Paulo Sergio Pinheiro, Leiter der brasilianischen Wahrheitskommission zur Aufklärung der Diktaturverbrechen, Chef der UNO-Syrien-Kommission, hat in Brasiliens größter Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“ die Zustände in den Haftanstalten unter Dilma Rousseff scharf verurteilt, Parallelen zur Militärdiktatur gezogen. Brasiliens Gefängnisse seien überfüllt, dreckig, infiziert durch ansteckende Krankheiten. Es fehlten die minimalsten Bedingungen für eine menschenwürdige Existenz, was der demokratische Staat eigentlich zu garantieren hätte. Pinheiro erinnert an die Rebellion von 2010 in Maranhao, mit mindestens 18 Todesopfern. In den Haftanstalten von Maranhao existiere ein “Ambiente des Horrors, der barbarischen Verbrechen” – es werde geköpft, Augen würden herausgerissen. Politisch hauptverantwortlich seien die obersten Autoritäten. Vor deren Augen habe sich die Lage bereits 2012 zugespitzt. “Die Mehrzahl der Gefängnisse in Brasilien ist ein Attentat auf die Menschenwürde. Ein halbes Jahrhundert nach dem Militärputsch von 1964 und der Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung kann man Maßnahmen gegen dieses Diktaturerbe nicht länger aufschieben.”
Diktaturopfer – getötete Regimegegnerin, Foto von kirchlichen Menschenrechtsaktivisten.
“Vom Umgang mit der Diktaturvergangenheit” – Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn: http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html
Website-Interviewpartner Paulo Sergio Pinheiro in Sao Paulo bei Anhörung über grauenhaftes Foltern von Frauen während der Militärdiktatur.
In der Hölle hinter Gittern: http://www.welt-sichten.org/artikel/221/der-hoelle-hinter-gittern
Wie die brasilianische Militärdiktatur Frauen folterte: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/03/26/brasiliens-komplizierte-vergangenheitsbewaltigung-maria-amelia-de-almeida-teles-grauenhaft-gefolterte-regimegnerin-heute-mitglied-der-wahrheitskommission-des-teilstaats-sao-paulo-zur-aufklarung-der/
Joachim Gauck im Mai 2013: ”Und zweitens ist der weitere Erfolg Brasiliens auch deswegen für uns eine Chance, da Brasilien unsere Werte – Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit – teilt und seine wirtschaftliche Potenz in den Dienst auch dieser Werte stellt.”
Padre Valdir Joao Silveira, Leiter der katholischen Gefangenenseelsorge, erläutert gegenüber den nationalen TV-Sendern die weiterhin gravierende Situation in den brasilianischen Gefängnissen. Auffällig, welche Mikrophone/Kameras bekannter mitteleuropäischer TV-Anstalten bei derartigen Anlässen stets fehlen, seit vielen Jahren. Weilen mitteleuropäische Spitzenpolitiker in Brasilien, treffen sie den anerkannten kirchlichen Menschenrechtsaktivisten, seine deutsche Stellvertreterin Petra Pfaller, natürlich nicht…
Padre Valdir prangert an, daß er und die weiblichen und männlichen Mitarbeiter der Gefangenenseelsorge bei Besuchen von Haftanstalten absurd und einschüchternd kontrolliert werden, sich u.a. nackt ausziehen müssen.
Bezeichnend ist, wie auf der jüngsten Frankfurter Buchmesse – Gastland Brasilien – verhindert wurde, daß die gravierende Menschenrechtslage unter Staatschefin Dilma Rousseff debattiert wurde – die Experten, zahlreiche kritische brasilianische Autoren, waren schließlich in Frankfurt anwesend.
Auffällig ist zudem, welche mitteleuropäischen Spitzenpolitiker bei jüngsten Brasilienbesuchen zur grauenhaften Menschenrechtslage nicht Stellung nahmen.
Ausriß, “Filmclub Maranhao”, Januar 2014.
Ausriß.
Außenminister Westerwelle:
Brasilien ist mit seiner Lebendigkeit, Kreativität und kulturellen Vielfalt ein ungemein inspirierender Partner, der gleichzeitig durch Exzellenz in Wirtschaft und Wissenschaft besticht. Guido Westerwelle, FDP 2013
„Erbe der Militärdiktatur“ – wer das Regime aktiv unterstützte. Fotoserie mit Helmut Schmidt, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß, Hans Filbinger etc. :
Bonner Parteistiftungen von CDU und SPD – und das Folterregime Brasiliens: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/01/01/brasiliens-militardiktatur-und-bonns-politische-stiftungen-unter-welchen-folterdiktatoren-sie-ins-tropenland-kamen-mit-dem-regime-kooperierten/
Ausriß, Folterdiktator Ernesto Geisel mit Willy Brandt und Chiles Diktator Pinochet.
Ausriß, Diktator Geisel und Helmut Schmidt im Bonner Bundeskanzleramt.
Ausriß, Diktator Ernesto Geisel und Bundespräsident Walter Scheel(FDP). “Die Reise war ein großer Erfolg.”(Scheel zu Geisel beim Abschied, Geisel weist besonders auf den Atomvertrag). Der Diktator des nazistisch-antisemitisch orientierten Militärregimes hatte u.a. den Chef seines Militärkabinetts, Brigadegeneral Gustavo Rego Reis, mitgebracht. Scheel zeichnete den Folterdiktator mit dem Großkreuz zum Bundesverdienstorden der Sonderklasse aus.
“Die Toleranz ist das Grundprinzip der brasilianischen Rassendemokratie. Konflikte friedlich zu lösen, ist alte Tradition in ihrem Land.”(Scheel in Ansprache)
Wer damals keinen Besuch von hochrangigen deutschen Besuchern wie Willy Brandt und Helmut Schmidt bekam: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/14/parabens-dom-paulo-evaristo-arns-der-deutschstammige-kardinal-sao-paulos-ist-90-hochengagiert-im-kampf-gegen-das-militarregime-der-foltergenerale1964-1985-wer-mit-den-diktatoren-eng-kooperierte/
Die Macht der Berichterstattungsbestimmungen: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/14/frankfurter-buchmesse-2013-gastland-brasilien-die-macht-der-berichterstattungsvorschriften-systemkritische-autoren-geschickt-ausgebremst-gravierende-menschenrechtsprobleme-systematische-folter/
Ausriß – Diktaturaktivist José Sarney, Chef des Sarney-Clans von Maranhao, Dilma Rousseff und Lula.
Website-Texte über die Lage in dem 2014 von der UNO angeprangerten Teilstaat Maranhao: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/08/gefangenenaufstand-unter-dilma-rousseff-bisher-keine-unabhangige-untersuchungskommission-eingesetzt-nur-angaben-der-militarpolizei-relikt-der-militardiktatur-brasiliens/
http://www.youtube.com/watch?v=yQep0iMXKd4
Ausriß: Die total überfüllte Haftzelle, der abgerissene Kopf – weitere drei Köpfe an anderen Gitterstäben. Viel Lob aus Mitteleuropa für Sozialpolitik Brasilias, strategischer Partner Berlins.
Website-Interviews mit katholischen Geistlichen, katholischen Menschenrechtsaktivisten in Maranhao: Brasilianische Systemkritikerin Cecilia Amin Castro: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/24/trotz-des-anti-folter-gesetzes-wird-in-ganz-brasilien-weitergefoltert-nicht-selten-aus-sadistischem-vergnugen-am-foltern-cecilia-amin-castro-exekutivsekretarin-der-kommission-fur-gerechtigkeit/
Franziskaner-Erzbischof José Belisario da Silva, in seiner Residenz von Sao Luis, beim Website-Interview.
Franziskaner- Erzbischof José Belisario da Silva: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/22/wir-leben-in-zeiten-in-denen-der-kapitalismus-die-liebe-zwischen-den-menschen-vernichtet-jose-belisario-da-silva-erzbischof-von-sao-luis-maranhao-zur-neuen-bruderlichkeitskampagne-der-katholi/
Deutsche Comboni-Missionarin aus Dresden: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/03/11/barbara-ludewig-aus-dresden-comboni-missionarin-mit-einer-brasilianischen-projektmitarbeiterin-im-armenviertel-vila-embratel-von-sao-luis-maranhao-gesichter-brasiliens/
http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/28/jean-ziegler-regelmasig-bin-ich-in-sao-luis-brasilien/
Hintergrund von 2011:
Brasiliens neue Staatspräsidentin, zuvor Lulas Chefministerin, verschont die Nation bisher mit dem vom Ziehvater gewohnten Schwall aus Propagandareden – dafür haben es die politischen Ereignisse in sich.
Der angesehene kirchliche Menschenrechtsanwalt Sebastiao Bezerra da Silva wurde sadistisch gefoltert und ermordet – auch in den acht Regierungsjahren zuvor war das Verfolgen von Menschenrechtsaktivisten normal. Silva ermittelte gegen die landesweit aktiven, von Staatsangestellten geleiteten Todesschwadronen, gegen folternde Militärpolizisten und bekam deshalb Morddrohungen. Im archaischen nordöstlichen Teilstaat Maranhao, der laut Kirchenangaben bei Gefängnis-Folter an der Spitze steht, kam es zur ersten Häftlingsrevolte unter Rousseff – sechs Männer wurden getötet, Fotos der abgeschlagenen Köpfe waren in den Regionalzeitungen zu sehen. Maranhao wird von Gouverneurin Roseane Sarney regiert, die mit Dilma Rousseff befreundet ist, und bei nettem privaten Beisammensein mit ihr zur Laute allerlei populäre Liebeslieder sang. Eine unabhängige Untersuchungskommission zum Häftlingsaufstand gibt es nicht, Brasilia reichen die Angaben der Militärpolizei – ein Relikt der Militärdiktatur. Der Teilstaat ist zudem Herrschaftsgebiet des Oligarchen José Sarney, der einst die Folterdiktatorenpartei ARENA führte – und heute als Senatspräsident den brasilianischen Nationalkongress. Mit ihm, dem hochwichtigen politischen Bündnispartner, feierte Dilma Rousseff ihren Wahlsieg – auch das spricht Bände.
Auch die neue Menschenrechtsministerin Maria do Rosario beschreibt – wie ihr Vorgänger – die größte lateinamerikanische Demokratie als Folterstaat, nennt Torturen in total überfüllten Gefängnissen und selbst in psychiatrischen Anstalten ein „gravierendes nationales Problem“. Als Dilma Rousseff noch zuständige Chefministerin war, hatten derartige Eingeständnisse allerdings keinerlei praktische Bedeutung. Gleiches gilt für den jetzt auf der Berlinale gezeigten sozialkritischen Streifen „Tropa de Elite 2“, der Brasiliens bedrückende Menschenrechtslage eindrücklich abbildet. Wie im Vorgängerfilm, der 2008 den Goldenen Bären gewann, gibt es wieder eine der für Rio de Janeiro typischen Scheiterhaufenszenen – weder Lula noch Rousseff haben sich jemals zu dieser in den Slums unweit des neuen ThyssenKrupp-Stahlwerks gängigen Hinrichtungs-und Einschüchterungspraxis geäußert.
Wie es sich gehört, hat Brasilien als vielgelobte Demokratie und strategischer Partner auch der Berliner Regierung natürlich die UNO-Menschenrechtsabkommen unterzeichnet. Von möglichen Sofortmaßnahmen der Rousseff-Regierung zwecks Umsetzung ist aber nichts bekannt. Dafür erfährt man aus einer jetzt veröffentlichten Studie, was sich unter dem Gespann Lula-Rousseff noch so entwickelte. Bei Tötungen durch Schusswaffen liegt Brasilien weltweit an der Spitze – und von drei Ermordeten sind zwei schwarz. Der Soziologe Julio Waiselfisz, dessen Team die Studie erarbeitete, spricht von „Merkmalen der Ausrottung, Vernichtung“ und von fehlender öffentlicher Sicherheit für die arme, mehrheitlich schwarze Bevölkerung. Mit der öffentlichen Sicherheit passiere dasselbe wie bei Bildung, Gesundheit, Sozialversicherung – es werde privatisiert. „Wer kann, zahlt für privaten Sicherheitsdienst. Die Schwarzen gehören zu den Ärmsten, leben in Risikozonen und können nicht zahlen.“
Laut unvollständigen Statistiken werden in Brasilien jährlich immerhin etwa 55.000 Menschen ermordet. Die UNICEF ergänzt: Bei Morden an 15-bis 19-Jährigen liegt Brasilien weltweit an der Spitze, 38 Prozent der brasilianischen Jugendlichen leben in Armut und Misere. Die Rousseff-Regierung sollte daher in Programme für Gesundheit, Bildung und Sicherheit investieren, die sich gezielt an die 33 Millionen Heranwachsenden zwischen 10 und 19 Jahren richten. Aber irgendwie scheint Brasilia gar nicht so gut bei Kasse zu sein, wie Lula unter Hinweis auf angeblich fette Devisenreserven stets verkündete. Als die hausgemachte Erdrutsch-Umweltkatastrophe im Januar bei Rio de Janeiro rund tausend Todesopfer forderte – etwa 500 Menschen werden noch vermisst – fehlte es den Rettungsmannschaften arg an Mitteln und Ausrüstung, weil zuvor beim Katastrophenschutz extrem gespart worden war. Als Präsidentin Rousseff die Region besuchte, wurde sie mit ihren eigenen Fehlleistungen aus der Zeit als Chefministerin direkt konfrontiert. Das großflächige Abholzen und Bebauen von Steilhang-Risikozonen war erlaubt und wurde sogar gefördert– doch nun bettelt Rousseff gar die Weltbank um einen Milliardenkredit an, damit Slumbewohner aus entsprechenden Zonen umgesiedelt werden können. Bereits 2008 wurde die Region von einer solchen Umweltkatastrophe heimgesucht – und der Lula-Regierung vorgerechnet, für Präventivmaßnahmen nur 12 Prozent (!) der vorgesehenen Haushaltsmittel investiert zu haben. Sogar die UNO wirft Lula vor, bereits 2005 ein Katastrophenwarnsystem versprochen zu haben, das aber immer noch nicht funktioniere.
Um 2010 Rousseffs Wahlsieg zu garantieren, wurden die Regierungsausgaben, darunter für Propaganda, stark erhöht. Derzeit werden sie, notgedrungen, drastisch zurückgefahren, denn die Sozialbewegungen protestieren heftig, weil Präsidentin Rousseff die Anhebung des Mindestlohns deutlich unter der kräftigen Teuerungsrate hielt. Die umgerechnet etwa 248 Euro brutto monatlich passen schwerlich zu den erneuten Versprechen, nun aber wirklich Hunger und Misere auszutilgen. Das Mindestsalär bekommen laut offiziellen Angaben 29,1 Millionen registriert oder unregistriert Beschäftigte sowie 18,6 Millionen Sozialversicherte, darunter zwei von drei Rentnern. Doch ein Großteil der unregistriert, ohne Arbeitsvertrag und rechtliche Absicherung Beschäftigten hat deutlich geringere Einkünfte – in einem Land mit inzwischen oft deutlich höheren Preisen als in Deutschland, gerade bei Grundnahrungsmitteln als in Deutschland – und in einer Phase schmerzhafter Preisanstiege.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das Phänomen, dass Gewerkschaften inzwischen sogar Rechtsparteien applaudieren, weil die einen höheren Mindestlohn vorschlugen. Zugleich wird an die enormen Diätenerhöhungen der Kongresspolitiker sowie an das Einkommen von „Working Class Hero“ Lula erinnert. Seit Januar bekommt er monatlich allein als Ehrenpräsident der Arbeiterpartei umgerechnet rund 6.000 Euro, dazu die satten Bezüge als Ex-Staatschef. Zudem erhält er seit seinem 51. Lebensjahr eine Entschädigung von 1.900 Euro monatlich, weil er 31 Tage in Diktatur-Haft saß. Als ihm jetzt ein Unternehmen für einen Vortrag 100.000 Dollar Honorar anbot, lehnte Lula laut Landesmedien ab – entweder 200.000 Dollar oder kein Vortrag. Da bietet sich ein Vergleich mit den Hilfen des Anti-Hunger-Programms „Bolsa Familia“ an – denn 42 Prozent der Empfänger, also 5,3 Millionen Menschen, leben gemäß neuen Studien nach wie vor im Elend. Zwischen 14 und maximal 105 Euro werden monatlich ausbezahlt – pro Familie wohlgemerkt, meist sind sie kinderreich. Die Möglichkeit, Elend und Hunger unter den Bezugsempfängern rasch durch eine angemessene Hilfe zu beseitigen, werde nicht einmal erwogen, empören sich Kommentatoren. Die Regierung kürzt jetzt stattdessen sogar die Gelder eines Hausbauprogramms für die Unterschicht fast um die Hälfte.
Im Zuge des Rousseff-Starts erfuhr man auch, wie Brasilien heute kulturell tickt. Nach der Umweltkatastrophe erklärte die Präsidentin für mehrere Tage Staatstrauer, der Teilstaat Rio de Janeiro sogar für eine ganze Woche – doch selbst am Zuckerhut gingen die Vorkarnevalsfeste der Sambaschulen und andere karnevalistische Aktivitäten auf vollen Touren weiter. Renommierte Therapeuten und Sozialwissenschaftler haben auf diesen befremdlichen Umgang mit Tragödien aufmerksam gemacht. Andererseits – beim Kulturexport kommt das Riesenland laut UNO-Daten nur auf 0,2 Prozent des Weltvolumens, liegt auf Platz 26, gleichauf mit Rumänien. Zum Rousseff-Start verließ der Komponist und Dirigent John Neschling nach 14 Jahren frustriert das Land in Richtung Schweiz. Er hatte das völlig unbedeutende Sinfonieorchester Sao Paulos zu einem international anerkannten aufgebaut, wurde jedoch von der reaktionären Teilstaatsregierung gefeuert. Beim Weggang verwies er auf fehlende Kulturpolitik, eine paralysierende und unsensible Staatsbürokratie, brutalen Umgang mit Kulturgütern. Neschlings Rückkehr nach Europa ist symptomatisch, ein schmerzhafter Verlust für Brasilien.
Der politische Pakt von Lula mit José Sarney, Aktivist der nazistisch-antisemitisch orientierten Militärdiktatur: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/02/03/jose-sarney-ex-diktaturaktivist-chef-der-regimepartei-arena-ist-neuer-prasident-des-brasilianischen-nationalkongresses-lula-erfreut/
Chico Whitaker, Weltsozialforum-Mitgründer, Träger des Alternativen Nobelpreises, katholischer
Menschenrechtsaktivist, im Website-Exklusivinterview:”Nichts verändern zu wollen, das ist das Drama hier. Die archaischen Oligarchien bleiben fortbestehen, bleiben am Ruder – Lula schloß Pakte mit Sarney und ACM, das ist schlimmer als Prinzipienverrat. Für mich ist geradezu ein Verbrechen, daß die Lula-Regierung mit übelsten, reaktionärsten Figuren und Parteien paktiert, ihnen das politische Überleben, eine starke Position garantiert.”
Nicht zufällig hat daher Lula auch bei Latino-NGO bestimmter Couleur sehr viel Sympathie.
Wohnungsnot in Brasilien nimmt massiv zu – Serie von Besetzungen durch arbeitslose Familien in Millionenstädten, immer mehr provisorische Elendsviertel vor der Fußball-WM: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/01/08/brasilien-extreme-wohnungsnot-hohe-obdachlosigkeit-rasches-slumwachstum-unter-dilma-rousseff-vor-der-fusball-wm-2014-wohnungslosen-camp-nova-palestinaneues-palastina-in-sao-paulo-mit-uber-8/
Brasilianischer Systemkritiker in Berlin: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/12/07/brasilien-lula-in-berlin-2012-brasilianischer-systemkritiker-marcelo-machado-pereira33-wurde-aus-lula-veranstaltung-entfernt-laut-medien-pereira-zeigte-spruchband-brasilien-ist-das-land-der-k/
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/11/08/brasilien-kultur-und-gesellschaft-sammelbandtexte/
Das Buch zum Land – “Brasilien fürs Handgepäck”, Unionsverlag Zürich: http://www.unionsverlag.com/info/title.asp?title_id=2720
Brasiliens bischöfliche Gefangenenseelsorge und der Horror in den Haftanstalten
Folter, Vergewaltigungen, Massaker, Herrschaft von Verbrecherkommandos, Sklavenhaltermentalität
„Politik und organisiertes Verbrechen sind liiert “
Mehr als 50 Männer bei 45 Grad schwüler Tropenhitze eingepfercht in eine stockdunkle Zelle für höchstens 10 Häftlinge – nur eine Kloschüssel, barbarischer Fäkaliengestank, Hautkrankheiten, offene Wunden, Lepra, Tuberkulose.
In anderen Gefängnissen Nordbrasiliens sind die Frauen direkt neben den Männern untergebracht, wegen offener Zellentüren der Gewalt von machistischen Schwerverbrechern ausgeliefert. „Folter durch Militärpolizisten oder Wärter ist üblich – Verbrennen der Haut, Kopf ins Wasser oder Plastiksack übergestülpt – Erstickungsanfälle bis zur Ohnmacht.“
Soll das alles wahr sein, was der katholische Padre Valdir Joao Silveira von jüngsten Seelsorgebesuchen berichtet? Das Bizarre – sogar hohe Regierungspolitiker geben ihm Recht. Wegen seines Kampfes gegen die Folter zeichnet ihn 2010 der damalige Staatschef Lula mit dem nationalen Menschenrechtspreis aus – doch heute sitzen zahlreiche enge prominente Freunde Lulas wegen aktiver Korruption und Bandenbildung im Gefängnis. Sie genießen Vorzugsbehandlung, viele Privilegien – was Padre Silveira wie die allermeisten Brasilianer empört, die die Kerkerrealität kennen.
„Ich würde lieber sterben, als in solchen mittelalterlichen Strafanstalten eingesperrt zu sein“, gesteht 2012 sogar Justizminister José Cardozo ein. „Unsere Gefängnisse sind wahre Schulen des Verbrechens, unmenschlich, ermöglichen keine Reintegration, stärken die Gangstersyndikate. Wer im Knast überleben will, muß sich ihnen anschließen.“
Der Justizminister bestätigt damit die jahrzehntelange detaillierte Kritik der bischöflichen katholischen Gefangenenseelsorge sowie zahlreicher brasilianischer Menschenrechtsexperten. Nur – den Worten des Ministers folgen keine Taten – jährlich kommen Zehntausenden in diesen Kerkern um, durch Mord, Seuchen, Krankheiten.
Unermüdlich sind daher Padre Silveira und seine Stellvertreterin, die Deutsche Petra Pfaller, fast das ganze Jahr in dem Riesenland unterwegs, besuchen mit den lokalen Pastoralgruppen eine Haftanstalt nach der anderen. „Wir ermitteln, sammeln Beweise – und gehen dann direkt zu den politisch Verantwortlichen, stellen Anzeige, fordern Sofortmaßnahmen – von lokalen Behörden bis hinauf zum Innen-und Justizministerium, dem Palast von Staatspräsidentin Dilma Rousseff – natürlich schalten wir auch Amnesty International ein.“ Diese Zähigkeit führt zum Erfolg, leider nicht immer. „Im Teilstaat Amazonas mußten jetzt 20 Prozent aller Gefangenen entlassen werden – die waren alle illegal eingesperrt! Doch in anderen Teilstaaten sind 60 Prozent der Häftlinge garnicht abgeurteilt – warten viele bis zu vier Jahre auf einen Prozeß – wo man nur zu oft deren Unschuld feststellt. Unvorstellbare menschliche Dramen – Menschen vertieren und verfaulen da drinnen regelrecht!“
Gegessen wird mit der Hand, ohne Bestecke – Wäschewechsel etwa einmal im Monat.
„Eine normale Person hält das nicht aus – also setzt man die Häftlinge unter harte Drogen.“ Ebenfalls kaum zu fassen: De facto dienen Brasiliens Gefängnisse heute dem Rauschgifthandel, werden vom organisierten Verbrechen administriert, das von Häftlingsangehörigen Gelder erpreßt – alles geduldet vom Staat, „der sich den Gangsterorganisationen landesweit unterwirft.“ Haarsträubend, daß immer mehr Gefängnisse privatisiert werden. In „normalen“ Anstalten kostet ein Häftling den Steuerzahler monatlich umgerechnet rund 430 Euro, in privatisierten bekommen die Investoren dagegen über 1300 pro Kopf. „Ein phantastisches Geschäft“, so Padre Silveira. „Je voller die Gefängnisse, umso höher der Gewinn.“ Allein im Teilstaat Sao Paulo steigt die Gefangenenzahl monatlich(!) um mehr als 4000.
Nicht resozialisierte, animalisierte Häftlinge werden nach der Freilassung meist sofort rückfällig, viele sterben bei Schießereien mit der Polizei. „Die jetzige Gefängnispolitik erhöht Gewalt und Kriminalität in Brasilien – viele Verbrechen werden in der Haft geplant!“
Wie erträgt der Seelsorger diese seelische Belastung? „Unmöglich, das alles zu verkraften – manchmal fühle ich mich selber psychisch gestört.“ Zumal sein Lebensrisiko wächst. „Ich erfahre tagtäglich, was ich nicht wissen soll – Angst habe ich daher vor der Polizei.“
In Brasilien beseitigt man Unbequeme auch durch vorgetäuschte Verkehrsunglücke, Raubüberfälle. „Daher gehe ich stets in Gruppen, übernachte im Haus des Bischofs.“
Woher nehmen er, seine Pastoral-Mitstreiter die Energie? „Der christliche Glaube verändert, gibt Hoffnung – darauf bauen wir.“
Sao Paulos deutschstämmiger Kardinal Odilo Scherer 2013 in einer Predigt: „Strukturelle Gewalt organisiert sich immer mehr als eine Parallelmacht – die innerhalb des Staates existiert und die Gesellschaft unterdrückt.“
Folterdiktatur und musikalischer Protest: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/01/05/brasiliens-folterdiktatur1964-1985-und-der-musikalische-protest-apesar-de-voce-und-jorge-maravilha-von-chico-buarque-die-diktatoren-medici-und-geisel-enge-kontakte-zu-bonner-politikern-w/
Erst Libyen, dann Syrien – Köpfen durch sogenannte Rebellen: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/12/11/erst-libyen-dann-syrien-aus-der-libyen-intervention-bekannte-methoden-nun-auch-in-syrien-angewendet/
Katholische Kirche und Folterdiktatur Brasiliens, der Kardinal des Widerstands: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/14/parabens-dom-paulo-evaristo-arns-der-deutschstammige-kardinal-sao-paulos-ist-90-hochengagiert-im-kampf-gegen-das-militarregime-der-foltergenerale1964-1985-wer-mit-den-diktatoren-eng-kooperierte/
Katholischer Befreiungstheologe Frei Betto und die Diktatur: http://www.deutschlandradiokultur.de/ich-bin-christ-und-sehe-mich-als-revolutionaer.1278.de.html?dram:article_id=192247
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/11/08/brasilien-kultur-und-gesellschaft-sammelbandtexte/
Die Neue Zürcher Zeitung 1994 zum 30. Jahrestag des Militärputsches von 1964:
…Exponenten der Diktatur als starke Männer demokratischer Parteien
Politik-und Wirtschaftswissenschaftler sowie die führenden Kommentatoren der Qualitätszeitungen begründen die Rückständigkeit Brasiliens in Artikelserien zum Putschjubiläum unter anderem damit, daß nach 1985 kein echter demokratischer Wandel begann, sondern die Kontinuität gewahrt blieb. Politiker, Bürokraten und Parteien, die die Diktatur aktiv unterstützten, behielten Einfluß und Macht. Sie gehen heute auch Koalitionen mit einstigen Gegnern ein, was bisweilen irrational erscheint. Erster Zivilpräsident nach dem Generalsregime wurde der frühere Chef der Militärpartei PDS José Sarney. Der derzeitige Finanzminister Fernando Henrique Cardoso, Inhaber des wichtigsten Kabinettsressorts, fungierte damals als Sarneys Interessenvertreter(portugiesisch: „Lider do Governo“) im Senat. Bei der Übernahme des Ministerpostens sagte 1993 das bisher zu den Linksintellektuellen gerechnete Mitglied der Sozialdemokratischen Partei(PSDB):“Vergessen Sie alles, was ich bisher geschrieben habe.“…Führende Intellektuelle, wie etwa der Schriftsteller Antonio Callado, nennen es bezeichnend für Brasiliens Zustand, für fehlende politische Kultur und kollektiven Gedächtnisschwund, daß hohe Amtsinhaber der Diktaturregierungen , die sich damals schamlos bereicherten, heute immer noch zu den wichtigsten Meinungsmachern zählen und ihre Wochenkolumnen auch noch in den Provinzblättern der entlegensten Amazonasregionen erscheinen…Der ehemalige Justizminister Armando Falcao bekommt derzeit nicht weniger Platz in den Medien für schönfärberische Interpretationen. Seiner Meinung nach begann 1964 eine vom Volk gewollte demokratische Revolution. Exekutionen, Folter, Gewalt und illegale Verhaftungen habe es nicht gegeben, von Diktatur könne keine Rede sein, behauptet er. Der damalige Planungsminister und heutige PPR-Abgeordnete Roberto Campos hebt seinerseits den „triumphalen Erfolg“ des sogenannten „brasilianischen Wunders“ 1968-1973 hervor, als Brasilien jährlich über zehnprozentige Wachstumsraten in der Wirtschaft verzeichnete. Laut Campos erhöhten sich damals das Pro-Kopf-Einkommen und der Lebensstandard für die gesamte Bevölkerung. Davon kann indessen keine Rede sein; vom „Milagre brasileiro“ profitierten lediglich die Eliten, die Mittelschicht und nur ein Bruchteil der unterprivilegierten Bevölkerungsmehrheit, während die Arbeitslosigkeit erheblich zunahm. Campos verschweigt natürlich auch, daß 1964 Brasiliens Schuldenlast bei nur fünf Milliarden Dollar lag, von den Generalsregierungen aber auf über 100 Milliarden hochgetrieben wurde. Zu den hyperteuren pharaonischen Projekten jener Zeit ist auch das mit der Regierung des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt vereinbarte Nuklearprogramm zu zählen.
Spätfolgen in Mentalität und Psyche
Das autoritäre Regime von 1964 hinterließ in Mentalität und Psyche der Brasilianer tiefe Spuren. Politische Gefangene wurden damals lebendig den Haien zum Fraß vorgeworfen, Studentenführer zuerst gefoltert und dann vor die Wahl gestellt, entweder zu sterben oder im Fernsehen vorfabrizierte Erklärungen abzugeben. Bis heute fordern Menschenrechtler und Angehörige vergeblich Aufklärung über die „Verschwundenen“, deren Zahl nicht einmal annähernd bekannt ist. Aus Angst vor Repressalien gehen wichtige Zeugen barbarischer Diktaturverbrechen nicht an die Öffentlichkeit – schließlich gibt es weiterhin die Todesschwadronen und auch die berüchtigte Militärpolizei, die immer noch nicht auf Folter verzichtet.
Für den Anthropologen Gilberto Velho resultiert das Ausmaß an Gewalt in der heutigen brasilianischen Gesellschaft unter anderem aus der vom Militärregime entwickelten „Kultur der Brutalität“. Die seinerzeit institutionalisierte Gewalt und Korruption ist nach Darstellung von Rechtsexperten hauptverantwortlich für die tiefe ethisch-moralische Krise Brasiliens, für den extremen Egoismus, das Fehlen von Solidarität und das Mißtrauen gegenüber den sogenannten demokratischen Institutionen, für die kalte Indifferenz und den Zynismus der Politiker…
Aus Neue Zürcher Zeitung, Brasiliens Last der Militärdiktatur, Klaus Hart, Freitag/Samstag 1./2.April 1994
Zusammenarbeit von multinationalen Unternehmen mit dem Militärregime:
Wie brasilianische Medien unter Berufung auf Dossiers und Aktenfunde berichten, wurden bei VW und Mercedes-Benz Spitzel in die Versammlungen der Metallarbeiter und ihrer Gewerkschaften geschickt, die Spitzelberichte sofort an die politische Polizei Deops weitergegeben. Brasilianische Qualitätsblätter wie das „Jornal do Brasil“ schrieben bereits vor über einem Jahrzehnt ausführlich darüber. Gewerkschafter und andere „verdächtige“ Angestellte seien beim Deops denunziert worden, auch Streikende. Zudem sei angefragt worden, ob gegen Mitarbeiter, die eingestellt werden sollten, „etwas vorliegt“. Unter Diktator Ernesto Geisel wurde VW do Brasil um Angaben über oppositionelle Arbeiterinnen gebeten – und gab derartige Daten auch heraus, wie es hieß.
Andere Multis gingen nicht anders vor. Die Diktatur verhaftete daraufhin eine beträchtliche Zahl an Beschäftigten, ließ sie foltern.
http://www.pstu.org.br/node/20027
Wie die brasilianische Qualitätszeitung “Jornal do Brasil” am 25.12. 1994 über die Zusammenarbeit von multinationalen Unternehmen, darunter Vokswagen, mit der Folterdiktatur berichtet:
Das Buch zum Land – “Brasilien fürs Handgepäck”, Unionsverlag Zürich: http://www.unionsverlag.com/info/title.asp?title_id=2720
« Brasiliens Gefängnishorror: Alle zwei Tage ein ermordeter Häftling, laut neuen Studien. 2013 mindestens 2018 Opfer. Katholische Gefangenenseelsorge alarmiert Weltöffentlichkeit über die grauenhaft überfüllten Haftanstalten. Menschenrechtspolitik unter Dilma Rousseff. Brasilianischer UNO-Beobachter Paulo Sergio Pinheiro verurteilt Gefängnis-Terror scharf, darunter das serienweise Köpfen von Häftlingen.“Erbe der Militärdiktatur“. – Brasiliens gravierende Sicherheits-und Menschenrechtslage, Köpfen von Häftlingen: Landesmedien machen sich über Brasilias Anspruch auf Sitz im UNO-Sicherheitsrat lustig. „Ausgerechnet den Sitz für Sicherheit…“ Kritik an bislang verhinderter Bestrafung von Diktaturverbrechern. Wer Brasiliens Folterdiktatoren unterstützte. „Das Erbe der Militärdiktatur“. »
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