Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasiliens Musik-und Tanzphänomen „Baile Funk“, in Europa vom Kulturbetrieb gelobt, gefördert. „Baile Funk bringt Terror und Tod an die Peripherie.“ Zeitung Sao Paulos zu Lynch-Verbrechen am Tag des Adveniat-Gottesdiensts. Zeitgeist und neoliberale Kultur. Obdachlosenverbrennung in Sao Paulo.

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Ausriß.

Laut Landesmedien sind auch die Bailes Funk von Sao Paulo das Szenario von Verbrechen, darunter Mord, sowie Terror gegen Anwohner der auf offener Straße, ohne Akustikschutz in Hardrock-Lautstärke nächtelang veranstalteten Massendiscos. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/10/05/brasilien-drei-kriminelle-vor-20-jahren-lebendig-verbrannt-in-matupa-erster-von-18-angeklagten-zu-acht-jahren-haft-verurteilt-chacina-de-matupa-lynchjustiz-in-tropenland/

Seit 2007 gab es im Teilstaat Sao Paulo mindestens weitere fünf Lynchfälle, laut Qualitätsmedien.

Hintergrund: http://www.ila-web.de/brasilientexte/bailefunk.htm

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„Blutbad in Baile Funk.“ Ausriß, Zeitung von Rio de Janeiro.

„Waffen-Rap“ – Zeitgeist-Hit aus Rio, anklicken:  http://www.youtube.com/watch?v=ZthNYozVwNM

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/05/25/obdachlose-in-sao-paulo-protestieren-gegen-lebendiges-verbrennen-von-strasenbewohnern-und-andere-gewalttaten-in-brasilien-viele-greueltaten-garnicht-amtlich-registriert-obdachlosenvertreibung-bea/

Leonardo Boff 2010 :“Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“ 

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/01/hit-der-fusball-wm-in-sudafrika-rap-das-armas-aus-rio-de-janeiro-musik-des-berlinale-gewinners-tropa-de-elite-anklicken-zeitgeist/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/15/rios-gangsta-rapper-preisen-weiter-organisiertes-verbrechen-sogar-auf-bailes-funk-des-complexo-do-alemao/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/28/brasiliens-lynchpraktiken-neuester-fall-in-sao-pauloeine-feige-tat-digeane-alves-ehefrau-des-gelynchten-busfahrers/

http://veja.abril.com.br/noticia/brasil/policia-encontra-resistencia-para-investigar-morte-de-motorista-linchado

HipHop und Rap zum Draufschlagen
Brasiliens Massendiscos „Baile Funk“
von Klaus Hart

Millionen von dunkelhäutigen Kids strömen jedes Wochenende an den Slum-Peripherien der brasilianischen Großstädte zu ihren  gewalttätig-machistischen HipHop-und Rap-Feten, Verletzte und Tote sind normal.  Die nie auf  kommerzielle CD gepreßten Texte der populären  Gangsta-Raps sind weit brutaler, sadistischer als die Vorbilder aus den USA. Einen oberflächlichen Eindruck vermittelt die jetzt in Deutschland veröffentlichte CD „Baile Funk – Favela Booty Beats“(Essay Recordings/Universal)

In der Escola Estadual „Julio Ribeiro“ von Sao Paulo heizen die Rapper oben von der Bühne ein, unten im Publikum beginnt irgendwann die übliche  Massenschlägerei, Revolver werden gezogen, der 24-jährige Funkeiro Carlos Roberto Marino fällt nach einem Kopfschuß tot um – in Rio de Janeiro werden am selben Tag  gleich drei Funkeiros erschossen, dort ist die Todesrate stets höher. Schauplatz Nordzone, weitab von Copacabana und Ipanema. Mehrere tausend Dunkelhäutige drängen in den Clube Chaparral des Viertels Bonsuccesso nahe Rios internationalem Flughafen, schwülheiße Luft um dreißig,  vierzig Grad, Adrenalin. Rechts von der Bühne mit den Lautsprechertürmen konzentrieren sich Kids jener Elendsviertel, die vom Verbrechersyndikat“ Comando Vermelho“, Rotes Kommando, dominiert werden, links bauen sich feindselig Heranwachsende aus dem Herrschaftsbereich des rivalisierenden „Terceiro Comando“, Drittes Kommando, auf. Die DJs starten mit HipHop, Techno, neuesten Gangsta-Raps, die Lautstärke übertrifft Hardrock-Konzerte. Auch sinistre Töne werden angeschlagen: „Jetzt wirst Du sterben, sterben, sterben  – wenn Du weißt, was ein Neunziger-Patronengurt ist.“

Die Spannung steigt, der freie meterbreite „Corredor da Morte“ zwischen den Tänzermassen von rechts und links wird enger, erste Fausthiebe, Tritte, Schlägereien zwischen Gruppen, den Galeras. Sicherheitspersonal geht nach einer Weile dazwischen, trennt die Gegner – bis zum nächsten Gewaltausbruch, im Slang „Saddam Hussein“ genannt. . Die Kids springen ähnlich Boxern beim Kampf, doch stets im Rap-oder Techno-Rhythmus, versuchen auch, dem Feind, der im Rio-Slang stets „Alemao“, Deutscher, heißt, irgendetwas zu entreißen. Vor Mitternacht hat die Baile-Funk-Ambulanz schon Arbeit, blutende Kopfwunden, ein Knochenbruch. Bis zum Baile-Schluß wird hier Bruno Lopes Escobar, 16, erschlagen, Braulio Vieira dos Santos, 12, und Bruno de Souza Machado, 15, werden erschossen.

Die DJs stimulieren auch auf den anderen über 150 Massendiscos der Sieben-Millionen-Stadt zur selben Zeit Gewalt meist direkt, fordern, falls der Baile Funk „mole“, lahm zu werden droht, per Mikro zu Attacken auf, widmen Titel nur den Galeras einer Hallenseite, was die andere in Rage bringt. Als das Ganze auf ein „Massacre“ zudriftet, wie man im Baile-Funk-Slang sagt, verstummen die Wummerbässe abrupt, leiten die DJs zu sexistischen Einlagen über, folgt Sacanagem, Sauerei.  Der MC in den gleichen Rapperklamotten wie an der US-Westküste schreit  ins Mikro “Eta, eta, eta“ – aus tausenden  Kehlen kommt  „Pau na Buceta“ zurück. Auf der Bühne beginnen minderjährige Mädchen Striptease, manchmal ist es auch nur eine Professionelle, mit deren Auftritt ein Erektionswettbewerb gekoppelt wird.  Hit der Bailes Funk sind auch superfeminine Gays, die auf der Bühne mit Partnerinnen einen Coito simulieren.

Elf-Zwölfjährige schauen reichlich zu, eigentlich dürften auch im Clube Chaparral nur fast Erwachsene sein. Koitus-ähnliche Bewegungen der Jugendlichen,  zu zweit, zu dritt sind normal. Mädchen in knappen Tops,  mit superkurzen Röcken provozieren die Jungs vor ihnen, indem sie sich immer wieder raffiniert so in die Hocke fallen lassen, daß für einen  Moment ihr winziges Tangahöschen sichtbar ist.  Obszönitäten beinahe jeder Art  am laufenden Band. Claro, daß selbst  Zwölfjährige auf Bailes Funk schon  zur Prostitution oder für Pornofilme angeworben werden.In den Hallenecken dealen sie Kokain und Crack, der DJ jagt das  Rap-Stakkato „Vai dancar“, x-mal viederholt, mit finsterem  Höllenecho in die Menge. Klingt mechanisch übersetzt harmlos, dieses vai dancar, du wirst tanzen –  doch alle Welt in Rio nutzts im Slang-Sinne: Du wirst sterben, gekillt werden, Blei fressen. Tudo mundo vai dancar – alle sind dran.

Brasiliens Bailes Funk, Bailes do Corredor enden meist gegen fünf – davor liegen noch einmal Stunden mit Tumult, Risiko, Enthemmung,  mit ritualisierter Macho-Gewalt und der sogenannten „Viertelstunde der Fröhlichkeit“. Das häufig sogar mit Revolvern bewaffnete Hallenpersonal zieht sich zurück – zu den härtesten, aggressivsten Hits schlagen die Funkeiros ungehindert aufeinander, auch Mädchen sind darunter. Funkeiros sagen es offen:“Die Disco ist gut, weil es Schlägereien gibt, die gehören einfach dazu.  Wir imitieren hier das Videospiel „Mortal Kombat“. Wer zu einer Galera gehört, muß zum Schlagen und sogar Töten bereit sein.“ Und wenn es am berühmten Ipanema-Strand von Rio ist, wo sich häufig verfeindete Funkeiro-Haufen bekämpfen. Schüsse fallen,  Omnibusse gehen zu Bruch oder in Flammen auf – die romantischen Girl-from-Ipanema-Zeiten sind lange vorbei

Schwer zu übersehen,  daß blutende Baile-Wunden Eindruck  bei vielen Mädchen  schinden, die dann nicht selten  „Siegertrophäen“ werden. “Mir gefällt das, mit dem Gewinner zu bleiben“, meint eine Vierzehnjährige.  Eine Freundin widerspricht:“Die Typen sind unheimlich machistisch – es gibt welche, die dich schlagen, wenn du nicht einwilligst. Dann muß man einen vom Sicherheitspersonal rufen. Mist, wenn mein Klo ausgerechnet neben der gegnerischen Galera liegt.“ Baile Funk ist Rivalenkampf, auch um den schärfsten Typen. „Ich ziehe immer  ganz enge Sachen an, das macht mich sinnlich“, erklärt Ana Paula, „anders gehts garnicht, würde ich mir niemanden angeln, keinen abkriegen.“ Sie blinkert einen Jungen an, damit der weiß, daß sie will. Denn noch schmust er mit der Freundin. Kein Hinderungsgrund, in der Erwachsenenwelt außerhalb der Bailes Funk ja auch nicht: Für viele brasilianische Frauen ist es geradezu ein Sport, die „Treue“ verheirateter Männer zu testen, mit ihnen zu schlafen – wegen der Genugtuung, es „geschafft“ zu haben.  Oder der anderen den Partner wegzuschnappen.

Ein Ehering gilt gewöhnlich als Beleg dafür, daß dieser Mann bereit ist, feste Beziehungen einzugehen, es ernst meint. Einer in Sao Paulo kommentiert:“ Einen Ehering anzustecken, zieht Frauen magisch an, da kommen sie in Scharen und greifen an.“  Wie Soziologen herausfanden, hat die Mehrheit der weiblichen Funkeiros von elf, zwölf Jahren an Geschlechtsverkehr, verzichtet meist  auf Verhütung –  Frühschwangerschaften sind entsprechend häufig. Es gibt Bailes Funk, bei denen draußen in heißer Tropenluft Matratzen ausgelegt werden. Mädchen betreiben sogar  Gruppen-Mobbing gegen mißliebige Funkeiras, haben dafür drastische, unerhört sexistische Songs, die man nur übelsten Machos zutrauen würde.

Die Rhythmen der Bailes Funk wurden in Los Angeles und der Bronx erfunden, von der Musikindustrie auch nach Brasilien durchgeschaltet. Die Texte der US-Gangsta-Rapper sind verglichen mit denen Rios eher fürs Poesiealbum. Unterlegt mit Geräuschen von Mpi-Salven und Granatenexplosionen, singen Rios Rapper übers Töten, lebendig Verbrennen, Stapeln von Leichen, den Spaß am Kidnappen , Foltern. Im „Rap da Bandida“ ist vom Vergnügen die Rede, Leute mit der Mpi zu durchsieben, sie aufzuhängen. Zitat:“Ich bin Rauschgifthändler und Straßenräuber, mache massenhaft Entführungen – ich will dich an meiner Seite, Banditin von guter Rasse.“ Solche Songs sind auch in Kolumbien und Mexiko populär, gehören inzwischen zur Alltagskultur.  Rapper Jefferson Sapao in Rio, derzeit superbeliebt bei den Kids, gehört selber zu einer Banditenmiliz, mag besonders das  deutsche Bundeswehr-Sturmgewehr „G 3“ – wie das wohl in so großer Zahl in die Hände der Gangster gerät? Rappend preist er  natürlich die brutalsten Banditenchefs  über alle Maßen:“Wenn die Polizei sich in einem Slum wagt, muß sie mit Mpi-Salven empfangen werden.“ Was ja auch stets passiert.

Schauplatz Antares, ebenfalls Rio-Peripherie. Das lokale „Radio radical“verbreitet auf UKW und  übers Lautsprechernetz den neuesten Gangsta-Rap, nachts läuft er auf den Bailes – eine Botschaft des Banditenbosses Magno vom Comando Vermelho an einen Rivalen:“Es gibt ein Blutbad, wenn er nicht Antares in Ruhe läßt – die Leute von Magno werden töten, köpfen, vom Friedhof bis zur Gerdau-Fabrik Leichen stapeln.“ Die Drohungen sind kaum übertrieben – in der Woche vor der ersten Rap-Ausstrahlung fallen sechsundzwanzig Gangster bei Schießereien, für die Slumbewohner Tage und Nächte des Terrors. Flüchtet ein bekannter Gangster aus den Hochsicherheitstrakten Rios, meist durch Wärterbestechung, feiern die Slums seines Comando tagelang, machen frischkomponierte Gangsta-Raps die Runde, werden von den Heranwachsenden gleich in Gruppen, auch in Bussen und Vorortzügen gesungen, rühmt man die „Heldentaten“ des Entwichenen.

Kein Rio-Wochenende ohne tote Funkeiros. Im Slum Formiga gegenüber Borel  werden auf einer einzigen Massendisco elf Minderjährige, Mädchen und Jungen, darunter eine Elfjährige,  mit großkalibrigen Waffen erschossen. Der Polizeichef  reagiert vor den Journalisten grob:“Soll ich eine Atombombe auf  Rio werfen, damit sowas aufhört?“ Auf einem anderen Baile sterben  sechs. Einmal wirft eine Funkeiro-Gruppe drei  selbstgebastelte Bomben  am „Todeskorridor“ in tanzende Gegner – zwei vierzehnjährige Mädchen sterben, eines verliert das Augenlicht, ein weiteres den rechten Arm. Schon in den Zubringerbussen, oft von Gangstersyndikaten gesponsert, ist die Stimmung aufgeheizt. Die in einen überfüllten Funkeiro-Bus geschleuderte Spezialgranate der Armee hätte gemäß einem Offizier alle getötet, explodiert gottseidank nicht. Molotov-Cocktails auf  Rivalen-Busse zu werfen, ist nichts Besonders mehr Auch das gibts: Funkeiros wollen den von einem rivalisierenden Verbrechersyndikat beherrschten Slum Antares provozieren, hängen beim Vorüberfahren aus dem Busfenster  die nackten Hintern heraus. Auf diese schießen  Banditen  sofort mit Mpis – neun Funkeiros landen schwerverletzt im Hospital. Eine schwarze Menschenrechtsanwältin kennt einen Zeugen, demzufolge inmitten von Bailes Funk Jugendliche lebendig verbrannt wurden. Fotos verkohlter Opfer veröffentlichen die Horror-und Crime-Boulevardblätter Rios allen Ernstes fast jeden Tag. Funkeiro-Galeras haben nach der Disco wiederholt Bettler verbrannt. Die Reste des vierzigjährigen Joel da Silva aus dem Rio-Slumgürtel Baixada Fluminense werden in Großaufnahme abgebildet. Kirchliche Sozialarbeiter sagen, auch andere Obdachlose endeten genauso.

Seit Jahren lassen die Baile-Veranstalter Tote, Schwerverletzte, Jugendliche im Koma,  clever „verschwinden“: Ein Spezialteam, genannt „Servica de Desova“,  schafft sie in öffentliche Hospitäler, gibt dort stets zu Protokoll, alle irgendwo in dunklen Straßen aufgefunden zu haben , weit entfernt vom nächsten Baile Funk. Gleice, 16, ließ man liegen. Auf dem berüchtigten Baile des Country Club von Jacarepaguà wird sie von einer gegnerischen Galera zuerst zusammengeschlagen, dann ins Klo geworfen. Das reichte nicht – auf Gleice wird uriniert, man beschmiert sie mit Kot. Julio, 15, wird beim „Mortal Kombat“ im Country Club erschlagen, Mauricio, 16, erschossen – in wenigen Jahren sterben allein auf diesem Wochenend-Baile über zwanzig Jugendliche.

Das organisierte Verbrechen finanziert, veranstaltet viele Bailes Funk, läßt sogar populäre Sambistas gegen Höchstgage auftreten, wirbt dort Bandenmitglieder an. Kokain, Crack oder Heroin werden selbst an Kinder häufig kostenlos verteilt, bis es zum verführerischen Angebot kommt:“Wenn du mitmachst, kriegst du die Drogen immer gratis, hast viel Geld und eine Waffe, kannst dich schick anziehen, nimmst dir die Frauen, die du willst.“Comando-Leute sind in der Menge leicht zu erkennen – sie tragen Goldkettchen und teure Ringe, sind am besten gekleidet, werden als Idole, Aufsteiger angesehen und behandelt, „erobern“ die meisten Mädchen. Üblich ist, der Logik des Bosses der jeweiligen Favela auch in puncto Machismo zu folgen: Man hat drei bis vier Geliebte, die voneinander wissen, und eine Namorada de Fè, Geliebte des Vertrauens, zum Heiraten, mit der man Kinder haben will.

Die Baile-Funk-Realität erscheint absurd bis irrsinnig, zumal sie von den Autoritäten hingenommen wird. Marcia ist Soziologin, forscht  in der  Baile-Funk-Szene, dachte anfangs, mit progressiven Baile-Projekten ein Gegengewicht, Alternativen schaffen zu können. An einer Straßenbar von Lapa schüttet sie mir ihren Frust vor die Füße, ist nur noch pessimistisch. „Das alles ist die Antwort unseres neoliberalen Staates auf die Verhältnisse – es gibt keine Politik, um die Jugendlichen für die Gesellschaft zurückzugewinnen. Fast dreißig Prozent der Heranwachsenden Rios sind ins organisierte Verbrechen verwickelt, hier geschieht ein Genozid an den jungen Leuten!“ Die Kugel sei die erste Todesursache in dieser Altersgruppe.

Nach jahrelangem Zögern haben auch andere brasilianische Sozialwissenschaftler das Kulturphänomen Baile Funk  schließlich intensiv untersucht. Selbst Therapeuten und Musikexperten nennen die Massendiscos Feste einer „Jugend ohne Perspektive“, die zynisch-nihilistische Antwort der jungen Generation auf eine Gesellschaft ohne Projekte – eine Ablehnung sozialer Werte und eine Form der Entfremdung. Inzwischen frequentieren auch zunehmend weiße Jugendliche der Mittelschicht die Bailes Funk, damit, so heißt es, wollten sie eine tiefe innere Leere und Einsamkeit überdecken..“Die gefährliche Seite dieser Annäherung“, so der renommierte Jugendpsychiater Christian Gauderer, „ist die Anziehungskraft, die der Kriminelle auf die Mittelschichtskids ausübt – diese versuchen, Freunde der Drogengangster zu werden, um Waffen und Status zu bekommen.“

Claro, die Bailes Funk  machen an der Peripherie dem Samba den Garaus.  

Wieder dröhnt mir auf einem Baile Sinistres um die Ohren – die „Montagem do Aviso“. Monoton die zigmal geflüsterte, geschriene Botschaft „Paß sehr gut auf“, gewöhnlich die Ankündigung, daß man der nächste ist, der umgelegt werden soll. Aviso – das kennen die im Slum sehr gut.  Dann heißt es nur, alles stehen und liegen lassen, sofort abhauen, nie mehr in der Gegend auftauchen.

Österreicher, Schweizer, Deutsche, die Leme, Laranjeiras oder  im Bergstadtteil Santa Teresa wohnen, hassen die Bailes Funk der umliegenden Favelas, besonders jene vom Morro da Coroa. In einer Novembernacht werden dort vier Funkeiros angeschossen, in Bauch und Rücken, eine Zwölfjährige und ein etwas älterer Junge fallen tot auf den Baile-Beton. „Guilherme Augusto Salvador hat einen Schuß in die Eier gekriegt“, amüsiert einen von der gegnerischen Galera.   Eigentlich sind die Lärmschutzgesetze streng, ist Rios Umweltchef immerhin ein sogenannter Grüner, dennoch dröhnen HipHop und Rap von Freitagnacht bis Montagmorgen in Hardrock-Lautstärke  über die Hügel. Ausländerinnen fliehen deshalb  regelmäßig mit ihren brasilianischen Geliebten in die Bungalows außerhalb der Stadt, andere schlafen bei Freunden. Und alle fragen sich, wie eigentlich die Slumbewohner mit dem Krach klarkommen, all die Kranken, Alten, am Schlafen gehinderten Babies. In einem Hangslum des Mittelschichtsviertels Tijuca ist der Chef der Bewohnerassoziation, mit schwerkranker Frau in der Kate, mehr als genervt, hat wegen der letzten Baile-Funk-Nacht Ringe unter den Augen, erklärt mir die Lage: “Was soll ich machen? Die Leute kommen zu mir, wollen, dass ich mich bei den Veranstaltern beschwere. Mache ichs, werde ich erschossen. Denn der Veranstalter hier ist das Comando Vermelho.“

In einer Uni-Fakultät Tijucas unterrichtet ein auswärtiger Dozent den ersten Tag, fährt sechs Uhr abends wegen einer nur zweihundert Meter entfernt abgefeuerten Mpi-Salve erschreckt zusammen. Seine Studenten im Hörsaal klären ihn lachend auf. Gerade hat in der nahen Favela der Baile Funk begonnen, die Gangster schießen deshalb immer am Anfang in die Luft, tuns auch zwischendurch, mitten in der tanzenden, wogenden Menge. In Sichtweite ist das weltgrößte Fußballstadion Maracanà. Als drinnen beim Baile Funk mit sieben DJ-Teams unter den  über 6500 Jugendlichen die ersten Massenschlägereien losbrechen, mache ich mich lieber aus dem Staub, komme aber nicht weit. Denn rund ums Maracanà bekämpfen sich bereits über zweitausend Funkeiros, sogar Schüsse fallen. „Bleib lieber drin, Gringo, bist du verrückt!“, sagt der Stadionwächter, öffnet aber das dicke Vorhängeschloß, damit ich rauskann. Wenige Sekunden später flehe ich ihn an, mich wieder reinzulassen, denn eine Galera rennt auf mich zu, sichtlich nicht in friedlicher Absicht. Das geht über eine Stunde so, bis das Abtauchen in dunkler Nacht gelingt. Hinter mir werden noch Autos umgeworfen, Busse und Telefonzellen ruiniert, angeblich gibt es nur Angeschossene, keine Toten. Mir gellen die Galera-Schlachtrufe noch in den Ohren – auf Comando Vermelho oder Terceiro Comando gemünzt. Besonders aktiv ist  mal wieder die über hundertzwanzig Köpfe starke Galera des Borel-Slums, in Tijuca besonders gefürchtet. „Wir schlagen zu, weils uns gefällt“, sagt Pedro,  siebzehn. „Unsere Galera hat die öffentlichen Busse im Griff – steigt ein Alemao zu, hauen wir ihn zusammen.“ Borels berühmteste Rapper waren das Duo Willian und Duda, die zum Karrierestart vom Comando Vermelho bezahlt wurden, auf deren Bailes auftraten, deren Taten verherrlichten. Reich geworden, zogen beide  in bessere Viertel.

Als sich erster öffentlicher Protest gegen die Bailes Funk regt, auf Verwicklungen zwischen Politik, Gangstern und Disco-Betreibern verwiesen wird, wollen Funkeiro-Galeras spätnachmittags vor Oper und Parlamentspalast im Stadtzentrum aller Welt zeigen, was für grundfriedliche, harmoniebedürftige Jungs sie sind. Der Evento mit Rappershow geht nach hinten los, ich sehs mir aus der Nähe an, renne vor fliegenden Pflastersteinen davon. Wie auf den Bailes kriegen sich die Galeras  sofort in die Haare; wer nicht mitprügelt, reißt solange schwangeren Frauen, alten Leutchen die Taschen weg, macht teils bewaffnet Straßenüberfälle. Ein Greis wird direkt vorm Parlament  nicht nur beraubt, sondern auch noch zu Boden gestoßen und getreten, Hunderte, auch Zufallspassanten, schauen  zu.

Natürlich sind die Bailes Funk auch ein Riesengeschäft, eine Industrie, an der wenige verdienen. Monatsumsatz in Rio – umgerechnet weit über dreißig Millionen Mark. Soziologin Marcia erklärt mir die Strukturen:“Romulo Costa, Pastor einer Sektenkirche, ist Marktführer, hat sogar eine mehrstündige TV-Sendung. Das ist dermaßen absurd – fast schon komisch bis grotesk, wenn nicht alles so tragisch wäre.“ Auf einem Video ist zu sehen, wie Prediger Romula Costa ungerührt einer Massenschlägerei auf einem seiner Bailes zuschaut, der im Maracanà war auch sein Werk. Anfang Zweitausend findet man seine Firma erstmals schriftlich in der Buchhaltung einer Gangstermiliz festgehalten,  die zu selber Zeit dem Militärpolizisten Marco de Oliveira den Kopf abschlägt. In den Zeitungen steht,  für Romulo Costas  längst fast jedermann bekannte Verwicklungen gebe es damit erstmals einen „technischen Beweis“. Folgenlos. Seine DJs schreien in die Massen:“Tötet die Deutschen, schnappt euch die dort, bildet Gruppen!“  Romula Costa konkurriert mit Josè Claudio Braga, der sich ironisch-zynisch selber einen „Empresario des Teufels“ nennt. Über seinen Bailes schwebt eine fünf Meter lange Riesenpuppe, die den berüchtigten Gangster Bagulhao verherrlicht. Bragas tägliche Seite im Sex-, Crime-und Horror-Blatt „O Povo de Rio“, Volk von Rio, ist aufschlußreich. Ein mit Bild vorgestelltes Galera-Mitglied erklärt:“Unser Wahlspruch ist Terror“. Und ein  Kommentar von Veranstalter Braga beginnt so:“Die schönste Waffe, die es gibt, ist die nordamerikanische Heeres-Mpi AR – 15. Schön in Größe und Form, auch der Art, wie sie zerstört, nämlich auf der Stelle. Vapt-vupt – und die getroffene Person leidet nicht einmal, fühlt keinerlei Schmerz.“ Wenn ihm Konkurrent Romulo Costa öffentlich vorwirft, Gewalt-Bailes zu veranstalten, haut Braga in seiner Kommentarspalte zurück, beschreibt Panik und Schießereien auf  dessen Discos.

Funkeiros tragen massenhaft Gewalt in die Stadien, was selbst  Multimillionär und Ex-Fußballstar Pelè hart reagieren läßt: „An den Schlachtrufen ist zu erkennen, daß viele Gewalttäter zu den Fans der Bailes Funk zählen, sich kaum für Fußball interessieren, dafür um so mehr für Brutalitäten.“ Schuld an den Zuständen sind die führenden egoistischen und korrupten Politiker, donnert Pelè, denen die Zukunft des Landes schlichtweg egal ist. Was sich bei europäischen Fußballmatchs abspielt, sind Peanuts gegen die brasilianischen Verhältnisse: In Rio oder Sao Paulo gehen Hunderte, oft sogar Tausende mit Revolvern, Molotovcocktails, selbstgebastelten Bomben und Messern aufeinander los – Busse von Fanclubs werden sogar mit Maschinenpistolen beschossen. Üblich sind inzwischen sogenannte Arrastoes, Fischzüge, in den Stadien: Einer Menschenwalze gleich fallen Ungezählte über zumeist ältere, friedfertige Fußballanhänger her und rauben diese unter Schlägen restlos aus. Ein Glück, daß wenigstens in Sao Paulo die Rap-und Funk-Szene teilweise  politisiert ist, radikalen Protest äußert. Keine Rappertruppe agiert radikaler, erfolgreicher als die „Racionais MC`s“, aus den gefährlichsten, elendesten Favelas der reichsten lateinamerikanischen Metropole, unweit von VW, Mercedes-Benz und Ford. Grünenpolitiker wollen nicht anders als ihre Klientel der weißen Mittelschichtsviertel die Freigabe und Entkriminalisierung  von Drogen – die „Racionais MC`s“ sind radikal dagegen, sehen in Rauschgifthandel und – konsum das Hauptübel der armen Vorstädte Brasiliens. Bereits Kinder unter zehn Jahren rauchen Crack, nehmen Kokain, Heroin, LSD, ganz zu schweigen von den Älteren – und überhaupt kein Vergleich mit Europa. Im Drogenrausch wird Entsetzlichstes begangen – kaum ein Tag ohne Zerstückelte, lebendig Verbrannte.

Die Besserbetuchten, auch jene der Ersten Welt, verdrängen diese Realität, die Rapper von Racionais MC`s haben sie kontinuierlich vor Augen, sehen in Aufklärung, Politisierung ihre Mission. Sänger Mano Brown, der früher mit einem Revolver am Gurt herumlief, schreit von der Bühne, daß Drogen betäuben, debil und stupide machen. „Das System hat kein Interesse an Armen, die intelligent sind!“ Die Schwarzen müßten endlich erkennen, in welch tiefer Dekadenz sie stecken – und die Dinge ändern. Lernen, zum Buch greifen, anstatt in die Kriminalität abzurutschen.  Zwar rasch mehr Geld zu haben, dafür aber früh, mit zwanzig, fünfundzwanzig Jahren bereits ins Gras zu beißen. Die Racionais MC`s wollen ein Beispiel geben, rauchen nicht, trinken nicht, manche wurden Vegetarier. Drogen sind sowieso out.  Die CDs  der Gruppe verurteilen  nicht nur Drogen, deren Nutzer und Profiteure, sondern vor allem die Eliten, die sozial unsensible Mittelschicht. Biblische Salme über göttliche Gerechtigkeit  fehlen nicht – Slumbewohnern, meint Mano Brown, bleibt heute im Grunde  nur die Alternative, kriminell zu werden, mit dem Crime organizado zu kollaborieren – oder sich entschieden der Kirche zuzuwenden.  Im „Tagebuch eines Gefangenen“ rappt Mano über den ersten Oktober 1992, als eine Spezialeinheit der berüchtigten Militärpolizei im Carandirù-Gefängnis von Sao Paulo mindestens 111 Insassen erschießt, in weniger als dreißig Minuten auf die Unbewaffneten über dreitausend Schuß abfeuert, viele durch Bluthunde zerreißen läßt:

“Du weißt nicht, wie das ist, ein deutsches oder israelisches Maschinengewehr auf deinen Kopf gerichtet, das einen Dieb in Stücke fetzt wie Papier… Der Mensch ist Wegwerfware in Brasilien, wie Slipeinlage, das System verheimlicht, was die TV-Serien nicht zeigen. Blut rinnt wie Wasser aus Ohren, Mund und Nase, der Herr ist mein Hirte, Kadaver im Brunnen, im ganzen Gefängnishof, Adolf Hitler lacht in der Hölle, Gouverneur Fleury und seine Gang werden in einem Becken voller Blut schwimmen, aber wer wird meinen Worten glauben?“ Das Massaker blieb bisher ungesühnt, der befehligende Offizier wurde Politiker, Abgeordneter. Interessant, bezeichnend – die so hochpopulären Racionais MC`s schaffen es nicht, an der Rio-Peripherie aufzutreten. Denn die soziale Kontrolle der Gangstersyndikate ist  so effizient, daß Rapper-Kritik an Banditen und Drogen nirgendwo zugelassen wird, wirklich sozialkritische Bands keine Auftrittschancen haben. Wenige Jahre zuvor gibts dort ein großes Rapper-Festival, die Banditenmilizen machen den Ordnungsdienst. Also wagt niemand, etwa die massenhaft Anwerbung von Straßenkindern für Verbrechen zu kritisieren. Um so heftiger wird der Polizeiterror angeprangert, das gefällt den Comandos.  Daß Banditen Rios minderjährige Mädchen vergewaltigen, zum Mitmachen bei Pornofilmen zwingen, die man später in ihrer eigenen Favela öffentlich zeigt, ist ebenfalls kein Thema. Wenigstens rappt   „Justica Negra“,  Schwarze sollten sich nicht gegenseitig, wegen ein paar Tennisschuhen, einer Uhr, einer schicken Rappermütze umlegen, zuviele seien deshalb schon im Knast. Auf den Bailes Funk in Sao Paulo manifestiert sich in Ansätzen wachsendes Selbstbewußtsein der dunkelhäutigen Unterschicht, kaum aber in Rio.

Sänger Ice Blue von den Racionais MC`s ist lieber  vorsichtig, spricht nur von einer gewissen „Bequemlichkeit“der Slumjugend am Zuckerhut. Arnaldo Jabor, Starkolumnist von Brasiliens auflagenstärkster Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“ nimmt dagegen  kein Blatt vor den Mund, reflektiert den Abstand der Reichen, der Mittelschichtler, der Intellektuellen wie er selber, von der Peripherie-Realität: “Auf den Bailes Funk pulsiert ein brutaler Strom des Wollens, der Lust – die Gewalt als Hunger nach Ausdruck, das Töten als Erleichterung, Trost, Erholung nach Erniedrigungen. Eine Normalität des Mordens entsteht, bar jeder Schuld und Sünde. Die Masse der Unglücklichen wächst jeden Tag, wir können sie nicht mehr ignorieren. Erinnert sich jemand an den Videoclip der Racionais MC`s im MTV, die Faszination der privilegierten Mittel-und Oberschichtskids für die rohe, viehische, brutale Ethik der Slumkids? Die Peripherie wird zur Avantgarde der Verhaltensnormen. Unser hübschen kleinen Sozialprojekte -–wie sind die doch lächerlich. Aber die Regierung steht nun einmal zur Avenida Paulista(Sao Paulos  Straße der Großbanken, Konzerne und Multis, der Verf.). Wahrscheinlicher ist, daß dort in ein paar Jahren eine Wissenschaft der Ausrottung hochsprießt, entwickelt wird – anstatt eines radikalen Projektes zur Rettung dieser Unglücklichen. Die Idee einer Lösung ist immer weiter weggerückt. Eine Lösung? Zu spät, vorbei…“

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/08/sao-paulo-drei-frauen-nahe-baile-funk-ermordet-mit-steinen-und-schussen/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/23/brasilien-popularer-baile-funk-in-sao-paulo-neues-gewalt-videogame-spielt-in-der-megacity/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/08/25/wieder-handgranate-in-baile-funk-rios-explodiert-zehn-verwundete/

ZDF, Adveniat-Gottesdienst in Favela Cachoeirinha von Sao Paulo 2011. Brasiliens Kontraste. Fotoserie. Über 2600 Slums in der reichsten Stadt Lateinamerikas. Leben in der siebtgrößten Wirtschaftsnation, als modern, fortschrittlich, boomend gerühmt. Effiziente Auslandspropaganda, neoliberale Herzenskälte und Realität. **

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/26/zdf-uber-adveniat-gottesdienst-in-favela-von-sao-paulo/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/17/adveniat-in-brasilien-wie-lebt-es-sich-in-der-reichsten-stadt-lateinamerikas-der-siebtgrosten-wirtschaftsnation-nach-acht-jahren-lula-regierung-adveniat-gottesdienst-in-der-favela-cachoeirinha-von/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/26/zdf-und-adveniat-in-favela-cachoeirinha-von-sao-paulo-verschiedene-sichtweisen-der-gravierenden-menschenrechtslage-brasiliens-je-nach-wertvorstellungen-und-vorschriftenkatalog/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/04/21/lulas-crack-kinder-nach-sao-paulo-auch-in-rio-immer-mehr-cracolandias-eine-dosis-crack-umgerechnet-etwa-35-cents-crack-geschaft-stimuliert-kinderprostitution/

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Wie in deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften die  Situation interpretiert wird:

”Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.” Deutschsprachige Tourismuspropaganda.

„Die Milliardärsstatistik zeigt, daß sich unter der Regierung von Präsident Lula an der grauenhaft ungerechten Einkommensverteilung, dem Begünstigen der ohnehin Privilegierten nichts geändert hat“, sagt Frei José Francisco, Leiter des Franziskaner-Sozialwerks von Sao Paulo im Website-Interview. „Die neue Präsidentin Dilma Rousseff fährt diesen Kurs weiter, tut nichts gegen Einkommenskonzentration in den Händen weniger – trotz soviel Hunger und Massenelend. Nur bei sozialer Ungleichheit ist Brasilien Weltspitze.“  

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/03/24/in-brasilien-existiert-weiter-hunger-das-problem-wurde-langst-nicht-beseitigt-jose-francisco-leiter-der-franziskaner-sozialprojekte-in-sao-paulo/

http://www.adveniat.de/blog/?p=960

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/15/lulas-anti-hunger-programm-uber-40-prozent-der-empfanger-bleiben-weiter-im-elend-laut-regierungsstudie/

“Krise – was denn für eine Krise?”  Brasilien hat Wirtschafts-und Finanzkrise gut überstanden, lauten europäische Bewertungen zu Hunger und Elend im Tropenland.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/14/steinigen-im-iran-unter-ahmadinedschad-und-in-brasilien-unter-lula-lula-konnte-sich-uber-die-tatsache-beunruhigen-das-brasilien-zu-den-landern-gehort-in-denen-am-meisten-gelyncht-wird-jose/

Lynchen eines Busfahrers am Tag des Adveniat-Gottesdienstes in Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/28/brasiliens-lynchpraktiken-neuester-fall-in-sao-pauloeine-feige-tat-digeane-alves-ehefrau-des-gelynchten-busfahrers/

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http://gottesdienste.zdf.de/ZDFde/inhalt/11/0,1872,8383083,00.html

Nach der ZDF-Übertragung äußerten vor Ort katholische Menschenrechtsaktivisten sowie Slumpriester auch Kritik an dem Adveniat-Gottesdienst. Vermißt wurden u.a. klare, kritische Worte zur konkreten Lage in der Favela Cachoeirinha, zum derzeitigen Regierungskurs Brasiliens sowie zu den gravierenden Menschenrechtsverletzungen im heutigen Brasilien, darunter Folter, Todesschwadronen und andere Formen struktureller Gewalt, von denen die brasilianischen Slums betroffen seien. Viele Schlüsselbegriffe zur brasilianischen Realität hätten gefehlt, zudem Fakten zur krassen sozialen Ungleichheit in Brasilien, den politisch Verantwortlichen. “Der Ausbau einer Stadtautobahn wird die Favela Cachoeirinha schwer treffen, das Leben der Bewohner weiter verschlechtern. Das hätte man ebenso ansprechen können wie die Rolle von überbordender Gewalt und der sich epidemisch ausbreitenden harten Drogen, darunter Crack.”

Auch der kirchliche Mainstream Deutschlands hatte entsprechend ausgespart, auf das klare, unmißverständliche Benennen politisch Verantwortlicher ebenso verzichtet wie auf die Frage, ob Demokratie mit Slum-Elend, dem Vorenthalten zahlreicher, theoretisch garantierter Bürgerrechte vereinbar ist. Im Falle Brasiliens drängt sich der Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Staaten auf, die im UNO-Ranking 2011 für menschliche Entwicklung weit besser abschneiden als die siebte Wirtschaftsnation, welche lediglich Platz 84 belegt. (Chile 44., Argentinien 45., Kuba 51. Platz)

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/23/brasilien-wenig-generos-kritik-an-geringem-spendenaufkommen-in-der-achtgrosten-wirtschaftsnation/

 http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/08/hungernde-brasilianer-reisen-mullsacke-auf-wuhlen-nach-nahrung-schlingen-vergorene-teils-verdorbene-essensreste-in-sich-hinein-verstreuen-mull-auf-gehwegen-strasen-gewohnter-anblick-in-sao-paulo/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/21/katholisches-hilfswerk-adveniat-in-brasilien-land-der-vielen-milliardare-und-millionare-wie-es-kommt-das-in-deutschland-muhselig-spenden-fur-bedurftige-und-sozialprojekte-gesammelt-werden-obwohl-d/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/06/patria-amada-mae-gentil-miguel-srougi-zum-brasilianischen-unabhangigkeitstag-como-ser-feliz-se-estamos-no-70-lugar-no-indice-de-desenvolvimento-humano/

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“Terror-Rap statt Samba”:

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/terror-rap-statt-samba/763272.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/22/luis-antonio-pereira-silva-leiter-der-slum-pastoral-in-der-erzdiozese-rio-de-janeiro-gesichter-brasiliens/

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“Leute aus unserer Elite lassen sich hier in den Favelas nicht blicken, die wollen von all der Misere nichts wissen – erzählen aber überall in der Welt, daß es soetwas in Brasilien nicht gibt – besonders vor Fußball-WM und Olympischen Sommerspielen.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/01/brasiliens-erfolgreiche-auslandspropaganda-2009-uber-40-millionen-euro-investiert-laut-brasil-economico-enge-zusammenarbeit-mit-medien-europas/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/12/folter-ohne-ende-tortura-sem-fim-brasiliens-soziologiezeitschrift-sociologia-uber-folter-unter-der-lula-regierung/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/02/die-lula-regierung-war-bei-den-menschenrechten-eine-enttauschung-tim-cahill-brasilienexperte-von-amnesty-international-in-london-weiter-alltagliche-folter-todesschwadronen-sklavenarbeit-sc/

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Das Blutbad in den Tagen vor dem Adveniat-Gottesdienst: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/22/brasiliens-alltagliche-blutbader-sechs-jugendliche-in-belem-mit-genickschus-polizeimunition-ermordet-todesschwadronen-in-der-grosten-demokratie-lateinamerikas/

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Öffentliche Diskussion in Brasilien kurz vor der Adveniat-Messe: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/25/brasilien-das-ungesuhnte-carandiru-massaker-von-sao-paulo-medienkritik-an-neuem-elitepolizei-chef-polizeipraktiken-erinnern-an-nazistisches-deutschland-laut-landesmedien/

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http://www.bpb.de/publikationen/JU16H0,0,Vom_Umgang_mit_der_Diktaturvergangenheit.html

Brasiliens interessanter Qualitätsjournalismus:

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/05/18/matices-medien-staat-und-gesellschaft-in-lateinamerika-anklicken/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/07/tom-schimmeck-das-hat-in-deutschland-mit-dem-mauerfall-zu-tun/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/25/brasiliens-bischof-angelico-sandalo-bernardino-zur-politischen-krise-des-landes-zu-rechtsungleichheit-und-slums/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/06/28/brasiliens-kuriose-armutsgrenze-wer-umgerechnet-etwa-65-euro-verdient-gilt-nicht-mehr-als-arm/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/11/brasiliens-filmhit-tropa-de-elite-2-startet-in-den-us-kinos-konkurriert-um-oscar-unbequeme-realitat-dokumentarisch-umgesetzt-heutige-politiker-im-film-erkennbar/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/17/brasiliens-korruptionskrise-wegen-dilma-rousseffs-bemerkenswerter-mitarbeiterauswahl-befreiungstheologe-frei-betto-zur-korruption/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/11/ihr-konnt-nicht-gott-und-dem-geld-dienen-bischofliche-bruderlichkeitskampagne-2010-kritisiert-lulas-wirtschaftspolitik-radiospot-anklicken/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/23/bischof-luiz-flavio-cappio-in-deutschland-vor-weihnachten/

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Sao Paulos Slumpriester Aecio Cordeiro da Silva.

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/05/24/brasilien-wurde-unter-lula-rousseff-zum-auswanderungsland-bye-bye-brasil-sergio-costa-soziologie-professor-an-der-fu-berlin-bestatigt-die-entwicklung/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/07/odilo-scherer-deutschstammiger-kardinal-von-sao-paulo/

Petra Pfaller zu Folter unter Lula-Rousseff: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/12/brasilienes-wird-immer-noch-sehr-viel-gefoltertdeutsche-petra-pfaller-aus-der-katholischen-gefangenenseelsorge-brasiliens-2011-uber-die-menschenrechtslage-unter-lula-rousseff/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/24/brasiliens-fortdauernde-wirtschaftsflaute-boom-aus-mitteleuropaischer-sicht-industrie-rezessionsmonat-oktober-produktionsverlangsamung-seit-marz/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/16/helmut-schmidt-und-lula-lulas-sonderbeziehungen-zu-deutschland/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/12/buchkirchner-schuler-helfen-kindern-in-brasilien-spenden-fur-die-achtgroste-wirtschaftsnation-osterreichischer-gefangenenpriester-gunther-zgubic/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/08/15/brasilias-u-boot-geschaft-mit-paris-so-teuer-wie-zwei-jahre-anti-hunger-programmbolsa-familia-meldet-o-globo/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/05/10/lepra-kranke-in-leprakolonie-bei-sao-paulo/

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Brasiliens Kindersoldaten: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/22/brasiliens-kindersoldaten-junge-kinder-mit-waffen-die-einfach-anderre-kinder-erschossen-haben-die-sie-gerade-mal-schief-angeschaut-habenlesermail/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/25/padre-carlo-bianchi-aus-italien-und-maria-rodrigues-leiterin-der-kinderpastoral-im-armenviertel-vila-embratel-von-sao-luis-maranhao-gesichter-brasiliens/

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Leonardo Boff 2010 :“Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“  

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/03/01/spenden-fur-die-achtgroste-wirtschaftsnation-benefizkonzert-mit-dem-konig-der-bachtrompete-fur-strasenkinder-bei-sao-paulo/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/28/lulas-anti-hunger-programm-wird-just-zielgruppe-der-armen-und-verelendeten-finanziert-uber-absurd-hohe-indirekte-steuern-kritisiert-uno-programas-sao-financiados-pelas-mesmas-pessoas-que-pedem-o/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/05/peter-scholl-latour-uber-brasilien-vielfaltige-harmonie-der-rassen-mauricio-pestana-uber-das-rassistischste-land-der-erde-jurandir-freire-costa-uber-ethisch-moralische-schizophrenie-m/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/22/prof-dr-marcus-mazzari-prasident-der-goethe-gesellschaft-brasiliens-associacao-goethe-do-brasil-gesichter-brasiliens/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/29/brasiliens-neue-prasidentin-dilma-rousseff-raumt-erstmals-moglichen-bruch-des-wahlversprechens-ein-das-elend-im-lande-auszutilgen/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/24/sos-kinderdorfer-in-brasilien-unter-rousseff-lula-zahlreiche-hilfsprojekte-deutschlands-der-schweiz-und-osterreichs-in-boomland-global-player-rassismus-in-brasilien-mauricio-pestana-analysier/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/22/fabio-konder-comparato-wir-hatten-bis-heute-nie-demokratie-wir-leben-immer-unter-einem-oligarchischen-regime-menschenrechtsaktivist-rechtsprofessor-an-brasiliens-fuhrender-bundesuniversitat-us/

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Aktivisten der katholischen Basisgemeinde von Cachoeirinha. “Das ist gegen die Menschenwürde, so viele Leute in diesem Schlamm, diesem Moder hausen zu lassen. So viele Familien, mit vielen Kindern, leben hier nur in einem einzigen Hüttenraum, vor der Türöffnung hängt ein Lappen – so ist das. Die Mafia der Drogengangster ist hier sehr stark, die beobachten alles und jeden hier, das ist furchtbar. Wer jemanden aus dem Drogenmilieu, aus der Sucht rausholen will – also jemanden, der für deren Profit sorgt, da werden die böse, da wird man gnadenlos verfolgt. Die Polizei kommt und geht wieder – aber die Banditenkommandos bleiben, terrorisieren, zwingen den Bewohnern das Gesetz des Schweigens auf. Wer sich nicht unterwirft, weiß, was ihn erwartet. 2014 ist die Fußball-WM, da will man Brasilien als Land der Ersten Welt erscheinen lassen – aber hier an der Peripherie ist es nach wie vor triste. Die meist kinderreichen Familien haben monatlich nur so um die 200, 220 Real maximal. Doch im Ausland wird verbreitet, alles toll, alles gut in Brasilien. Wir merken, es ist schwierig, Menschen von außerhalb für diese Situation zu sensibilisieren, die das hier nicht kennen, es sich nicht vorstellen können. Wir haben unsere christlichen Kriterien, und wir haben Ausdauer – das macht den Unterschied. Denn entweder ist man Christ – oder ist mans nicht, halbe-halbe geht nicht.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/04/14/brasiliens-milliardare-die-x-formel-fur-reichtum-der-spiegel-hunger-misere-die-sicht-der-kirche-weil-brasiliens-superreiche-so-geizig-und-unsozial-sind-mussen-engagierte-spender-aus-mittele/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/24/kolpingfamilie-friedewald-hilft-brasilien-hersfelder-zeitung-kleiderspenden-fur-boomland-global-player-achtgroste-wirtschaftsnation/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/24/wo-wir-helfen-sos-kinderdorfer-in-brasilien-anklicken-die-kinder-in-brasilien-brauchen-ihre-hilfe-auslandspropaganda-und-realitat/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/10/keine-verringerung-der-sozialen-ungleichheit-unter-lula-regierung-laut-soziologe-chico-de-oliveira-mitgrunder-von-arbeiterparteipt-und-gewerkschaftsdachverband-cut/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/25/franziskaner-sao-paulos-verteilen-weihnachten-nahrungsmittel-an-tausende-von-armen-und-verelendeten/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/19/thyssenkrupp-in-rio-de-janeiro-neues-stahlwerk-wird-immer-teurer-laut-handelsblatt-lokale-militardiktatur-im-umfeld-laut-grunen-politiker-alfredo-sirkis-todesschwadronen-folter-scheiterhauf/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/11/brasilien-land-der-milliardare-wie-haust-eine-funfkopfige-obdachlosenfamilie-in-der-city-von-sao-paulo-familienpolitik-unter-der-regierung-von-prasidentin-dilma-rousseff-zuvor-chefministerin-unte/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/23/1400-euro-im-spendenkorberl-der-brasilienhilfe-kampf-des-vereins-das-elend-in-brasilien-zu-linderntraunsteiner-tagblatt-immer-mehr-milliardare-in-brasilien/

Elendsbeseitigung, Karikatur von Angeli: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/04/12/elendsbeseitigung-in-brasilien-karikatur-von-angeli-in-der-grosten-qualitatszeitung-des-landes-folha-de-sao-paulo-von-2011/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/10/20/brasiliens-burgerfreiheiten-uber-8o-prozent-veranderten-wegen-zunehmender-gewalt-und-kriminalitat-die-lebensgewohnheiten-54-prozent-verlassen-nachts-nicht-mehr-das-haus-laut-neuer-studie/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/01/campanha-lula-no-sus-youtube-anklicken-gabe-es-sus-in-den-usa-ware-das-gut-fur-die-armenlula/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/04/24/sebastiano-nicomedes-tiao-ex-obdachloser-stuckeschreiber-buchautor-einer-der-fuhrer-der-nationalen-obdachlosenbewegung-gesichter-brasiliens-obdachlosenvertreibung-und-fusball-wm-2014-olympisc/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/09/die-anti-hunger-hilfe-bolsa-familia-der-lula-regierung-die-aktuellen-daten-erlautert-von-pt-kongressenator-eduardo-suplicy-vor-obdachlosen-im-franziskanerkloster-sao-paulos/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/06/brasiliens-millionarsparlament-kongresabgeordnete-haben-ein-durchschnittsvermogen-von-umgerechnet-uber-einer-million-euro-viele-davon-aus-lulas-arbeiterpartei-pt/#more-6737

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/08/23/unesco-zeichnet-lula-in-paris-wegen-forderung-des-friedens-und-der-rechtsgleichheit-aus-preis-mit-150000-dollar-dotiert-jury-von-henry-kissinger-gefuhrt/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/05/07/bolsa-familia-fur-arme-geht-an-312000-tote-reiche-und-politiker-titelt-o-dia-was-ist-das-fur-ein-land-vergonha-no-bolsa-familia-bischof-luiz-cappio-bolsa-familia-ist-programm/

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Benedita Maria dos Anjos, die Gründerin der wild gewachsenen Favela Cachoeirinha. “In der reichsten Stadt Brasiliens solche Zustände – das schreit zum Himmel! Wir müssen weiterkämpfen.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/06/25/nine-most-horrible-places-in-the-world-favela-slums-von-rio-de-janeiro-aus-sicht-des-bric-staats-china-subkultur-von-umweltzerstorung-armut-und-gangstern-cubatao-bei-sao-paulo-an-sieb/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/20/crack-jugendpolitik-unter-lula-und-jose-serra-dunkelhautige-kinder-und-jugendliche-sind-crack-hauptkonsumenten/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/28/brasilien-nach-acht-jahren-lula-regierungwarum-hat-sao-paulo-noch-2627-slums-fragt-die-wichtigste-qualitatszeitung-o-estado-de-sao-paulo/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/10/11/offizielle-deutsch-brasilianische-beziehungen-der-mutige-evangelische-gefangnispastor-wolfgang-lauer-gravierende-menschenrechtsverletzungen-in-brasilienes-sind-einfach-die-okonomischen-die-polit/

”Es sind einfach die ökonomischen, die politischen Interessen, die zusammengehören – da gefährdet man nicht seine Beziehungen, indem man sozusagen den Brasilianern mal den Spiegel vorhält und sagt, ihr habt hier eine schöne Verfassung und schöne Gesetze – aber warum werden die nicht eingehalten?”

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/04/07/unsagliche-folterpraxis-in-brasilien-gunter-nooke-menschenrechtsbeauftragter-der-deutschen-bundesregierung-kritisiert-in-brasilien-folter-und-andere-menschenrechtsverletzungen-druck-ist-noti/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/21/brasilien-bau-des-milliardenteuren-atomkraftwerks-angra-3-bei-rio-de-janeiro-kommt-sehr-gut-voran-melden-landesmedien-deutsches-hilfswerk-adveniat-sammelt-spenden-fur-brasiliens-verelendete/

http://www.adveniat.de/blog/?p=969

Ansprache von Erzbischof Zollitsch zum Empfang vor Vertretern von Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Ansprache von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch zum Empfang des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vor Vertretern von Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am 27. November 2011 in São Paulo:

Eminenzen, sehr verehrter Herr Kardinal Scherer, sehr verehrter Herr Kardinal Hummes,
sehr verehrte Exzellenzen, liebe Mitbrüder,
sehr geehrter Herr Gouverneur Dr. Alckmin, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Kassab,
sehr geehrte Stellvertretende Bürgermeisterin, Frau Dr. Marco Antônio,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie zu diesem Empfang willkommen zu heißen.

Das Bischöfliche Hilfswerk Adveniat begeht in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass haben wir heute Morgen mit Kardinal Scherer die diesjährige Aktion in einem Armenviertel von São Paulo eröffnet. In der Favela Cachoeirinha leben zurzeit rund 70.000 Menschen. Es gibt bisher keine Kirche in diesem ständig weiter wachsenden Viertel. Deshalb fand der Eröffnungsgottesdienst auf einem provisorischen Fußballplatz statt. Mit der Wahl dieses Ortes wollten wir im Jubiläumsjahr von Adveniat ganz bewusst ein Zeichen setzen: Wir wollten diesen Gottesdienst dort feiern, wo Adveniat hilft, nämlich bei den Armen.
In den Tagen zuvor haben wir in Aparecida mit Bischöfen, Theologen und Kirchenvertretern aus ganz Lateinamerika und der Karibik über die aktuellen pastoralen Herausforderungen auf diesem so wunderschönen Subkontinent beraten. Dabei stand immer wieder das Abschlussdokument der Generalversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM im Jahr 2007 in Aparecida im Vordergrund. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Zustände in vielen Ländern Lateinamerikas beklagen die Bischöfe in diesem Dokument, dass die Ärmsten der Armen oft als „Müll der Gesellschaft“ angesehen werden – o lixo de sociedade. Drastischer kann man die reale soziale Ausgrenzung nicht beschreiben. Auch hier in São Paulo sind Arm und Reich dicht beieinander: Während es in den Favelas oft am Notwendigen fehlt, findet nur wenige Kilometer entfernt der „Große Preis von Brasilien“ statt. Das Abschlussrennen der Formel-1-Weltmeisterschaft 2011 wird sicher auch in Deutschland von vielen Fans am Fernsehschirm verfolgt. Doch die so unverbunden nebeneinander existierenden Lebenswelten der Reichen und der Armen gehören in der Perspektive des Glaubens unbedingt zusammen. Gott lässt eine solche extreme soziale Trennung in seiner Menschheitsfamilie nicht zu. Vielmehr hat er sich in Jesus Christus solidarisch mit den Armen und Entrechteten gezeigt. Sie sind es, die uns zur Umkehr aufrufen.

Die große Stadt São Paulo bildet in unserer Welt keine Ausnahme. Unter den Ländern, denen die Vereinten Nationen einen insgesamt hohen Entwicklungsstand attestieren, nimmt Brasilien neben Kolumbien einen traurigen Spitzenplatz ein: Die Ungleichheit bei den Einkommen ist weltweit nirgendwo höher als hierzulande. Diese konkret erfahrbare Ungerechtigkeit ist auch global gesehen eher die Regel als die Ausnahme. Wir leben in einer Welt, die durch die Gleichzeitigkeit von Geld und Macht auf der einen und von Not und Ohnmacht auf der anderen Seite geprägt ist.

Diese globale Ungerechtigkeit ist keinesfalls ein Schicksal, dem die Menschheit wie einer dunklen Macht ausgeliefert wäre. Vielmehr sind alle wirtschaftlichen Prozesse auch im Kontext der Globalisierung Menschenwerk. Sie sind zu analysieren, gegebenenfalls zu kritisieren und immer zu gestalten.

Schauen wir uns die Bilanz der globalen wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte an: Auf der Weltebene haben die Globalisierungsprozesse das wirtschaftliche Wachstum beschleunigt und den Wohlstand vermehrt, dabei aber enorme ökologische Probleme produziert. Es gibt in diesen Prozessen Gewinner und Verlierer, wobei sich das klassische Schema des Nord-Süd-Konflikts zunehmend auflöst. Einige Länder – vor allem in Asien und hier in Lateinamerika – konnten die neuen Bedingungen nutzen und gesamtgesellschaftliche Wohlstandsgewinne erzielen. In vielen Ländern Afrikas hat sich dagegen der Trend zur Abkoppelung vom Weltmarkt eher noch verstärkt und die Armut verfestigt. Gleichzeitig hat sich in vielen Ländern das nationale Sozialgefüge verändert, oft nimmt die soziale Kluft zwischen den gesellschaftlichen Schichten zu. Und auch in den traditionellen Industrieländern des Nordens wie in Deutschland geht die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung zunehmend auseinander.

Welche Orientierung kann die Kirche in dieser Lage anbieten? Welche Leitgedanken bringt sie in die internationale Debatte ein, wenn es um das Zusammenleben einer immer enger zusammenrückenden Menschheit, um die Gestaltung der Wirtschaft und um die Suche nach gerechteren Verhältnissen für die Vielen geht, denen das tägliche Brot verweigert ist? Die katholische Soziallehre weist hier auf den Begriff „ganzheitliche Entwicklung“ hin. Dieses Leitbild für die Entwicklung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse ist tief im christlichen Menschenbild verankert, aber prinzipiell auch jenen zugänglich, die einer anderen Religion oder Weltanschauung anhängen. Wir Christen glauben, dass jeder Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist. Wir sind als Geschöpf und Mit-Geschöpf auf die Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen hin ausgerichtet. Unser Leben entfaltet sich in diesem Beziehungsreichtum. Entwicklung wird in dieser Perspektive daher als die Entwicklung des ganzen Menschen in all seinen beziehungsrelevanten leiblichen und geistigen Dimensionen begriffen. Eine Entwicklung, die den Menschen auf seine ökonomische Bedeutung reduziert, wird dem christlichen Menschenbild ebenso wenig gerecht wie ein Entwicklungsmodell, welches den Besitz von Gütern über die Beziehungsfähigkeit des Menschen stellt. „Wahre Entwicklung“, so hat es Papst Johannes Paul II. ausgedrückt, „darf nicht in der bloßen Anhäufung von Reichtum und einem wachsenden Angebot von Gütern und Dienstleistungen bestehen, wenn dies nur auf Kosten der Unterentwicklung der Massen und ohne die geschuldete Rücksicht auf die soziale, kulturelle und geistige Dimension des Menschen erreicht wird“ (Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 9).

Die ganzheitliche Entwicklung des einzelnen Menschen ist nicht zu trennen von der Entwicklung aller Menschen. Was die unmittelbare Lebenswelt der Menschen betrifft, ist dies leicht einsichtig: Wir leben in Familien, Gruppen, Völkern und Nationen zusammen. Die Entwicklung der Einzelnen und der Gemeinschaften bzw. Gesellschaften bedingen sich wechselseitig. Diese Einsicht bezieht die Kirche ausdrücklich aber auch auf die Weltgesellschaft. Denn die ganzheitliche Entwicklung aller Menschen kann unter den heutigen Bedingungen nur gelingen, wenn sich die Völker als eine globale Gemeinschaft und nicht als Konkurrenten um die „Pole-Position“ verstehen.

Hier sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Zum Einen gebietet es das wohlverstandene Eigeninteresse der wohlhabenden wie der ärmeren Nationen, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden, die dem globalen Charakter heutiger Probleme Rechnung tragen. Das gemeinsame Interesse von Nord und Süd, Ost und West ist insofern zweifellos eine gute Grundlage und Antriebskraft für die Errichtung einer neuen internationalen Ordnung, die den Bedürfnissen aller Länder und aller Menschen besser gerecht wird als der heutige Zustand der Welt, dessen Krisenanfälligkeit und Zerbrechlichkeit die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich vor Augen geführt hat.

Zum Anderen kommen wir mit Blick auf das Weltgemeinwohl ohne wache Solidarität, die auch ein Moment von Selbstlosigkeit einschließt, nicht aus. Denn viele Menschen, die am Rande stehen, sind ökonomisch und gesellschaftlich für den besser gestellten Teil der Menschheit nicht von Bedeutung. Ihr Schicksal kommt im Interessenkalkül der Anderen nicht vor. Deshalb hält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 14 fest: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Dieser Grundsatz ist in Deutschland die verfassungsmäßige Basis für die Soziale Marktwirtschaft. Er entspringt einem Gesellschaftsverständnis, welches das Gemeinwohl nicht gegen die Individualinteressen ausspielt, sondern beide positiv zueinander in Beziehung setzt.

Wir Christen glauben, dass die Armen, ja dass gerade die Armen uns interessieren müssen. Denn wir sind überzeugt: Auch sie sind nach dem Bild Gottes geschaffen. Auch sie sind unsere Brüder und Schwestern in der einen Menschheitsfamilie. Und wir wissen: Jesus Christus hat sich den Armen in besonderer Weise zugewandt und uns darauf hingewiesen, dass wir ihm, unserem Herrn, in den Leidenden, Ausgestoßenen und Zu-kurz-Gekommenen begegnen. Die Kirche spricht hier von der vorrangigen Option für die Armen, die in ihrem Glauben grundgelegt ist. Es braucht, so scheint mir, solcher Art von Motivation, um den Kampf gegen die Armut und die Marginalisierung in unseren Ländern und in der Weltgesellschaft immer neu aufzunehmen und nicht der Resignation zu verfallen.

Was ist zu tun, um die Armut in der Welt wirksam zu bekämpfen? Vor allem bedarf es struktureller Veränderungen, die auf verschiedenen Ebenen ansetzen und, indem sie ineinander greifen, ihre volle Wirksamkeit entfalten:

Was in Ihrem Land erforderlich ist, können Sie, werte Damen und Herren, weit besser beurteilen als ich. Generell wird man sicher sagen dürfen, dass die Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit für alle, die Überwindung von Korruption und die Verbesserung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten, wesentliche Voraussetzungen für die Überwindung von Armut darstellen. Dazu gehört auch, dass gesellschaftlicher Reichtum so verteilt werden muss, dass alle – und gerade auch die Ärmsten – davon profitieren.

Auf der internationalen Ebene müssen Handel und Finanzen in eine tragfähige Ordnung eingebettet werden. Aus der Erfahrung Europas wissen wir: Marktwirtschaft ist kein naturwüchsiger Zustand. Sie bedarf eines politisch verantworteten Ordnungsrahmens, der verhindert, dass die im Markt wirkenden Kräfte über Kurz oder Lang die Existenzgrundlagen der Marktwirtschaft untergraben. Wie auf nationaler, so muss auch auf internationaler Ebene dieser Ordnungsrahmen so ausgestaltet sein, dass die wirtschaftlichen und sozialen Belange der Armen wirkungsvoll berücksichtigt werden und ihnen faire Chancen der Beteiligung eröffnet werden.

Erforderlich ist darüber hinaus aber auch eine Strukturbildung von unten, die die Armen in die Lage versetzt, das Leben in die eigene Hand zu nehmen und ihre Interessen eigenständig selbst zu vertreten. Die Förderung von Basisgesundheitsdiensten, von Bildung und Ausbildung, Kleinkreditprogramme und Gewerbeförderung, aber auch der Aufbau von wirtschaftlichen und politischen Selbstorganisationen der Armen tragen dazu bei, dass Marginalisierung überwunden und gesellschaftliche Integration ermöglicht wird. Auch als Kirche – im Norden wie im Süden – fühlen wir uns herausgefordert, auf vielfältige Weise solche Prozesse zu unterstützen und so einen Beitrag zum Gemeinwohl, national wie international, zu leisten.

Schließlich zeigt sich auch in dramatischer Weise, dass eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung nicht gelingen kann, wenn die Menschheit weiterhin Entwicklungspfade wählt, die den Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen als unvermeidliches Nebenprodukt achselzuckend in Kauf nehmen. Vor allem die klassischen Industrienationen, neuerdings und in zunehmendem Maße aber auch die Schwellenländer, verbrauchen die nicht nachwachsenden Rohstoffe in einem menschheitsgeschichtlich atemberaubenden Tempo – vielfach ohne zu wissen, was in absehbarer Zeit an die Stelle dieser Ressourcen treten könnte. Das Artensterben, die Zerstörung ökologisch wichtiger Landschaften und steigende Emissionen sind Zeichen einer auf Dauer nicht tragfähigen Entwicklung. Dazu tritt der Klimawandel, der vor allem jene Weltgegenden bedroht, deren Bewohner am wenigsten zum übermäßigen Ausstoß von CO2 und anderen Klimagasen beigetragen haben. Wenn die Menschheit eine gute Zukunft haben will, muss sie sich in anderer Weise als bisher dieser ökologischen Herausforderungen stellen. Man kann hier von einer dreifachen Verantwortung sprechen: 1.) der Verantwortung für die natürliche Umwelt, die der Mensch zwar nutzen, aber nicht verbrauchen darf; 2.) der Verantwortung für die Nachwelt, deren Lebensbedingungen vom ökologischen Erbe vorangegangener Generationen entscheidend mitbestimmt werden; und schließlich 3.) der Verantwortung für die globale menschliche Mitwelt, die zunehmend die ökologischen Konsequenzen einer nicht nachhaltigen Wirtschaftsweise zu spüren bekommt.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass allen voran die wohlhabenden Länder einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung der ökologischen Krise leisten. Die Sorge um die Umwelt und die Sorge um die Armen dürfen dabei nicht auseinanderfallen. Der Schutz der Armen und der Schutz unseres Planeten dürfen nicht als Gegensatz, sondern müssen als eine doppelte moralische Priorität der internationalen Politik begriffen werden. Die Bekämpfung der Armut muss einhergehen mit den Anstrengungen, den globalen Klimawandel abzuschwächen und darüber hinaus armen Ländern zu helfen, sich an die negativen Folgen klimatischer Veränderungen anzupassen.

Die katholische Kirche, Sie wissen es, ist Weltkirche. Als Kirche stellen wir uns deshalb auch überall auf der Welt einer gemeinsamen Verantwortung. Seien Sie gewiss: Wir mühen uns und werden uns weiter mühen, die Weisheit, die Erfahrungen und die moralische Kraft, die uns im Glauben zuwächst und über Kontinente hinweg verbindet, in den Dienst einer Entwicklung zu stellen, die jedem Menschen und allen Menschen zugute kommt. Wir wollen dabei helfen, Not und Ausbeutung zu überwinden und eine Weltgesellschaft aufzubauen, in der die Würde aller Menschen geachtet wird.

In der Favela von São Paulo

Eine Schnellstraße durchpflügt die Favelas von São Paulo. Hochhausbauten am Horizont, so weit das Auge reicht, zwischendurch ein wenig Grün, sonst Straßen, Brücken und Beton. Bevor wir am Sonntag die Eucharistie in einer der Favelas feiern, bin ich dort schon einmal zu Besuch. Der Erzbischof von São Paulo, Kardinal Odilo Scherer, nimmt mich herzlich in Empfang, um uns herum spielen die Kinder. Kardinal Scherer kennt einige von ihnen, segnet sie – ein kurzes Strahlen in den Kinderaugen, weil sie spüren, dass ihnen hier für einen Moment Aufmerksamkeit zuteil wird.

Die 16 Millionen-Einwohner-Metropole São Paulo kennt viel Glanz und viel Elend. Am Sonntag wird hier die Formel-1 gefahren, Tausende leben in parallelen Welten in bitterster Armut. Als wir von der Schnellstraße abbiegen, führt der Weg über holprige Straßen, die zu einer gefährlichen Piste werden, als es heftig zu regnen beginnt. Wild hat sich hier ein ganzer Stadtteil den Hügel hochgebaut. Müll liegt an den Straßenrändern und in dem kleinen Bach, der durch die Favela fließt. Wenig Elektrizität gibt es hier, aber viel Aussichtslosigkeit. Die zahlreichen Favelas unterscheiden sich fast nicht. Einige sind sicherer als die anderen. Dort herrschen Drogenkartelle, an anderer Stelle mafiöse Strukturen. Hier seien wir sicher – versichert man uns.

Wenn wir nicht zu den Ärmsten gehen, bleibt unsere Botschaft vom Evangelium leer – das verstehe ich heute Abend noch besser. Grau sind die Häuserfronten, unsicher die Blicke, die uns begegnen. Ein beklommenes Gefühl breitet sich in mir aus. Es ist weniger Angst als vielmehr die tiefe Betroffenheit über das Elend, das mir hier begegnet.

Während unser Wagen die Hügelkuppe erreicht hat, breitet sich unter uns das Lichtermeer von São Paulo aus, im Dunst des Abendhimmels. Manchmal gibt es Situationen, in denen mir die Worte fehlen. Eine solche Situation spüre ich, während wir wieder einmal im Rückwärtsgang fahren und den Verkehr vor uns vorbeilassen. Mein Blick fällt auf eine Mutter mit ihren vier Kindern, die am Straßenrand steht. Das Gebet aber hilft. Ich bin mir sicher: Diese Menschen schließe ich heute ganz bewusst mit in mein Gebet ein.

Erzbischof Dr. Robert Zollitsch

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“Krise bestens überstanden”: Eingang von Slumkate in Lateinamerikas reichster Stadt Sao Paulo. http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/01/bewohnerin-eines-der-uber-2000-slums-in-lateinamerikas-reichster-stadt-sao-paulo-gesichter-brasiliens/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/01/dilma-rouseff-siegesfeier-auf-der-avenida-paulista-in-sao-paulo-gesichter-brasiliens/

Brasilien auf UNO-Ranking für menschliche Entwicklung: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/04/brasilien-lula-wutend-wegen-platz-84-auf-uno-index-fur-menschliche-entwicklung-laut-landesmedien-lula-iradissimo/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/28/favelakinder-in-sao-paulo-gesichter-brasiliens/

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 29. November 2011 um 18:28 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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