Im Parlament befinden sich derzeit rund 1000 streikende Polizisten, Familienangehörige und Sympathisanten – Befürchtungen über ein Blutbad wurden geäußert.
Ausriß, Karikaturist Angeli.
Tourismus und Sicherheit in Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/09/das-menschenrecht-auf-personliche-sicherheit-unter-lula-die-deutsche-botschaft-in-brasilia-informiert/
Hintergrund:
Christliche Weihnachtskultur in Bahia – ein brasilianischer Komponist und Dirigent, ein deutscher Kirchenmusiker begründeten eine wundervolle Vorweihnachtstradition
Brasilien ist das größte katholische Land der Erde – und in Bahia, seinem afrikanischsten Teilstaat, weit größer als Deutschland, sind über achtzig Prozent der Bewohner schwarze Sklavennachfahren. In der wegen seiner Barockarchitektur weltbekannten Provinzhauptstadt Salvador da Bahia, Unesco-Kulturdenkmal der Menschheit, rechnet man etwa als europäischer Tourist daher auch jetzt zur Vorweihnachtszeit zuallererst mit afrobrasilianischer Kultur, feurigen Sambarhythmen. Und erlebt stattdessen auf den Altstadtplätzen der Stadt, in den Kirchen den ganzen Dezember täglich ein außergewöhnlich schönes, anrührendes Programm christlicher Weihnachtskultur, vollkommen gratis und kommerzfrei, organisiert von der Präfektur – einmalig in ganz Lateinamerika, und wie es aussieht, sogar weltweit einmalig, unübertroffen. Der brasilianische Komponist und Dirigent Keiler Rego und der deutsche Pfarrer und Kirchenmusiker Hans Bönisch haben in dieser Tropenstadt eine wundervolle Vorweihnachtstradition begründet.
“Rund zwölftausend Menschen kommen jeden Abend zu unserem Konzert – das muß man sich einmal vorstellen – ganz ohne Werbung. Sie kommen spontan, freuen sich schon seit Monaten darauf – und jedes Jahr werden es mehr.“
So sprudelt es schwelgerisch aus dem dunkelhäutigen Keiler Rego heraus – er sprüht vor Enthusiasmus, ist ein Idealist, begeistert von seiner Aufgabe – und natürlich von dem Riesenerfolg. Die Szenerie – allabendlich die berühmte Praca da Se mitten in der Altstadt von Salvador da Bahia, die Kathedrale, barocke Gebäude der Erzdiözese. In jedem Fenster zwei Kinder seines Chores aus Zehn-bis Dreizehnjährigen, insgesamt immerhin 210 – Keiler Rego mit dem Taktstock auf einem kleinen Turm mitten in der Menschenmenge. Scheinwerfer zaubern ein wohlabgestimmtes Farbenspiel an die Fassaden, heben immer wieder Kinder hervor, die ja nicht nur singen, sondern gemäß einer Choreographie auch brennende Kerzen, Tücher, Weihnachtssterne schwenken, sich rhythmisch bewegen, die Geschichte des Christkindes erzählen. Dieser Zauber, dieses ganz besondere Weihnachtsgefühl, fern von allem Kommerz – das so viele nur noch aus ihrer Kindheit kennen – hier erleben es die Menschen wieder, lassen sich davon anstecken, zeigen ihre Rührung, manchen steigen gar Tränen in die Augen.
“Das Publikum, doch auch die Kinder sind ganz ergriffen – ich spüre das genau, für mich als Dirigent ein wunderbarer Moment. Danach ist ja ein Künstler geradezu verrückt. Wir haben den Chor gegründet, um Kindern aus den Schwarzenghettos zu helfen. Alle bekommen Kleidung, jeden Monat ein großes Lebensmittelpaket für die ganze Familie – man merkt, wie ihr Selbstwertgefühl wächst. Alle lernen auch viel besser. Chorsingen stärkt das Gemeinschaftsgefühl, den Sinn für Zusammenarbeit, Brüderlichkeit – gegen den sonst auch in der Schule üblichen Konkurrenzdruck.“
Keiler Regos Chor singt nicht etwa ganz formal ein Lied nach dem anderen herunter – nein – der Maestro hat interessante Übergänge komponiert. Aber halt – sind das nicht Titel von großen Samba-und Bossa-Nova-Stars? Anders als in Deutschland, und dort beinahe undenkbar, hat die brasilianischen Popmusik sehr viele religiöse, christliche Bezüge, geht es sehr oft um Gott, um Jesus. Und deshalb singen Keiler Regos Kinder eben auch Lieder von Caetano Veloso, Roberto Carlos oder Gilberto Gil aus Bahia, derzeit Kulturminister in Brasilia. Und Stille Nacht, Heilige Nacht, ist in der portugiesischen Version hier genauso populär wie in Deutschland.
Außerdem täglich vor der Kathedrale Ballett, Theater, Konzerte jeder Art – Thema stets die Weihnachtsgeschichte. Und Brasiliens Primas Geraldo Majella zelebriert nachmittags vorweihnachtliche Gottesdienste unter freiem Himmel – die Weihnachtslieder mit dezenter afrobrasilianischer Trommelbegleitung, zum Schluß der Messe sogar ein religiöser Samba. Auch „O Tannenbaum“ ist unter Bahias Palmen zu hören.
“Hans Bönisch hat einen Barockchor, einfach wunderbar“
– lobt Keiler Rego dann seinen großen Kollegen, den deutschen Pfarrer und Kirchenmusiker Hans Bönisch, der nur Schritte entfernt in der Kathedrale oder in der berühmten Kirche des Heiligen Franziskus mit seinem Chor, seinem Orchester das Weihnachtsoratorium aufführt, außerdem täglich Orgelkonzerte gibt. Denn in Deutschland war Bönisch ein gefragter Organist, bis ihn der Primas von Brasilien in Würzburg besuchte, ihn einlud, in Bahia die völlig verschüttete Barockmusik wiederzubeleben, zu pflegen.
“ 92 bin ich hier angekommen, hatte gleich im Umzugsgepäck eine kleine Pfeifenorgel mit sechs Registern. Das war damals die kleinste Pfeifenorgel der Welt für viele Jahre. Und die habe ich dann sukzessive immer ein bißchen ausgebaut, je nach Spendenlage die zusammengekratzten Kröten eingesetzt. Ich habe vorgefunden überhaupt nichts. Die Leute kommen mit zwanzig zu mir, und haben außer Interesse und ner großen Begabung keine Ahnung, können keine Noten lesen, müssen erst lernen, mit ihrer Stimme umzugehen, das ist natürlich eine ganz schön harte Arbeit, muß man bei Null anfangen.“
Walter Dias, 24, lebt im schwarzen Slumviertel Liberdade, kannte zuvor nur Sambas, hörte noch nie klassische Musik.
“Bei mir hat alles mit dem Weihnachtsoratorium von Bach angefangen – da lauschte ich hier zum ersten Mal dieser Musik – und das gefiel mir dermaßen gut, daß ich seit 1996 dabei bin.“
Das Weihnachtsoratorium dirigiert Hans Bönisch jetzt alle paar Tage in der Riesenstadt, zählt rund 16000 Besucher jährlich – alle Aufführungen seines Kultur-und Sozialprojekts „Barocco na Bahia“ sind grundsätzlich gratis.
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