-Regierung von Staatschef und FU-Berlin-Ehrendoktor Fernando Henrique Cardoso enorme Erfolge beim Schutz Amazoniens. Allein die Zahl der Brandrodungen, hieß es in ganzseitigen Zeitungsanzeigen, habe man um sage und schreibe 86 Prozent gesenkt. Auch europäische Medien übernahmen kritiklos, was sich inzwischen als reine Regierungspropaganda herausstellte – denn genau das Gegenteil war richtig. Doch auch die neue Mitte-Rechts-Regierung von Cardoso-Nachfolger Luis Inacio „Lula” da Silva räumt jetzt ein, daß in ihrem ersten Amtsjahr die Amazonasvernichtung ebenso rasant weitergehen wird. Deutschland ist Hauptfinanzier des EU-Pilotprojekts zum Schutze der brasilianischen Regenwälder - Trittin, Fischer, Schröder loben es bei jeder Gelegenheit. Wie effizient es ist, zeigen die letzen Jahre: 2002 wurde soviel Amazonasurwald zerstört wie seit 1995 nicht mehr “ über 25000 Quadratkilometer “ das entspricht der Fläche Mecklenburg-Vorpommerns. Eine Steigerung um vierzig Prozent gegenüber 2001 “ wie das zuständige staatliche Institut INPE jetzt weiter mitteilte. Der Tropenwald wird illegal gefällt, größtenteils aber durch Brandrodungen in Asche verwandelt. Eine stupide, archaische Methode von Großfarmern, aber auch Kleinbauern, um Acker-und Weideland zu gewinnen. In den bis zu fünfzig Kilometer langen Flammenwänden, verbrennen ungezählte Tiere lebendig “ Brasiliens Liste vom Aussterben bedrohter Arten wird deshalb auffällig rasch immer länger. Soja-Viehfutter-Exporte nach Europa kosten Amazonasurwald  „Die neuen Zahlen machen uns traurig, sind ein Absurdum”, sagt Greenpeace-Tropenwaldexperte Gustavo Vieira im Interview. „Hauptgrund ist, daß die Landwirtschaft, die Viehzucht geradezu invasionsartig nach Amazonien vordringen. Sehr viel Urwald wird vernichtet, um wegen der großen internationalen Nachfrage mehr Soja anzubauen, das als Viehfutter zunehmend auch nach Deutschland exportiert wird. Jedes Jahr neue Soja-Ernterekorde auf Kosten des Amazonasurwalds. Dabei ist der doch viel wertvoller, solange er noch steht “ denn der Boden dieser Region ist ja nur wenig fruchtbar, kann von der Landwirtschaft garnicht hochproduktiv genutzt werden “ eine sinnvolle, nachhaltige Waldbewirtschaftung wäre viel produktiver.” Doch die existiert bisher nur punktuell “ Holz wird nach wie vor illegal ausgeführt, vor allem jenes, das von den neuen Sojaflächen stammt. Geschlagen zu niedrigsten Kosten, von extrem schlecht bezahlten Arbeitskräften, in Schwarzarbeit, ohne Sozialabgaben.
”Leider ist man in Europa immer noch an brasilianischem Edelholz zu Niedrigstpreisen interessiert, illegal gefällt. Die erzielten Gewinne sind exorbitant, bleiben aber eben nicht bei uns, nützen nicht der Amazonasregion. Doch wenigstens dort, wo Greenpeace präsent ist, etwa mit dem Expeditionsschiff `Amazon Guardian `, wird kein Edelholz geschlagen oder abtransportiert. Denn wir filmen, fotografieren, dokumentieren den illegalen Einschlag, erstatten Anzeige.” Greenpeace macht vor, daß auch im riesigen Amazonasgebiet Brasiliens strenge Umweltgesetze durchaus angewendet werden könnten; anders, als von den Regierenden immer behauptet, effiziente Kontrollen möglich wären – trotz unterentwickelter Strukturen, fehlenden Personals. Man könnte durchaus härter, energischer vorgehen, beispielsweise die Streitkräfte einsetzen, fordern auch andere Umweltorganisationen, die echten politischen Willen vermissen. Denn nicht nur die Regenwälder sind unmittelbar bedroht, sondern auch die, die ihn schützen wollen.  ”Die Situation ist sehr komplex, und die Regierung eigentlich noch garnicht in Amazonien präsent. Alle sozialen Probleme Brasiliens sind in dieser riesigen Region hundertfach größer. Auf unsere Aktivisten dort sind Kopfgelder ausgesetzt. Paulo Adario, der die Amazonaskampagne von Greenpeace leitet, hat ständig Bodyguards, trägt eine schußsichere Weste, wegen der vielen Morddrohungen von Holzfirmen. Der brasilianische Staat ist nicht präsent, schützt uns nicht - es gibt keine Polizei, an die wir uns wenden könnten.”
neue Umweltministerin Marina Lima bisher eine Pleite
Derzeit hofft Greenpeace zwar auf die neue Umweltministerin Marina Silva, ist jedoch wie die gesamte brasilianische Umweltbewegung bisher von der neuen Lula-Regierung stark enttäuscht. Zwar wurde versprochen, umgerechnet mehr als sechs Millionen Euro für zusätzliche Überwachungsmaßnahmen in Amazonien bereitzustellen “ doch andererseits räumte Ministerin Marina Silva, die ebenso wie Sozialministerin Benedita da Silva einer Wunderheiler-Sektenkirche angehört, bereits ein, daß auch 2003 soviel Urwald zerstört werde wie im Vorjahr, der Vernichtungsprozeß vorerst so rasant weitergehe. Marina Silva nutzt bisher die gleichen Ausflüchte wie ihre Amtsvorgänger, bittet ebenso wie diese um Geduld angesichts der „Megaprobleme”. ”Die Lula-Regierung hat im Umweltbereich einige interessante Absichten”, so Greenpeace-Experte Gustavo Vieira “ doch gibt es größenwahnsinnige Pläne, in Amazonien gigantische Staudämme wie jenen von Belo Monte zu errichten. Dort würde immens viel Urwald überflutet und damit vernichtet, würden die Waldbewohner geschädigt. Und deshalb sind wir gegen Belo Monte, haben mit der Regierung heftigen Streit. Diese Erfahrung, die wir in Amazonien haben, hat die Regierung nicht.”
–Ein Viertel der gesamten Amazonasvernichtung unter Lula-Amtsvorgänger Cardoso– Staatschef Lulas neoliberaler Amtsvorgänger Fernando Henrique Cardoso ging, wie von Brasiliens Umweltverbänden vorhergesagt, als bisheriger Rekordhalter bei der Amazonasvernichtung in die Geschichte ein. Wie Vieiras Greenpeace-Kollege Paulo Adario jetzt noch einmal betonte, geschah ein Viertel(!) der gesamten bisherigen Amazonas-Entwaldung in den acht Amtsjahren Cardosos, weit mehr als beispielsweise in den Jahrzehnten der Militärdiktatur. Damit wurden auch die Menschenrechtsprobleme Amazoniens gravierender “ da auch Lebensraum von Indianern vernichtete wurde. Bezeichnend, daß Rot-Grün Cardosos Politik immer über den grünen Klee lobte, auf politischen Druck zugunsten Amazoniens verzichtete. Und natürlich hielt auch die FU Berlin “ deren Studentenorganisationen -Â zu ihrem großartigen Ehrendoktor.
Hintergrund 2001: http://www.freitag.de/2001/05/01050801.htm
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