http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/wissenschaft/1081848/
„In den letzten Jahren wurden unter der Lula-Regierung in Amazonien mehr als doppelt so viele Schutzgebiete wie zuvor öffentlich deklariert. Doch dieselbe Regierung gibt keine Mittel frei, um diese Schutzgebiete dann auch tatsächlich Realität werden zu lassen. So werden weder Besitzfragen, Entschädigungsansprüche geklärt noch die Schutzgebietsgrenzen markiert. So werden auch keine Schilder aufgestellt, Zäune gezogen, damit niemand reingeht. Oft ist es daher so: Die Schutzgebiete wurden im fernen Brasilia im Büro nur auf der Karte definiert, doch vor Ort, in Amazonien, weiß, merkt  niemand etwas davon. Das heißt – es steht alles nur auf dem Papier!“ (Muggiati im Website-Exklusivinterview)
Diese PR-Strategie zur “ Schutzgebiets-„Ausweisung, die auch in Europa die gewünschten Image-Wirkungen erzielte, fällt just in die Amtszeit der früheren Umweltministerin Marina Silva: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/14/marina-silva-norwegischer-umweltpreis-dotiert-mit-100000-dollar-nichts-getan-und-doch-geehrt/
Wegen der Brandrodungen („Zerstörerische Flammen der Dummheit“) ist Brasilien heute der weltweit viertgrößte Produzent klimaschädlicher  krebserregender Giftgase.
Seit den 80er Jahren plappern Brasiliens Mittelschicht und Unternehmerschaft ebenso wie die Regierungen grüne PR-Sprüche aus Europa nach, tun so, als seien ihnen Umweltthemen wichtig – handeln indessen bis heute genau entgegengesetzt. Man braucht sich nur die entsprechenden Basisfakten anzusehen.
Greenpeace – Paulo Adario: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/11/03/paulo-adario-manaus-greenpeace-leiter-fur-amazonien-gesichter-brasiliens/
http://www.hart-brasilientexte.de/2008/12/30/mulltrenner-sao-paulo/
Hintergrund von 2005:
Amazoniens „Agrobanditen” ermorden Menschenrechtler, Umweltschützer, Landlosenführer
Greenpeace, WWF und brasilianische Umweltorganisationen prangern Einknicken der Regierung an – massive Urwaldvernichtung wird toleriert
Unter der Mitte-Rechts-Regierung von Staatschef Lula geht der Terror gegen Umweltaktivisten und Menschenrechtler, die sich der Amazonasvernichtung widersetzen, ungehindert weiter. Im Februar wurde im Teilstaate Parà , von der dreifachen Größe Deutschlands, der Landarbeiter-Gewerkschaftsführer Soares da Costa Filho ermordet, wenige Tage zuvor die hochengagierte nordamerikanische Missionarin Dorothy Stang. Beide hatten seit langem Morddrohungen von illegalen Holzfirmen und Großfarmern erhalten. Die brasilianische Regierung, das vom Sektenmitglied Marina Silva geleitete „Umweltministerium”, haben jetzt dem Druck der Holzbranche nachgegeben und die zunächst per Dekret gestoppte, größtenteils illegale Rodung von Urwäldern Amazoniens wieder erlaubt. Greenpeace und WWF, aber auch die nationalen Umweltschutzverbände verurteilen dies heftig. Sie sehen Parallelen zum Einknicken der Lula-Regierung bei Gensoja. Dessen Anbau war zunächst zum Schein verboten worden “ de facto ließen die zuständigen Behörden jedoch zu, daß massiv Gensoja gepflanzt und eine Ernte von etwa zwei Millionen Tonnen eingefahren wurde. Auf Druck des Agrobusiness gab Staatschef Lula unter Bruch von Wahlversprechen schließlich den Anbau frei
.–Amazonasvernichtung mit Gewalt und Sklaverei”
Urwald wird auch gerodet, um mehr Soja zu pflanzen und in Industrieländer wie Deutschland exportieren zu können. Laut Greenpeace-Experte Paulo Adario, der wegen Morddrohungen zeitweise unter Polizeischutz stand, eine kugelsichere Weste trug, wird die Vernichtung der Urwälder mit massiver Gewalt und selbst Sklaverei vorangetrieben. Amazonien erlebte die letzten Wochen Proteste völlig neuer Art. Nicht Landlose oder Arbeiter gingen auf die Straße, sondern Holzunternehmer und Großgrundbesitzer. Sie blockierten mit ihren Angestellten die wichtigsten Verkehrswege, die schiffbaren Flüsse, besetzten Gebäude staatlicher Behörden. Die mit der Holz-und Agrarbranche liierten Politiker, darunter konservative Kongreßabgeordnete, Gouverneure und Bürgermeister, machten gleichzeitig in Brasilia Druck auf die Regierung, die zuständigen Ministerien. Man wollte Regierungsdekrete zu Fall bringen, die Wald- und Landbesitzer zwingen sollten, erstmals klipp und klar ihre Besitzrechte nachzuweisen “ ein ganz heißes Eisen in Amazonien. Holzunternehmen wurde solange das Roden von Urwald untersagt.Â
Paulo Adario, Greenpeace-Koordinator in Amazonien: „Doch jetzt gab Brasilia nach, akzeptierte Rodungsprojekte, die zu achtzig Prozent Staatswald betreffen und damit völlig illegal sind. Daß private Unternehmen Bäume in Urwäldern fällen, die der Allgemeinheit gehören, ist ja schließlich verboten. Jetzt dürfen diese Firmen ein ganzes Jahr lang weitermachen, brauchen erst später Besitzurkunden vorzulegen oder Rodungsrechte zu beantragen. Der Druck kam von jenen Wirtschaftssektoren, die seit jeher gewöhnt sind, Amazonien als eine Art Niemandsland zu behandeln, ohne Recht und Gesetz.” Und sind die Wälder erst einmal gerodet, rücken die Großgrundbesitzer nach, pflanzen Soja und Baumwolle für den Export, legen riesige Weideflächen an. ”Seit 2003 ist Brasilien der größte Rindfleischexporteur der Welt “ wie bei Soja auf Kosten der Amazonasurwälder. Die Regierung verhält sich schizophren, bricht ihre Versprechen, die Umwelt zu schützen, hat nun ihre Glaubwürdigkeit verloren, ist demoralisiert. Und die Holzbranche schafft jetzt Fakten. Bei einem Rodungsstopp sagt sie, es fehle Holz, das dem Land viele Devisen einbringe “ wir müssen Sägewerke schließen, Leute entlassen – welch enormer Schaden für das ganze Land! Doch diese Firmen arbeiten kriminell, illegal. Letztes Jahr hatten wir offensichtlich die zweithöchste Abholzungsrate in der Geschichte Brasiliens und 2005 wird vermutlich das gleiche passieren.”
Laut Greenpeace und den anderen Verbänden liegt die Schuld nicht allein beim Umweltministerium, das durchaus einige positive Maßnahmen traf, sondern bei der gesamten Regierungskoalition, zu der konservative und rechte Kräfte gehörten. Und für diese sei nachhaltige Entwicklung, Umweltschutz keineswegs Priorität. Adario betont interessanterweise, daß das brasilianische Umweltministerium ebenso wie in Deutschland zu den schwächsten Ressorts gehöre. Kein Geheimnis, daß Trittins Ministerium nach der Pfeife von Banken und Großindustrie tanzt, die Zerstörung von Landschaft, Natur und Artenvielfalt durch die konservative deutsche Regierung entgegen den üblichen offiziellen PR-Sprüchen gefördert wird. Nicht zufällig liegt Deutschland gemäß einer neuen globalen Umweltstudie nur auf Platz 31, Großbritannien auf dem 66., Spanien auf dem 76. Rang
.–„Deutschland sollte Druck auf Lula machen””
Greenpeace-Koordinator Adario lobt indessen die Rolle Deutschlands als Hauptfinanzier des Pilotprojekts der G-7-Staaten zum Schutz der Amazonas-Regenwälder. ”Die deutsche Regierung beobachtet sehr aufmerksam, was in Amazonien geschieht, überprüft derzeit die Effizienz des Pilotprojekts. Deutsche Gelder trugen entscheidend zum Schutz großer Waldgebiete bei. Die Demarkation der Indianergebiete geschah hauptsächlich durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit(GTZ). Es gibt hier verschiedene extrem positive deutsche Waldschutz-Investitionen. Indessen – als man das Pilotprojekt 1991/92 startete, wurden jährlich zwölftausend Quadratkilometer Urwald vernichtet “ heute sind es 23000 Quadratkilometer, also etwa doppelt so viel. Trotz aller Investitionen auch von deutscher Seite. Deutschland hat als Hauptfinanzier hohes politisches Gewicht in dieser Frage, müßte mehr Druck machen.Â
Es geht nicht nur um Druck auf das brasilianische Umweltministerium, sondern auch auf Lula selbst, damit Schutzauflagen erfüllt werden, die immerhin von dessen Umweltministerium selber erlassen worden sind “ in Richtung nachhaltiger Entwicklung.” Greenpeace Brasilien rate der deutschen Regierung, die Probleme in Amazonien nicht als Rechtfertigung zu benutzen, um weniger zu investieren und aufzugeben, die brasilianische Regierung zu unterstützen. „Im Gegenteil, Deutschland sollte die Investitionen, aber auch den politischen Druck vergrößern, damit die Lula-Regierung ihre Hausaufgaben macht.” Auch der Amazonas-Experte vom WWF, Luis Meneses, verweist auf die unglaublich erscheinende Tatsache, daß Holzunternehmen und Großfarmer hauptsächlich Amazonasregionen okkupierten, die dem Staat gehören. Und dieser dort auch noch die Rodung genehmigt.
”Wir meinen, die Urwälder sollten zum Nutzen aller Brasilianer auch weiterhin in öffentlichem Besitz bleiben – und nicht privaten Holzfirmen gehören, die zerstörerisch und oft illegal vorgehen. Nur 1,7 Prozent des in Amazonien geschlagenen Holzes haben überhaupt ein Umweltzertifikat, stammen also aus nachhaltiger Holzwirtschaft. Extrem besorgniserregend, daß die Vernichtungsraten so stark angestiegen sind.” Laut Meneses gibt es Waldbesitzer, denen eine Fläche so groß wie der mittelamerikanische Staat El Salvador gehört.
–Politische Morde”
Brasiliens Bischof Tomas Balduino, Präsident der Bodenpastoral, in der die nordamerikanische Missionarin Dorothy Stang zugunsten von Landlosenfamilien arbeitete, hatte scharf verurteilt, daß die Lula-Regierung nur wenige Tage vor den neuesten politischen Morden erneut gegenüber den Holzfirmen eingeknickt war. „Dadurch sieht sich die Holzbranche bestärkt “ der Mord an der Missionarin ist ebenfalls eine Form des Drucks auf Brasilia, um weitere Zugeständnisse herauszuholen.” Die allgemeine Straffreiheit stimuliere zu noch mehr kriminellen Aktionen.
Laut Bischofskonferenz werden anders als im Falle der sehr bekannten ausländischen Missionarin zahlreiche politische Morde dieser Art an brasilianischen Menschenrechtlern Amazoniens gar nicht offiziell bekanntgegeben, registriert. Gemäß Bodenpastoral sind allein im Teilstaat Parà mindestens 25 Berufskiller auf freiem Fuß, die bereits solche Taten verübten, allein letztes Jahr elf Menschen umbrachten. Dorothy Stang habe ganz oben auf einer Todesliste mit den Namen von weiteren 41 Personen gestanden. Keineswegs selten würden gleich mehrere Mitglieder der selben Familie liquidiert, verschwänden Prozeßunterlagen.
2001 reiste eine Delegation kirchlicher Menschenrechtler und Umweltexperten Brasiliens durch Deutschland, kritisierte den deutschen Sojaimport, wies auf Sklaverei und Urwaldzerstörung, Landkonflikte, die Milizen der Berufskiller. Und appellierte an bürgerliche Parteien wie Grüne, PDS oder SPD, sich gegen eine noch raschere Urwaldvernichtung zu engagieren, Sensibilität für Brasiliens Umwelt-und Menschenrechtsprobleme zu zeigen. Passiert ist vorhersehbar nichts dergleichen. Die „Agrobandidos”, so ein neuer Begriff des „Nationalforums für Agrarreform und Gerechtigkeit in den Landregionen”, haben weiter freies Schußfeld.
http://www.freitag.de/2001/05/01050801.htm
Hintergrund von 2002:
FU-Berlin-Ehrendoktor Cardoso  „Rekordhalter bei der Amazonasvernichtung“ Erneut schlimmere Waldbrände als in Asien Über neunzig Prozent illegal von Farmern gelegt, Mitte-Rechts-Regierung untätig – Trittin schweigt wie immer |
|
||
In Johannesburg lobte Brasiliens Staatschef Fernando Henrique Cardoso die eigene Umweltpolitik über den grünen Klee, fiel durch exzellente PR auf, erntete viel Lob – verschwieg indessen ein „brennendes“ Thema, wurde während der Gipfel-Farce natürlich auch von deutschen Delegierten nicht darauf angesprochen: Zuhause, vor allem in Amazonien stand zur selben Zeit Regenwald an zehntausenden Stellen lichterloh in Flammen. Schutzgebiete mit vom Aussterben bedrohen Tier-und Pflanzenarten sind auch dieses Jahr wieder stark betroffen. In Deutschlands Kommerzmedien steht gewöhnlich, die verheerenden Urwaldfeuer seien eine direkte Folge monatelanger extremer Trockenheit. Unsinn – die Umweltkatastrophe war auch dieses Jahr durchweg hausgemacht. Denn die Trockenperiode zwischen Juni und September ist völlig normal, kommt jedes Jahr. Und wird seit Jahrhunderten vor allem von Großfarmern und Viehzüchtern genutzt, um durch größtenteils völlig illegale Brandrodungen neues Acker-und Weideland zu gewinnen. Im Jahre 1500 wurde das heutige Brasilien entdeckt – damals fackelte man zuerst die ausgedehnten Atlantikwälder ab, von denen heute gerade noch ganze drei Prozent stehen. Dann war das Hinterland dran – und schließlich Amazonien. Agrarwissenschaftler des Tropenlandes von der 24-fachen Größe Deutschlands argumentieren seit Jahrzehnten immer eindringlicher, daß die archaische Methode der Brandrodungen, der Queimadas, nicht nur Natur, sondern auch die Bodenfruchtbarkeit zerstört. Die Humusschicht ist sehr dünn, wird zudem durch die heftigen Tropen-Regenfälle rasch abgetragen. „Bereits der erste Guß nach dem Feuer nimmt einen Großteil der Nährstoffe mit“, betont Paulo Torres Fenner, Queimada-Fachmann aus Sao Paulo. Nach etwa drei Jahren geben die neuen Flächen gewöhnlich nichts mehr her, sodaß erneut Amazonaswald abgefackelt wird. Das Feuer tötet die nützlichen Mikroorganismen des Bodens ab, ein Großteil der Nährstoffe verwandelt sich schlichtweg in Rauch, geht in die Atmosphäre. Wo es gebrannt hat, wird die Erde fester, weniger porös, kann nicht mehr soviel Regenwasser aufnehmen und speichern. Und außerdem: In jeder Brandrodungsperiode verbrennen unzählige Tiere qualvoll lebendig, wird der Lebensraum von Arten weiter eingeschränkt, werden sogar genetische Schäden verursacht, wie brasilianische und nordamerikanische Wissenschaftler feststellten. Das Überleben auf nunmehr von Steppe oder Grasland umgebenen Waldinseln fördert zudem auch die Inzucht. Ergebnis: Bei verschiedenen Affenarten Amazoniens haben die Föten unnatürlich große Köpfe, was bei der Geburt den Tod der Mutter bewirkt. Junge kommen mit völlig deformiertem Gebiß zur Welt, können weder Milch saugen noch später Nüsse aufknacken, sterben also an Unterernährung. Auf Waldinseln begrenzte Affenpopulationen sterben gewöhnlich nach einer gewissen Frist aus. Primatenforscher nennen den Amazonasteilstaat Parà die herausragende Problemregion – dort wird im sogenannten Carajas-Projekt Gußeisen auch für den Export mittels Holzkohle produziert, was zum Abholzen gewaltiger Urwaldflächen führte. Parà -Gouverneur Almir Gabriel, Intimus von Staatschef Fernando Henrique Cardoso, befahl im April 1996 in Eldorado do Carajas den Polizeieinsatz gegen Landlose, bei dem laut offiziellen Angaben neunzehn, laut kirchlichen aber über dreißig Menschen getötet wurden. Klimaveränderungen, Epidemien, krebserzeugender QualmWegen der Brandrodungen ändert sich auch das Klima, treten Krankheiten wie Malaria wieder epidemienartig auf. Denn krankheitsübertragende Insekten, die sich zuvor vom Blut bestimmter Waldtiere ernährten, greifen nach deren Verschwinden notgedrungen den Menschen an, verbreiten sich erstmals stark am Rande von Großstädten und neuen Siedlungen. In mehreren Teilstaaten kam es zu Tollwutepidemien, weil der Überträger, eine Fledermausart, aus demselben Grunde wie Insekten erstmals massiert Menschen attackiert. Aus all diesen Gründen nennen die Experten das alljährliche, mutwillige Feuerlegen stupide und verantwortungslos, Brasilien als immerhin zwölftgrößte Wirtschaftsnation habe die Mittel, um eine adäquate, nachhaltige Nutzung des Bodens durchzusetzen, den sehr niedrigen Bildungsstand auch der Kleinbauern und Neusiedler zu heben. Doch Staatschef Fernando Henrique Cardoso, selbst Großgrundbesitzer, und seiner Mitte-Rechts-Regierung fehlt dafür jeglicher politische Wille, wie die alljährlichen Urwaldfeuer seit dem Amtsantritt von 1995 zeigen. Bereits jetzt steht nicht nur laut Greenpeace fest, daß Cardoso, immerhin Ehrendoktor der Freien Universität Berlin, als Rekordhalter bei der Amazonasvernichtung in die Geschichte eingehen wird. Nicht einmal unter der Herrschaft der Diktaturgeneräle wurde soviel Regenwald vernichtet – selbst gemäß den geschönten offiziellen Angaben jährlich etwa 20000 Quadratkilometer. Cardoso stellte bereits Krisenpläne zur Waldbrandbekämpfung vor, versprach der internationalen Gemeinschaft energische Schritte gegen die illegalen Brandrodungen. Alles leeres Geschwätz, wie auch die jetzige Trockenperiode zeigt. Mindestens neunzig Prozent der verheerenden Feuer werden von Farmern gelegt. Satelliten registrieren täglich einen Großteil der Brände – man kann die Zahlen im Internet anklicken. Im Juli waren es über elftausend Feuer, im August bereits mehr als dreimal so viel. Kurioserweise sind es jene auch von Malaysia, Singapur und Indonesien bekannten riesigen Rauchwände, die korrekte Satellitenfotos der Brände und damit exakte Zahlenangaben verhindern. Regelmäßig stark betroffen ist der Teilstaat Mato Grosso do Sul, dessen Hauptstadt Campo Grande Tag und Nacht bei Temperaturen bis zu 44 Grad Celsius in dichten, krebserzeugenden Qualm gehüllt ist. Ungezählte Kleinkinder, aber auch alte Leute müssen mit Rauchvergiftungen in Hospitäler gebracht werden, auf vielen Amazonas-Airports können während der Brandperiode Flugzeuge weder starten noch landen. Mehrfach gab der WWF-Direktor für Brasilien, Garo Batmanian, bereits der Cardoso-Regierung die Hauptschuld an der Umweltkatastrophe. Alljährlich aufs Neue versprochene Gelder würden stets garnicht freigegeben. Batmanians Kollege von Greenpeace Brasilien, Roberto Kishinami, nennt die offiziellen Abholzungszahlen „in Teilen unglaubwürdig, dazu unvollständig und unkorrekt“. So würden nur die sogenannten „Clear-Cut-Regionen“ erfaßt, in denen kein Baum mehr steht – nicht aber selektive Abholzungen und Brandrodungen. Der Amazonien fotografierende Satellit bemerke zudem nicht, wenn nur noch einige größere Bäume stehen, darunter aber alles kahlgeschlagen oder abgebrannt sei. Allein 1998 gingen infolge der Queimadas im Teilstaate Mato Grosso(Großer Wald), wo das bekannte Feuchtgebiet Pantanal liegt, immerhin über 33000 Rinder ein – wegen plötzlichen Wasser-und Grasmangels, mehr als 3700 verbrannten sogar lebendig. Bislang merkwürdigerweise noch kein Thema auch für die internationalen Tierschutzorganisationen. Fachleute ermittelten die „Kosten“ eines verheerenden Amazonas-Großfeuers in dem von Yanomami-Indios bewohnten Teilstaate Roraima: Allein dort verbrannte vor wenigen Jahren in der Trockenperiode auf einer Fläche von 14000 Quadratkilometern Edelholz im Marktwert von etwa einhundert Millionen Dollar. Weidefläche wurde so gründlich zerstört, daß ein Schaden von etwa sechzig Millionen Dollar entstand. Die Bilder von Davi Yanomami, politischer Führer des Stammes, Träger des UNO-Umweltpreises „Global 500″, beim Kampf gegen die Flammen gingen um die ganze Welt. „Zerstörerische Flammen der Dummheit“Queimadas werden nicht erst seit heute von Umweltschützern und Agrarexperten als „irrational und stupide“ gebrandmarkt. Das taten sogar Vorkämpfer der Unabhängigkeit Brasiliens wie Josè Bonifacio, Freund Alexander von Humboldts, seit 1780. Das Entstehen von regelrechten Steppen und Wüsten – siehe Parà und der Nordosten – wurde ebenso vorhergesagt wie extrem negative Klimaveränderungen, besonders fehlender Regen. Bonifacio sprach von „zerstörerischen Flammen der Dummheit“ – sie wüten bis heute. Ausgesprochen überlebenswichtige Ratschläge von Padre Cicero, des verehrten Wunderheilers und nordöstlichen Regionalpropheten, wurden ebenfalls konsequent in den Wind geschlagen. Der längst verstorbene messianische Volksprediger aus Juazeiro do Norte hatte bereits in den Zwanzigern permanent gefordert, Wald und Buschwerk weder zu fällen noch abzubrennen, systematisch aufzuforsten, Rinder und Ziegen nicht frei in der Landschaft weiden zu lassen. Andernfalls werde sich die Region zum Schaden aller in eine Wüste verwandeln. Der Padre hatte recht – doch die Mentalidade predatoria, Zerstörungsmentalität herrscht weiter ungebrochen – mit den bekannten sozialen Folgen.Trittin, Fischer & Co. schweigen – Wirtschaftsinteressen haben VorrangIn der vernetzten Welt von heute hätten die grünen Minister Jürgen Trittin und Joseph Fischer reichlich Grund für Kritik an der brasilianischen Mitte-Rechts-Regierung, da die tolerierten alljährlichen Großbrände immerhin das Pilotprojekt der G-7-Staaten zum Schutze der brasilianischen Regenwälder ad absurdum führen. Schließlich zerfällt da zu Asche, was angeblich geschützt werden soll. Über 250 Millionen Dollar öffentlicher Mittel flossen bereits nach Brasilia, Deutschland ist der Hauptgeldgeber, rühmt sich dessen immer wieder. Als ob es dem Berliner Ehrendoktor an Mitteln fehlte. Pro Jahr verpulvert seine Mitte-Rechts-Regierung allein für Propaganda und Personenkult umgerechnet etwa eine Milliarde Mark, wovon auch deutsche Medienkonsumenten etwas haben: Selbst im hinterletzten kostenlosen Wochenblättchen Thüringens erscheinen ganzseitige, letztlich vom brasilianischen Steuerzahler finanzierte Anzeigen, die Brasilien sogar als „Bioland“ preisen. Der unbedarfte Leser, zum Investieren auf brasilianischem Wachstumsmarkt eingeladen, ahnt nicht, daß dahinter Cardosos Propagandakompanie steht – jeder Hinweis darauf fehlt. Zitat:“Brasilien verfügt heute über einen sehr fortschrittlichen Umweltschutz…Deutschland engagiert sich beim Umweltschutz in Brasilien mehr als jedes andere Land durch zahlreiche Projekte der technischen Kooperation – etwa für den Schutz der tropischen Regenwälder.“ An solchem Lob dürfte es kaum liegen, daß selbst grüne Menschenrechtler jegliche Kritik an Cardoso bewußt unterlassen. Dabei hatte immerhin ein internationales Tribunal, dem zahlreiche Geistliche, aber auch UNO-Vertreter sowie Portugals Schriftsteller Josè Saramago angehörten, bereits 1996 den FU-Ehrendoktor, dessen Regierung sowie die Gouverneure der Amazonas-Teilstaaten Parà und Rondonia als Hauptverantwortliche der bis heute ungesühnten Landlosenmassaker von 1995 und 1996 bezeichnet. Berliner FU-PfeifenNatürlich lassen auch die Freie Universität Berlin und ihr Studentenverband auf den hehren Ehrendoktor, gegen dessen Menschenrechtspolitik andere Unis von Europa protestieren, absolut nichts kommen. Auf Trend-Anfrage hieß es, man habe auf die Anschuldigungen gegen Cardoso nicht reagiert. Was von Cardosos Umweltpolitik zu halten ist, erläuterte Maria Cecilia Wey de Brito, Expertin der größten, angesehensten nationalen Naturschutzstiftung „SOS Mata Atlantica“ in Sao Paulo: „Nach wie vor domininiert die Vorstellung, daß Land nur dann etwas wert ist, wenn auf ihm kein Wald mehr steht. Und Feuer gilt nach wie vor als die billigste Art , den Wald zu beseitigen – trotz eventueller Strafen und Bußgelder. Daß solche Brände in allen brasilianischen Ökosystemen gelegt werden, ist für die Umwelt der Horror. Und nicht mal in den Nationalparks, Naturschutzgebieten gibt es eine moderne, technisierte Brandbekämpfung – obwohl darüber seit vielen Jahren diskutiert wird.“ Also nach wie vor Feuerklatschen und Spaten – statt Feuerlösch-LKW oder gar Löschflugzeuge. „Was in Brasilien fehlt, ist die Anwendung der Gesetze, nicht nur gegen Brandrodungen. Denn nicht einmal im relativ hochentwickelten Teilstaat Sao Paulo werden die Gesetze befolgt, greift also die Polizei ein, faßt und bestraft die Täter.“„Perverse Strukturen“Bei Umweltdelikten werden in Brasilien meist nur Bußgelder verhängt – doch nicht einmal fünf Prozent davon auch wirklich gezahlt. Gravierend für die renommierte Expertin Wey de Brito – der fehlende politische Willen:“Wenn die Regierung wirklich energischer, härter vorgehen wollte, könnte sie das durchaus – trotz unterentwickelter Strukturen, fehlenden Personals. Sie könnte beispielsweise die Streitkräfte einsetzen. Doch Brasiliens Strukturen aller Ebenen sind direkt pervers, ändern sich kaum. Beim CO2-Ausstoß stellt sich Brasilien stets sehr positiv dar, die offiziellen Daten sind sehr gut. Doch die Wirkung der jetzigen Brände wird viel zu wenig berücksichtigt. Denn dann müßte man die Zahlen nach oben korrigieren.“ Brasiliens Umweltbewegung betont, daß seit dem Rio-Gipfel von 1992, in den acht Amtsjahren Cardosos sehr wenig, fast nichts geschah. „Zwar wurden Gesetze besser, wird mehr geforscht – doch in vielen Bereichen wird deutlich, daß es überhaupt keine Fortschritte gab, ganz im Gegenteil. Der Umweltschutz, alle entsprechenden Institutionen, Behörden sind noch schwach. Es bleibt bei der Politik, so zu tun, als ob die Umweltproblematik den Alltag, das Leben der Brasilianer nicht tangiert, nur Thema für ein ganz spezielles Publikum ist.“„reaktionäre“ Umweltpolitik der Arbeiterpartei- „Heidelberger Sinfoniker“ durch Hubschrauberlärm gestreßtAuch in Deutschland hatten drittweltbewegte Sozialromantiker erwartet, daß unter der neuen, als progressiv gerühmten Präfektin Marta Suplicy von der Arbeiterpartei PT in Sao Paulo der Umweltschutz, wie versprochen, endlich rasch vorankommen würde. Schließlich wirken sich in der drittgrößten Stadt der Welt die Luftvergiftung durch den Straßenverkehr, Flugzeuge und Hubschrauber, außerdem der damit verbundene, stark stressende Lärm ganz direkt auf die Gesundheit der Bewohner aus, bewirken beispielsweise neben niedrigerer Lebenserwartung weit höhere Infarkt-, Krebs-und Bronchitisraten als etwa in Europa, vor allem bei der armen bis verelendeten Mehrheit – Berlin ist, verglichen mit Sao Paulo, eher ein verträumtes, friedhofsstilles Kurstädtchen. Daß die PT-Präfektur indessen alles beim alten läßt, seit zwei Jahren sogar weitere einschneidende Verschlechterungen provoziert, etwa den Reichen mitten in der Stadt einen kommerziellen Hubschrauber-Airport genehmigt, aber Radwege – bislang nicht vorhanden – verhindert, ist auch für die Umweltexpertin schlichtweg „reaktionär“. Wie sich PT-Umweltpolitik auswirkt, bekamen Anfang September ausgerechnet die „Heidelberger Sinfoniker“ beim Open-Air- Konzert im Ibirapuera-Stadtpark zu spüren: Wegen starken Lärms mehrerer Hubschrauber war der Dirigent gezwungen, eine Haydn-Sinfonie zu unterbrechen – ein Helikopter kreiste gar im Tiefflug über Bühne und Zuhörer. Neunzig Prozent des Konzerts, auch Stücke von Beethoven und Verdi, waren ungenießbar. Auf Anfrage lehnte die PT-Präfektur, die den Auftritt immerhin kräftig zur Eigenwerbung nutzte, erwartungsgemäß jegliche Verantwortung ab. Sponsor Siemens hatte sinnigerweise über den Köpfen der Musiker auf einem riesigen Spruchband betont: „Wir alle, Menschen, Pflanzen und Tiere, haben das Recht auf eine Umwelt in ökologischem Gleichgewicht“. |
Der Spiegel zur Umweltsituation in Amazonien: “Der grüne Sieg” http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18700469.html
Ja, der internationale Druck hat Wirkung gezeigt: Tatsächlich hat Brasilien in den letzten
fünf Jahren eine dramatische Öko-Wende hingelegt.
Der unterentwickelte Gigant hatte 1996 sämtliche Entwaldungs- und Erschließungsanreize in der grünen Schatztruhe, die ein Drittel der Welttropenwälder umfasst, abgeschafft – und das in einem Land, in dem es immer noch neun Millionen Hungernde gibt. Riesengebiete wurden zu Reservaten erklärt. Weiterhin müssen auf jeder zugeteilten Neufläche 80 Prozent des Waldes stehen bleiben.
Eine parlamentarische Initiative, die Quote auf 50 Prozent zu senken, löste einen Empörungssturm im Land aus, die Initiative war nach wenigen Tagen wieder vom Tisch. Der grüne Bewusstseinssieg ist total.
“Der Kontinent der Träumer”: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18759120.html
”…Marina Silva, die Senatorin, ist hier schon gesehen worden: Marina, die Jeanne d”Arc des Waldes.
Wo immer man ihren Namen nennt im Amazonas-Becken, klaren die Gesichter auf. Sie ist die imponierendste Politikerin Brasiliens, und ihre Lebensgeschichte liest sich wie die Legende einer Heiligen, einer Mystikerin aus dem Mittelalter.
« Gewalt-und Sicherheitskultur in Brasilien: Teure Überwachungstechnologie, dennoch Haus ausgeraubt in Sao Paulo. Video anklicken. Reisewarnungen aus Deutschland und der Schweiz. – Stromausfall mit gigantischer internationaler Medienbegleitung vorbei – jetzt wieder der normale Stromausfall-Alltag, ohne Medienzirkus: „Falta de luz volta a atingir bairros do Rio.“ Regierung läßt Ursache des Blackouts im Dunkeln, erklärt den Fall für beendet. »
Noch keine Kommentare
Die Kommentarfunktion ist zur Zeit leider deaktiviert.