http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html
Freude über erfolgreiches Durchschalten von Agitprop: „Rio é mostrado de forma positiva no exterior.“(O Globo)
Rio-Bewohner diskutieren weiter über problemlosen Rückzug der Banditenkommandos: „Paradeiro de traficantes intriga a populacao.“
Wie es hieß, hätten Rio-Bewohner ganze Kleinbusse voller bewaffneter Banditen beobachtet, in Gruppen bis zu 100 Männern – bei der Ankunft in verschiedensten Slums der Zuckerhutstadt. Alle Beobachtungen zusammengenommen, seien es über 1000 Banditen gewesen.
Auch in Slums mit sogenannten „Einheiten der Befriedungspolizei“(UPP – Unidade de Policia Pacificadora) geht der Drogenhandel durch Banditen weiter, berichten Landesmedien.
Richtervereinigung zu Militäreinsatz: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/01/rio-de-janeiro-richtervereinigung-fur-demokratieajd-verurteilt-militar-und-polizeieinsatz-in-slums-staat-verletzt-verfassung-summarische-exekutionen-ausrottung-unerwunschter-bevolkerung/
Köpfen, vierteilen, lebendíg verbrennen
Luxus und Elend von Rio
Reinaldo Guarany, Stadtguerrilhero im Ruhestand, weiß, wie man mit Maschinenpistolen umgeht. 1970, wãhrend der Militärdiktatur, richtet er eine in Rio auf die Bewachertruppe des deutschen Botschafters Ehrenfried von Holleben. Setzt sie mit einigen Feuerstõßen außerGefecht, reißt den verdatterten Dlplomaten aus seiner Luxuskarosse, packt ihn mit Hilfe eines Companheiro in eine nach Chloroform duftende Holzkiste. Die Entführung gelingt, von Holleben kommt frei, nachdem 40 Gegner der Foítergeneräle aus den Verließen geholt und nach Algerien ausgeflogen worden sind. Deutsche, belgische oder nordamerikanische Maschinenpistolen, die Guarany seinerzeit vom chilenischen Exil aus für die Guerrilla in Argentinien, Uruguay und Brasiiien importierte, faßt der inzwischen úber 50-jährige heute nicht mehr an,sieht sie indessen alleTage, nurSchritte von seinem Hãuschen entfernt, auf sich gerichtet. Wir fahren eine enge steile Straße des malerisch wirkenden Bergstadtteils Santa Teresa hinunter – an der ersten Biegung blinkt bereits eine verchromte MPi. In fünfzehn langen Minuten, bis ein verkeilter LKW endlich weiterkommt, brauchte der nur mit Shorts bekleidete 12-jährige nur einmal durchzuziehen, und alle im Auto wären hinüber. Guarany wird nicht ein bißchen mulmig: ,,Noch vor zwei Jahren habe ich hier viele Jungs Murmeln spielen sehen, die mir heute mit MPis begegnen – sie wurden Soldados des organisierten Verbrechens, prahlen damit herum, rühmen die Banditenchefs ais ihre Helden!”Die Zeiten haben sich geändert – seit 1985 ist Brasilien wieder eine Demokratie, und Entführungen von Geldleuten, nicht mehr Diplomaten und Politikern, wurden in Rio so hãufig, daß sich kaum noch jemand darüber aufregt und die Medien längst nicht mehr alle Fälle registrieren. Der illegale Besitz von eingeschmuggelten Mpi stieg enorm. ,,Wáren wir damals nur fünfzehn Minuten bewaffnet in Santa Teresa auf der Straße geblieben”, so Guarany bitter-humorig, ,,hätten die sicher sogar ein Kriegsschiff hierher in die Berge geschickt.”Einen Steinwurf von Guaranys Häuschen entfernt,beginnt das pompöse Anwesen einer der reichsten Familien Brasiliens, die ein Bataillon von Hausbediensteten beschäftigt. Schaut deralsRomanschreiber.Fachbuchautor, Ghostwriter, Úbersetzer, Rechtsexperte, Betriebswirt und auch noch erfolgreicher Bildermaler vielbeschàftigte Ex-Guerrilheiro dagegen von seinem Balkon die Santa-Teresa-Berge hinunter, sieht er nur Slums, Favelas, die wie sämtliche rund 800 Rios in Feudalmanier grausam wie im Mittelalter von Herren úber Leben und Tod regiert werden. Manche lassen sich sogar die Füße küssen, haben mit Dutzenden von Geliebten Dutzende von Kindern, erhalten Heldenbegräbnisse. Banditenchefs mit Namen wie Rambo oder Robocop und Minireichen wie Ratolândia(Rattenland) oder Buraco Quente (Heißes Loch) dinieren in den besten Restaurants, kaufen in den teuersten Boutiquen der Mittel- und Oberschichtsviertel Ipanema, Leblon oder Barra, benutzen nicht selten sogar Computer, Laptop und Internet, haben indessen keine Hemmungen, Mißliebige, vom Normendiktat abweichende Slumbewohner zu kastrieren, zu köpfen, zu vierteilen, aufzuspießen oder sogar lebendig zu verbrennen.lm Slum Vidigal, der direkt an das Sheraton-Hotel grenzt, ließ Banditenboß Giovani zwei 14-jährige Màdchen von seinen meist minderjährigen Soldados aus ihren Baracken holen und auf die wichtigste Favela-Straße, die Avenida Presidente João Goulart bringen. Dort wurden ihnen vor allen Leuten die Füße durchschossen. Sie hatten gewagt, einem anderen, mit Giovani verwandten Mädchen eine Ohrfeige zu verpassen, weil es mit dem neuen Freund einer der beiden ausgegangen war. Ein Bewohner kommentíerte: “Die beiden baten, bei der Liebe Gottes, nicht zu schießen, aber das half nichts. Hier ist es so. Wer sich nicht an die Regeln hält, hat die Strafe sicher.” Zu den Regeln gehört das “Lei do Silencio”, Gesetz des Schweigens: Zu niemandem ein Wort über Favela-Vorgänge!Zuvor verdächtigt Gringo, ein anderer Neofeudalist von Vidigal – den Bewohner Boca Mole, für die Polizei zu spionieren. Zeugen sehen, wie dem Mann mit einer Zange die Zunge herausgerissen und mit einem Messer die Ohren abgeschnitten werden. Zunge und Ohren werden auf öffentlichem Platz fúr jedermann sichtbar an einem Pfahl angenagelt.
Nebenan in Ipanema, stimuliert derartiges keinen aus derreichlich vertretenen intellektuellen Elite mit den Sorbonne-und Harvard-Diplomen zu tieferem Nachdenken, Reflektieren oder gar zu einer Aktion. Staatschef FernandoHenrique Cardoso, Soziologe, und seine Frau Ruth, Anthropologin, úbergehen das Thema schließlich auch mit Schweigen. Die Boys und Girls from Ipanema, viele davon Uni-Studenten, mucksen sich gleich gar nicht. Sie haben Wichtigeres, Hehreres im Auge – für das Recht auf freien Marihuana-Konsum am vielbesungenen, weltbekannten Strand wurde mit allen politischen Mitteln, darunter Demos, Pfeifkonzerte, Flugblattaktionen und sogar Rund-Tisch-Gesprãche mit Politikern und Intellektuellen heftig gekämpft, die Presse war voll davon. Daß Marihuana (und die anderen ebenso rege verbrauchten Modedrogen wie Kokain und Crack) nur von moralisch-ethisch einwandfreien Lichtgestalten wie Giovani, Gringo und dessen Anhang zu haben ist, die freundschaftliche Beziehungen zu den immer unentbehrlicheren, sozial zusehends aufgewerteten Dienstleistern vom nahen Hügel als Kehrseite, Nebenprodukt das Terrorregime in den Slums haben, fällt dabei glatt unter den Tisch. Charles Fábio Vidal, 18, wollte in der an einem Steilhang úber Ipanema gelegenen Favela ‘Morro do Cantagalo’ kein Soldado an den von Studenten, Alternativen und Jungunternehmern frequentierten Drogendepots sein – zur Strafe durchschossen ihm die Banditen seines Slums die Hände mit einem Revolver. Wer die Rekrutierung ablehnt, kann sogar getòtet werden. In einem Slum der Nordzone wurden nicht weniger ais 21 Jugendlichen nach Folterungen die Hánde mit Schüssen perforiert Alba Zaluar, Brasiliens führende Gewaltexpertin, eine Art einsame Ruferin in der Wüste, sieht in den rasch wachsenden Slums eíneneue tyrannische Kultur feudalistisch-machistiscner Werte inzwischen fest installiert. Von den Autoritäten werde dies hingenommen.Ex-Guerrilheiro Guarany geht noch einen Schritt weiter – spricht von einer “Komplizenschaft des Staates” mit den Drogengangstern dês organísierten Verbrechens. Diese sind übrigens verrúckt nach importierten Brutalo-Filmen, holen sich aus ihnen womõglich Anregungen: Ein Geistlicher sieht, wie in einem Slum Rios mit einem abgehackten Kopf Fußball gespielt wird. Eine Rechtsanwältin kennt einen Zeugen, der ihr berichtete, wie inmitten von Freiluft-Discos Jugendliche lebendig verbrannt wurden. Derartiges tat auch der 1995 von Rivalen erschossene Gangsterboß Nem Maluco: Ais die Eltern einer Jugendlichen nicht einverstanden waren, daß er ihre Tochter zur Geliebten machte, befahl er Kumpanen, ein großes Loch zu schaufeln. Die Eltern wurden gezwungen, sích hineinzulegen.Nem Maluco úberschüttete sie mit Spiritus, ließ sie ver-brennen. Der Geruch verkohlten Fleisches zog úber dieFavela – doch jedermann blieb aus Angst passiv in seinerHútte. Ein Mädchen wollte sich nicht hingeben – derGangsterboß einer anderen Favela schlitzte sie daraufhinvon unten bis oben mit einem Messer auf. Leichen sollenoft zwecks Abschreckung ím Gassenlabyrinth liegenbleiben- jedermann jeden Alters muß mit ansehen, wieGeier und freilaufende Schweine diesen die Gedàrme meterlang herauszerren, die Toten schlíeßlích ganz oder teílweíse auffressen.Die Liste von nahezu unvorstellbaren Untaten läßt sich beliebig verlângern. Jurandir Freire Costa, Therapeut und Direktor des Instituts für Sozialmedizin an der Universitát von Rio, hat eine Erklärung fúr das Desinteresse der Bessergestellten Rios, Sao Paulos, Salvadors oder Fortalezas am Los der Slumbewohner: Die Mittel- und Oberschicht spricht diesen den Gleichheitsgrundsatz ab, definiert sie quasi ais Nicht-Menschen, reagiert daher mit extremer Indifferenz und Akzeptanz auf jede Art von Gewalt gegen diesen Bevölkerungsteil. Daß Slumbewohner kaum ein Minimum an Menschenrechten genießen, ist somit irrelevant.
Hintergrundtext
Rios Feudalstrukturen:
Gangsterbosse begehrt bei Mädchen und Frauen
Im Slum Acari von Rio de Janeiro war Jorge Luiz dos Santos sechs Jahre lang Herr über Leben und Tod,duldete keinen Widerspruch. Jetzt liegt er aufgebahrt am Sitz der Bewohnerassoziation – über zehntausend “Favelados” ziehen mit tieftrauriger Miene, oder sogar heftig schluchzend, am Sarg vorbei.Úber ein Dutzend Banditen, darunter sein Nachfolger Viriato, halten Ehrenwache. Eine große Gruppe meist dunkelhäutiger Frauen weicht ebenfalls nicht von der Seite des 32-jährigen Toten, einige werden ohnmächtig. Auf dem Friedhof ‘Garten der Sehnsucht’ bietet sich tags darauf beim aufwendigen Begräbnis fúr den als ,,Held, Idol, Vater, Robín Hood, Wohltäter und Meister” verehrten Santos ein ähnliches Bild; weiße Tauben und Ballons steigen auf, über den Sarg werfen sich wieder viele tieferschütterte Frauen: In Acari hatte der Gangsterboß einen regelrechten Harém mit 29 Geliebten, die sämtlich voneinander wußten, ihre Situation problemlos akzeptierten. Kúrzlich gab Santos für alle seine Kinder ein Fest – es vyaren 32. Maria Lacerda, 18, beschreibt den Mann ihresLebens ais ,,schõnsten, charmantesten und sympathischten Der Welt”, von anderen kommt àhnlich begeistertes Lob. Für ganz Acari war der Banditenchef auch der grõßte Eroberer, Frauenheld – in den über 800 Favelas von Rio drängen sich bereits Minderjährige, viele Erst zwölf, geradezu danach,Geliebte oder gar ‘FirstLady’, PRIMEIRA DAMA, eines Verbrecherkónigs zu werden. Denn dies bedeutet Status, Schutz und das Ende materieller Sorgen.Silvana dos Santos, 23, ist die einzige ‘offizielle’Witwe des Toten, mit dem sie zwei Söhne hat:,, Ich verstand Jorge. Er konnte sich nie außerhalb des SIums vergnúgen, war hier wie gefangen. Deshalb hatte er auch andere Frauen. Aber mir ließ er es an nichts fehlen – auch künftig werde ich keine Probleme haben.”Elizabeth, 20, war drei Jahre “Primeira Dama” von Orlando Jogador, Herrscher über den Slumhügel ‘Morro do Alemao` (Berg des Deutschen). Ais ihn Rivalen erschossen, mußte sie aus Rio fliehen. Ihre Version zur Banditen-Attraktivität: ,,Der Typ geht bewaffnet, hat irrsinnig viel Geld, demonstriert seine Macht. Über den regnet es Frauen!”Doch nicht nur die Chefs des organisierten Verbrechens sind begehrt, sondem auch die ’soldados’: 14-, 15-, 16-jàhrige, im Gassenlabyrinth der Hangslums nur mit knappen Shorts bekleidet, das Goldkettchen am Hals, in der Hand die nordamerikanische AR-15-MPi oder sogar die hochmoderne Sig-Sauer des SchweizerischenBundesheeres, 700 Schuß pro Minute. Bei Freiluft-Discos im Slum tanzen sie mit der Waffe, geben Salven in den Himmel ab – das wirkt. Aka, 18, ist Vater von zwei Kindern, hat zwei Geliebte:,,Die Frauen mögen Abenteuer – und wir sind Abenteurer!” Doch nicht immer ist Verfúhrung im Spiel, nur brutale Macht. Renata, 16, bekam vom lokalen Banditenchef knapp mitgeteilt, daí3 sie ab sofort die Primeira Dama sei. ,,Was sollte ich denn machen? Etwa nein sagen?” Schließlich moçhte sie ihn – als er erschossen wurde, bekam. Renata einen anderen zugeteilt. Nicht selten jedoch attackieren rivalisierende Verbrechersyndikate nicht nur die Bosse, sondem auch deren Geliebte: Vergangenes Jahr wurden zwei Zwölfjàhrige aus Rios Slum ‘Rocinha’ tot aufgefunden – mit deutlichen Spuren von Folter und Vergewaltigung.Die Fälle geben einen Hinweis auf die inhumanen, perversen,machistischen Strukturen in den brasilianischenSlums. Laut Alba Zaluar, fuhrende Gewaltexpertin des Landes, Anthropologin, werden die ins organisierte Verbrechen verwickelten Frauen zu Opfern ,,einer modernen Tragõdie”; die sie ebenso wie ihre Kinder nur zu oft das Leben kostet.
Brasilianische Verbrecherorganisationen in Europa: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/10/brasilianische-verbrecherorganisationen-pcc-und-cv-erhohen-auslandsprasenz-portugal-als-einfallstor-fur-europa-betont-us-state-department-in-washington/
« Rio+20, Rio de Janeiro: Rund 50 NGO-Menschenrechtsaktivisten fordern Liste der bei Militäreinsatz Erschossenen und unabhängige Ermittlungen, berichten von Polizeiübergriffen, offenem Machtmißbrauch. Nach wie vor keine Einzelheiten über den von Banditen erschossenen Armee-Major Daniel Guimaraes, 36. „Irak ist hier“. Richtervereinigung für Demokratie. – Rio de Janeiro – weiter Feuergefechte nach Slum – „Eroberungen“. Rio-Hits zur Lage…Biennale-Fotos. T-Shirt „Rio, we love you!“ ThyssenKrupp und Rios prima Klima. »
Noch keine Kommentare
Die Kommentarfunktion ist zur Zeit leider deaktiviert.