Da Präsidentin Dilma Rousseff derzeit nur verlautbart, was man ähnlich oder gleich von ihr seit der Lula-Präsidentschaft kennt, der sie als Ministerin angehörte, bleibt das Gros der Demonstranten von derzeitigen Brasilia-Verlautbarungen unbeeindruckt. Unvergessen ist, wie Dilma Rousseff in den letzten Jahren selbst vor der UNO und in Europa just all dies über den grünen Klee lobte – u.a. die Lage im Gesundheits-und Bildungswesen, in öffentlicher Sicherheit etc. sowie angebliches Vorgehen gegen die Korruption – was derzeit von den Demonstranten am schärfsten kritisiert wird. Viele Brasilianer betonen, daß man Rousseff ausreichend Zeit gegeben habe, um zu zeigen, ob sie an echten sozialen Verbesserungen tatsächlich interessiert sei. Nun sei der Ruf der Straße „Weg mit Dilma“ entsprechend laut und deutlich.
Mitteleuropäische Propagandamedien, darunter pseudo-progressive, verbreiten unterdessen wieder ausführlich banalen Regierungs-Agitprop, während die Positionen der Demonstranten, tiefgründige Analysen der Lage von deren Führern, Organisationen und Parteien weiter kaum erwähnt werden. Natürlich fällt auch unter den Tisch, welche politischen Kräfte sich Rousseff fürs Regieren aussuchte, wie es um die gravierende Menschenrechtslage des Landes steht, – und was eigentlich jene angeblichen Mittelschichtsbrasilianer so monatlich ganz konkret verdienen, verglichen mit dem Preisniveau im Lande, dem in mitteleuropäischen Ländern wie Deutschland. http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/12/folter-ohne-ende-tortura-sem-fim-brasiliens-soziologiezeitschrift-sociologia-uber-folter-unter-der-lula-regierung/
Entsprechend wenig respektierlich sind die Sprechchöre des Menschenmeers in Sao Paulo:“ Eh-Dilma-vai tomando cú!“
Katholischer Bischof Milton Kenan Junior in Sao Paulo, Organisator zahlreicher Protestaktionen in den letzten Jahren, im Website-Interview:“Die große Plage dieses Landes ist die Korruption – Gelder die ins Gesundheits-und Bildungswesen, in den öffentlichen Transport fließen müßten, werden abgezweigt.“
Die Forderungen der derzeitigen Protestwelle sind aus den landesweiten befreiungstheologisch geprägten Protestaktionen der katholische Kirche in den letzten Jahren bestens bekannt – die allermeisten Demonstranten sind Katholiken. So war just 2012 die landesweite Brüderlichkeitskampagne der Bischofskonferenz dem prekären Gesundheitswesen des Landes gewidmet, forderte tiefgreifende Verbesserungen, stellte zahlreiche konkrete Forderungen. Die Brüderlichkeitskampagne 2011 konzentrierte sich auf Umweltzerstörung, schlechte Lebensbedingungen, darunter das prekäre Verkehrswesen Brasiliens. Bereits 2009 mobilisierte die katholische Kampagne für eine bessere öffentliche Sicherheit – derzeit erneut eine der Hauptforderungen. Der Kampf gegen die starke Staats-und Regierungskorruption war Hauptthema in allen Brüderlichkeitskampagnen der letzten Jahre. Üblich war, daß in-und ausländische Leitmedien über diese landesweiten Protestkampagnen nicht berichteten – die bekannten TV-Teams großer mitteleuropäischer Fernsehanstalten suchte man bei diesen Manifestationen, die nur zu oft Straßen und Autobahnen blockierten, vergebens.
Daraus erklärt sich auch, daß dem Mainstream die Vordenker, Führer, Organisatoren der Protestwelle nicht bekannt sind.
Die katholische Pastoral „Glaube und Politik“ der Erzdiözese Sao Paulo, die Teil der Protestbewegung ist, stellt in diesen Tagen eine Juni-Erklärung von Papst Franziskus heraus:“Die Christen müssen revolutionär sein“ – derzeit habe man eine grausame Gesellschaft, die keine Hoffnung biete.
„Was ist der wirkliche Treibstoff der Manifestationen?“ „Treibstoff ist der innere Haß, den die Menschen haben gegen die soziale Ungerechtigkeit.“ Filmemacher und Dramaturg Domingos Oliveira in „O Estado de Sao Paulo“, der Präsidentin Rousseff scharf kritisiert. „Sie sagte nicht, was gesagt werden müßte.“
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Filmemacher Padilha(45) argumentiert in Brasiliens größter Qualitätszeitung “Folha de Sao Paul”, daß die brasilianische Bevölkerung verschiedene Parasiten ernähre, “darunter eine korrupte politische Klasse und eine brutale Polizei. Fast die gesamt Staatsstruktur operiert in parasitärer Weise, raubt den Brasilianern einen bedeutenden Teil ihrer Arbeit und Energie, in Form von Korruption und exzessiver Steuerbelastung.”
Padilha bezieht sich mit seinem Parasiten-Vergleich ausdrücklich auf Regierung und politisch Klasse, der Dilma Rousseff jetzt rate:” Laßt uns jetzt die Demonstranten loben.”
Letzter Padilha-Film: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/08/tropa-de-elite-2-noch-dokumentarischer-als-der-berlinale-gewinner-landeskunde-pur-uber-das-heutige-brasilien/
Heikle Menschenrechtsfragen offenbar bewußt ausgeklammert.
„Der Rückschritt ist sehr gut geplant.“ Top-Kommentator Arnaldo Jabor, O Globo, zur politischen Struktur des heutigen Brasilien, angesichts der Massenproteste.
Konsumrausch mit umgerechnet 276 Euro monatlich? http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/20/boomland-brasilien-konsumrausch-mit-umgerechnet-276-euro-monatlich-viele-in-deutschland-recht-gut-verdienende-berufsgruppen-bekommen-in-brasilien-erstaunlich-wenig-selbst-mit-risikozuschlagen/
Ausriß: “Brasilien in Europa. Unser Gesundheitssystem funktioniert perfekt, ebenso wie unser Bildungswesen und das Verkehrssystem. Die öffentliche Sicherheit ist in perfektem Zustand und der Wirtschaft geht es gut…Ich meine, sie können auf unser Know-How zur Überwindung der Krise zählen!”
„Auch Dilma hat sich, ganz im Sinne ihres Vorgängers, der Sozialpolitik verschrieben.“ WeltTrends, Potsdam 2012
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http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/2153337/
Staat und Gewalt: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
Erstmals Proteste vor Lula-Wohnung: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/20/brasilien-proteste-demonstranten-erstmals-vor-dem-wohngebaude-von-lula-in-sao-bernardo-do-campo-nahe-sao-paulo/
Auffällig ist, wie häufig bei den Protestaktionen das langjährige politische Bündnis von Lula mit dem Diktaturaktivisten und Großunternehmer Maluf herausgestellt wird.
Ausriß, Qualitätszeitung Folha de Sao Paulo. “Jetzt verkauft Lula seine Seele dem Teufel wegen Maluf.” Sao Paulos Bürgermeister Haddad in der Mitte, zwischen Lula und Maluf.
In deutschsprachigen Medien wurde Lula von Partei-und Regierungsfunktionären häufig als „Hoffnungsträger der lateinamerikanischen Linken“ bezeichnet – obwohl die lateinamerikanische Linke dies völlig anders sah.
Offenbar sorgten politische Bündnisse dieser Art auch in Deutschland für viel Lob und Beifall u.a. aus Parteien sowie Alibi-NGO, darunter in der Latino-Szene, für Lula und seine Kerngruppe.
Auch Bonn hielt auf enge Kontakte zur Folterdiktatur: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/04/15/brasiliens-militardiktatur-uberlebende-von-verfolgung-und-folter-clarice-herzog-witwe-des-ermordeten-judischen-journalisten-vladimir-herzog-und-regimegegner-waldemar-rossi-heute-fuhrer-der-bisch/
Bundespräsident Joachim Gauck 2013 in Brasilien, “Wertegemeinschaft”: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/05/17/brasilien-historischer-besuch-des-deutschen-bundesprasidenten-joachim-gauck-im-tropenland-trotz-gravierender-menschenrechtslage-folter-todesschwadronen-gefangnis-horror-sklavenarbeit-etc-b/
Präsidentin Dilma Rousseff ist seit langem sehr unpopulär – was von brasilianischen Meinungsumfragen zur Popularität von Politikern zu halten ist, weiß in Brasilien jedermann.
“Dilma, wenn Gott Brasilianer ist, schämt er sich wegen Dir!!!” In deutschsprachigen Deppen-Medien heißt es, die Proteste richteten sich nicht gegen das Staatsoberhaupt Dilma Rousseff.
“Weg mit Dilma”.
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/20/brasiliens-landesweite-donnerstagsproteste-anklicken/
« Brasilien: Lula-Merda-Rap, anklicken. „Die Coca-Cola-Generation ist aufgewacht!“(Spruchbänder 2013) Sympathierate für Präsidentin Rousseff unter den Demonstranten von Sao Paulo nur bei 10 %, laut Umfragen von Privatmedien. – Brasilien-Systemkritikerproteste 2013: „Lediglich eine Maßnahme, um die Bevölkerung zu täuschen.“(Carlos Veloso, Ex-Minister des Obersten Gerichts) Reaktionen auf „Vorschläge“ von Präsidentin Dilma Rousseff nach den ersten Straßenprotesten. Scharfe Kritik von Protestorganisatoren an Rousseff nach Treffen im Präsidentenpalast. »
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