Lebendiges Verbrennen von Obdachlosen in Brasilien:
Joachim Gauck im Mai 2013: ”Und zweitens ist der weitere Erfolg Brasiliens auch deswegen für uns eine Chance, da Brasilien unsere Werte – Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit – teilt und seine wirtschaftliche Potenz in den Dienst auch dieser Werte stellt.”
Wandinschrift über der Matratze: „Foda-se os Nazi. Pau no seu cú.“
Die Obdachlose haust an der City-Straßenkreuzung, schläft auf der Matratze links, atmet massiv Auspuffgase der Straßenkreuzung ein. Außer ihr hausen noch weit über zehn weitere Obdachlose an dieser Stelle, zumindest vor Regen geschützt durch eine Hochstraße, sind den Anblick der sich säubernden Frau längst gewöhnt. Selbst in einer Amazonasstadt wie Manaus, die zu den Fußball-WM-Spielorten zählt, ist es keineswegs ungewöhnlich, nachts in der City völlig nackten, oft stark verdreckten obdachlosen Frauen zu begegnen.Und wie halten es Obdachlose mit dem Geschlechtsverkehr? Sie üben ihn ebenfalls nur zu oft vor aller Augen aus. Wer länger in Brasilien wohnt, den Alltag intensiver erlebt, wird entsprechende Szenen beobachten, womöglich selbst in der Parkanlage direkt neben Sao Paulos Kathedrale.
Zu den dank Mediensteuerung und Zensur auch in Mitteleuropa verbreiteten Mythen zählt, unter Lula seien in Brasilien Hunger und Massenelend beseitigt worden. Indessen fällt in den letzten Jahren das starke Slumwachstum ebenso auf wie die steigende Zahl an Obdachlosen auf Bürgersteigen und Plätzen wie in Sao Paulo. Während des derzeitigen Deutschlandjahrs in Brasilien, Lateinamerikas größte Demokratie, fehlen gravierende soziale Probleme im Themenspektrum, ebenso bedrückende Menschenrechtsverletzungen wie systematische Folter, Todesschwadronen, Sklavenarbeit, Gefängnishorror, Rassismus etc.
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“Schönheit und Fäulnis”. Neue Zürcher Zeitung/NZZ – Klaus Hart:https://www.nzz.ch/schoenheit_und_faeulnis-1.700750
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Der gravierende Rassismus in Brasilien hat mitteleuropäische Partner noch nie gestört: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/26/brasilien-ist-das-rassistischste-land-der-erde-mauricio-pestana-herausgeber-von-raca-brasil-der-einzigen-schwarzen-zeitschrift-des-tropenlandes/
Der Papst 2015 in Kuba – Vergleiche mit Brasilien, strategischer Partner der deutschen Merkel-Regierung:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/09/20/der-papst-2015-in-kuba-deutscher-mainstream-mit-kurios-bizarren-suggestiv-kommentaren-statt-information-orientierenden-fakten-daten-franziskus-will-alle-kubaner-umarmen-trost-und-hoffnung-spend/
Hungerproblem in Sao Paulo 2014: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/01/02/brasilien-das-hungerproblem-im-neuen-jahr-2014-mann-ist-abfalle-direkt-aus-mulltuten-in-mittelschichtsviertel-sao-paulo-bei-tropenhitze-um-rund-40-grad-entsprechend-hohem-gesundheitsrisiko/
Amnesty International – “Kopf unter Wasser”: http://www.amnesty.de/journal/2009/juni/kolumne-kopf-unter-wasser
Warum Lula in Ländern wie Deutschland viele Sympathisanten eines bestimmten politischen Spektrums hat – Lula war Informant der Diktatur-Geheimpolizei Dops, laut neuem Buch: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/02/12/brasilien-die-folterdiktatur-lula-und-die-arbeiterpartei-pt-rufmord-ein-kapitalverbrechen-buch557-seiten-mit-schweren-vorwurfen-gegen-lula-macht-schlagzeilen/
Angela Merkel 2008 in Brasilien – enttäuschte Erwartungen von Menschenrechtsbewegung, Kirche:
“Vom Umgang mit der Diktaturvergangenheit”: http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html
Vor genau 50 Jahren, im März 1964, wurden durch einen von den reaktionären Eliten gestarteten Militärputsch angekündigte Reformen gegen Massenelend und gegen archaische Strukturen teils noch aus der Sklavenzeit verhindert. Wie u.a. die Fotos der älteren Obdachlosen dokumentieren, wurden derartige Reformen bis heute noch nicht umgesetzt. Die brasilianischen Putschisten hatten sofort die Unterstützung Bonner Politiker.
Selbe deutsche Parteien, die damals die nazistisch-antisemitisch orientierte Folterdiktatur Brasiliens unterstützten, stehen heute in der Ukraine an der Seite von Nazis, Faschisten, Antisemiten, SS-Fans – was Bände spricht.
Unterstützung nazistisch-antisemitischer Kräfte durch westdeutsche Politiker hat lange Tradition – die Beziehungen von Willy Brandt und Helmut Schmidt zur nazistisch-antisemitisch orientierten Folterdiktatur Brasiliens: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/03/21/brasiliens-nazistisch-antisemitische-militardiktatur-hohe-militars-zu-herbert-cukurs-massenmorder-von-rigadu-hast-einen-einzigen-fehler-begangen-du-hattest-alle-juden-toten-sollen-hintergrun/
Merkel-Rede:
„Amerika und EU bestrafen Putin“:
Lepraopfer.
“Ja zur Abtreibung”. Kathedrale von Sao Paulo.
Obdachloser Alubüchsensammler, an katholischer Kirche.
Gratis-Suppenausgabe für Arme an der Kathedrale.
Sao Paulo – Fotoserie:
http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/18/sao-paulo-fotoserie-uber-brasiliens-megacity/
City-Ausstellung zur Gewalt in Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/09/brasilien-2015-polizei-in-sao-paulo-geht-jetzt-auch-in-city-bezirken-mit-maschinenpistolen-sturmgewehren-auf-streife-hinweis-auf-stark-gestiegene-bedrohung-durch-banditenkommandos-des-organisierte/
Radikalfeminismus und Kathedrale. “Boceta resiste”.
Offene Crack-Szene in der City von Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/20/crack-jugendpolitik-unter-lula-und-jose-serra-dunkelhautige-kinder-und-jugendliche-sind-crack-hauptkonsumenten/
Sao Paulo, Avenida Paulista 2015. Schnüffel-Drogen befinden sich üblicherweise in Mineralwasserflaschen.
Obdachloser greift zum Mikrophon vor der Kathedrale Sao Paulos, schreit Verzweiflung heraus. Aufschrei der Ausgeschlossenen 2015.
Brasilien – Daten, Statistiken:http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/
“Schlafen” mittags in Abgasgestank an der Avenida Paulista in Sao Paulo – erschöpfter verdreckter Obdachloser, Habseligkeiten in Plastiktüten am Fahrrad.
Katholische Protestaktion in Sao Paulo vor der Kathedrale am Nationalfeiertag des 7.9.2015.
Brasilien – Verelendung und menschliche Verhaltensweisen:http://www.hart-brasilientexte.de/2014/03/17/brasilien-2014-wie-verelendung-menschliche-verhaltensweisen-andert-altere-obdachlose-frau-wascht-sich-allabendlich-vollig-nackt-an-strasenkreuzung-von-sao-paulo-reichste-stadt-lateinamerikas-viele/
“Höre nie auf zu kämpfen.”
“Schluß mit der Straflosigkeit”.
“Brasilia stinkt”.
“Ergreift den Chef!”
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/01/brasilien-gewalt-und-wandmalerei-in-crack-region-cracolandia-von-sao-paulo-2013/
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/02/16/brasilien-karneval-zum-totlachen-2013/
Angeli, “Nationale Front für die Freigabe der Barbarei.” Größte nationale Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo”.
Müllsäcke an Sao Paulos “Avenida Paulista” der Großbanken und Shopping Center – oder ein verelendeter Mensch?
Brasilien – US-Hinterhof, strategischer Partner der Merkel-Gabriel-Regierung…
Nicht ungewöhnlich, wenn einem in Amazonasstädten wie Manaus nachts in der Hafenregion eine völlig nackte, verelendete Frau auf der Straße begegnet.
Hintergrund von 2008:
Bei Brasilien denken die meisten Europäer immer zuerst an Rio de Janeiros kleine Schokoladenseite, den Zuckerhut, den Copacabanastrand, Samba und Karneval. Dabei ist das 430 Kilometer entfernte subtropische Sao Paulo zwar keineswegs schöner, aber viel interessanter und nicht nur Brasiliens, sondern ganz Lateinamerikas Kultur-und Gastronomiehauptstadt. Hier dirigierte John Neschling das beste Sinfonieorchester Lateinamerikas, hier leben die populärsten Musiker des Tropenlandes “ das Sertaneja-Duo Zeze di Camargo und Luciano. Hier werden jährlich an die tausend Theaterstücke inszeniert.
Nicht zufällig bildet das kosmopolitische Sao Paulo vor Rio den wichtigsten touristischen Anziehungspunkt des Tropenlandes. Viel mehr Deutsche steuern Sao Paulo an, nicht Rio. Die nach Tokio und Mexico-City drittgrößte Stadt der Welt ist zudem Lateinamerikas Industriemetropole, zählt an die tausend deutsche Unternehmen und erwirtschaftet ein höheres Bruttosozialprodukt als ganz Argentinien. Extreme Sozialkontrasten fallen indessen beinahe überall ins Auge – auch die über zweitausend Slums sind nicht zu übersehen. Sao Paulo zählte einmal zu den schönsten Städten des Erdballs – hemmungslose Geldgier, kollektive Unvernunft und provozierender Individualismus haben sie in eine der häßlichsten verwandelt. Sao Paulo ist heute auch Symbol lateinamerikanischen Sozialdarwinismus. Manche verdrängen lieber, schauen nicht hin – doch die Situation der marginalisierten Paulistanos, darunter der Obdachlosen, schockiert.
„Unser Land ist besudelt von Korruption, Gewalt und Lügen”, ruft Padre Julio Lancelotti vor der Kathedrale von Sao Paulo aus und ärgert damit manche Vorübergehenden. Übertreibt der Kirchenmann nicht unverschämt? Aus dem Präsidentenpalast in Brasilia kommen schließlich permanent positive Nachrichten über Wirtschaftswachstum, Rekordausfuhren und sozialen Fortschritt, was auch in Europa Beifall findet. Doch Lancelotti zählt zu Brasiliens führenden Menschenrechtsaktivisten, kordiniert in Sao Paulo das weltweit einzige Vikariat für Obdachlose und sieht die riesigen, entsetzlichen Slums an den Peripherien der Millionenstädte auch unter der Lula-Regierung immer rascher wachsen. Vor der Kathedrale prangert er mit Gleichgesinnten an, daß ein im August 2004 an Obdachlosen verübtes Massaker immer noch nicht aufgeklärt ist, tatverdächtige Militärpolizisten unbehelligt bleiben. Acht Männer und Frauen wurden damals mit Eisenstangen totgeschlagen, weiteren sechs wurde der Schädel zertrümmert – doch sie überlebten. „Das Blutbad gehört zur Schande Brasiliens”, so Lancelotti, „selbst Sklavenhalterkultur und Folter existieren weiter.” Der Padre erhält Morddrohungen, wurde mehrfach von Unbekannten attackiert, man setzte sogar einen bezahlten Killer auf ihn an. „Jetzt fürchten wir mehr denn je um sein Leben”, sagt die Deutsche Hedwig Knist, die seit acht Jahren in Sao Paulo die katholische Obdachlosengemeinde nahe dem Luz-Bahnhof leitet. Wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit verlieren immer mehr Familien ihre Bleibe, kampieren direkt an der Gemeindekirche, unter den vielen Hochstraßen Sao Paulos – Szenen wie in Haiti, Kalkutta oder Lagos. Den Bessergestellten sind die Verelendeten vor allem in der City ein Dorn im Auge. An Lateinamerikas Leitbörse, protzigen Bankenpalästen, Oper und Pinakothek, Shopping Centers und Nobelrestaurants ärgern sich High Society und Schickeria über die zerlumpten, verzweifelten, teils übelriechenden und psychisch gestörten Gestalten, wollen von denen nicht angebettelt werden. Die Stadtverwaltung will deshalb das Zentrum von ihnen säubern. „Die sollen alle weg, an die überfüllte Peripherie, werden teilweise rausgeprügelt”, so Hedwig Knist, „immer mehr Obdachlose und Straßenkinder werden mißhandelt.” Natürlich wenden sich die Erzdiözese und ihre Obdachlosenseelsorge gegen eine solche Vertreibungspolitik, pochen auf die Menschenrechte der „Moradores da Rua”(Straßenbewohner). „Deshalb werden wir von den Autoritäten gehaßt.” Die Gemeindereferentin aus der Diözese Mainz macht interessante Rechnungen auf: Allein in der City stehen vierzigtausend Wohnungen leer – mehr, als es Obdachlose in Sao Paulo gibt. Würde jede Firma der lateinamerikanischen Wirtschaftslokomotive einem einzigen Obdachlosen Arbeit geben, wäre das Problem aus der Welt. Was auch Hedwig Knist besonders provoziert: Sao Paulo ist Lateinamerikas reichste Stadt, Brasilien immerhin die zehnte Wirtschaftsnation – genügend Geld für Soziales ist de facto vorhanden. Spenden aus Deutschland wären gar nicht nötig. Doch im neoliberal regierten Brasilien wollen die Betuchten nicht abgeben, ist eine gerechtere Einkommensverteilung nicht in Sicht. Ohne Spenden kirchlicher deutscher Hilfswerke wie Adveniat wäre auch wirkungsvolle Obdachlosenbetreuung nicht möglich. „Hedwig hat mir Auswege gezeigt, mich in Momenten der Schwäche und Unsicherheit bestärkt, bis ich es geschafft habe”, sagt Eliana de Santana. „Mit meiner kleinen Tochter lebte ich im Dreck – doch dank Hedwig und ihren Gemeindeprojekten konnte ich öffentliche Gesundheitsbetreuerin werden, habe jetzt eine winzige Wohnung.” Sie kümmert sich in der City um kranke Obdachlose, erzwingt notfalls deren Behandlung in Kliniken. „Straßenbewohner werden diskriminiert – eine Frau hat man vor der Hospitalpforte sterben lassen!” Hedwig Knist umarmt vorm Gottesdienst die über dreißigjährige Berenice. ”Zehn Jahre hauste sie wie ein Tier zwischen Müll” – jetzt macht sie Abendschule, arbeitet in der Gemeindewerkstatt, lebt in einem Wohnprojekt.
Obdachlose in Deutschland – Obdachlose im riesigen Brasilien – überhaupt kein Vergleich. Jene wenigen, die in deutschen Fußgängerzonen, auf Straßen und Plätzen betteln, schlafen, herumhängen, sind gegenüber ihren brasilianischen Schicksalsgenossen geradezu in einer luxuriösen Situation. Niemand käme auf die Idee, an denen von Berlin, Frankfurt oder München Massaker zu verüben, sie lebendig zu verbrennen, gar beim Vorbeifahren aus dem Auto heraus zu erschießen. In Brasilien ist das alltäglich, Sandra Stalinski aus Aschaffenburg erlebt es als „Missionarin auf Zeit” mit. „Von den Opfern in Sao Paulo habe ich einige gut gekannt, alles hilflose Menschen, die Schwächsten der Schwachen, gezielt ausgesucht. Ich bin deshalb psychisch richtig zusammengebrochen, habe stundenlang geweint. Die Tatorte sind ja immerhin mein Arbeitsbereich. Das Massaker, denke ich, wurde aus politischen Gründen kurz vor Kommunalwahlen inszeniert, um es politisch auszuschlachten.” Denn Sandra Stalinski macht der ganze Medienrummel um den Fall stutzig, die gegenseitigen Anschuldigungen der Politiker. Soviel öffentliche Resonanz sei nicht normal, man hätte alles auch unter den Tisch kehren können.
–„Ich bin kein Mensch, ich bin Müll”
Wie üblich, wenn es „Sem-Teto”, Obdachlose, trifft, die häufig von der autoritären, egozentrischen Gesellschaft Brasiliens wie Nicht-Menschen betrachtet werden. „Man setzt sie mit Müll gleich. Und das Schlimme ist: Die Obdachlosen sagen selber schon, ich bin kein Mensch, ich bin Müll.” Um so nötiger ist soziale Betreuung, die „Missionaria” Stalinski nicht etwa weit entfernt an der Slumperipherie, sondern sogar mitten in der modernen City, neben dem pompösen Gebäude der lateinamerikanischen Leitbörse und den Großbanken, unweit feiner Manager-Restaurants, leistete. Oder selbst auf den Stufen der Kathedrale, oft gleich unter Gruppen tief verzweifelter, teils stark betrunkener Obdachloser. Unter all den Menschenmassen quält diese, einsam, ausgestoßen, ausgeschlossen zu sein – um so dankbarer für Hilfe, ein tröstendes Wort, ein Gespräch.
„Auf dem Platz davor sieht man alles – Überfälle, Streit und Tod.” Denn die skandalösen Sozialkontraste Brasiliens liegen noch so offen wie zur Sklavenzeit: Manager in feinem Tuch, aufgeputzte Chefsekretärinnen kreuzen in Sao Paulos Innenstadt tagsüber alle paar Schritte Obdachlose, Bettler, Verkrüppelte, gar alte, zerlumpte schwarze Frauen, die sich ächzend vor hochbeladene Lastkarren spannen. Das Massaker geschah just in der trubeligen City – nur zu viele der Privilegierten haben sich an den Anblick jener etwa 16000 Straßenbewohner Sao Paulos, „Moradores da Rua”, schlichtweg gewöhnt, nehmen sie kaum noch wahr, unglaubliche Indifferenz dominiert. In Deutschland gäbe es nach solchen Untaten einen öffentlichen Aufschrei – hier stößt Sandra Stalinkski sogar während eines kleinen Protestmarsches auf offene Abweisung – ihre Flugblätter werden von nicht wenigen Schlipsträger aus Banken, Geschäftshäusern abgelehnt:”Nee, kannste behalten, interessiert mich nicht. Da ist mir die Galle hochgekommen – soviel Ignoranz!” Obdachlosen, so sagen viele, „verschmutzen” das Stadtbild, verrichten ihre Notdurft überall – auch wegen ihnen stinkt es in den brasilianischen Großstädten vielerorts barbarisch nach Urin und Menschenkot.
Sandra Stalinski arbeitete vorwiegend in einem Nachtasyl für 120 Männer, wird zwangsläufig Expertin in hausgemachter brasilianischer Sozialproblematik, auch brasilianischer Religiosität. Denn überall stößt sie auf einen ihr völlig neuen Bezug zu Gott:”Die Brasilianer sind viel religiöser als wir Deutschen, leben den Glauben wesentlich emotionaler, feiern Gottesdienste viel gefühlvoller, mit Liedern und Gesten. Man tanzt dort sogar, was ich gleich gar nicht kannte. Auch die Obdachlosen sind religiös und sagen, daß es letztendlich in Gottes Hand liege, ob sie sich aus dieser Situation befreien können. Sie sind fatalistisch, passiv, finden sich mit ihrem Schicksal ab, meinen, daran nichts ändern zu können. Ihre Lage sei scheinbar Gottes Wille. Und so eine Haltung kritisiere, hinterfrage ich natürlich.” Doch kaum Resonanz, wie die Missionarin verkraften muß. „Mit denen darüber zu reden, ist ganz schwierig, da habe ich eigentlich keine Chance.” Sie beobachtet zudem, wie sogar direkt vor der Kathedrale tagtäglich zahlreiche Sektenprediger agieren, mit der Bibel in der Hand allen Ernstes wie wild herumspringen. Das einerseits so moderne Sao Paulo ist auch Zentrum archaischster Wunderheiler-und Exorzisten-Sekten, die man bestenfalls weit im Hinterland vermutet hätte. „Ich empfinde das schockierend, laufe in den Straßen an Hallen vorbei, wo gerade ein Sektenpriester schreit, über den Satan spricht. Manche Obdachlose erzählen von Sekten, haben einen sehr fundamentalistischen Glauben, nehmen die Bibel wortwörtlich. Bei ihnen hat jedes zweite Wort mit Gott zu tun. Auf der Straße, unter den Obdachlosen gibts alle möglichen Religionen, wahnsinnig viele Freikirchen. Wir sind daher in den Projekten von „Rede Rua” ökumenisch, nicht nach einer bestimmten Religion ausgerichtet, halten keinen rein katholischen Gottesdienst, aber Gebetsstunden ab, feiern natürlich religiöse Feste wie Ostern und Weihnachten. Ganz besonders wichtig für die Bewohner der Straße.”
Die ganze zwiespältige, komplexe, widersprüchliche Obdachlosenproblematik wird von der Missionarin sachlich, illusionlos gesehen, ohne sozialromantische Scheuklappen. Da in Brasilien ein soziales Netz wie in mitteleuropäischen Ländern fehlt, geht der Absturz in die Obdachlosigkeit ganz rasch, oft von heute auf morgen. ”Man verliert die Arbeit, dann ganz schnell auch die Wohnung “ und wohin dann? Auf die Straße.” Andere sind aus tausende Kilometer entfernten Regionen Brasiliens quasi nach Sao Paulo eingewandert, hofften in der Industriestadt auf einen Job, hörten wohl nichts von grassierender Rekordarbeitslosigkeit.
–Machismus, Alkoholismus und harte Drogen”
„Wenn Ehen auseinanderbrechen, gehen die Männer oft aus Wut und Trotz einfach weg, landen auf der Straße – fast nie die Frauen. Das hat viel mit dem lateinamerikanischen Machismus zu tun. Die Männer sind unheimlich stolz, sehr machistisch, sehen es nicht ein, etwa ihren Teller abzuwaschen, ihre Sachen zu säubern. Und bei Entlassung halten sie es einfach nicht aus, daß die Frau für den Lebensunterhalt der Familie sorgt – und flüchten einfach, greifen zur Flasche.” Absurderweise ist simpler Zuckerrohrschnaps, Cachaca, in Brasilien billiger als Milch – was würde sich in Deutschland abspielen, wenn der Liter Wodka oder Korn weit weniger als einen Euro kostete? „Für die brasilianischen Männer ist es fast normal, Cachaça zu trinken und in einer schwierigen Situation in den Alkoholismus abzurutschen.” Kokain, Crack kosten im Vergleich zu Deutschland ebenfalls nur Spottpreise, sind daher selbst für Slumbewohner erschwinglich. Schnaps, Rauschgift dienten zum Ruhigstellen von Problemgruppen, etwa Strafgefangenen, würden deshalb in die Knäste bewußt hineingelassen – sagen selbst katholische Pfarrer. „In unserem Nachtasyl sind 98 Prozent alkohol-oder drogenabhängig”, so Sandra Stalinski, „ein Problem, mit dem wir ganz viel zu kämpfen haben, das sie aber nicht thematisieren.” Abends deshalb immer dasselbe Ritual: „Wenn die Leute unheimlich betrunken ankommen, würden sie in der Herberge Streit anfangen, gäbe es Konflikte. Also lassen wir sie erst vor der Tür warten, etwas nüchterner werden.” Bei den Männern stößt sie teils auf tiefste Verwahrlosung, gar Verrohung – auf einen Teufelskreis, nur ganz schwer zu durchbrechen. Denn das Leben auf der Straße ist unbeschreiblich hart, auch grausam:”Da kann man nicht zartbesaitet sein, da muß man auch zum Messer greifen und töten, um sein eigenes Leben zu schützen – diese Leute leben in einer ganz anderen Welt.” Viele lehnen es ab, nachts eine Herberge aufzusuchen, weil sie sich dort bestimmten Gemeinschaftsregeln unterwerfen müßten:”Da wird man nur gedemütigt, ich bin doch kein Hund, der an der Kette laufen muß!” Sie schlafen lieber in der „Freiheit” der Straße, trotz aller Gefahren. Doch jenen „Sem-Teto”, die in Sandra Stalinskis Asyl kommen, soll ihre Autonomie, Selbständigkeit wiedergeben werden – dafür dienen die Seelsorge, die unzähligen stundenlangen nächtlichen Einzelgespräche, all die Kurse. „Wir wollen nicht, daß sich die Leute an das Straßenleben gewöhnen, nur jeden Abend im Asyl essen, duschen, schlafen, ohne etwas dafür tun zu müssen. Das kann zu einer Form von Bequemlichkeit werden. Es gibt Leute, die das Asyl als angenehme Möglichkeit empfinden, Geld einzusparen – weil sie weniger verdienen oder auch weniger arbeiten.” Sandra Stalinski macht mit allen Kunstworkshops, malt, zeichnet mit ihnen, entdeckt die unglaublichsten Talente. Was denken sie über Deutschland? „Das Paradies, das gelobte Land, wo jeder reich ist, das Geld schier vom Himmel fällt.” Doch was weiß der deutsche Normalbürger über Brasilien? „Fußball, Samba, Caipirinha, Rio de Janeiro und die Strände als weltweit verkauftes Markenzeichen – das Elend hier ist in Deutschland niemandem bewußt.”
An der Peripherie Sao Paulos wachsen die Slums um über zehn Prozent jährlich, das Obdachlosenproblem verschärft sich zunehmend. „Weitere Massaker können geschehen”, schreibt die kleine Zeitung des „Rede-Rua”-Hilfswerks, bei der Sandra Stalinski ebenfalls mitarbeitet. „Präfektur, Staat und die Obdachlosen selber müssen endlich aktiv werden!”
In Rio de Janeiro ist die Lage keineswegs anders – die nach dem Diktator, Judenhasser und Hitlerverehrer Getulio Vargas benannte City-Avenida wird nachts zum Schlafsaal. Auf einem Kilometer nächtigen stets rund zweihundert Obdachlose. In Sao Paulo sprießen überall „Mini-Favelas” gar an Straßenecken, Fabrikmauern. Diözese-Soziologin Eva Turin analysiert, daß die Gesellschaft heute abgrundtief individualistisch, immer weniger solidarisch sei. Daß die Gutbetuchten der besseren Viertel ihren Konsumismus, den zunehmend stärker konzentrierten Reichtum nicht etwa verstecken, sondern sogar immer offener zur Schau tragen, sei „eine Aggression, eine Provokation, ein direkt obszöner Akt gegenüber den Armen.” So wie an der Avenida Paulista – „der eine liegt krank vor Hunger auf der Straße, der andere fährt mit dem Importauto für hunderttausend Dollar vorbei.” Eva Turin meint, daß die Mittel-und Oberschicht diese Sozialkontraste bewußt verdrängt.
Marcio Pochmann, renommierter Wirtschaftsexperte, sieht einen Zusammenhang zwischen Bereicherung und Dekadenz. Die Reichen von heute entstammten immer weniger den legalen produktiven Sektoren der Gesellschaft, Geldgier mache sie zunehmend entfremdeter. Der Prozeß unproduktiver Bereicherung gehe unverändert weiter, damit auch die sozioökonomische Dekadenz im Lande.
Mittelschichtsviertel in Sao Paulo nahe der Avenida Paulista.
http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/07/aids-epidemie-in-brasilien-2015-katholische-bischofskonferenz-cnbb-ruft-bevoelkerung-zu-aids-tests-auf-jeder-kann-sich-anstecken/
http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/
Reichlich Ersatzkabel schon mal hingehängt…
Ausriß. “Gerhard Wisnewski. ungeklärt – unheimlich – unfassbar. Die spektakulärsten Kriminalfälle 2013. KNAUR
“Moderne Scheiterhaufen aus Autoreifen”:
…auch die “Stadt der Scheiterhaufen”….
…
Ausriß.
Zwölf Jahre lebte Klaus Hart in Rio de Janeiro als freier Korrespondent für diverse Magazine und Tageszeitungen und studierte dabei ausgiebig den Alltag seiner heißblütigen Mitmenschen. Er mischte sich unter entfesselte Karnevalstruppen, hatte es mit charismatischen Tanzlehrern und lebte die Erotik des Alltags aus, ebenso wie er die Anatomie eines Slums charakterisiert. Natürlich nimmt er auch das Thema Nazis unterm Zuckerhut ins Visier, gleichzeitig mit seinen Betrachtungen, die Juden unterm Zuckerhut betreffend. Und auch die Umweltsheriffs von Santarém, die auf verlorenem Posten gegen Wilderer, Dynamitfischer und Urwaldvernichter kämpfen. Aber dann wieder die Erotik im Alltag – intensiv wie eine Tropengewitter, wie Hart das nennt und seine Betrachtungen in diesem sehr langen Kapitel von allen Seiten schildert.
Dieses Buch als Einstieg zu der ersten Brasilienreise zu lesen, wäre zwar nicht fatal, aber auch nicht angenehm. Denn die Folgen wären unerreichbare Erwartungen. Klingt doch in jedem Kapitel, in jedem Thema die enorme Erfahrung des Brasilienkorrespondenten an. Das gereicht zu einem phantastischen Einstieg in die Seele des Landes, die uns so fremd ist, denen unsere Kultur aber noch fremder erscheint. Das lernt man bei Hart, auf stellenweise recht direkte, andererseits wundervoll einfühlsame Weise.
usch@saw
« Rebecca Harms, „Die Grünen“, Mitglied des Europaparlaments, auf dem Maidan-Platz in Kiew. „Europa, die Europäische Union ist stolz auf das, was hier passiert.“ Frauen in der Politik, Angela Merkel und Rebecca Harms. Bemerkenswerte Äußerungen der Grünen-Politikerin im Lichte der Ereignisse – keine Distanzierung von Nazis in SS-Uniformen, Faschisten, Antisemiten des Maidan-Platzes – was Bände spricht. – „Crimea’s referendum corrected Soviet-era mistake – Gorbachev“. »
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