„Vermischt, claro! Vom Puren, Unverfälschten gibts nichts mehr!“ Ausriß.
Tags: , Brasiliens Politikstrukturen
Laut Analysen der Landesmedien gehen Parteien der sogenannten Linken problemlos Bündnisse mit Parteien der sogenannten Rechten ein, als sei es das natürlichlichste von der Welt – da sich die Unterschiede ideologisch längst verwischt hätten. Es fehle auch nur die geringste Treue zu Werten und Ideen. Angesichts des weitreichenden Parteienbündnisses der Regierungsbasis, von der konservativsten Rechten bis zu den Unterstützern der Landlosenbewegung MST, entfallen danach auf die Opposition lediglich 17,5 Prozent der Kongreßsitze.
http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html
Tags: Barack Obama, Frei Betto, Greenpeace, José Sarney, Letelier, Militärdiktatur, Putsch von 1973, Salvador Allende
Zeitungsausriß.
Brasiliens größte Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo” erinnert am Sonntag des Obama-Besuchs in einer politischen Analyse an die praktische Unterstützung der USA für den Militärputsch – durch Entsendung von Kriegsschiffen:”Ou quando mandou uma frota para auxiliar os golpistas de 1964, just in case.” Dilma Rousseff stand in Opposition zur Militärdiktatur, wurde damals zu ARENA-Zeiten eingesperrt und gefoltert.
Lula hatte die Einladung zu dem zu Ehren des Friedensnobelpreisträgers Obama gegebenen Essen abgelehnt, stimmt indessen dem Vernehmen nach in kontinuierlichen Telefonaten mit Dilma Rousseff bis ins Detail das politische Vorgehen ab.
In den Archiven des Weltkirchenrates in Genf lagern Dokumente der brasilianischen Kirche, die laut Brasiliens Medien für das Diktaturjahr 1970 von “Bürgerkrieg” und etwa 12000 politischen Gefangenen sprechen. Die Diktatur erlaubte dem Internationalen Roten Kreuz nicht den Zugang zu den Gefängnissen, Diktator Medici erklärte, es gebe keine politischen Gefangenen in Brasilien. 1971 wurde ein Appell an die UNO wegen der gravierenden Menschenrechtsverletzungen gerichtet. In den Dokumenten des Weltkirchenrates werden die sadistischen Foltertechniken detailliert beschrieben, Folter werde als politische Waffe angewendet. Die Zahl der Folterzentren wird mit 242 angegeben, weibliche Gefangene seien häufig vergewaltigt worden. Zu den Taktiken gehörte, Oppositionelle in Gegenwart ihrer Ehepartner, teils sogar ihrer Kinder zu foltern.
Üblich war zudem, besonders sadistisch gefolterte Regimegegner schließlich durch eine Giftinjektion zu töten, statt diese zu erschießen.
Chile, die Militärdiktatur, Salvador Allende, Letelier, der Obama-Besuch:
Brasiliens Landesmedien berichten, daß in Chile während des Obama-Besuchs die Diktaturproblematik anders behandelt wurde. Während der Obama-Pressekonferenz im Regierungssitz “Palacio de la Moneda” habe ein chilenischer Journalist gefragt, ob Obama und dessen Regierung bereit seien, sich für die Beteiligung am Militärputsch vom 11. September 1973 zu entschuldigen – und ob man bereit sei, bei den gerichtlichen Ermittlungen über Diktaturverbrechen zu kooperieren. Der chilenische Journalist habe bezeichnende Fälle erwähnt, darunter die Ermordung von Orlando Letelier, Außenminister von Salvador Allende, 1976 in Washington. Barack Obama habe sich auch angesichts derartiger öffentlicher Forderungen bereiterklärt, entsprechend jeglicher Bitte Chiles zusammenzuarbeiten. Obama habe indessen vermieden, um Entschuldigung zu bitten.
Anders als in Chile, wurde während Obamas Besuch in Brasilien das sehr heikle Diktatur-Thema nicht berührt, dem Vernehmen nach auch nicht von der militanten Diktaturgegnerin Dilma Rousseff. Während in Chile überhaupt die Möglichkeit geschaffen wurde, daß chilenische Journalisten direkte Fragen an Obama stellen, war in Brasilien eine solche Möglichkeit verhindert worden, gab es gar kein Zusammentreffen von Obama mit brasilianischen Journalisten. Die angesehene Journalistin und Kommentatorin Miriam Leitao äußerte sich daher zur Pressefreiheit und betonte in den Qualitätsmedien der größten Demokratie Lateinamerikas:”Der schwächste Punkt des Lateinamerika-Besuchs war die völlig fehlende Beziehung zur brasilianischen Presse.” Das Stellen heikler Fragen war daher nicht möglich.
In meinungsbildenden deutschen Analysen wird die brasilianische Regierung ausdrücklich als “progressiv” eingestuft.
Laut brasilianischen Medien wurde in Chile die wichtigste Protestmanifestation gegen den Obama-Besuch von Greenpeace veranstaltet.
Deutsche Welle:
“Keine Entschuldigung für US-Rolle während der Militärdiktaturen
Einer Forderung von chilenischen Parlamentariern, Menschenrechtsorganisationen, Studenten und sozialen Bewegungen, er solle sich für die Rolle seines Landes während der Militärdiktaturen in Lateinamerika und vor allem in Chile (1973-1990) offiziell entschuldigen, kam Obama nicht nach. “Ich kann für vergangene US-Politik nicht die Verantwortung übernehmen, nur für gegenwärtige und künftige”, so der US-Präsident.
In den 60er bis 80er Jahren hatten die USA politisch, logistisch und finanziell mehrere Militärputschs in lateinamerikanischen Staaten gegen demokratisch gewählte linksgerichtete Regierungen unterstützt. Während der Diktaturen wurden zehntausende Andersdenkende verfolgt, gefoltert und ermordet. Viele Militärs waren zuvor in der US-Militärakademie “School of Americas» in Panama ausgebildet worden. 1973 unterstützten die USA in Chile das Militär, als sie den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende stürzten.”
Brasilien, Vergangenheitsbewältigung: http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html
Clemens Schrage im “Spiegel” über Diktaturmethoden: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/23/clemens-schrage-in-brasilien-zur-diktaturzeit-gefoltert-torturen-einst-und-jetzt/
Mauricio Pestana, Herausgeber von Brasiliens Schwarzen-Zeitschrift “Raca Brasil” 2010:”Es gibt keinerlei Zweifel, daß im `demokratischen` Brasilien von heute schwarze Bürger mehr Opfer von Folter, Mord und Verschwindenlassen sind als in irgendeiner autoritären Epoche unserer Geschichte.”
Mauricio Pestana, Herausgeber der Schwarzenzeitschrift “Raca Brasil” im Website-Interview wenige Tage nach dem Obama-Besuch in Brasilien: “Ich saß im Opernhaus von Rio de Janeiro direkt vor Obama, nur etwa fünf Meter entfernt. Hätten wir einen großen nationalen Schwarzenführer, der den Willen der dunkelhäutigen Gemeinde ausdrückt – und hätte dieser mit Obama gesprochen, hätte er sich in Brasilien vielleicht zur Rassenfrage geäußert. In der brasilianischen Schwarzenbewegung war vor Obamas Ankunft allgemeine Hauptposition, daß der US-Präsident zur hiesigen Rassenproblematik Stellung beziehen muß. Die Rassismusfrage ist in der heutigen Welt schließlich gravierend. Ich persönlich bin indessen der Meinung, daß wir in Brasilien in dieser Beziehung erst einmal unsere Hausaufgaben machen müssen, bevor wir Forderungen an Obama stellen können. Ein Krieg, wie jetzt der Libyenkrieg, ist schlecht unter jedem Blickwinkel – wir dürfen nicht vergessen, daß dort in Libyen Zivilisten sterben. ”
Die brasilianische Schwarzenbewegung hatte versucht, über die neue Rousseff-Ministerin für Rassengleichheit, Luiza Bairros, Brasiliens Rassenproblematik auf die Agenda des Obama-Besuchs zu setzen. Wie Afropress meldete, habe man indessen von der Ministerin keinerlei Antwort erhalten. Zudem gebe es keinerlei Informationen über unabhängige Initiativen der brasilianischen Regierung in dieser Richtung.
Menschenrechte und soziale Situation in Teilstaat Maranhao des Sarney-Clans: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/24/trotz-des-anti-folter-gesetzes-wird-in-ganz-brasilien-weitergefoltert-nicht-selten-aus-sadistischem-vergnugen-am-foltern-cecilia-amin-castro-exekutivsekretarin-der-kommission-fur-gerechtigkeit/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1201698/
“Maranhao bei Folter an der Spitze” – bischöfliche Gefängnispastoral: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/12/die-folter-in-polizeiwachen-hat-in-ganz-brasilien-stark-zugenommen-gefangenenpriester-valdir-joao-silveira-die-anti-folter-konvention-wird-nicht-eingehalten-was-tut-denn-die-uno-damit-die-k/
Franziskaner-Erzbischof Belisario zur Lage in Maranhao: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/22/wir-leben-in-zeiten-in-denen-der-kapitalismus-die-liebe-zwischen-den-menschen-vernichtet-jose-belisario-da-silva-erzbischof-von-sao-luis-maranhao-zur-neuen-bruderlichkeitskampagne-der-katholi/
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/941885/
http://www.ila-web.de/brasilientexte/2007/ciasekten.htm
http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/02/memorial-da-resistencia-in-sao-paulo-goethe-institut/
Ausstellungsfoto – Rousseff, Sarney, Lula.
Brasilien und der Libyen-Krieg: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/22/brasilia-fur-stopp-der-attacken-auf-libyen-melden-landesmedien-offizielle-note-zugunsten-eines-waffenstillstands-von-verhandlungen-und-dipomatischer-losung/
Zeitungsausriß.
kaum Proteste, wirtschaftlich-kulturelle Vormachtstellung bestätigt
Für die Eliten der USA war die Visite ihres Repräsentanten in Lateinamerikas führender Wirtschaftsnation ein absoluter Erfolg. Ebenso wie in fast allen anderen lateinamerikanischen Ländern, sind die USA auch in der zehntgrößten Wirtschaftsnation Brasilien der mit Abstand größte Investor, zudem der wichtigste Handelspartner – von der unter Staatschef Lulas Amtsvorgänger Fernando Henrique Cardoso, Ehrendoktor der FU Berlin, stark forcierten Privatisierung von Staatsbetrieben profitierten vor allem US-Unternehmen. Diese kaufen auch unter Lula massiv brasilianische Unternehmen auf. US-Multis nahezu aller Branchen, darunter auch des Nahrungsmittelsektors, sind in Brasilien sehr stark präsent. Bereits ein oberflächlicher Blick auf das Straßenbild der Städte, auf die Produktpropaganda sowie das Angebot der Supermärkte und Shopping-Center bestätigt dies.
Lula und Bush unterschrieben ein Abkommen über die technologische Zusammenarbeit bei der Produktion von Ethanol als alternativem Kraftstoff, der in Brasilien bereits seit Jahrzehnten aus der Monokultur Zuckerrohr gewonnen wird. Aus beiden Staaten kommen derzeit 72 Prozent der weltweiten Ethanolproduktion. Lula sagte in Sao Paulo, die Partnerschaft zwischen den USA und Brasilien in diesem Bereich könne ein bedeutender Moment nicht nur für die internationale Autoindustrie, sondern für die gesamte Menschheit sein. Beide Seiten unterließen vorhersehbar jeglichen Hinweis auf die von Umweltexperten, aber auch der katholischen Kirche Brasiliens immer wieder betonten Negativwirkungen der brasilianischen Ethanolproduktion, darunter massive Umweltvernichtung, Regenwaldzerstörung, Sozialdumping, Sklaven-und Kinderarbeit.
Die auch von den deutschen Kirchen unterstützte Landlosenbewegung MST sowie die Bodenpastoral(CPT) der brasilianischen Bischofskonferenz haben sich klar gegen das Kooperationsabkommen ausgesprochen. Dadurch werde die Ausbreitung der schädlichen Monokultur Zuckerrohr weiter gefördert – zugunsten des Agrobusiness und des Exports. MST-Führer Joao Paulo Stedile sagte, auf Brasilien entfalle die üble Seite des Abkommens, also u.a. der Schaden für Natur und Umwelt. Laut Presseberichten bezeichnete Bischof Tomas Balduino, Präsident der Bodenpastoral, den Bush-Besuch als einen weiteren Versuch der Intervention in Lateinamerika. “Eine echte Agrarreform findet in Brasilien nicht statt – nun gibt es sogar die Aussicht auf eine Zerstörung der Landregionen.”
Lula, der Bush bereits einmal als seinen Companheiro bezeichnet hatte, demonstrierte bei der Visite ein weiteres Mal die Wertegemeinschaft mit dem US-Präsidenten. Brasiliens Befreiungstheologe und Dominikaner-Ordensbruder Frei Betto hatte kürzlich erklärt, Lulas Argumentation entspreche der von US-Präsident Bush und vielen Rechten:”Wer noch vom Ende der sozialen Ungleichheit oder von der Möglichkeit einer anderen Welt träumt, muß verrückt sein.” Waldemar Rossi, der zu den Führern von Brasiliens katholischer Arbeiterseelsorge gehört, definiert Lula als einen Konservativen.
All dies erklärt Lulas Popularität auch bei pseudoprogressiven Gruppierungen Deutschlands.
Erwartungsgemäß waren die öffentlichen Proteste in Brasilien gegen den Bush-Besuch nur sehr gering, reichten bei weitem nicht etwa an die Proteste gegen die Räumung des Ungdomshuset in Kopenhagen heran. Von “schweren Straßenschlachten”, wie teils gemeldet, konnte keine Rede sein. Eine echte antiamerikanische Stimmung existiert in Brasiliens stark entpolitisierter Bevölkerung nur in Spurenelementen. Mindestens die Hälfte der Brasilianer ist gemäß Studien konservativ bis rechts eingestellt, der Organisierungsgrad der Gesellschaft ist äußerst gering. Die USA sind in Brasilien sehr populär, deren Kultur, auch Alltagskultur wird geradezu angehimmelt, und massiv kopiert. In der über vierjährigen Amtszeit von Lulas Kulturminister Gilberto Gil wurde die Kultur des Tropenlandes weiter “entbrasilianisiert”, wurden auch die kommerziellen Megatrends der internationalen Musikkonzerne, vor allem jener der USA, deutlich favorisiert. Laut Dori Caymmi, der aus einer hochkarätigen brasilianischen Musikerfamilie stammt, agieren Gilberto Gil, aber auch Caetano Veloso als Paten, Förderer nordamerikanischer Trends. Dori Caymmi:”Hier in Brasilien wird doch alles aus den USA kopiert, unser Modell ist nordamerikanisch – die Fernsehprogramme, die Ideen, die Kleidung. Alles Neue kommt von dort. – und zwar sofort.” Gewaltvideos und Killerspiele geradezu in Massen.
Konrad-Adenauer-Stiftung: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/02/konrad-adenauer-stiftung-der-tod-von-sebastiao-bezerra-und-die-menschenrechte-in-brasilien/”
Deutschstämmiger Militärdiktator Ernesto Geisel und Willy Brandt, Ausriß.
Deutschstämmiger Kardinal Paulo Evaristo Arns:
http://das-blaettchen.de/2011/04/obama-in-brasilien-4185.html
« Brasiliens aktuelle Politik – 14 (!) Parteien gehören derzeit zum Regierungsbündnis von Staatschefin Dilma Rousseff. 21(!) Parteien sind im Nationalkongreß vertreten. – Atom-und Windenergie – seit jeher unternehmerisch in Deutschland eng verzahnt. »
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