Sao Paulos Gouverneur Geraldo Alckmin(PSDB) hat nach den fortdauernden öffentlichen Diskussionen um die Gewaltausbrüche bei der Virada Cultural erstmals betont, daß ganz Brasilien vor einer Drogen-Epidemie heimgesucht werde. Für dieses Problem sei einzig und allein die Zentralregierung verantwortlich. Heute gebe es keine brasilianische Stadt mehr ohne „Cracolandia“. Bei vielen Verbrechen seien die Täter unter Drogeneinfluß. Brasilien stehe beim Crack-Verbrauch weltweit an erster Stelle, bei Kokain an zweiter. Alckmin wies in diesem Zusammenhang auch auf die Verwendung von schweren Waffen durch das organisierte Verbrechen hin.
Nach dem Start der Lula-Rousseff-Regierung von 2003 war der Crack-Vertrieb zu einer boomenden Wachstumsbranche geworden und zu entsprechend massivem Drogenelend, starkem Anstieg der Drogentoten geführt – hatte das Politikmodell Brasilias aus Mitteleuropa entsprechend viel Lob erhalten. Zügige Gewaltförderung in Ländern wie Deutschland, Großbritannien und Schweden zeigt in jüngster Zeit immer häufiger die erwarteten Resultate.
Die schärfste Kritik an dieser Drogenpolitik und den damit verbundenen gravierenden sozialen Folgen war von der katholischen Kirche Brasiliens gekommen, die deshalb von interessierter Seite entsprechend attackiert wird. Papst Benedikt hatte 2007 bei einem Besuch in einem Rehabilitationsprojekt(Fazenda der Hoffnung) der katholischen Kirche bereits vor einer weiteren Ausbreitung des wirtschaftlich sehr lukrativen Drogenhandels gewarnt. Dieser konnte wegen der politischen Rahmenbedingungen indessen weiter stark zunehmen.
Im Juli 2013 wird Papst Franziskus daher erneut das Drogenproblem zu einem Schwerpunkt seiner Brasilienreise machen und ein Crack-Rehabilitationszentrum in einem Franziskanerkrankenhaus von Rio de Janeiro eröffnen.
Das weltweit auch politisch gut vernetzte organisierte Verbrechen steht den „Fazendas der Hoffnung“ der katholischen Kirche entsprechend feindselig gegenüber, Geistliche und andere Mitarbeiter werden nicht selten bedroht und verfolgt. In den brasilianischen Slums ist das Lebensrisiko für katholische Menschenrechtsaktivisten, die sich dem Drogenproblem widmen, am höchsten – während dort evangelikale Wunderheilersekten häufig direkt mit den Drogenbanden kooperieren, sogar Rauschgift und Waffen transportieren. Die brasilianischen Landesmedien berichten regelmäßig über die Verwicklung von Sekten-Geistlichen ins organisierte Verbrechen, entsprechende Verhaftungen – die mitteleuropäischen Medien indessen nicht. http://www.hart-brasilientexte.de/2012/07/16/wie-brasiliens-evangelikale-sekten-ihre-gesellschaftliche-prasenz-enorm-ubertreiben-jesusmarsch-organisatoren-feierten-2012-angebliche-funf-millionen-teilnehmer-obwohl-es-laut-qualitatsmedien-nur-3/
“Pfingstbewegung”: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/11/erst-bandit-und-gefurchteter-killer-dann-sektenpastor/
Ausriß – Crack-süchtige Schwangere, Sao Paulo. Kardinal Scherers Menschenrechtspriester Julio Lancelotti zur Drogenfrage: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/09/20/brasiliens-menschenrechtspriester-julio-lancelotti-aus-sao-paulo-das-elend-wurde-nicht-unter-lula-ausgetilgt-und-wird-auch-nicht-unter-dilma-rousseff-verschwinden-drogen-und-drogenhandel-zahlen/
Wie der renommierte Menschenrechtspadre im Website-Interview weiter sagte, befinden sich der Neoliberalismus und dessen Werte derzeit in einem starken Moment, leben wir in der Gegen-Kultur des Individualismus, nicht des Gemeinwohls und auch nicht der Menschenrechte. “Die rasch wachsenden Slums in Brasilien sind Resultat des Systems, in dem wir leben. Das Elend wird nur verschwinden, wenn man das weltweit herrschende neoliberale System ändert, dessen Logik zerbricht. Die großen Drogenbosse sind heute mit dem Bankensystem verquickt, dem es schlecht erginge, falls diese ihre Gelder abziehen würden.”
Koks und Globalisierung: http://www.ila-web.de/brasilientexte/koks.htm
70-jährige Mutter schläft im Klo, um nicht von Crack-süchtigem Sohn attackiert zu werden – Video: http://g1.globo.com/sp/sao-carlos-regiao/noticia/2013/05/mae-dorme-em-banheiro-para-evitar-agressao-de-filho-viciado-em-crack.html
Brasiliens soziale Phänomene – die sogenannte informelle Ausgangssperre: Ein Großteil der Straßen in der sehr dichtbesiedelten Megacity Sao Paulo ist nach Einbruch der Dunkelheit menschenleer – aus Angst vor Gewalt, Überfällen, Vergewaltigung bleiben die Menschen zuhause, gehen nur noch in dringenden Fällen auf die Straße. Dies gilt auch für andere große Städte. Der Gewaltfaktor bremst und kontrolliert damit Protestpotential – eine Mobilisierung für politische, soziale Aktivitäten fällt dadurch immer schwerer. Derartige Gesellschaftsmodelle mit einem großen Anteil an No-Go-Areas finden inzwischen auch in Mitteleuropa viel Anklang.
Kontrolle von Protestpotential heute: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
« Amnesty International – der neue Report für 2013 über Brasilien. „widespread use of torture“. Deutschlandjahr im Tropenland der gravierenden Menschenrechtsverletzungen. – Brasilien und Amnesty International: „Folter ist wie eine Pest im Land, Folter vergiftet die Qualität der Demokratie“, laut AI-Exekutivdirektor Atila Roque. »
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