Menschenrechtsminister Paulo Vannuchi, Lula und Valdir Silveira, Leiter der bischöflichen Gefangenenseelsorge Brasiliens, bei Festakt in Brasilias Präsidentenpalast am 13. 12. 2010. Padre Silveira bekräftigte danach exklusiv gegenüber dieser Website die scharfe Kritik der Gefangenenpastoral an der Fortexistenz der Folter unter dieser Regierung. „Wir wissen nur zu gut, daß das Gefängnis der bevorzugte Folterort ist. Die Gefangenenseelsorge will viel mehr als nur Anerkennung durch solcherlei Preise. Wir erwarten von den staatlichen Autoritäten, daß sie alles tun, um die Haftanstalten zu leeren, die Rechte der Gefangenen zu garantieren – und vor allem in nicht-gewaltätige Formen der gesellschaftlichen Konfliktlösung investieren. Wichtigste Aufgabe ist die Schaffung eines Mechanismus zum Kampf gegen Folter – damit die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen in Brasilien verwirklicht wird. Wir bitten die Regierung und alle anderen staatlichen Stellen, über einen solchen Mechanismus definitiv die Folter aus unserer Kultur zu verbannen. Wir hoffen, daß der Moment kommt, in dem niemand mehr Aufmerksamkeit erregt, weil er dieses Attentat gegen die Menschlichkeit bekämpft, das uns seit über 500 Jahren heimsucht.“
In den offiziellen Verlautbarungen zur Preisverleihung im Präsidentenpalast, darunter in Lulas Rede, werden die Gefangenenseelsorge und ihr Kampf gegen Folter nicht erwähnt – die großen brasilianischen Medien, darunter die Qualitätszeitungen, haben darüber ebenfalls nicht berichtet.
Ausriß, Radio Vatikan. “Die Stimme des Papstes und der Weltkirche”. “Brasilien: Kirchliche Menschenrechtler enttäuscht über Merkel”. Österreichischer Priester Günther Zgubic, Plinio Sampaio…
Auch 2010 hat die Lula-Regierung in der Auslandspropaganda große Erfolge erzielt.
In meinungsbildenden deutschen Analysen wird die brasilianische Regierung ausdrücklich als “progressiv” eingestuft.
Leonardo Boff :“Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“
http://www.radiovaticana.org/ted/articolo.asp?c=443110
“Präsident Lula ist ein Meister der politischen Manipulierung.” Merval Pereira, 2010, Mitglied der brasilianischen Philosophen-Akademie, Kommentator
http://www.youtube.com/watch?v=XkvjkxERac4
Amnesty Journal 2009:
“KOPF UNTER WASSER
Gravierende Menschenrechtsverletzungen offiziell abzustreiten oder zu vertuschen, kommt heutzutage bei der internationalen Gemeinschaft schlecht an. Das weiß auch die brasilianische Regierung und geht deshalb seit langem einen anderen Weg: Mit erstaunlicher, entwaffnender Offenheit wird in- wie ausländischen Kritikern bestätigt, dass sie völlig im Recht seien. Man sehe die Dinge ganz genau so und habe bereits wirksame Schritte, etwa zur Abschaffung der Folter, eingeleitet. Doch auf die Worte folgen meist keine Taten.
Menschenrechtsaktivisten wie der österreichische Pfarrer Günther Zgubic, der die bischöfliche Gefangenenseelsorge in Brasilien leitet, vermissen seit Jahren deutliche Worte von deutscher Seite. Schließlich ist Lateinamerikas größte Demokratie ein wichtiger strategischer Partner von Deutschland, und die Regierung in Berlin spricht gerne von den “gemeinsamen Werten”, die beide Staaten verbinden würden. Mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, hat jetzt zum ersten Mal endlich ein hochrangiger deutscher Politiker in der Hauptstadt Brasilia die Probleme offen angesprochen.
Zgubic erinnert immer wieder an die wohlklingenden Versprechungen, die Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei seinem Amtsantritt 2003 verkündet hat: “Er hat öffentlich erklärt, dass er Folter und andere grausame, unmenschliche Praktiken nicht mehr duldet.” Leere Worte aus Brasilia, denn nach Informationen von Zgubic existiert die Folter in allen Varianten, um Geständnisse zu erzwingen: “Es werden Elektroschocks eingesetzt, man presst den Kopf unter Wasser. Auf allen Polizeiwachen Brasiliens werden Häftlinge gefoltert”, meint Zgubic.
Nun sieht er sich überraschend durch Nooke bestätigt. “Stehen Menschenrechtsprobleme wie die unsägliche Folterpraxis beim Staatspräsidenten ganz oben auf der Prioritätenliste? Wieso wird nicht stärker kritisiert, dass die Regierung alle internationalen Verpflichtungen eingeht, ohne sie dann auch konsequent umzusetzen? Wir merken, dass sich Brasilien beim Thema Menschenrechte von Europa entfernt”, erklärte Nooke kürzlich. Brasilien dürfe im Menschenrechtsbereich nicht abdriften.
Doch vielleicht ist dies längst passiert. Paulo Vannuchi, Leiter des Staatssekretariats für Menschenrechte in Brasilia, hatte in der Zeitung “Folha de São Paulo” betont, dass das brasilianische Strafgesetz die Todesstrafe zwar nicht vorsehe, dennoch aber täglich außergerichtliche Exekutionen stattfinden würden. Gemeinsame Werte? Pedro Ferreira, Anwalt bei der bischöflichen Gefangenenseelsorge, findet es bedrohlich, dass selbst nach offiziellen Angaben derzeit über 126.000 Häftlinge trotz verbüßter Strafe illegal weiter festgehalten werden.
Ehemalige Gegner der Diktatur (1964 bis 1985) weisen zudem auf die fatalen Folgen der nicht bewältigten Gewaltherrschaft hin. Nicht einmal die Öffnung der Geheimarchive aus der Zeit der Diktatur sei unter Lula veranlasst worden, kritisiert Bundesstaatsanwalt Marlon Weichert aus São Paulo. Die Straflosigkeit inspiriert seiner Meinung nach jene Staatsfunktionäre, die heute im Polizeiapparat und im Gefängnissystem “Folter und Ausrottung” betrieben. Mit leeren Worte kann man an diesen Zuständen wohl kaum etwas ändern.
Von Klaus Hart.
Der Autor ist Journalist und lebt in São Paulo.
« Nur 29575 (Paß-) Deutsche leben in Brasilien – doch 89000 Brasilianer laut Schätzungen des brasilianischen Außenministeriums in Deutschland, rund 57500 in der Schweiz, melden Landesmedien. Wikileaks. – Diabetes – drittwichtigste Todesursache in Brasilien, gefolgt von Mord. Zunehmende Verfettung durch minderwertige Lebensmittel und Bewegungsarmut bewirkt mehr Diabetes. »
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