Nachdem Ex-Staatschef Lula wegen der Palocci-Krise nunmehr wie vorhergesagt sogar ganz offen wieder ins Regierungsgeschäft eingestiegen ist, weisen die brasilianischen Politik-Analysten immer intensiver auf die bereits im Wahlkampf von 2010 prognostizierte mangelnde Regierungsfähigkeit von Präsidentin Dilma Rousseff. Lulas Eingreifen zum Kontrollieren der Krise sei zwar offensichtlich notwendig gewesen, sei indessen ungünstig für Rousseff, weil sie deren Schwierigkeiten mit politischer Führung aufgezeigt habe, heißt es in den Qualitätsmedien. Durch Lulas Eingreifen stehe Dilma Rousseff nunmehr als fragile Präsidentin, ohne Fähigkeit zu politischer Artikulation da.
Daß Dilma Rousseff wenig äußere, liege an ihrer Unfähigkeit, sich in der Öffentlichkeit auszudrücken – zudem habe sie schlichtweg wenig zu sagen.
Der wegen seiner Bereicherungsaffäre geschwächte Minister Palocci werde inzwischen zunehmend von der Lula-Partei(PT) sowie den anderen Regierungsparteien attackiert. PT-Senatorin Gleisi Hoffmann, Frau des Kommunikationsministers Paulo Bernardo, habe Lula die Entlassung Paloccis vorgeschlagen.Die Senatorin erinnerte Lula an dessen Mensalao-Skandal um Abgeordneten-und Parteienkauf. Bei diesem Skandal seien schwere Fehler im Namen eines „kollektiven Projekts“ begangen worden – bei der sensationellen Bereicherung Paloccis handele es sich indessen um ein rein „persönliches Projekt“.In der PT sind unterdessen wegen des Palocci-Skandals heftige innerparteiliche Kämpfe ausgebrochen. Als stark belastendes Argument wird in der brasilianischen Öffentlichkeit empfunden, daß Palocci 2010 von Dilma Rousseff zum Chef ihrer Präsidentschaftswahlkampagne gemacht wurde, jedoch seine private Beratungsfirma trotz des (ethischen)Interessenkonflikts weiterführte und just in diesem Jahr, besonders nach dem Rousseff-Wahlsieg die auffällig größte Vermögensvergrößerung verzeichnete.
Nach welchen Kriterien Rousseff u.U. Amtsträger aussucht, ist noch wegen der Erenicegate-Affäre um die Nachfolgerin im Chefministeramt bestens bekannt – Lula hatte die von Rousseff bestimmte Erenice Guerra schon bald wegen Skandalen entlassen müssen.
Die Palocci-Krise hatte dazu geführt, daß gegen den Willen der Rousseff-Regierung das heftig umstrittene Waldgesetz durch eine große Mehrheit von Abgeordneten der PT und der anderen Regierungsparteien(zum Regierungsbündnis gehören allen Ernstes zehn Parteien!) angenommen wurde. Dieser politische Fakt wurde von den politischen Kommentatoren als „Beweis der Schwäche“ von Dilma Rousseff bewertet. Kongreßparteien nutzen inzwischen die Palocci-Krise ganz offen als Trumpf, um der Rousseff-Regierung weitere Zugeständnisse abzutrotzen. So mußte die Präsidentin u.a. eine geplante Schul-Aufklärungskampagne über Schwule, Lesben und Transvestiten zurückziehen. Falls Rousseff nicht bei anderen Forderungen nachgebe, werde Palocci vor den Kongreß zitiert und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß zu seinem Fall gebildet, hieß es.
Während Präsidentin Rousseff in Brasilien wegen ihrer vorhergesagten Regierungsleistungen, darunter der gravierenden Menschenrechtslage, der Verfolgung und Ermordung von Umwelt-und Menschenrechtsaktivisten, stark kritisiert wird, erhält sie vorhersehbar aus Mitteleuropa zumeist Bestnoten, teils überschwengliches Lob.
Brasiliens Landesmedien berichten über die sensationelle Zunahme des Vermögens von Palocci und Lula ebenso regelmäßig wie über die Abnahme des Realeinkommens der Bevölkerung infolge der Preiswelle. Laut neuesten Studien ist das Durchschnittseinkommen der brasilianischen Arbeiter in den ersten vier Monaten von 2011 wegen der Inflation gesunken. Gemäß amtlichen brasilianischen Kriterien gilt im Tropenland nicht mehr als arm, wer umgerechnet monatlich etwa 65 Euro verdient. Mit umgerechnet rund 500 Euro Familieneinkommen(!) zählt man schon zur Mittelschicht.
Obdachlose lebendig verbrannt während Bundespräsidentenbesuch: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/05/25/obdachlose-in-sao-paulo-protestieren-gegen-lebendiges-verbrennen-von-strasenbewohnern-und-andere-gewalttaten-in-brasilien-viele-greueltaten-garnicht-amtlich-registriert-obdachlosenvertreibung-bea/
« Zivilistentötung in Afghanistan und Libyen – Brasiliens Medien stellen das Problem erstmals auf gleiche Stufe, zitieren Regierungen beider Staaten. Krieg gegen Libyen kostet Frankreich täglich 1,2 Millionen Euro, laut Handelsblatt. – Brasilien: Lula wieder im Regierungsgeschäft, Nachfolgerin Dilma Rousseff schwach, gemäß den brasilianischen Voraussagen von 2010. Politische Karikaturen zur Lage. »
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