Die Deindustrialisierung Brasiliens – angesichts jüngster Wirtschaftsdaten erneut ein Hauptthema der Wirtschaftsanalysen des Landes, wobei der mentale Rückstand in der Unternehmerschaft ein wichtiger Aspekt ist. Brasiliens Industrie sei nicht wettbewerbsfähig, zudem technologisch rückständig, von globalen Produktionsketten ausgeschlossen. Zudem sei sie an der Wirtschaftspolitik der Regierung direkt beteiligt, habe von Konsumförderungsprogrammen, Steuervergünstigungen profitiert, die am generell miserablen Zustand der Industrie, darunter fehlender Effizienz-Mentalität, nichts änderten. Entsprechend sei auch der Außenhandel Brasiliens eingebrochen. Konsumförderprogramme mittels Konsumentenkrediten hätten zu einer enormen Verschuldung der Privathaushalte geführt, zuallererst den Banken genutzt.
Üblich ist derzeit im europäischen Wirtschaftsmainstream, der Rousseff-Regierung den Schwarzen Peter für die miserable Wirtschaftslage zuzuschieben, wichtige ökonomische Steuerungsmechanismen indessen zu unterschlagen. So ist gängige Praxis, daß Unternehmen, die die unterschiedlichsten in Teilstaaten sowie in Brasilia an der Regierungsmacht beteiligten Parteien u.a. mit Wahlspenden sponsern, dann mit üppigsten staatlichen Aufträgen belohnt werden. Eine aktuelle Studie belegt dies für die Arbeiterpartei PT: Danach haben Firmen, die an PT-Abgeordnete Gelder überwiesen, einen bis zu 39-mal größeren Wert an staatlichen Aufträgen zurückbekommen. Als hauptsächliche Bestecher, Korrumpierer stehen bei gängigen Korruptionsskandalen nach wie vor Privatunternehmen an der Spitze. Dem schlechten Beispiel Brasilien stellen nationale Wirtschaftsanalysten stets das gute Beispiel Chile gegenüber – ein Blick auf vergleichende Daten, Statistiken, Rankings spricht Bände. Die völlig andere chilenische Unternehmenskultur ist bemerkenswert. Ein Blick auf die grauenhafte Desorganisation und Ineffizienz in brasilianischen Supermärkten gibt einen Hinweis darauf, wie die Besitzer ticken.
Zu den grotesken Auswirkungen der Verflechtung zwischen Privatunternehmen, Banken und Regierung zählt, daß das Gros der Marktteilnehmer derzeit nicht oder kaum investiert, um erst einmal nach der Wiederwahl von Staatschefin Dilma Rousseff die Bildung einer neuen Regierung abzuwarten. Nach dem deutlichen Rechtsruck im Nationalkongreß wird mit entsprechenden Schwierigkeiten gerechnet, angesichts der Präsenz von nunmehr 28(!) Parteien ein mehrheitsfähiges Regierungsbündnis zu erreichen.
Mainstream und Opposition versuchen derzeit, den staatlich kontrollierten brasilianischen Ölkonzernm Petrobras“sturmreif“ zur Privatisierung zu schießen – der Mangel an publizierten Informationen über Korruption, übelste Tricks in großen Privatunternehmen Brasiliens fällt überdeutlich auf.
Wie die größte brasilianische Wirtschaftszeitung „Valor economico“ im November hervorhebt, habe das niedrige Wirtschaftswachstum nicht im geringsten den Bilanzen der drei größten Privatbanken Itau-Unibanco, Bradesco und Santander geschadet. In den ersten neun Monaten 2014 hätten diese ihre Gewinne gegenüber dem Vorjahreszeitraum um immerhin 26,9 % gesteigert. Unternehmer von Produktionsfirmen beklagen u.a., daß ihnen Banken erpresserisch schlechte Konditionen aufzwingen.
Kurios ist eine Rückschau auf Analysen des straff gesteuerten deutschsprachigen Wirtschaftsmainstreams, der besonders nach 2008/2009 viele bizarr-groteske Falschanalysen der brasilianischen Wirtschaft produzierte. In guter Erinnerung ist das Hochjubeln zwielichtiger Unternehmerpersönlichkeiten wie Eike Batista. Bemerkenswert war besonders seit 2008/2009 der auffällige Gegensatz zwischen deutschen und brasilianischen Wirtschaftsanalysen.
“Krise vorbei, Grund zum Feiern”:Bettelnde kranke alte Frau in der City Sao Paulos.
2014, Sao Paulo, City, vorm Opernhaus.
“Die Welt”: http://www.welt.de/dieweltbewegen/article13665169/Brasilien-ist-die-Wirtschaftsmacht-der-Zukunft.html
“Mit wahnsinnigen Zahlen in allen Wirtschaftszweigen ist es bald eines der wichtigsten Länder der Welt.“
„Wirtschaftswunder unterm Zuckerhut“: http://www.welt.de/debatte/kolumnen/article13638342/Wirtschaftswunder-unterm-Zuckerhut.html
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/Das-neue-Wirtschaftswunder/story/16424577
« Neoliberale Wirtschaft und Wegwerfprodukte, von den Regierungen zugelassen, trotz Alibi-Öko-Geschwätz…“Geplante Obsoleszenz“. – Brasilien – Massenelend 2014: Staatliches Statistikinstitut IPEA räumt steigende Verelendetenzahlen ein. 2013 – offiziell 10,45 Millionen in extremer Armut, hohe Dunkelziffer. »
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