Laut Landesmedien wurde bisher nicht ein einziger der wegen Korruptionsanzeigen entlassenen Minister und anderen Regierungsfunktionäre durch Ermittlungen staatlicher Organe ertappt. Alle bisherigen fünf gefeuerten Minister, hieß es, wurden wegen Medien-Enthüllungen entfernt. Indessen sei der Staatspräsidentin das Marketing-Wunder gelungen, als Kommandant einer ethischen Säuberung zu erscheinen. Diese Version war auch erfolgreich in europäische Medien durchgeschaltet worden.
In den Analysen der brasilianischen Qualitätszeitungen werden nunmehr Fragen gestellt: Wieso haben die zahlreichen staatlichen Kontrollorgane nichts von den Verfehlungen höchster Amtsträger bemerkt – wurden erst durch das Lesen von Landeszeitungen auf die Fälle aufmerksam? Wenn jene Kontrollorgane von nichts wußten – wofür dient dann dieser sehr teure Kontrollapparat überhaupt? Und sollten die Kontrollorgane doch von allem gewußt haben – wieso kamen diese Informationen nicht zur Präsidentin Rousseff? Und sollten die Informationen doch zur Präsidentin gelangt sein – wieso konnten die Beschuldigten überhaupt für solche hohen Ämter nominiert werden und entsprechend illegal agieren? Eine Hypothese laute daher Inkompetenz. Eine zweite, Toleranz gegenüber schlechtem Gebrauch von öffentlichen Mitteln. “Oder noch schlechter – beides.”
Leonardo Boff 2010 :“Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“
Lula – YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=WZ6BRIWDqTg
Ausriß.
Geradezu über den grünen Klee gelobt wurden in Europa das Administrationstalent, die Administrationskompetenz von Dilma Rousseff, die Fähigkeit zur Auswahl bestgeeigneter Fachleute für höchste Posten, die indessen aus der Lula-Zeit sehr gut bekannt war, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Erenicegate. Rousseffs Regierungskabinett wurde trotz der bekannten Anschuldigungen gegen zahlreiche Minister als “kompetent”, die Regierungsarbeit als positiv eingestuft. Nur ausnahmsweise gibt es kritische Stimmen.
http://de.nachrichten.yahoo.com/brasilien-versinkt-im-sumpf-der-korruption-145908306.html
http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html
Erinnert wird daran, daß Lula seinen ersten größeren Skandal erst am Ende des zweiten Amtsjahrs erlebte, danach habe es ein bis zwei Korruptionsskandale pro Jahr gegeben. Derzeit, unter Dilma Rousseff, ereigneten sich die Skandale im Durchschnitt etwa alle 50 Tage.
Im europäischen Mainstream wird die Situation indessen so dargestellt, als ob ausgerechnet von Dilma Rousseff die Initiative gegen die Korruption ausgeht.
Brasiliens Qualitätsmedien, darunter das führende Nachrichtenmagazin “Veja” und auch die FIFA reagieren angesichts der Korruptionskrise in der Rousseff-Regierung entsprechend – vor allem die gut fundierten Enthüllungen von “Veja” lassen die bis nach Europa durchgeschaltete Auslands-und Arbeiterpartei-Propaganda nur zu oft sehr lächerlich erscheinen. Vor allem das Nachrichtenmagazin “Veja” war es, das mit investigativem Journalismus alter Schule Präsidentin Rousseff angesichts öffentlichen Drucks keine andere Wahl mehr ließ, als zuvor stark gestützte Minister zu entlassen.
Nicht zufällig hat die Staatschefin wegen ihres Regierungsstils viel Lob aus Mitteleuropa erhalten.
Die Ministerwechsel:
http://g1.globo.com/politica/noticia/2011/08/mudancas-no-ministerio-de-dilma.html
Brasiliens andere Medienlandschaft:
Während Brasiliens Qualitätsmedien kontinuierlich über den Bruch der internationalen Anti-Folter-Konvention in Lateinamerikas größter Demokratie berichten, sind derartige Faktenberichte im europäischen Mainstream unerwünscht, werden teilweise gezielt verhindert.
Wie es hieß, agieren sie in mindestens 11 Teilstaaten: Sao Paulo, Rio de Janeiro, Minas Gerais, Espirito Santo, Alagoas, Ceará, Mato Grosso do Sul, Pará, Piauí, Bahia.
http://www.brasiliennachrichten.de/index.php?option=com_content&task=view&id=87&Itemid=17
Der Spielfilm “Tropa de Elite 2? zeigt anschaulich, wieviel politische Macht diese Milizen in der größten Demokratie Lateinamerikas besitzen.
Paramilitärische Milizen und Scheiterhaufen: Die Scheiterhaufenpraxis in Kölns neuer Partnerstadt – die Scheiterhaufenszene aus “Tropa de Elite 2?.
In der Amtszeit Lulas fiel die Ausbreitung der Milizen besonders ins Auge – entsprechend viel Lob für die Regierungspolitik kam aus Mitteleuropa.
Brasilianische Zeitung und Fotos von Gewaltopfern:
http://plantaodepolicia.blogspot.com/
http://de.nachrichten.yahoo.com/brasilien-versinkt-im-sumpf-der-korruption-145908306.html
“Der Rücktritt Silvas zeigt, dass erhebliche Teile der Regierung Rousseff korrupt sind. Sie regiert seit Anfang Januar und hat mit Silva den sechsten Minister ihres Kabinetts verloren.”
Im europäischen Mainstream wird die Situation indessen so dargestellt, als ob ausgerechnet von Dilma Rousseff die Initiative gegen die Korruption ausgeht.
Rousseff mit ihrem Lieblingsminister Antonio Palocci, Chef des Zivilkabinetts – er mußte wegen der Medienenthüllungen als erster entlassen werden.
Laut einer Studie der Headhunter-Consultingfirma Heldrick & Struggles geraten Brasiliens Studenten wegen der schlechten Schulausbildung ins Hintertreffen:”Eine schwache Grundschulbildung führt zu einer armseligen Mittelschulbildung und zu einer nur leidlichen Hochschulbildung.”
Die Ministerwechsel:
http://g1.globo.com/politica/noticia/2011/08/mudancas-no-ministerio-de-dilma.html
Brasiliens andere Medienlandschaft:
Während Brasiliens Qualitätsmedien kontinuierlich über den Bruch der internationalen Anti-Folter-Konvention in Lateinamerikas größter Demokratie berichten, sind derartige Faktenberichte im europäischen Mainstream unerwünscht, werden teilweise gezielt verhindert.
“Fantastischer Realismus”:
http://archiv.woxx.lu/0700-0799/710-719/719/719p5.pdf
Amnesty Journal 2009:
“KOPF UNTER WASSER
Gravierende Menschenrechtsverletzungen offiziell abzustreiten oder zu vertuschen, kommt heutzutage bei der internationalen Gemeinschaft schlecht an. Das weiß auch die brasilianische Regierung und geht deshalb seit langem einen anderen Weg: Mit erstaunlicher, entwaffnender Offenheit wird in- wie ausländischen Kritikern bestätigt, dass sie völlig im Recht seien. Man sehe die Dinge ganz genau so und habe bereits wirksame Schritte, etwa zur Abschaffung der Folter, eingeleitet. Doch auf die Worte folgen meist keine Taten.
Menschenrechtsaktivisten wie der österreichische Pfarrer Günther Zgubic, der die bischöfliche Gefangenenseelsorge in Brasilien leitet, vermissen seit Jahren deutliche Worte von deutscher Seite. Schließlich ist Lateinamerikas größte Demokratie ein wichtiger strategischer Partner von Deutschland, und die Regierung in Berlin spricht gerne von den “gemeinsamen Werten”, die beide Staaten verbinden würden. Mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, hat jetzt zum ersten Mal endlich ein hochrangiger deutscher Politiker in der Hauptstadt Brasilia die Probleme offen angesprochen.
Zgubic erinnert immer wieder an die wohlklingenden Versprechungen, die Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei seinem Amtsantritt 2003 verkündet hat: “Er hat öffentlich erklärt, dass er Folter und andere grausame, unmenschliche Praktiken nicht mehr duldet.” Leere Worte aus Brasilia, denn nach Informationen von Zgubic existiert die Folter in allen Varianten, um Geständnisse zu erzwingen: “Es werden Elektroschocks eingesetzt, man presst den Kopf unter Wasser. Auf allen Polizeiwachen Brasiliens werden Häftlinge gefoltert”, meint Zgubic.
Nun sieht er sich überraschend durch Nooke bestätigt. “Stehen Menschenrechtsprobleme wie die unsägliche Folterpraxis beim Staatspräsidenten ganz oben auf der Prioritätenliste? Wieso wird nicht stärker kritisiert, dass die Regierung alle internationalen Verpflichtungen eingeht, ohne sie dann auch konsequent umzusetzen? Wir merken, dass sich Brasilien beim Thema Menschenrechte von Europa entfernt”, erklärte Nooke kürzlich. Brasilien dürfe im Menschenrechtsbereich nicht abdriften.
Doch vielleicht ist dies längst passiert. Paulo Vannuchi, Leiter des Staatssekretariats für Menschenrechte in Brasilia, hatte in der Zeitung “Folha de São Paulo” betont, dass das brasilianische Strafgesetz die Todesstrafe zwar nicht vorsehe, dennoch aber täglich außergerichtliche Exekutionen stattfinden würden. Gemeinsame Werte? Pedro Ferreira, Anwalt bei der bischöflichen Gefangenenseelsorge, findet es bedrohlich, dass selbst nach offiziellen Angaben derzeit über 126.000 Häftlinge trotz verbüßter Strafe illegal weiter festgehalten werden.
Ehemalige Gegner der Diktatur (1964 bis 1985) weisen zudem auf die fatalen Folgen der nicht bewältigten Gewaltherrschaft hin. Nicht einmal die Öffnung der Geheimarchive aus der Zeit der Diktatur sei unter Lula veranlasst worden, kritisiert Bundesstaatsanwalt Marlon Weichert aus São Paulo. Die Straflosigkeit inspiriert seiner Meinung nach jene Staatsfunktionäre, die heute im Polizeiapparat und im Gefängnissystem “Folter und Ausrottung” betrieben. Mit leeren Worte kann man an diesen Zuständen wohl kaum etwas ändern.
Von Klaus Hart.
Der Autor ist Journalist und lebt in São Paulo.
Amnesty International 2010:
Im gesamten Land gab es anhaltende Berichte über den exzessiven Einsatz von Gewalt, außergerichtliche Hinrichtungen und Folterungen durch Polizeikräfte. Bewohner von Favelas (Elendsvierteln) oder armen Gemeinden, die häufig von bewaffneten Banden kontrolliert wurden, waren Opfer von militärisch durchgeführten Razzien der Polizei. Die Polizisten an vorderster Front waren ebenfalls großer Gefahr ausgesetzt, und viele kamen im Dienst ums Leben.
Einige Bundesstaaten führten eigenständige Projekte zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit ein, die unterschiedliche Erfolge verzeichneten. Die Befriedungseinheiten der Polizei (Unidades de Policiamento Pacificadores) in Rio de Janeiro und der Lebenspakt (Pacto Pela Vida) in Pernambuco nahmen jeweils für sich in Anspruch, die Kriminalitätsrate reduziert und mehr Sicherheit in sozialen Randgebieten geschaffen zu haben. Diese Initiativen wurden von einigen Bereichen der Gesellschaft als mögliche Alternative zu vorherigen repressiven und missbräuchlichen Polizeipraktiken begrüßt, auch wenn sich einige Bewohner von Gebieten, in denen diese Projekte durchgeführt wurden, über Diskriminierung beklagten. Außerhalb der Reichweite der Projekte begingen Polizeikräfte auch weiterhin umfassende Verstöße.
Die Behörden fuhren fort, von der Polizei begangene Tötungen unter Tod nach “Widerstand gegen die Staatsgewalt” zu erfassen, obwohl sie damit den Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen sowie dem dritten nationalen Programm zur Förderung der Menschenrechte zuwiderhandelten. Hunderte von Tötungen wurden nicht angemessen untersucht, und nur in Ausnahmefällen kam es zu strafrechtlichen Maßnahmen. Nach einer Untersuchung des ans Ministerium für Öffentliche Sicherheit von Rio de Janeiro angegliederten Instituts für öffentliche Sicherheit wurden zwischen Januar 1998 und September 2009 im Bundesstaat Rio de Janeiro 10216 Personen bei Vorfällen getötet, die als Tod nach “Widerstand gegen die Staatsgewalt” registriert wurden. In Rio de Janeiro wurden 2009 insgesamt 1048 Menschen, die vermeintlichen “Widerstand gegen die Staatsgewalt” geleistet hatten, getötet. In São Paulo lag diese Zahl bei 543 Personen, was im Vergleich zu 2008 eine Zunahme von 36% darstellte, während Tötungen durch die Militärpolizei um 41% zugenommen hatten.
In São Paulo ließ die Regierung des Bundesstaats weitere massive Einsätze mit erhöhter Sicherheitskräftepräsenz in Favelas durchführen. Dabei wurden die Viertel für einen Zeitraum von 90 Tagen mit militärischem Vorgehen besetzt, bevor die Polizei wieder abrückte. Bewohner der Gemeinde Paraisópolis in São Paulo berichteten über Folterungen, exzessiven Einsatz von Gewalt, Einschüchterungsversuche, willkürliche und missbräuchliche Durchsuchungen, Erpressung und Diebstahl durch Polizeibeamte bei einem dieser Einsätze im Februar.
Im Oktober kamen in Rio de Janeiro drei Polizeibeamte ums Leben, als ein Polizeihubschrauber bei einer Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Drogenbanden abgeschossen wurde. Bandenmitglieder begannen, Busse anzuzünden und Anwohner aus ihren Häusern zu vertreiben, um die Polizei von ihrem Angriff auf eine rivalisierende Bande abzulenken. Dabei kam es zum Abschuss des Hubschraubers. Die Polizei führte eine Reihe von Einsätzen durch, die von einem ranghöheren Beamten als “Vergeltung” bezeichnet und bei denen mehr als 40 Personen getötet wurden. Darunter befanden sich eine 24-jährige Frau, die mit ihrem elf Monate alten Baby im Arm von einer verirrten Kugel getroffen wurde, sowie ein 15-jähriger Junge, der Berichten zufolge von der Polizei erschossen wurde, als er den Müll nach draußen brachte.
Bewohner der Favelas Acari und Maré in Rio berichteten, dass Schulkinder auf dem Heimweg von der Schule regelmäßig durch gewalttätige Polizeieinsätze gefährdet wurden, so dass Schulen schließen mussten. Des Weiteren gab es Meldungen über Folter, Einschüchterungsversuche, illegale und willkürliche Durchsuchungen, Erpressung und Diebstahl. Die Polizei soll in Maré zudem ein gepanzertes Fahrzeug, einen sogenannten caveirão (Riesenschädel), an Drogenhändler vermietet haben, die in Gebietsstreitigkeiten verwickelt waren.
Die Verbreitung von Milizen – bewaffnete paramilitärische Gruppen, die größtenteils aus Polizei- und Ordnungskräften außer Dienst bestehen – war so hoch, dass sie einer wissenschaftlichen Studie zufolge mehr Favelas von Rio de Janeiro unter ihrer Kontrolle hatten als die Drogenbanden. Die Milizen, die ihre Macht in den Vierteln zur Erzielung politischer und ökonomischer Vorteile missbrauchten, gefährdeten das Leben Tausender Bewohner und auch die Institutionen des Staats. Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte und ein Abgeordneter des Bundesstaats wurden von den Milizen wiederholt mit dem Tod bedroht. Die staatlichen Behörden führten eine Reihe von Einsätzen gegen die Milizen durch, wobei es zu einigen Festnahmen kam. Der Vorsitzende des für die Untersuchung der Milizenaktivitäten zuständigen parlamentarischen Ausschusses kritisierte jedoch weiterhin das Versagen sowohl der städtischen Behörden als auch der Bundesbehörden bei der Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses zur Bekämpfung der weiteren Zunahme der Milizen.
Nach wie vor waren Häftlinge grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen ausgesetzt. Folter wurde als gängige Verhörmethode zur Bestrafung, Kontrolle, Erniedrigung und Erpressung eingesetzt. Auch die Überbelegung der Haftanstalten blieb ein ernsthaftes Problem. Die Kontrolle der Hafteinrichtungen durch Banden führte zu einer hohen Gewalttätigkeit unter den Häftlingen. Das Fehlen unabhängiger Kontrollinstanzen sowie ein hohes Maß an Korruption sorgten für eine weitere Verfestigung der Gewaltprobleme im Straf- und Jugendstrafvollzug. Ende 2009 waren noch keine Maßnahmen für die Umsetzung des Fakultativprotokolls zum UN-Übereinkommen gegen Folter eingesetzt worden.
Einige der härtesten Haftbedingungen wurden auch weiterhin aus dem Bundesstaat Espírito Santo gemeldet. Es lagen Berichte über Folterungen sowie extreme Überfüllung und den Einsatz von Schiffscontainern (”Mikrowellen” genannt) als Zellen vor. Weiteren Berichten zufolge kam es zu Verstümmelungen von Häftlingen durch Mitgefangene. Auf massiven Druck durch lokale Menschenrechtsgruppen und nationale und bundesstaatliche Kontrollorgane wurden einige Bauprojekte im Justizvollzug eingeleitet. Im März wurde ein widerrechtliches Verbot von Kontrollbesuchen in Gefängnissen aufgehoben.
Im Dezember verabschiedete der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte nach Hinweisen auf Folterungen und versuchten Mord im Gefängnis Urso Branco im Bundesstaat Rondônia eine neue Resolution – die siebte seit 2002 -, in der die brasilianische Regierung aufgefordert wurde, die Sicherheit der dort einsitzenden Gefangenen zu gewährleisten. Eine Entscheidung über eine Petition, in der der Generalstaatsanwalt im Oktober 2008 das Eingreifen der Bundesbehörden gefordert hatte, war Ende 2009 noch vor dem Obersten Gerichtshof anhängig.
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Brasilien: Schießen mit “Wildwest-Zulage”01.02.1998 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Schießen mit “Wildwest-Zulage” Die Militärpolizei Brasiliens ist heute gewalttätiger als während der Diktatur. Massaker an Häftlingen, Straßenkindern und Landlosen häufen sich. Menschenrechtler protestieren gegen eine “Wildwest-Zulage”, die Ermordungen belohnt und zum Töten Unschuldiger anreizt. …
Geld oder Gewehre: Mit Hilfe einer Kampagne versucht die Regierung Waffen abzukaufen01.09.2004 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Brasilianisches Roulette In kaum einem anderen Land der Welt sterben so viele Einwohner durch Schusswaffen wie in Brasilien. Jetzt versucht die Regierung, die privaten Revolver und Gewehre einzusammeln. Was soll ich noch mit den Schießeisen – in meinem Alter“, sagt die 89-jährige Zulmira de Oli …
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Staat im Staate01.10.2002 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN STAAT IM STAATE In Brasilien haben sich einflussreiche Verbrechersyndikate entwickelt, die vor allem in den Favelas, den Elendsvierteln der Großstädte das soziale Leben kontrollieren. In den über achthundert Favelas von Rio de Janeiro häufen sich Szenen wie diese: Mehrere Dutzend schwer bewaff …
Ungesühnte Gewaltexzesse01.09.1999 | Amnesty Journal Artikel | Brasilien Ungesühnte Gewaltexzesse In den Armenvierteln der brasilianischen Großstädte gehört der Terror zum Alltag. Bewaffnete Banden, Paramilitärs und die Polizei treiben hier ihr Unwesen. Der Staat schaut zu. Rio de Janeiro, Ende Juli 1999: In Sichtweite des Rathauses und einer Polizeikaserne, ganz in …
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Nachrichten01.06.1998 | Amnesty Journal Artikel | NACHRICHTEN Brasilien Ein Folterer macht Karriere Ricardo Fayad ist heute Brigadegeneral – während der Diktatur von 1964 bis 1985 hatte er sich als ausgebildeter Mediziner an Folterungen politischer Gefangener beteiligt. In einer Kaserne in Rio de Janeiro bestimmte er die Methoden: Celia Manes erhielt im …
„Die Lula-Regierung war bei den Menschenrechten eine Enttäuschung“(2009)
Tim Cahill, Brasilienexperte von Amnesty International, über fortdauernde Folter, Todesschwadronen, paramilitärische Milizen und Sklavenarbeit in Lateinamerikas größter Demokratie.
Paraisopolis heißt Paradies-Stadt – doch paradiesisch ist hier garnichts. Der Slum zählt zu den über 2000 in der reichsten südamerikanischen Megacity und grenzt an ein Viertel der Wohlhabenden – nicht wenige davon blicken von ihren luxuriösen Penthouse-Appartements direkt auf das unüberschaubare Gassenlabyrinth, wo auf engstem Raum in Holz-und Backsteinkaten rund 100000 Menschen in Moder, Abwässer-und Müllgestank hausen. Dabei gibt es an der fernen Peripherie weit grauenhaftere Slums. Auch für die Kirche ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten, daß der von bewaffneten Gangstern gemanagte Drogenhandel in Paraisopolis nur dank der reichen Großkunden von nebenan so lukrativ funktioniert. Der junge schwarze Slumpriester Luciano Borges Basilio nimmt kein Blatt vor den Mund:“Das organisierte Verbrechen ist besser organisiert als die Polizei – oft sogar viel besser, während die Polizei desorganisiert ist.“ In Brasilien werden täglich mehrere Beamte ermordet. „Ein Polizeioffizier erhielt 2009 hier in Paraisopolis einen Bauchschuß – die Beamten haben ja auch Familie und sind unter Streß und Hochspannung, wenn sie in einen Slum hineinmüssen. Aber Willkür rechtfertigt das nicht.“ Anstatt jener kleinen Minderheit von Kriminellen das Handwerk zu legen, verletzt die Polizei bei Razzien permanent Grundrechte der völlig unschuldigen Bewohnermehrheit, was weder die Kirche noch Amnesty International hinnimmt. Tim Cahill ist wiederholt vor Ort, spricht mit Zeugen. Sie berichten von Folterungen, ungerechtfertigtem Schußwaffengebrauch: Bei der Verfolgung von Gangstern, die in das Gassengewirr und Menschengewimmel des Slums flüchten, wird ein neunmonatiges Baby in den Arm geschossen, eine Sechzehnjährige an den Brüsten verwundet.
Journal: Bewohner berichten, daß Elektroschocks zu den gängigsten polizeilichen Foltermethoden in Paraisopolis gehören. Die Beamten behandeln uns wie Tiere, lautet ein Vorwurf.
Cahill: Die brasilianische Regierung hat zwar die Anti-Folter-Konvention unterzeichnet, doch wie wir hier vor Ort sehen, fehlt jeglicher politischer Wille, Folterer zu bestrafen. Bei Folter-Anzeigen wird gewöhnlich garnicht ermittelt. Die Polizei ist landesweit zunehmend in kriminelle Aktivitäten verwickelt, bildet Todesschwadronen und paramilitärische Milizen. Und ein beträchtlicher Teil der Brasilianer, vor allem jene in den Slums, wird wie Wegwerf-Bevölkerung behandelt. Paraisopolis ist dafür ein Beispiel. Es fehlt die Verantwortung des Staates für diese Menschen. Öffentliche Sicherheit muß für alle Brasilianer garantiert werden – die armen Schichten darf man nicht einfach davon ausschließen.“
Journal: „Öffentliche Sicherheit“ ist in Brasilien vor allem Aufgabe der Militärpolizei – Relikt der Militärdiktatur. Weil Diktaturverbrecher, Folterer von einst nicht bestraft werden, fördert dies heutige Polizeigewalt und ermuntert die Folterer zum Weitermachen, argumentieren selbst frühere politische Gefangene.
Cahill: Das ist in der Tat ein zentraler Punkt – Straffreiheit in Bezug auf Vergangenes stärkt die heutige Politik der Straflosigkeit. Das wird weithin akzeptiert. Ich war in vielen Polizeiwachen und Gefängnissen Brasiliens, habe hohe Amtsträger des Sicherheitsapparats getroffen. Da fand ich immer Leute mit ganz direkter Beziehung zu den Diktaturverbrechen. Das Ausmaß der Gewalt, die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen im heutigen Brasilien sind Erbe der Diktaturvergangenheit. Amnesty macht Druck auf Brasilia, auf Staatschef Lula, die Diktaturverbrechen zu bestrafen und die Geheimarchive des Militärregimes endlich zu öffnen. Brasilien ist bei der Vergangenheitsbewältigung deutlich hinter den anderen lateinamerikanischen Staaten zurück. Das ist gravierend.
Journal: Die Lula-Regierung hatte der UNO, den Menschenrechtsorganisationen 2003, zu Beginn der ersten Amtszeit versprochen, die eigenen Gesetze und internationalen Abkommen einzuhalten. Doch nach wie vor werden in Brasilien sogar Menschen auf Scheiterhaufen lebendig verbrannt. Hielt Brasilia denn Wort?
Cahill: Die Lula-Regierung war eine Enttäuschung. Es gab große Versprechen, Pläne und Projekte, sogar einen konstruktiven Diskurs – doch die Probleme sind tief verwurzelt geblieben. Es wird weiter gefoltert und exekutiert, die Lage in den Gefängnissen ist nach wie vor grauenhaft, und es gibt sogar weiterhin Todesschwadronen und Sklavenarbeit. Es fehlt der Regierung ganz klar politischer Wille. Echte Reformen werden durch wirtschaftliche und politische Interessen verhindert. Die paramilitärischen Milizen haben Macht, üben wirtschaftliche Kontrolle aus – daraus wird politische Macht, eine reale Bedrohung im heutigen Brasilien.“
Journal: In der Olympia-Stadt Rio de Janeiro hat der Staat mehrere Hangslums besetzt, gemäß überschwenglichen europäischen Presseberichten die Verbrecherkommandos vertrieben und die Lage der Bewohner deutlich verbessert. Sind das nicht gute Beispiele, die auf positive Änderungen hindeuten?
Cahill: Es handelt sich bei diesen Slums lediglich um Inseln, während im großen Rest der Stadt sich an der staatlichen Politik, an Diskriminierung und Polizeigewalt kein Deut ändert. Für uns heißt dies, vor Ort noch intensiver zu recherchieren und Menschenrechtsverletzungen permanent anzuprangern. Die Situation Brasiliens ist sehr komplex.
Journal: Hochrangige Staatsvertreter geißeln die Lage gelegentlich drastisch, was auf manchen entwaffnend wirkt. Laut Gilmar Mendes, Präsident des Obersten Gerichts, ähnelt Brasiliens Gefängnissystem nazistischen Konzentrationslagern. Und Paulo Vannuchi, Brasiliens Menschenrechtsminister, räumt ein, daß tagtäglich außergerichtliche Exekutionen und Blutbäder von Polizisten sowie Todesschwadronen verübt würden. Gravierende Menschenrechtsverletzungen seien Routine, alltäglich und allgemein verbreitet.
Tim Cahill: Dies zählt zu den unglaublichen Dingen in Brasilien – Teile der Autoritäten erkennen diese Tatsachen offen und klar an – aber tun so, als seien sie dafür nicht verantwortlich. Denn das Gefängnissystem wird eben einfach nicht reformiert, trotz der häufigen Versprechen. Das große Problem Brasiliens ist heute, daß der offizielle Diskurs nichts mit der politischen Praxis zu tun hat. Wenn die Regierung in Brasilia weltweit mehr Anerkennung und Respekt will, muß sie sich für die Menschenrechte der eigenen Bevölkerung einsetzen, besonders der Unterprivilegierten. Was falsch läuft, haben wir bei unseren Recherchen in der Sao-Paulo-Favela Paraisopolis, bei den Gesprächen mit Tatzeugen deutlich ermittelt: Der Staat marginalisiert diese Menschen – und das seit Jahrzehnten. Innerhalb des Staatsapparats herrscht Einverständnis, die Polizeistrukturen nicht zu kontrollieren. Angesichts extremer Kriminalität läßt man den Sicherheitskräften die Freiheit, Menschenrechte einfach zu verletzen. Wichtig ist, beide Seiten zu sehen.
Die Aufdringlichkeit der Sinne
Vom machtgeschützten Verlust der gesellschaftlichen Sehkraft – Oskar Negt(2000)
“Der Verlust jener in sinnlicher Erfahrung begründeten Urteilsfähigkeit der Menschen hat in unserem Jahrhundert für viele Menschen tödliche Folgen gehabt. Das Wegsehen, die machtgeschützte Sinnenblindheit, wenn Menschen verfolgt und getrieben, vergewaltigt und öffentlich gequält werden – das gehört nicht der Vergangenheit an.”
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