In Rio de Janeiro seit über 90 Tagen laut Polizei mindestens eine Protestaktion täglich. Im mitteleuropäischen Mainstream war indessen vom Abflauen der Proteste die Rede.
Wohnungslose kampieren in der City von Sao Paulo. http://www.hart-brasilientexte.de/2012/09/10/brasiliens-kontraste-wohnungsnot-in-sao-paulo-uberlebende-von-slum-grosbranden-sowie-vertriebene-hausbesetzer-kampieren-auf-der-strase/
Obdachlose Frau vor der Kathedrale von Sao Paulo, April 2013.
Hausbesetzervertreibung: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/21/hausbesetzervertreibung-unter-lula-400-wohnungslose-familien-kampieren-vor-stadtparlament-von-sao-paulo/
Kölner Städtepartnerschaft mit Rio de Janeiro – was in den offiziellen Erklärungen fehlte: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/16/koln-schliest-stadtepartnerschaft-mit-rio-de-janeiro-oberburgermeister-jurgen-roters-reiste-zum-zuckerhut/
tags: , , menschenrechtspriester julio lancelotti, wohnungsnot in brasilien unter lula-rousseff
“Brasilien verabschiedet sich von der Armut”. Die Welt 2013
Die Existenz von weit über 2600 Slums, das Heer der Obdachlosen in Lateinamerikas reichster Stadt Sao Paulo weisen auf den bemerkenswerten Umgang der Regierung mit dem Problem der Wohnungsnot in der achtgrößten Wirtschaftsnation hin. Unweit jenes Elite-Hospitals, in dem Lula derzeit wegen Krebs behandelt wird, kampieren jetzt vertriebene Hausbesetzer auf offener Straße, bei Hitze über 35 Grad, ohne jegliche staatliche Unterstützung. Wie der Sprecher der Vertriebenen im Website-Interview erläuterte, ließen sich bisher beispielsweise Vertreter von Lulas Arbeiterpartei PT oder anderer Parteien nicht blicken – Unterstützung komme lediglich von dem katholischen Menschenrechtspriester Julio Lancelotti. Militärpolizei sei nach der Räumung mit Tränengas gegen die kampierenden Hausbesetzer vorgegangen. Allein in der City von Sao Paulo gebe es zahlreiche seit Jahren leerstehende Gebäude mit Wohnungen für weit über 10000 Menschen. Der Sprecher erinnerte daran, daß seine Bewegung der Wohnungslosen vor Jahren auch von “Brot für die Welt” unterstützt worden sei.
http://pt.wikipedia.org/wiki/Frente_de_Luta_por_Moradia
Attacke auf die kampierenden Wohnungslosen: http://www.portalflm.com.br/noticias/inspetor-queiros-da-gcm-prometeu-violencia-e-cumpriu-mas-a-ocupacao-continua-feridos-foram-levados-para-santa-casa/2035
http://www.portalflm.com.br/categoria/noticias
Menschenrechtspriester Julio Lancelotti: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/05/26/julio-lancelotti-brasiliens-ausergewohnlicher-hochst-unbequemer-menschenrechtspriester-ziel-von-morddrohungen-prozessen-verleumdungen-psycho-terror-medienkampagnen/
Eines der zahlreichen, seit Jahren leerstehenden City-Gebäude Sao Paulos – angesichts von gravierender Wohnungsnot.
Tags: Brasiliens Hunger-und Elendsprobleme
Sao Paulo, 2012.
Laut Befreiungstheologe Frei Betto, Ex-Lula-Berater beim Anti-Hungerprogramm, liegt die Zahl der in extremer Armut, also in Hunger und Misere, lebenden Brasilianer, nicht wie offiziell angegeben, heute bei 16 Millionen, sondern ist doppelt so hoch. Nach derzeit geltendem mitteleuropäischen Werteverständnis hat damit die internationale Wirtschafts-und Finanzkrise, wie die Lula-Rousseff-Regierung verbreiten ließ, auf Brasilien nur geringe Auswirkungen gehabt.
Ausriß.
In Rio de Janeiro, WM-und Olympia-Stadt, haust laut amtlichen Angaben rund ein Viertel der Bewohner in Slums, landesweit nimmt die Wohndichte in den Favelas zu, wächst dort die Bewohnerzahl stärker als im Rest des Stadtgebiets. Gravierende Probleme bestehen dort weiter, hieß es in Medienanalysen. Slums seien in den reichsten Teilstaaten konzentriert. Die Geburtenrate der Favelas übersteige deutlich den Landesdurchschnitt.
tags: , mediensteuerung heute, schaubühne-regisseur thomas ostermeier-rio de janeiro, straßenproteste-brasilien
Thomas Ostermeier, künstlerischer Leiter der Schaubühne, nannte in dem O-Globo-Interview als Schwerpunkt, herauszufinden, wer die Spielregeln bestimmt – Wirtschaft oder Politik? “Das ist die wichtigste Frage unserer Zeit.” Davon ausgehend, könne man auch verwandte Themen wie die Fußball-WM oder die Olympischen Sommerspiele in Brasilien untersuchen, die auch den Streit zwischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Bevölkerung zeigen. “Aber am Schlimmsten ist, daß die Politik zu etwas Verfaultem geworden ist. Es gibt einen Graben, der die Menschen von den Politikern und der Politik trennt…Wir verlieren das Vertrauen in die Demokratie…Unsere `demokratische`Gesellschaft ist verfault, gibt nicht mehr die Möglichkeiten, die Wahrheit zu sagen.” http://www.schaubuehne.de/de/personen/thomas-ostermeier.html/ID_Taetigkeit=5
Brasilien und die Fußball-WM 2014 – Hintergrundtext von 2006. “WM-Kandidatur Idiotie und schlechter Witz angesichts gravierender sozialer Lage.”
Brasilien diskutiert über Pro und Contra der WM 2014 im eigenen Land(2006)
Die FIFA will die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 nach Südamerika vergeben – der dortige Regionalverband Conmebol ist für eine Alleinkandidatur Brasiliens. Staatschef Lula sagt, die Ausrichtung sei kein Problem, man habe alle Kompetenz, selbst wenn bisher kein einziges taugliches Stadion existiere. FIFA-Präsident Josepf Blatter betont, daß das Tropenland bisher nicht einmal Mindestvoraussetzungen erfüllt und Milliarden von Dollars investieren müßte. Blatter hätte daher nichts gegen eine gemeinsame Bewerbung der besser geeigneten Länder Argentinien und Chile. Doch auch in Brasilien selbst ist ein heftiger Streit über das Für und Wider einer WM-Ausrichtung im Gange.
Rodrigo Bueno aus Sao Paulo zählt zu den führenden brasilianischen Fußballexperten, hat während der WM in Deutschland für die auflagenstärkste Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“ sowie für einen TV-Sportkanal die Spiele kommentiert. Nach der Rückkehr trifft ihn wie üblich der Kulturschock – Bueno sieht die Slums, das Massenelend, Desorganisation und Gewalt, die ganze geballte Häßlichkeit des abgasvergifteten Betonmeers von Sao Paulo. Der Entwicklungsabstand zu Europa wird ständig und deutlich spürbar größer. “Wie die Brasilianer leiden, was sie tagtäglich ertragen müssen, macht mich traurig und unzufrieden. Oft wollte ich deshalb in ein europäisches Land auswandern. Ich habe das Gefühl, daß sich hier einfach nichts ändert – als ob wir noch am Nullpunkt wären. Verglichen damit, gibts in Europa nicht viel zu verbessern, ist doch fast alles perfekt und wunderbar. Auch Brasiliens Sport-Infrastruktur ist extrem zurückgeblieben. Ungelogen – wir haben kein einziges WM-taugliches Stadion. Alle unsere Fußballstadien wurden so geplant, daß sich eine möglichst große Menschenmasse wie Vieh hineinpferchen läßt. Für die WM 2014 müßte man alle diese Stadien sprengen und an die selbe Stelle sichere, moderne, zeitgemäße bauen – das wäre das einfachste.“
(Waldemar Rossi, Erzdiözese Sao Paulo, 2013: “Nach der Militärdiktatur wurde die Politik des gesellschaftlichen Ausschlusses fortgesetzt – was stets mit der Absenkung des Bildungsniveaus beginnt. Heute wird eine halbalphabetisierte Jugend fabriziert, die sich den Interessen des Systems unterwirft. Lula und Rousseff müßten, könnten dies zum Besseren verändern – doch Lulas Absicht war, um jeden Preis an die Macht zu kommen, keinen gesellschaftlichen Wandel im Lande zu fördern. Dilma Rousseff verfolgt unglücklicherweise die selbe Linie. Überall im Staatsapparat sehen wir Korruption, Brasilien ist kulturell zurückgeblieben. Die Lage ist gravierend. Rousseff hat Schuld an dem Megaskandal um Cachoeira. Die großen Unternehmen, ob Banken, Baufirmen oder Großgrundbesitzer, investierten massiv in Rousseffs Präsidentschaftswahlkampagne – über 100 Millionen Real – betrachteten dies als Investition, verlangen jetzt von Rousseff Gegenleistungen. Sie unterwirft sich diesen Interessen.”)
Fußballexperte Bueno hätte die Spiele gerne in Brasilien, wäre indessen strikt dagegen, wenn die Regierung dafür Steuergelder verwendete. Der große Pelè sieht es genauso. Für die WM, so sagt er, dürfe man nicht das Volk opfern. Zumal sich die allermeisten Brasilianer nie im Leben ein WM-Ticket leisten könnten. Für Bueno ist indessen ausgeschlossen, daß Brasiliens knausrige Privatwirtschaft die nötigen Mittel bereitstellt. “Die FIFA hat Rieseneinnahmen – damit sollten die neuen Stadien finanziert werden. Deutsche Unternehmen haben Brasilien für die WM 2014 Hilfe, Know-How angeboten. In München steht die Allianz-Arena – könnte man nicht zum Beispiel eine Lufthansa-Arena, eine Bayer-Arena in Sao Paulo bauen?“
–reaktionäre Präfekturen halten infantile, uneffiziente Verkehrsstruktur aufrecht–
Der Sportreporter fährt gerne Fahrrad, zählt in Sao Paulo zu den ganz wenigen, die sich wagemutig ins Verkehrschaos trauen, sich zwischen den Autos hindurchschlängeln. Fahrradwege wie in Deutschland, Junge und Alte, die sich wie in Berlin oder München überall bequem mit dem Rad fortbewegen? Natürlich Fehlanzeige – reaktionäre, brutale, rücksichtslose Stadtverwaltungen verhindern all dies nach wie vor. Selbst die elitäre Spitzenfunktionärin von Lulas Arbeiterpartei, Marta Suplicy, weigerte sich während ihrer Amtszeit als Präfektin Sao Paulos, die von Umweltschützern geforderten Fahrradwege anzulegen. Klare Absicht ist, den Auto-Individualverkehr, den Absatz der Automultis zu begünstigen. Und seit Jahrzehnten systematisch zu verhindern, daß die Masse der Armen mit dem Fahrrad in der Megacity ein billiges, praktisches Fortbewegungsmittel hätte. Für die WM 2014 wäre auch der Transport ein Riesenproblem. “Die ausländischen Fans müßten sich auf einiges gefaßt machen“, sagt Bueno. „Zwischen den Spielorten käme nur der Flieger in Frage. Wunderschöne Autobahnen wie in Deutschland haben wir nicht – und nicht mal Schienenverkehr. Total absurd, daß zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo keine Züge mehr fahren, nur Busse. Die Regierung müßte in die Bahn investieren, das wäre auch gut fürs Volk. Generell befürchte ich, daß bei einer WM 2014 in Brasilien Unmengen von Geldern abgezweigt würden, wir leben hier in einer Korruptionskultur. Ich vertraue da weder in die Politiker noch in den Chef unseres nationalen Fußballverbands.“
Brasilien hatte ein relativ gut ausgebautes Bahnnetz, sogar Straßenbahnen in Städten wie Rio und Sao Paulo. Um die Automultis zu favorisieren, wurde vom Staat ein Großteil der Strecken stillgelegt, erreicht man von Sao Paulo aus die Küste nicht mehr mit der Bahn, sondern muß sich in enge, unbequeme VW-oder Mercedes-Busse zwängen, die nur zu oft im Stau steckenbleiben. Den Brasilianern wurde allen Ernstes eingeredet, Schiene sei Rückschritt, Bus und PKW Fortschritt. Brasilianische Touristen stellen dann in der Schweiz und Deutschland überrascht fest, wie wichtig dort Tram und Bahn sind.
–WM-Kriminalität—
Und die Sicherheit bei einer WM 2014? In Brasilien werden jährlich mehr Menschen als im Irakkrieg getötet, Sao Paulo leidet derzeit unter Terroranschlägen des größten nationalen Verbrechersyndikats PCC. In Städten wie Rio de Janeiro, wo seit dem Beginn der Aggression gegen den Irak immer mehr beteiligte US-Soldaten an Nobelstränden wie Ipanema “Fronturlaub” machen, nehmen bewaffnete Raubüberfälle von Banden auf Passanten, Autofahrer zu. “Die Attacken des PCC begannen vor der WM, Gangsterboß Marcola unterbrach den Terror aber während der Spiele“, gibt Bueno zu bedenken. „Bei großen internationalen Veranstaltungen in Rio de Janeiro gab es stets einen Waffenstillstand mit den Banditen. Ich denke, bei einer Fußball-WM wäre es genau so.“
Rodrigo Bueno gibt sich trotz aller Probleme optimistisch. Auf der Straße, doch auch auf den nationalen Internetseiten nennen viele Brasilianer die WM-Kandidatur angesichts der gravierenden sozialen Lage einen schlechten Witz, gar eine Idiotie. Brasilien werde sich vor aller Welt lächerlich machen. Üblich sei in den großen Stadien, nicht die numerierten Sitzplätze zu respektieren, sondern sich gemäß dem Recht des Stärkeren einfach hinzusetzen, wo man wolle. Immer wieder gebe es nach Spielen Schießereien zwischen Fanclubs, würden dabei regelmäßig Menschen ermordet. Im berühmten Maracana-Stadion von Rio halte regelmäßig martialische Kavallerie der Militärpolizei die Fußballfans in Schach, schlage mit Säbeln und Hartholzknüppeln zu, schreibt die „Folha de Sao Paulo“. Spiele würden für einfache, friedliche Fußballfreunde daher zum „Inferno“. „Brasilien will eine WM austragen, aber ist nicht einmal fähig, ein Spiel für nur etwa vierzigtausend Zuschauer zu organisieren.“
« Brasilien, Deutschlands Leitmedium, Uraltwahrheiten: BRASILIANISCHE GANGSTER DROHEN ZUR FUSSBALL-WM 2014 „Das wird eine Weltmeisterschaft des Terrors!“ Brasiliens Medien beklagen schwachen Fremdenverkehr. „Fiasko des Tourismus – fehlende Sicherheit, schlechte Infrastruktur.“ – Der Energiewende-Bluff:“Die Förderung der erneuerbaren Energien ist eine Torheit.“ Josef Joffe in der „Zeit“ mit Uraltwahrheiten. „Gerecht ist die Sache nicht, effizient auch nicht. Der Teufel im Netz heißt Grundlast. Für die müssen Gigawatt an konventioneller Kapazität vorgehalten werden für den Fall, dass die Sonne (so oft) nicht scheint, der Wind abflaut.“ Schaubühne-Regisseur Thomas Ostermeier in Rio. »
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