Die meisten Mainstreammedien Mitteleuropas haben bisher über das Vorgehen der Polizei in Sao Paulo, darunter über den verwundeten Demonstranten sowie aus nächster Nähe in einem Hotelfoyer auf Demonstranten abgefeuerte Gummigeschosse, nicht berichtet. Ebensowenig über die täglichen Straßenproteste der Vorwoche.
Vor dem Krankenhaus, in dem der verwundete Demonstrant im Koma liegt, wird derzeit eine Mahnwache abgehalten.
In Zeitungsberichten wird unterdessen laut Zeugen die offizielle Version bestritten, daß der Demonstrant mit einem Messer auf die Polizisten losgegangen sei. Er habe nichts derartiges getan, hieß es. Gemäß Sozialwissenschaftlern könnte er nun zum Held der Protestbewegung werden – und diese zu heftigeren Protesten veranlassen.
Auf dem Weltranking der UNO-Weltgesundheitsorganisation WHO über die Qualität der Gesundheitssysteme liegt Brasilien, Lateinamerikas größte Demokratie, weit abgeschlagen auf Platz 125. Im Unesco-Ranking zur Qualität des Bildungssystems belegt Brasilien nur Platz 88.
Entsprechend viel Lob erhält Brasilia daher aus neoliberalen Staaten, darunter Mitteleuropas.
Ausriß, Sondereinheit feuert in Hotelfoyer auf Demonstranten.
Totgetreten
Auch wegen der Kriminellendiktatur wird in Sao Paulo für Demonstranten das Lebensrisiko immer höher. So wurde am Morgen nach der Demonstration im Gebiet der City-Protestaktion ein junger Mann von einer Kriminellengruppe totgeprügelt, totgetreten, um dessen Schuhe und ein Handy rauben zu können. Zwei Arbeitskollegen des Mannes konnten rechtzeitig fliehen.
Ungezählte Bewohner der Slumperipherie Sao Paulos nehmen an Straßenprotesten der City nicht teil, weil der Heimweg hochgefährlich ist: In zahlreichen Slums gilt nach Einbruch der Dunkelheit eine informelle Ausgangssperre, verhängt von Banditenkommandos des organisierten Verbrechens. Daß diesen Banditenkommandos, die Protestpotential paralysieren, vom Staat nicht das Handwerk gelegt wird, spricht Bände. http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
Nicht zufällig zählen die Methoden der Bevölkerungskontrolle aus Ländern wie Brasilien zu den Tabuthemen des neoliberalen Mainstreams in Mitteleuropa. Der hohe Grad an Polizeipräsenz in Brasilien steht in kuriosem Gegensatz zum sehr niedrigen Grad an öffentlicher Sicherheit.
Ausriß. Polizist in Rio de Janeiro von Banditen erschossen.
Katholischer Menschenrechtspriester Julio Lancelotti, Demonstrationsteilnehmer, Fotoserie: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/05/26/julio-lancelotti-brasiliens-ausergewohnlicher-hochst-unbequemer-menschenrechtspriester-ziel-von-morddrohungen-prozessen-verleumdungen-psycho-terror-medienkampagnen/
An den landesweiten Protesten gegen die WM hatten sich vergangene Woche allein in Sao Paulo Zehntausende beteiligt.
Starker “Black Bloc” in Sao Paulo.
Ausriß – Polizist feuert in Rio de Janeiro mit Mpi scharfe Warnsalven in Richtung der Demonstranten. Mehrere Verwundete. http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/18/brasilien-proteste-2013-polizei-in-rio-de-janeiro-gab-sogar-warnsalven-mit-maschinenpistolen-ab-laut-landesmedien/
Trotz der gravierenden Menschenrechtslage veranstaltet die Berliner Regierung derzeit in Brasilien ein “Deutschlandjahr”, bei dessen Veranstaltungen die u.a. von der Kirche tagtäglich angeprangerten Verletzungen der Bürgerrechte ausgeklammert sind… Auch Brasiliens mittelalterliche Scheiterhaufenpraxis ist ein Tabu – offenbar existieren im mitteleuropäischen Mainstream entsprechende Berichterstattungsvorschriften, die das Thema ausschließen.
Ideen für den weiteren gesellschaftlichen Umbau Deutschlands? http://www.hart-brasilientexte.de/2014/01/22/brasiliens-groste-und-wichtigste-stadt-sao-paulo-die-basis-menschenrechte-darunter-bewegungsfreiheit-fur-93-prozent-wenig-oder-garnicht-sicher-laut-umfrage/
„Heute haben wir eine Zivildiktatur“.
Bischof Erwin Kräutler im Interview mit dem brasilianischen Nachrichtenmagazin “Epoca”, Juni 2012:
“Lula und Dilma Rousseff werden als Zerstörer Amazoniens in die Geschichte eingehen…Ich habe Lula zweimal getroffen…Jene Leute, die früher mit uns kämpften, auf unserer Seite waren, die selbe Sache verteidigten, verteidigen jetzt das Gegenteil…2009 war ein sehr freundschaftliches Treffen mit Lula – ich hoffte noch, er ließe sich überzeugen. Und schrieb sogar: Gottseidank, Lula hat verstanden…Doch es war Theater, politisches Spiel. Er hielt damals meinen Arm und sagte: Dom Erwin, wir werden dieses Projekt niemandem aufzwingen. Du kannst auf mich zählen…Ich dachte, gut – der Präsident würde nicht so reden, wenn es nicht die Wahrheit wäre… Nein, Lula würde mir nicht ins Gesicht lügen…In diesem Moment glaubte ich wirklich an den Dialog…”
Epoca-Frage: “Sie hatten tatsächlich an Lulas Dialog-Versprechen geglaubt?”
Kräutler:”Ich glaubte daran…Aber es gab nie einen Dialog…Was Lula da machte, war nur Show, um dem Bischof gefällig zu sein…Nach meinen Informationen sind 61 Wasserkraftwerke in Brasilien geplant, die meisten in Amazonien…Hier hat sich der Widerstand gegen Belo Monte mit der Arbeiterpartei identifiziert…Bis dann Lula sein Präsidentenamt antrat. Als wir entdeckten, daß Lula seine Position geändert hatte, sind wir aus allen Wolken gefallen. Mein Gott, wie ist das möglich? Und die Leute der Arbeiterpartei hier wechselten auch die Seite…Das alles war Verrat, ein gewaltiger Schlag. Es ist sehr hart, von Leuten verraten zu werden, denen du die Hand gereicht hattest. Man hatte mich gefragt, Bischof, wen werden sie wählen? Ich sagte, ich stimme für Lula…Später sagte dann das Volk: Jetzt schluckt der Bischof…Jetzt sagen sie: Der Bischof war sogar für diese Leute von der Arbeiterpartei. Und jetzt muß ich Kröten schlucken…Lula hat Amazonien nie verstanden…Und am Ende seiner Amtszeit fiel er ins Delirium, berauschte sich an Ziffern, Statistiken…Heute haben wir eine Zivildiktatur…Wenn die Regierung sich verfassungswidrig verhält, leben wir erneut in einer Diktatur…Ich mag eine Frau als Präsidentin, aber ich dachte, als Frau wäre sie sensibler gegenüber unserer Lage…Man kann soviel protestieren wie man will. Sie verhindert jeglichen Dialog schon im Ansatz. Belo Monte ist kein Thema für eine Diskussion. Sie ist sehr hart, unnachgiebig, akzeptiert keine abweichende Meinung…Die Gesichte Amazoniens, Brasiliens und der Erde wird bald Lula und Dilma sehr genau als skrupellose Zerstörerverurteilen – als Verursacher von Einwirkungen, die unumkehrbar das Klima des Planeten veränderten…”
« Brasilien 2014: Staatschefin Dilma Rousseff zu offiziellem Besuch in Kuba – Gipfelkonferenz der Staaten Lateinamerikas und der Karibik. Kuba/Cuba – Fotoserie: Gesichter, Musik… – Irakkrieg, Libyenkrieg, Syrienkrieg, Kalter Krieg: Brasiliens Medien stellen Appell der syrischen Regierung an westliche Länder heraus, nicht länger die ins Land eingedrungenen Terroristen zu bewaffnen. Wie weltweit „Bürgerkriege“ geschürt werden. “Die Medien lassen in ihrer Berichterstattung durchweg die tatsächlichen Hintergründe von Konflikten unbeachtet.” Andreas von Bülow »
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