In Analysen der Qualitätsmedien wird u.a. die Frage gestellt, warum die Polizei bei jüngsten Straßenprotesten wie in Rio de Janeiro und Sao Paulo nur eine unbedeutende Zahl militanter Demonstranten der „Black blocs“ festnahm. In Sao Paulo wurde bereits beobachtet, daß Offiziere der Militärpolizei unerfahrenen jugendlichen Protestierern beibrachten, wie man effizient demonstriert, sich gut sichtbar postiert etc. An den Tagen der jüngsten Straßenproteste hatte auch die Militär-und Zivilpolizei nicht zum erstenmal systemkritisch demonstriert.
In Rio de Janeiro seit über 90 Tagen laut Polizei mindestens eine Protestaktion täglich. Im mitteleuropäischen Mainstream war indessen vom Abflauen der Proteste die Rede.
Brasiliens viele vor Juni 2013 in Mitteleuropa nicht “wahrgenommene” landesweite Proteste: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/05/01/brasiliens-1-mai-2012-waldemar-rossi-fuhrer-der-bischoflichen-arbeiterseelsorge-der-erzdiozese-sao-paulos-predigt-in-der-kathedrale-beim-arbeitergottesdienst/
Unter Sao Paulos Kunstmuseum MASP stellt sich der lokale Black Bloc der Presse vor. Brasiliens Presse schreibt, daß die “Taktik des Black Bloc” in Deutschland in den 80er Jahren entstanden sei.
Laut Sozialwissenschaftlern diene nach Darstellung der „Black blocs“ die „symbolische, theatralische Gewalt“ dazu, die Gesellschaft zum Nachdenken über die Notwendigkeit einer Änderung des Systems zu bringen. Ein Randalierer, Vandale sei der Staat, der u.a. die Leute stundenlang in der Schlange vor den Krankenhäusern warten lasse. Als Mitglieder der Black blocs wurden u.a. junge Menschen zwischen 17 und 25 benannt, die der unteren Mittelschicht angehören, arbeiten, studieren.
Wie es weiter hieß, widmeten die Massenmedien derzeit den Black blocs sehr viel Aufmerksamkeit – während über die Mordrate an der Slumperipherie oder die Zahl der Verkehrstoten nur wenig gesprochen werde.
Auffällig ist, daß sich die Führung der seit über zwei Monaten andauernden Lehrerstreiks von Rio de Janeiro hinter die Black blocs stellt.
Mitteleuropäische Medienberichte über Brasiliens Straßenproteste wirken zunehmend realitätsfremder.
Mitteleuropäische Alibi-NGO verheddern sich derzeit auf kuriose Weise: Jahrelang hatte man den Propagandisten für die Lula-Rousseff-Regierung und die Arbeiterpartei gespielt, gravierende Menschenrechtsverletzungen und die ausufernde Korruption verschwiegen, der Regierung großartige Erfolge u.a. im Sozialen bescheinigt – und steht nun vor der schwierigen Aufgabe, der verstörten NGO-Anhängerschaft angesichts der fortdauernden Systemkritikerproteste und gravierenden Menschenrechtsprobleme irgendwie erklären zu müssen, daß die Fakten-und Datenlage ganz anders war – und ist, als immer behauptet. Das führt zu bizarren rhetorischen Verrenkungen auch mancher NGO-Funktionäre, Parteifunktionäre.
“Während sie dich ausrauben, schreist du Tooor!”
“Die Centavos zurückzukriegen, ist uns gelungen. Jetzt fehlen noch die Milliarden. Schluß mit der Korruption!”
Kölner Städtepartnerschaft mit Rio de Janeiro – was in den offiziellen Erklärungen fehlte: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/16/koln-schliest-stadtepartnerschaft-mit-rio-de-janeiro-oberburgermeister-jurgen-roters-reiste-zum-zuckerhut/
Ermittler-und Gefängniswärter-Kundgebung in Sao Paulo, Avenida Paulista, Kunstmuseum MASP: “Wurdest du schon ausgeraubt? Dann müßtest du unseren Kampf verstehen. Die Polizei.”
Regisseur Thomas Ostermeier: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/16/schaubuhne-regisseur-thomas-ostermeier-in-rio-de-janeiro-oktober-2013-wahrend-der-strasenprotesteam-schlimmsten-ist-das-die-politik-zu-etwas-verfaultem-geworden-isto-globo/
Brasiliens Umweltpolitik heute – immer weniger Grün in den Städten: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/05/20/rio20-brasiliens-megacity-sao-paulo-hat-offiziell-26-quadratmeter-grunflache-pro-einwohner-berlin-mitte-21-quadratmeter-munchen-338-quadratmeter/
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Thomas Ostermeier, künstlerischer Leiter der Schaubühne, nannte in dem O-Globo-Interview als Schwerpunkt, herauszufinden, wer die Spielregeln bestimmt – Wirtschaft oder Politik? “Das ist die wichtigste Frage unserer Zeit.” Davon ausgehend, könne man auch verwandte Themen wie die Fußball-WM oder die Olympischen Sommerspiele in Brasilien untersuchen, die auch den Streit zwischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Bevölkerung zeigen. “Aber am Schlimmsten ist, daß die Politik zu etwas Verfaultem geworden ist. Es gibt einen Graben, der die Menschen von den Politikern und der Politik trennt…Wir verlieren das Vertrauen in die Demokratie…Unsere `demokratische`Gesellschaft ist verfault, gibt nicht mehr die Möglichkeiten, die Wahrheit zu sagen.” http://www.schaubuehne.de/de/personen/thomas-ostermeier.html/ID_Taetigkeit=5
Brasilien und die Fußball-WM 2014 – Hintergrundtext von 2006. “WM-Kandidatur Idiotie und schlechter Witz angesichts gravierender sozialer Lage.”
Brasilien diskutiert über Pro und Contra der WM 2014 im eigenen Land(2006)
Die FIFA will die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 nach Südamerika vergeben – der dortige Regionalverband Conmebol ist für eine Alleinkandidatur Brasiliens. Staatschef Lula sagt, die Ausrichtung sei kein Problem, man habe alle Kompetenz, selbst wenn bisher kein einziges taugliches Stadion existiere. FIFA-Präsident Josepf Blatter betont, daß das Tropenland bisher nicht einmal Mindestvoraussetzungen erfüllt und Milliarden von Dollars investieren müßte. Blatter hätte daher nichts gegen eine gemeinsame Bewerbung der besser geeigneten Länder Argentinien und Chile. Doch auch in Brasilien selbst ist ein heftiger Streit über das Für und Wider einer WM-Ausrichtung im Gange.
Rodrigo Bueno aus Sao Paulo zählt zu den führenden brasilianischen Fußballexperten, hat während der WM in Deutschland für die auflagenstärkste Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“ sowie für einen TV-Sportkanal die Spiele kommentiert. Nach der Rückkehr trifft ihn wie üblich der Kulturschock – Bueno sieht die Slums, das Massenelend, Desorganisation und Gewalt, die ganze geballte Häßlichkeit des abgasvergifteten Betonmeers von Sao Paulo. Der Entwicklungsabstand zu Europa wird ständig und deutlich spürbar größer. “Wie die Brasilianer leiden, was sie tagtäglich ertragen müssen, macht mich traurig und unzufrieden. Oft wollte ich deshalb in ein europäisches Land auswandern. Ich habe das Gefühl, daß sich hier einfach nichts ändert – als ob wir noch am Nullpunkt wären. Verglichen damit, gibts in Europa nicht viel zu verbessern, ist doch fast alles perfekt und wunderbar. Auch Brasiliens Sport-Infrastruktur ist extrem zurückgeblieben. Ungelogen – wir haben kein einziges WM-taugliches Stadion. Alle unsere Fußballstadien wurden so geplant, daß sich eine möglichst große Menschenmasse wie Vieh hineinpferchen läßt. Für die WM 2014 müßte man alle diese Stadien sprengen und an die selbe Stelle sichere, moderne, zeitgemäße bauen – das wäre das einfachste.“
(Waldemar Rossi, Erzdiözese Sao Paulo, 2013: “Nach der Militärdiktatur wurde die Politik des gesellschaftlichen Ausschlusses fortgesetzt – was stets mit der Absenkung des Bildungsniveaus beginnt. Heute wird eine halbalphabetisierte Jugend fabriziert, die sich den Interessen des Systems unterwirft. Lula und Rousseff müßten, könnten dies zum Besseren verändern – doch Lulas Absicht war, um jeden Preis an die Macht zu kommen, keinen gesellschaftlichen Wandel im Lande zu fördern. Dilma Rousseff verfolgt unglücklicherweise die selbe Linie. Überall im Staatsapparat sehen wir Korruption, Brasilien ist kulturell zurückgeblieben. Die Lage ist gravierend. Rousseff hat Schuld an dem Megaskandal um Cachoeira. Die großen Unternehmen, ob Banken, Baufirmen oder Großgrundbesitzer, investierten massiv in Rousseffs Präsidentschaftswahlkampagne – über 100 Millionen Real – betrachteten dies als Investition, verlangen jetzt von Rousseff Gegenleistungen. Sie unterwirft sich diesen Interessen.”)
Fußballexperte Bueno hätte die Spiele gerne in Brasilien, wäre indessen strikt dagegen, wenn die Regierung dafür Steuergelder verwendete. Der große Pelè sieht es genauso. Für die WM, so sagt er, dürfe man nicht das Volk opfern. Zumal sich die allermeisten Brasilianer nie im Leben ein WM-Ticket leisten könnten. Für Bueno ist indessen ausgeschlossen, daß Brasiliens knausrige Privatwirtschaft die nötigen Mittel bereitstellt. “Die FIFA hat Rieseneinnahmen – damit sollten die neuen Stadien finanziert werden. Deutsche Unternehmen haben Brasilien für die WM 2014 Hilfe, Know-How angeboten. In München steht die Allianz-Arena – könnte man nicht zum Beispiel eine Lufthansa-Arena, eine Bayer-Arena in Sao Paulo bauen?“
–reaktionäre Präfekturen halten infantile, uneffiziente Verkehrsstruktur aufrecht–
Der Sportreporter fährt gerne Fahrrad, zählt in Sao Paulo zu den ganz wenigen, die sich wagemutig ins Verkehrschaos trauen, sich zwischen den Autos hindurchschlängeln. Fahrradwege wie in Deutschland, Junge und Alte, die sich wie in Berlin oder München überall bequem mit dem Rad fortbewegen? Natürlich Fehlanzeige – reaktionäre, brutale, rücksichtslose Stadtverwaltungen verhindern all dies nach wie vor. Selbst die elitäre Spitzenfunktionärin von Lulas Arbeiterpartei, Marta Suplicy, weigerte sich während ihrer Amtszeit als Präfektin Sao Paulos, die von Umweltschützern geforderten Fahrradwege anzulegen. Klare Absicht ist, den Auto-Individualverkehr, den Absatz der Automultis zu begünstigen. Und seit Jahrzehnten systematisch zu verhindern, daß die Masse der Armen mit dem Fahrrad in der Megacity ein billiges, praktisches Fortbewegungsmittel hätte. Für die WM 2014 wäre auch der Transport ein Riesenproblem. “Die ausländischen Fans müßten sich auf einiges gefaßt machen“, sagt Bueno. „Zwischen den Spielorten käme nur der Flieger in Frage. Wunderschöne Autobahnen wie in Deutschland haben wir nicht – und nicht mal Schienenverkehr. Total absurd, daß zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo keine Züge mehr fahren, nur Busse. Die Regierung müßte in die Bahn investieren, das wäre auch gut fürs Volk. Generell befürchte ich, daß bei einer WM 2014 in Brasilien Unmengen von Geldern abgezweigt würden, wir leben hier in einer Korruptionskultur. Ich vertraue da weder in die Politiker noch in den Chef unseres nationalen Fußballverbands.“
Brasilien hatte ein relativ gut ausgebautes Bahnnetz, sogar Straßenbahnen in Städten wie Rio und Sao Paulo. Um die Automultis zu favorisieren, wurde vom Staat ein Großteil der Strecken stillgelegt, erreicht man von Sao Paulo aus die Küste nicht mehr mit der Bahn, sondern muß sich in enge, unbequeme VW-oder Mercedes-Busse zwängen, die nur zu oft im Stau steckenbleiben. Den Brasilianern wurde allen Ernstes eingeredet, Schiene sei Rückschritt, Bus und PKW Fortschritt. Brasilianische Touristen stellen dann in der Schweiz und Deutschland überrascht fest, wie wichtig dort Tram und Bahn sind.
–WM-Kriminalität—
Und die Sicherheit bei einer WM 2014? In Brasilien werden jährlich mehr Menschen als im Irakkrieg getötet, Sao Paulo leidet derzeit unter Terroranschlägen des größten nationalen Verbrechersyndikats PCC. In Städten wie Rio de Janeiro, wo seit dem Beginn der Aggression gegen den Irak immer mehr beteiligte US-Soldaten an Nobelstränden wie Ipanema “Fronturlaub” machen, nehmen bewaffnete Raubüberfälle von Banden auf Passanten, Autofahrer zu. “Die Attacken des PCC begannen vor der WM, Gangsterboß Marcola unterbrach den Terror aber während der Spiele“, gibt Bueno zu bedenken. „Bei großen internationalen Veranstaltungen in Rio de Janeiro gab es stets einen Waffenstillstand mit den Banditen. Ich denke, bei einer Fußball-WM wäre es genau so.“
Rodrigo Bueno gibt sich trotz aller Probleme optimistisch. Auf der Straße, doch auch auf den nationalen Internetseiten nennen viele Brasilianer die WM-Kandidatur angesichts der gravierenden sozialen Lage einen schlechten Witz, gar eine Idiotie. Brasilien werde sich vor aller Welt lächerlich machen. Üblich sei in den großen Stadien, nicht die numerierten Sitzplätze zu respektieren, sondern sich gemäß dem Recht des Stärkeren einfach hinzusetzen, wo man wolle. Immer wieder gebe es nach Spielen Schießereien zwischen Fanclubs, würden dabei regelmäßig Menschen ermordet. Im berühmten Maracana-Stadion von Rio halte regelmäßig martialische Kavallerie der Militärpolizei die Fußballfans in Schach, schlage mit Säbeln und Hartholzknüppeln zu, schreibt die „Folha de Sao Paulo“. Spiele würden für einfache, friedliche Fußballfreunde daher zum „Inferno“. „Brasilien will eine WM austragen, aber ist nicht einmal fähig, ein Spiel für nur etwa vierzigtausend Zuschauer zu organisieren.“
« Brasilien nach der NSA-Ausspionieraffäre: Engere militärische Zusammenarbeit mit Rußland, Waffenkäufe, laut Landesmedien. Möglicher Ankauf von Kampfjets Sukhoi. – Brasilien, Deutschlands Leitmedium, Uraltwahrheiten: BRASILIANISCHE GANGSTER DROHEN ZUR FUSSBALL-WM 2014 „Das wird eine Weltmeisterschaft des Terrors!“ Brasiliens Medien beklagen schwachen Fremdenverkehr. „Fiasko des Tourismus – fehlende Sicherheit, schlechte Infrastruktur.“ »
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