von Klaus Hart, Sao Paulo
Brasiliens neue Staatspräsidentin, zuvor Lulas Chefministerin, verschont die Nation bisher mit dem vom Ziehvater gewohnten Schwall aus Propagandareden – dafür haben es die politischen Ereignisse in sich.
Der angesehene kirchliche Menschenrechtsanwalt Sebastiao Bezerra da Silva wurde sadistisch gefoltert und ermordet – auch in den acht Regierungsjahren zuvor war das Verfolgen von Menschenrechtsaktivisten normal. Silva ermittelte gegen die landesweit aktiven, von Staatsangestellten geleiteten Todesschwadronen, gegen folternde Militärpolizisten und bekam deshalb Morddrohungen. Im archaischen nordöstlichen Teilstaat Maranhao, der laut Kirchenangaben bei Gefängnis-Folter an der Spitze steht, kam es zur ersten Häftlingsrevolte unter Rousseff – sechs Männer wurden getötet, Fotos der abgeschlagenen Köpfe waren in den Regionalzeitungen zu sehen. Maranhao wird von Gouverneurin Roseane Sarney regiert, die mit Dilma Rousseff befreundet ist, und bei nettem privaten Beisammensein mit ihr zur Laute allerlei populäre Liebeslieder sang. Eine unabhängige Untersuchungskommission zum Häftlingsaufstand gibt es nicht, Brasilia reichen die Angaben der Militärpolizei – ein Relikt der Militärdiktatur. Der Teilstaat ist zudem Herrschaftsgebiet des Oligarchen José Sarney, der einst die Folterdiktatorenpartei ARENA führte – und heute als Senatspräsident den brasilianischen Nationalkongress. Mit ihm, dem hochwichtigen politischen Bündnispartner, feierte Dilma Rousseff ihren Wahlsieg – auch das spricht Bände.
Auch die neue Menschenrechtsministerin Maria do Rosario beschreibt – wie ihr Vorgänger – die größte lateinamerikanische Demokratie als Folterstaat, nennt Torturen in total überfüllten Gefängnissen und selbst in psychiatrischen Anstalten ein „gravierendes nationales Problem“. Als Dilma Rousseff noch zuständige Chefministerin war, hatten derartige Eingeständnisse allerdings keinerlei praktische Bedeutung. Gleiches gilt für den jetzt auf der Berlinale gezeigten sozialkritischen Streifen „Tropa de Elite 2“, der Brasiliens bedrückende Menschenrechtslage eindrücklich abbildet. Wie im Vorgängerfilm, der 2008 den Goldenen Bären gewann, gibt es wieder eine der für Rio de Janeiro typischen Scheiterhaufenszenen – weder Lula noch Rousseff haben sich jemals zu dieser in den Slums unweit des neuen ThyssenKrupp-Stahlwerks gängigen Hinrichtungs-und Einschüchterungspraxis geäußert.
Wie es sich gehört, hat Brasilien als vielgelobte Demokratie und strategischer Partner auch der Berliner Regierung natürlich die UNO-Menschenrechtsabkommen unterzeichnet. Von möglichen Sofortmaßnahmen der Rousseff-Regierung zwecks Umsetzung ist aber nichts bekannt. Dafür erfährt man aus einer jetzt veröffentlichten Studie, was sich unter dem Gespann Lula-Rousseff noch so entwickelte. Bei Tötungen durch Schusswaffen liegt Brasilien weltweit an der Spitze – und von drei Ermordeten sind zwei schwarz. Der Soziologe Julio Waiselfisz, dessen Team die Studie erarbeitete, spricht von „Merkmalen der Ausrottung, Vernichtung“ und von fehlender öffentlicher Sicherheit für die arme, mehrheitlich schwarze Bevölkerung. Mit der öffentlichen Sicherheit passiere dasselbe wie bei Bildung, Gesundheit, Sozialversicherung – es werde privatisiert. „Wer kann, zahlt für privaten Sicherheitsdienst. Die Schwarzen gehören zu den Ärmsten, leben in Risikozonen und können nicht zahlen.“
Laut unvollständigen Statistiken werden in Brasilien jährlich immerhin etwa 55.000 Menschen ermordet. Die UNICEF ergänzt: Bei Morden an 15-bis 19-Jährigen liegt Brasilien weltweit an der Spitze, 38 Prozent der brasilianischen Jugendlichen leben in Armut und Misere. Die Rousseff-Regierung sollte daher in Programme für Gesundheit, Bildung und Sicherheit investieren, die sich gezielt an die 33 Millionen Heranwachsenden zwischen 10 und 19 Jahren richten. Aber irgendwie scheint Brasilia gar nicht so gut bei Kasse zu sein, wie Lula unter Hinweis auf angeblich fette Devisenreserven stets verkündete. Als die hausgemachte Erdrutsch-Umweltkatastrophe im Januar bei Rio de Janeiro rund tausend Todesopfer forderte – etwa 500 Menschen werden noch vermisst – fehlte es den Rettungsmannschaften arg an Mitteln und Ausrüstung, weil zuvor beim Katastrophenschutz extrem gespart worden war. Als Präsidentin Rousseff die Region besuchte, wurde sie mit ihren eigenen Fehlleistungen aus der Zeit als Chefministerin direkt konfrontiert. Das großflächige Abholzen und Bebauen von Steilhang-Risikozonen war erlaubt und wurde sogar gefördert– doch nun bettelt Rousseff gar die Weltbank um einen Milliardenkredit an, damit Slumbewohner aus entsprechenden Zonen umgesiedelt werden können. Bereits 2008 wurde die Region von einer solchen Umweltkatastrophe heimgesucht – und der Lula-Regierung vorgerechnet, für Präventivmaßnahmen nur 12 Prozent (!) der vorgesehenen Haushaltsmittel investiert zu haben. Sogar die UNO wirft Lula vor, bereits 2005 ein Katastrophenwarnsystem versprochen zu haben, das aber immer noch nicht funktioniere.
Um 2010 Rousseffs Wahlsieg zu garantieren, wurden die Regierungsausgaben, darunter für Propaganda, stark erhöht. Derzeit werden sie, notgedrungen, drastisch zurückgefahren, denn die Sozialbewegungen protestieren heftig, weil Präsidentin Rousseff die Anhebung des Mindestlohns deutlich unter der kräftigen Teuerungsrate hielt. Die umgerechnet etwa 248 Euro brutto monatlich passen schwerlich zu den erneuten Versprechen, nun aber wirklich Hunger und Misere auszutilgen. Das Mindestsalär bekommen laut offiziellen Angaben 29,1 Millionen registriert oder unregistriert Beschäftigte sowie 18,6 Millionen Sozialversicherte, darunter zwei von drei Rentnern. Doch ein Großteil der unregistriert, ohne Arbeitsvertrag und rechtliche Absicherung Beschäftigten hat deutlich geringere Einkünfte – in einem Land mit inzwischen oft deutlich höheren Preisen als in Deutschland, gerade bei Grundnahrungsmitteln als in Deutschland – und in einer Phase schmerzhafter Preisanstiege.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das Phänomen, dass Gewerkschaften inzwischen sogar Rechtsparteien applaudieren, weil die einen höheren Mindestlohn vorschlugen. Zugleich wird an die enormen Diätenerhöhungen der Kongresspolitiker sowie an das Einkommen von „Working Class Hero“ Lula erinnert. Seit Januar bekommt er monatlich allein als Ehrenpräsident der Arbeiterpartei umgerechnet rund 6.000 Euro, dazu die satten Bezüge als Ex-Staatschef. Zudem erhält er seit seinem 51. Lebensjahr eine Entschädigung von 1.900 Euro monatlich, weil er 31 Tage in Diktatur-Haft saß. Als ihm jetzt ein Unternehmen für einen Vortrag 100.000 Dollar Honorar anbot, lehnte Lula laut Landesmedien ab – entweder 200.000 Dollar oder kein Vortrag. Da bietet sich ein Vergleich mit den Hilfen des Anti-Hunger-Programms „Bolsa Familia“ an – denn 42 Prozent der Empfänger, also 5,3 Millionen Menschen, leben gemäß neuen Studien nach wie vor im Elend. Zwischen 14 und maximal 105 Euro werden monatlich ausbezahlt – pro Familie wohlgemerkt, meist sind sie kinderreich. Die Möglichkeit, Elend und Hunger unter den Bezugsempfängern rasch durch eine angemessene Hilfe zu beseitigen, werde nicht einmal erwogen, empören sich Kommentatoren. Die Regierung kürzt jetzt stattdessen sogar die Gelder eines Hausbauprogramms für die Unterschicht fast um die Hälfte.
Im Zuge des Rousseff-Starts erfuhr man auch, wie Brasilien heute kulturell tickt. Nach der Umweltkatastrophe erklärte die Präsidentin für mehrere Tage Staatstrauer, der Teilstaat Rio de Janeiro sogar für eine ganze Woche – doch selbst am Zuckerhut gingen die Vorkarnevalsfeste der Sambaschulen und andere karnevalistische Aktivitäten auf vollen Touren weiter. Renommierte Therapeuten und Sozialwissenschaftler haben auf diesen befremdlichen Umgang mit Tragödien aufmerksam gemacht. Andererseits – beim Kulturexport kommt das Riesenland laut UNO-Daten nur auf 0,2 Prozent des Weltvolumens, liegt auf Platz 26, gleichauf mit Rumänien. Zum Rousseff-Start verließ der Komponist und Dirigent John Neschling nach 14 Jahren frustriert das Land in Richtung Schweiz. Er hatte das völlig unbedeutende Sinfonieorchester Sao Paulos zu einem international anerkannten aufgebaut, wurde jedoch von der reaktionären Teilstaatsregierung gefeuert. Beim Weggang verwies er auf fehlende Kulturpolitik, eine paralysierende und unsensible Staatsbürokratie, brutalen Umgang mit Kulturgütern. Neschlings Rückkehr nach Europa ist symptomatisch, ein schmerzhafter Verlust für Brasilien.
Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff – vom mitteleuropäischen Mainstream im Personenkult-Stil bereits zum Amtsantritt als hervorragende, effiziente, erfolgreiche Administratorin gewürdigt – brasilianische Medien bekräftigen 2013 indessen alte Kritik an Ineffizienz und Inkompetenz der Regierung. Das Mensalao-Demokratieprojekt. **
“Nur Lula sah in Dilma Qualitäten, die sie nicht hat.” O Globo
Politisch korrekt wurde zudem im mitteleuropäischen Mainstream hervorgehoben, daß zum erstenmal eine Frau Staatschefin geworden sei – und schon deshalb vieles besser laufen werde. (“Frauenpower”) Besonders gelobt wurde Rousseffs angeblich konsequentes Vorgehen gegen die Korruption – sogar in den eigenen Reihen. Indessen ist die Kritik an der Staatskorruption eines der Hauptthemen der Protestbewegung.
Bildung in Brasilien unter Rousseff: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/24/brasilien-bildungein-brasilianischer-schuler-weis-mit-15-jahren-soviel-wie-ein-chinesischer-mit-10-und-ein-koreanischer-mit-11-jahren-warnung-von-brasiliens-fuhrender-wirtschaftszeitschrift/
Bemerkenswerte Proteste vor Lulas Wohngebäude, gegen Lulas Arbeiterpartei: “Eh-PT-vai tomando cú!”: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/20/brasilien-proteste-demonstranten-erstmals-vor-dem-wohngebaude-von-lula-in-sao-bernardo-do-campo-nahe-sao-paulo/
“Dilma, wenn Gott Brasilianer ist, schämt er sich wegen Dir!!!”
“Auch Dilma hat sich, ganz im Sinne ihres Vorgängers, der Sozialpolitik verschrieben.” WeltTrends, Potsdam 2012
Brasilien 2013: Nur noch 33% sehen Fortschritt, laut Studie Latinobarometro. Im ersten Amtsjahr von Präsidentin Dilma Rousseff waren es noch 52 %. **
tags: “fortschritt” in brasilien, latinobarometro 2013
Laut neuester Latinobarometro-Studie von 2013 ist Brasilien das lateinamerikanische Land, in dem sich die Wahrnehmung über Landes-Fortschritt am meisten verschlechterte – Brasilien fiel bei diesem Kriterium im Ländervergleich vom 3. auf den 11. Platz zurück, Präsidentin Rousseff beim Kriterium Popularität vom 2. Platz 2011 auf den 7. Platz 2013. Vor Rousseff liegen die Präsidenten der Dominikanischen Republik, Ekudor, Bolivien, El Salvador, Uruguay und Nicaragua.
Aus Mitteleuropa erhielt Rousseff indessen für ihre Regierungsweise sehr viel Lob.
Brasilien gilt als Testlabor des Neoliberalismus.
Das Mensalao-Demokratieprojekt: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/10/15/brasilien-das-mensalao-demokratieprojekt-unter-der-lula-regierung-fand-besonders-in-der-ersten-welt-sehr-viel-anklang-und-lob-kritik-indessen-aus-brasilien-selbst-sehr-haeufig-wurde-brasilien-im/
Viele in Mitteleuropas Mainstream verschwiegene Systemkritikerproteste, Straßenproteste seit dem Amtsantritt der Lula-Rousseff-Regierung: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/18/brasilien-proteste-weltsozialforum-und-katholische-kirche-massive-proteste-gegen-fahrpreiserhohungen-seit-2003-grundung-der-sozialbewegung-movimento-passe-livrempl-auf-weltsozialforum-von-200/
Wo Brasiliens Unterprivilegierte hausen – wie das deutsche Auswärtige Amt die Lage einschätzt. Die Frage der No-Go-Areas, inzwischen auch in Deutschland installiert:
Überfälle und Gewaltverbrechen sind in Brasilien leider nirgends völlig auszuschließen. Besonders Großstädte wie Belém, Recife, Salvador, Rio de Janeiro und São Paulo weisen hohe Kriminalitätsraten auf (Eigentumsdelikte, Gewaltverbrechen, Entführungen; siehe auch Allgemeine Reiseinformationen). Grundsätzlich ist Vorsicht angebracht, auch in als sicher geltenden Landes- oder Stadtteilen. Besonders betroffen sind Elendsviertel (Favelas). Von Favela-Besuchen wird dringend abgeraten Diese Gebiete werden teilweise von Kriminellen kontrolliert. Bewaffneten Auseinandersetzungen, auch mit der Polizei, fallen häufig auch Unbeteiligte zum Opfer.
Ausriß 2013. Wie die Bewohner der Armenviertel Rio de Janeiros die Resultate der Gewaltkultur wahrnehmen – mit den entsprechenden Wirkungen auf die Psyche, darunter von Kindern.
Leonardo Boff: “Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“
Ausriß, 1. November 2013
Gewaltkultur und Psyche: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/01/12/gewalt-und-psyche-in-brasilien-uber-650000-bewohner-sao-paulos-mental-gestort/
Privilegiertenghettos als Gesellschaftsmodell – Langtext: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/03/02/brasiliens-privilegiertenghettos-als-gesellschaftsmodell/
Wie in deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften die Situation interpretiert wird – viel Sympathie von interessierter Seite in Mitteleuropa für das brasilianische Gesellschaftsmodell:
”Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.” Deutschsprachige Tourismuspropaganda. Was in Kommerz-Reiseführern fehlt…
Brasiliens organisiertes Verbrechen – massiver Drogenexport nach Europa: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/11/brasiliens-organisiertes-verbrechen-und-der-massive-drogenexport-nach-europa-bestochene-flughafenbeamte-lassen-50-kilo-kokain-koffer-durchgehen/
Die Macht der Berichterstattungsvorschriften: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/14/frankfurter-buchmesse-2013-gastland-brasilien-die-macht-der-berichterstattungsvorschriften-systemkritische-autoren-geschickt-ausgebremst-gravierende-menschenrechtsprobleme-systematische-folter/
Arnaldo Jabor, Brasiliens bekanntester Medienkommentator, 2010 über Lula und Präsidentschaftskandidatin Dilma Rousseff: “Dilma hat keinerlei Kompetenz.” Lula wolle eine Frau aus Gründen machistischer Kontrolle. “A Dilma nao tem competencia nenhuma.” **
“Inconscientemente o Lula preferiu uma mulher na Presidencia por uma questao meio machista de controle. Eu nao sei se ele teria posto um homem mais culto, mais inteligente e tao forte quanto ele para sucede-lo…È um pouco de machismo, `mulher a gente controla`. “
Leonardo Boff: “Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“
Brasilien: Lula-Kritiker Francisco Whitaker, Träger des Alternativen Nobelpreises, Mitgründer des Weltsozialforums, katholischer Menschenrechtsaktivist **
“Brasilien ist eine Fassaden-Demokratie, ein Land der Apartheid”
Ex-Gewerkschaftsführer Luis Inacio Lula da Silva war auch von den deutschen Kommerzmedien zum “Star” früherer Weltsozialforen hochgejubelt worden – auf dem Forum in Caracas läßt er sich wegen der zu erwartenden Proteste lieber nicht blicken. Kritik an Lula und dessen Arbeiterpartei war in Porto Alegre nur zu oft unterdrückt, kaum wahrgenommen worden – doch die damals verlachten Kritiker haben Recht behalten.
Dazu zählt Francisco Whitaker, 74, angesehener Mitgründer des Weltsozialforums, der die dem Kampf um Menschenrechte gewidmete “Kommission für Gerechtigkeit und Frieden” der brasilianischen Bischofskonferenz koordiniert und jahrelang enger Mitarbeiter des befreiungstheologischen Kardinals Evaristo Arns in Sao Paulo war.
In der Arbeiterpartei(PT)von Staatschef Luis Inacio Lula da Silva gehörte Whitaker zu den letzten hochgeachteten „Aufrechten”, nachdem zahlreiche seiner Mitstreiter von der zentralistischen Führungsspitze ausgeschlossen worden waren oder aus Unzufriedenheit mit dem Regierungskurs das Parteibuch zurückgegeben hatten.
Im Januar 2006 erklärte auch Francisco Whitaker seinen PT-Austritt, was in der brasilianischen Öffentlichkeit enormes Aufsehen erregte. Der einst zum „Hoffnungsträger”, kurioserweise gar zur „Ikone der Linken” aufgebaute Staatschef Lula und die Spitze seiner Arbeiterpartei stecken tief im Korruptionssumpf, ein raffiniertes System von Abgeordnetenbestechung, Parteien-und Stimmenkauf, Mittelabzweigung und Machtmißbrauch wurde enthüllt. „Die jüngsten Ereignisse gaben mir den letzten Anstoß”, sagte Whitaker im Website-Exklusivinterview. „ Die Parteibasis ist von der Führungsspitze, von Lula regelrecht verraten worden. Was die katholischen Kirche bereits vor den Wahlen von 2002 vorausgesagt hatte, ist eingetroffen, die jetzige politische Krise war vorhersehbar. Um die Wahlen zu gewinnen, wurde sogar der berüchtigte PR-Manager Duda Mendonca, der zuvor für rechte Politiker arbeitete, eingekauft, wurde mit Tricks und Täuschung, mit Lügen gearbeitet. Ist das nicht triste? Um an die Macht zu kommen, so die neue Logik, muß man Wahlen gewinnen, wofür viel Geld nötig ist – uninteressant, woher es kommt. Ja, der Traum ist aus, überall spürt man Bestürzung und Enttäuschung. Doch es gab Leute wie mich, die dachten, man könnte noch manches reparieren. Das war ein Fehlschluß. Die Deformierung der Partei, sogar den Stimmenkauf bei parteiinternen Wahlen, habe ich seit langem beobachtet. Besonders gravierend, daß man im Ausland sogar auf illegalen Schwarzkonten Geld hortete. Übelste politische Machenschaften, die die Arbeiterpartei stets bekämpft hatte, wurden unter Staatschef Lula auf einmal normal. Die Arbeiterpartei kann wegen der jüngsten Ereignisse ihren gesamten politischen Diskurs nicht mehr benutzen, der ist völlig wertlos, völlig unglaubwürdig.” Aber die PT galt doch sogar international als eherne Säule der Ethik und Moral im zwielichtig-korrupten Politikbetrieb Brasiliens? „Das Ethik-Image wurde nur gepflegt, um die Wahlen zu gewinnen – doch jetzt macht die Regierung extrem „pragmatisch”, was sie will, wirft die Ethik über Bord, verfährt nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Anhänger werden maximal auf öffentliche Posten verteilt, um abzufassen, so viel und so lange es nur geht. Für mich ist geradezu ein Verbrechen, daß die Lula-Regierung mit übelsten, reaktionärsten Figuren und Parteien paktiert, ihnen das politische Überleben, eine starke Position garantiert. Im Nationalkongreß schloß Lula politische Abkommen mit Leuten wie José Sarney und Antonio Carlos Magalhaes – das ist doch schlimmer als Verrat! Die archaischen Oligarchien Brasiliens haben unter Lula nichts zu befürchten, können ganz beruhigt sein.”
„Brasiliens Eliten finden Lula wunderbar”
Aber tiefgreifende soziale Veränderungen wurden von Staatschef Lula doch scheinbar glaubhaft versprochen, immer wieder spricht er jetzt von enormen Fortschritten? „In Deutschland, überhaupt in Europa, kann sich kaum jemand das tatsächliche Ausmaß der sozialen Ungerechtigkeiten in Brasilien vorstellen. Wenige Betuchte – doch eine enorme verarmte, verelendete Unterschicht. Die Arbeiterpartei hatte einst auf ihre Fahnen geschrieben, diese krassen Ungleichheiten abzuschaffen. Dafür wäre eine andere Wirtschaftspolitik nötig. Doch jetzt, unter Lula, wird nichts verändert, sollen die Sozialkontraste fortbestehen. Das ist unser Drama. Lula unterwirft sich den Interessen des Kapitals weit mehr als sein Amtsvorgänger Fernando Henrique Cardoso, übernahm dessen Wirtschaftspolitik. Lula hält das Kapital besser, mehr bei Laune, als es eigentlich von ihm verlangt. Lula war ein Gewerkschafter, der wußte, wie man mit Fabrikbesitzern verhandelt. Er war nie gegen die Bosse, er war immer pragmatisch. Die brasilianischen Eliten profitieren heute von Lula wunderbar, finden ihn optimal. Paradoxerweise sind deshalb die Privilegierten heute am meisten daran interessiert, daß er möglichst lange weiterregiert, um das neoliberale Wirtschaftsmodell zu garantieren. Als es um die Frage einer anderen Wirtschaftspolitik ging, schlug sich Lula auf die Seite der Sozialdemokratie. Nie zuvor haben die Banken solche Profite gemacht. Im Falle Lulas und der Arbeiterpartei agierten unsere Machteliten wieder einmal sehr intelligent. Zudem kontrolliert Lula die Sozialbewegungen, hält das Volk mit Almosen von Unruhen ab. Seine Sozialprogramme sollen dazu dienen, die Masse unterwürfig und abhängig zu halten. Selbst die oft so kämpferisch auftretende Landlosenbewegung MST wurde gezähmt, überschreitet nie bestimmte Grenzen der Kritik an der Lula-Regierung. Statt einer für Brasilien so dringend nötigen Agrarreform, die einen neuen Binnenmarkt, eine enorme Nachfrage bislang ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen geschaffen hätte, wurde das exportorientierte Agrobusiness gefördert. Unter Lula wurde zudem der Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen generell ermöglicht, mit den entsprechenden Wirkungen auf die Umwelt. ”
Vertritt Whitaker in Brasilien eine isolierte Position, was meint die Kirche?
„In der Bischofskonferenz denkt man größtenteils wie ich, viele Bischöfe sehen die Dinge genauso. Enttäuschung über die Lula-Regierung gibt es in der Kirche deshalb nicht, weil man die Probleme ganz realistisch ja vorausgesehen hatte. Überrascht hat lediglich das Ausmaß der Machenschaften – mancher dachte, so weit würde es wohl nicht kommen. Unter den Gläubigen, in den befreiungstheologischen Basisgemeinden finde ich völlige Zustimmung.”
Der Staatschef und die SPD
Lula und seine Arbeiterpartei unterhielten besonders enge Beziehungen zu den deutschen Sozialdemokraten?
„Die PT-Spitze ging auch da ganz pragmatisch vor: Wir brauchen internationale Unterstützung – ohne die kommen wir nicht aus. Also gehen wir auf die Suche – wer öffnet uns die Türen mit besonders viel Sympathie, wo können wir möglichst viele Vorteile herausholen? Und so stießen die PT-Führer auf die SPD, die damalige rot-grüne Regierung, mit der ja auch das brasilianische Kapital wunderbare Beziehungen pflegte. Die deutschen Multis kommen wegen der Billigstlöhne nach Brasilien und entlassen dafür in Deutschland – die kapitalistischen Mechanismen sind furchtbar! Brasiliens Regierung stellt dem Auslandskapital keine Forderungen, macht ihm keinerlei Auflagen.”
Will Whitaker jetzt in eine andere Partei eintreten? „Auf keinen Fall. Brasilien ist nur eine Fassaden-Demokratie, ist ein Land der Apartheid – die Lage in den Slums, die dortige Macht des organisierten Verbrechens sprechen Bände. Der Weg, dies alles zu verändern, läuft nicht über Parteien, sondern über die Zivilgesellschaft, die sich besser organisieren muß, Autonomie gegenüber Parteien und Regierung braucht. Dieser Aufgabe werde ich mich jetzt völlig widmen. Die Zivilgesellschaft muß das Monopol der Parteien auf politische Aktion brechen. Das Weltsozialforum dient dafür als wichtige Erfahrung. Wir dürfen nicht mehr auf Führer hoffen, brauchen andere politische Perspektiven, eine andere politische Kultur. Jene Fraktion, die seit Jahren die PT dirigiert, hat mit eiserner Hand eine falsche Einigkeit konstruiert. Die Parteibasis hatte nur noch auf die von oben getroffenen Entscheidungen zu warten.”
Wie ist die Stimmung derzeit besonders unter den armen Brasilianern? „Nur zu oft halten sie Veränderungen für unmöglich, gerade in Wahlzeiten beobachtet man einen grauenhaften Fatalismus. Darüber hinaus gibt es die freiwillige Unterwerfung “ statt aufzubegehren und dann womöglich das bißchen, was man hat, auch noch zu verlieren. In den Slums unterwirft man sich dem organisierten Verbrechen “ doch es gibt auch Unterwerfung gegenüber korrupten Politikern. Man ist fatalistisch in Bezug auf Möglichkeiten, die Realität zu verändern. Wir hatten in Brasilien nie echte Revolutionen. Seit der Kolonialzeit haben wir eine Kultur der permanenten Anpassung an die Verhältnisse. Doch solche Unterwürfigkeit führt eben nicht zur Lösung der Probleme.”
Lula-Kritiker Chico Whitaker: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/21/lula-kritiker-francisco-whitaker-trager-des-alternativen-nobelpreises-mitgrunder-des-weltsozialforums-katholischer-menschenrechtsaktivist/
Francisco Whitakers neuestes Buch:
„O desafio do Forum Social Mundial “ um modo de ver”
Vorwort von Oded Grajew, jüdischer brasilianischer Unternehmer, der die Idee des Weltsozialforums hatte
Brasiliens Schriftsteller Zuenir Ventura: “Wir fragen uns weiterhin, warum die Brasilianer nicht auf die Straßen gehen, um gegen die Welle der Korruption zu protestieren, die das Land heimsucht.” Proteste gegen Gewaltkultur fehlen ebenfalls. Arnaldo Jabor: “A Dilma nao tem competencia nenhuma.” **
“Korruption ist die große Bedrohung unserer Zukunft.”(O Globo)
Viel Start-Lob für Politikstil der Lula-Rousseff-Regierungen aus Mitteleuropa, für Rousseffs Ministerliste just mit Superminister Palocci. Viel Medien-Gelächter in Brasilien über Versuch Brasilias, die derzeit durch Presseenthüllungen erzwungenen Entlassungen von Ministern und anderen hohen Regierungsfunktionären als “Säuberung” hinzustellen, die unbedingt positiv zu bewerten sei, für Dilma Rousseff spreche.
Zeitungsausriß – Rousseff mit engem Freund und Lieblingsminister Palocci – vor dessen erzwungener Entlassung.
“Die Korruption ist strukturell im brasilianischen Staat.” José Eduardo Cardozo, neuer Justizminister unter Dilma Rousseff, in Interview vor Amtsantritt, Dezember 2010
“Palocci stürzt und schwächt Dilma nach nur fünf Monaten an der Regierung.”
Brasiliens politischer Analyst Arnaldo Jabor im Oktober 2010: “Dilma hat keinerlei Kompetenz.”(A Dilma nao tem competencia nenhuma.”
“Eu nao consigo entender comoé que o povao vota na Dilma porque a figura é realmente espantosa. Mas o povo vai votar nela porque o Lula mandou!”
Lula räumt Schuld der entlassenen Ministerin Erenice Guerra ein: “Sie verlor die außerordentliche Chance, eine große Staatsfunktionärin zu sein.” Von Lula heftig attackierte Landesmedien sehen sich mit ihren Enthüllungen bestätigt. Erenicegate kostete Dilma Rousseff entscheidende Wählerstimmen. **
Brasiliens Staatschef Lula hatte zuvor beim Ausbruch des neuesten Regierungsskandals erklärt, Erenice Guerra habe für die Regierung und das Land Unschätzbares geleistet. Die jüngsten Enthüllungsberichte der Landesmedien zeigten “Intoleranz, Haß und Lüge.” Von den Medien wird Lulas neueste Klarstellung daher als Eingeständnis gewertet, daß die brasilianische Presse korrekt informiert hatte. Lula mache erstmals Erenice Guerra direkt verantwortlich.
Die andere Sicht: Hillary Clinton bezeichnete 2012 laut Landesmedien den Kampf von Dilma Rousseff gegen die Korruption sowie die Regierungstransparenz unter Rousseff als beispielhaft. Die Staatschefin habe damit entsprechende globale Standards und Normen geschaffen.
Erenicegate und Präsidentschaftswahlen: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/11/erenicegate-kostete-dilma-rousseff-mehr-pflichtwahlerstimmen-als-religiose-themen-laut-umfragen/
Erenice Guerra – laut Landesmedien enge Vertraute von Lula und Dilma Rousseff. Zeitungsausriß. “Kompetente” Auswahl einer Nachfolgerin durch Dilma Rousseff.
Lulas Palocci-Skandal: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/16/lulas-palocci-skandal-hausmeister-der-den-finanzminister-und-jetzigen-dilma-rousseff-berater-sturzte-hohe-entschadigung-zugesprochen-orgien-viagra-huren/
Leonardo Boff verteidigt Lula-Regierung, kritisiert Landesmedien: “Nessa guerra vale tudo: o factoide, a ocultacao de fatos, a distorcao e a mentira direta”. http://www.adital.org.br/site/noticia.asp?lang=PT&cod=51181
Leonardo Boff über die “Armseligkeit der brasilianischen Demokratie”:http://www.adital.com.br/site/noticia.asp?boletim=1&lang=PT&cod=50729
KULTUR HEUTE / ARCHIV / Beitrag vom 29.05.2009
Angepasste Denker unter dem Zuckerhut
Wie sich die brasilianische Kulturelite mit der korrupten Macht arrangiert hat
- Brasiliens Präsident Lula da Silva (im Bild) wäre längst abgewählt worden, wären Brasilianer nicht so desinteressiert – meint Santos. (AP)
Der prominente Schriftsteller Claudio Guimaraes dos Santos wirft der brasilianischen Gesellschaft Indifferenz und Apathie vor. Dies sei auf jahrzehntelange extreme sozialökonomische Ungleichheit im Land zurückzuführen, sowie auf mangelnde Bildung. In anderen Ländern wie Deutschland oder Großbritannien hätten vergleichbare Regierungsverhältnisse wie in Brasilien längst zu Protesten geführt.
Dr. Claudio Guimaraes dos Santos ist Mediziner, Psychotherapeut für Unfallopfer, die das Erinnerungsvermögen verloren haben, zudem Sprachwissenschaftler, Schriftsteller und auch noch bildender Künstler. Er zählt zu den wichtigsten, originellsten Denkern des Tropenlandes und veröffentlichte seine These sehr ausführlich just in der “Folha de Sao Paulo”, Brasiliens größter Qualitätszeitung. Die berichtet seit mehreren Jahren vor allem über haarsträubende Menschenrechtsverletzungen wie die alltägliche Folter, Todesschwadronen sowie politische Skandale um Machtmissbrauch, Korruption und Mittelverschwendung an der Staatsspitze, was nach Ansicht brasilianischer Politikexperten in Ländern wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich längst zu machtvollen öffentlichen Protesten, heißen Debatten und zum Abtreten der Regierung geführt hätte; nichts davon in Lateinamerikas größter Demokratie, stattdessen Indifferenz und Apathie, wie Santos anprangert:
“Der Charakter eines Volkes bildet sich historisch – und in Brasilien ist die Sklavereivergangenheit dabei ein wichtiger Faktor. Bestimmte Herrschaftsbeziehungen blieben im kollektiven Unterbewusstsein. Und in einem Land extremer sozialökonomischer Ungleichheit reproduzieren sich Abhängigkeitsverhältnisse ohne Ende. Die auffällige Passivität des Brasilianers wird teils durch fehlende Bildung und Kultur verursacht. Denn politisch aktiv kann man nur sein, wenn man Bildung hat und zum kritischen Denken erzogen wurde. In Brasilien haben wir daher die unglückliche Situation, dass die Mehrheit den Schuldigen so vieler Skandale in Wahrheit nacheifern, diese imitieren möchte. Viele der einfachen Menschen würden auch gerne so abzweigen und rauben wie etwa die Politiker im Nationalkongress – und ärgern sich schwarz, dass sie das nicht können so wie diese. Solche Verhaltensmuster muss man verurteilen, das muss sich ändern!”
Theoretisch könnte das Volk sich andere Repräsentanten wählen und damit die Dinge grundlegend ändern – tut dies laut Santos indessen wegen solcher historisch begründeten Sichtweisen nicht; votiert noch dazu in Pflichtwahlen immer wieder für teils schwer belastete, korrupte Oligarchievertreter und sorgt dafür, dass immergleiche Machteliten nie abtreten.
“Die brasilianische Demokratie ist krank, denn eine der Säulen der Demokratie, der freie, kritische und bewusste Staatsbürger, existiert in Brasilien nicht. Die Politiker in Brasilia sind ein Reflex dessen, was das Volk denkt und wie es selber agiert. Wenn alle könnten, wären sie gerne Millionäre, würden rauben wie die oben – und anderen befehlen. Es gibt kein Bewusstsein dafür, dass man eine solidarischere Gesellschaft erbauen müsste. Die Fähigkeit unserer Politiker, die Massen zu manipulieren, ist immens. In mehreren hundert Jahren hat man eine unkritische, ungebildete Masse geformt, die nicht zu entscheiden weiß. Man sieht hier, dass sich die Dinge nicht ändern, kulturelle Werte aber verlorengehen.”
Santos gibt dafür auch dem jetzigen Staatschef Lula die Schuld, unter dessen Regierung das Land auf dem UNESCO-Bildungsindex innerhalb weniger Jahre vom 72. auf den 80. Platz zurückgefallen ist, sich das öffentliche Schulwesen spürbar verschlechtert hat. Lula äußerte wiederholt Abneigung gegen Lektüre und Weiterbildung, sagte sogar öffentlich, nicht einmal Zeitung zu lesen.
“Lula legt Wert darauf, seine fehlende Bildung und Kultur herauszustellen. Damit gibt er natürlich ein schlechtes Beispiel. Vielmehr müsste er den Leuten sagen: Studiert – und lebt nicht mit dem Trugschluss, dass man ohne ordentliche Schulausbildung doch sogar Staatspräsident werden kann!”
Gesellschaftliche Passivität paart sich für Santos bei den Brasilianern zudem mit niedrigem Selbstwertgefühl und schlechtestem Urteil über sich selbst.
“Solche Haltungen trifft man sogar bei Intellektuellen. Unser Selbstwertgefühl ist gering. Die Brasilianer entwerten sich gegenseitig, schätzen indessen stets hoch, was von draußen kommt. Daher imitieren wir sogar, was in den Ländern der Ersten Welt schlecht ist – und kopieren von dort just das Falsche. Wir vergeuden Talente, menschliche Fähigkeiten – hier fehlt auch intellektueller Dialog.”
Viele Intellektuelle und Künstler Brasiliens, so ein weiterer Vorwurf, agieren zudem als Komplizen der Macht, der jeweiligen Regierung. Sie schweigen, anstatt wie in den Zeiten des Militärregimes gegen die Zustände aufzubegehren, gar Staatschef Lula öffentlich zur Rede zu stellen. Konkret genannt werden stets Ex-Kulturminister Gilberto Gil und Idole der Nationalkultur wie Caetano Veloso und Chico Buarque. Letzteren hatte man vergeblich aufgerufen, 2008 in Sao Paulo als Jurymitglied eines Menschenrechtstribunals gegen alltägliche Folter und die Verfolgung von Sozialbewegungen zu fungieren.
“Jene, die sich damals gegen die Diktatur wehrten”, so argumentiert Santos, “hatten Idealismus, Ideale, wollten die Gesellschaft verändern. Heutige Künstler sorgen sich viel mehr um Geld und Gewinn, verlieren dabei jedes Maß. Sie verkaufen sich – was heute ja viel leichter ist. Zumal jene Ideale in der ganzen Welt verlorengegangen sind. Die Verarmung des Kulturniveaus der Menschheit empfinde ich sehr schmerzhaft.”
Allein auf weiter Flur steht Denker Santos mit seiner Passivitätsthese keineswegs. Der große brasilianische Schriftsteller Joao Ubaldo Ribeiro, einst DAAD-Stipendiat in Deutschland, drückt es drastischer aus:
“Wir sind ein Volk mit dem Temperament von Schafen, von Hammeln. Wir sind an Autorität gewöhnt. Hier reklamiert doch niemand. Das ist die nationale Mentalität.”
Brasilien 16.8. 2015 – landesweiter Protesttag gegen Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff – wenige Tage vor Ankunft von Angela Merkel in Brasilia. Größte Demonstrationen wie stets in Sao Paulo. Leonardo Boff: “Lula machte die größte Revolution der sozialen Ökologie des Planeten, eine Revolution für die Bildung, ethische Politik.“ Brasiliens Gewalt-Gesellschaftsmodell – das jüngste Massaker im Teilstaat Sao Paulo mit über 20 Toten. **
20.AUG
DEUTSCH-BRASILIANISCHE REGIERUNGSKONSULTATIONEN
Am Morgen ist ein Arbeitsfrühstück der Kanzlerin mit Vertretern der deutschen Wirtschaft vorgesehen. Anschließend findet ein bilaterales Gespräch der Kanzlerin mit Präsidentin Rousseff statt.Gegen Mittag beginnt die Plenarsitzung der Regierungskonsultationen unter der gemeinsamen Leitung der Kanzlerin und der brasilianischen Präsidentin. Anschließend sollen eine Reihe von Abkommen in Anwesenheit der beiden Regierungschefinnen unterzeichnet werden. Danach ist eine gemeinsame Pressebegegnung geplant. Die Regierungskonsultationen schließen ab mit einem gemeinsamen Mittagessen der beiden Regierungschefinnen zusammen mit den Ressortvertretern beider Seiten.
19.AUG
DEUTSCH-BRASILIANISCHE REGIERUNGSKONSULTATIONEN
Am Vormittag reist die Kanzlerin zu den 1. Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen nach Brasilia. Die Kanzlerin wird von verschiedenen Vertretern der Bundesressorts sowie der Kulturstaatsministerin Grütters begleitet.Regierungskonsultationen sind ein besonderes Format, das wir nur mit sehr engen Partnern pflegen. Sie sollen dem Ausbau und der Intensivierung der bilateralen Beziehungen dienen und die Zusammenarbeit bei wichtigen globalen Fragern stärken. Im Mittelpunkt der ersten Konsultationen stehen die Themen Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie die Zusammenarbeit im Umwelt- und Klimabereich.Nach Ankunft der Bundeskanzlerin in Brasilia steht zunächst ein von der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff für die Kanzlerin und die deutsche Delegation gegebenes Abendessen auf dem Programm.(Zitat Bundesregierung)
Laut brasilianischen Politikexperten fällt auf, wieviele Regierungskader der Lula-Rousseff-Regierung u.a. von deutschen Parteistiftungen, darunter der Friedrich-Ebert-Stiftung, in Deutschland ausgebildet wurden und werden. Wie es heißt, spielt die SPD eine wichtige Rolle in der Lula-Rousseff-Regierung.
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“Weg mit Dilma. Wir wurden getäuscht. Weg mit den Korrupten.” Avenida Paulista, Sao Paulo. Regierung versucht vergeblich, den Erfolg der landesweiten Mobilisierung kleinzureden, gesteuerter Mainstream Mitteleuropas, ihn kleinzuschreiben. Deutsche Medien hatten entgegen der Faktenlage noch unlängst Rousseff als wackere, großartige und sehr erfolgreiche Korruptionsbekämpferin über den grünen Klee gelobt, jetzt schwenkt der Mainstream wieder einmal komplett um:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/13/deutscher-wirtschafts-mainstream-schwenkt-um-ueberschwengliches-lob-fuer-brasilienregierung-abgeschaltet-herbe-kritik-eingeschaltet-kurz-vor-ramschniveau-rezession-bringt-brasilien-in-die-bred/
“Wir sind noch weit von einer haltbaren demokratischen Republik entfernt.” Historiker José Murilo de Carvalho.
“Brasilien ist das Land der Korruption – Brasilien verbreitet Lügen über seine wirtschaftliche Realität”
Wie es einem brasilianischen Systemkritiker erging, der 2012 in der Steinmeier-Lula-Veranstaltung auf die Korruption im Tropenland hinweisen wollte. Und wie Medienzensur funktioniert:
Laut “Jornal do Brasil” war der brasilianische Systemkritiker Marcelo Machado Pereira(33), der Spruchbänder(“Brasilien ist das Land der Korruption – Brasilien verbreitet Lügen über seine wirtschaftliche Realität”) entrollt hatte, in Berlin aus dem Saal “rasch entfernt” worden – per Internetsuche wurden in deutschsprachigen Medien keinerlei Hinweise auf diesen Vorfall gefunden, auch nicht bei Radios und TV-Sendern, was Bände spricht. (Hatten Sie was darüber in ihrem Leitmedium gesehen?) Somit hatte es sich daher offenbar um eine sehr bemerkenswerte, auch für Medien-und Sozialwissenschaftler sowie Journalistikstudenten außerordentlich aufschlußreiche und interessante Veranstaltung gehandelt. Zum Zeitpunkt des Pereira-Rauswurfs von Berlin verbreitete der gesteuerte deutsche Mainstream noch uneingeschränkt entgegen der Faktenlage Lob und Hudel über Lula und Rousseff, wurden Medienkonsumenten dreist für dumm verkauft.
Heikle Menschenrechtsfragen(Folter, Todesschwadronen, Sklavenarbeit, Scheiterhaufen, Banditenterror etc.) offenbar bewußt ausgeklammert – darunter Lulas traditionell sehr gute Beziehungen zu Rechtsextremisten. “Auf dem Weg zur Weltmacht: Brasiliens Rolle in der neuen globalen Ordnung. Podiumsdiskussion mit Luiz Inacio Lula da Silva und Frank Walter Steinmeier. Freitag, 7. Dezember 2012.
Lula in Berlin 2012 – brasilianischer Systemkritiker “rasch entfernt” aus Steinmeier-Veranstaltung: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/12/07/brasiliens-ex-prasident-lula-in-berlin-diskussion-mit-frank-walter-steinmeier/
Offizieller Ankündigungstext: “Auf dem Weg zur Weltmacht: Brasiliens Rolle in der neuen globalen Ordnung
Diskussionsveranstaltung mit dem ehemaligen Präsidenten Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, und Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionsvorsitzender und Bundesaußenminister a.D.
Moderation: Burkhard Birke, Deutschlandradio KulturLuiz Inácio Lula da Silva, Präsident Brasiliens von 2003 bis 2011, zählt zu den angesehensten und beliebtesten Politikern weltweit. Die erfolgreichen Armutsbekämpfungsprogramme unter seiner Präsidentschaft wurden zum Modell in der Region. Die Sozial- und Arbeitsmarktreformen seiner beiden Regierungen legten die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg im vergangenen Jahrzehnt: In wenigen Jahren wird Brasilien zu den fünf wichtigsten Volkswirtschaften der Welt zählen. Auf der internationalen Bühne hat sich Brasilien als global player etabliert, der seine Interessen selbstbewusst vertritt.”
Im Website-Interview des August 2015, kurz vor dem Eintreffen Merkels, erinnert sich Marcelo Machado Pereira, der heute bei Sao Paulo als Informatiker tätig ist, noch einmal an die näheren Umstände seines Protestes – und wie ihn SPD-Funktionäre aus der Steinmeier-Lula-Veranstaltung wiesen. Pereira sieht Parallelen zwischen der SPD-CDU-Koalition in Berlin und dem Regierungsbündnis zwischen Lulas Arbeiterpartei PT und PMDB in Brasilia. Er bekräftigt seine Kritik an in-und ausländischen Medien, die Brasiliens wirtschaftlich-politische Realität falsch darstellen. Bemerkenswert, daß die gewöhnlich so auf Dissidenten versessene Berliner Journaille 2012 nicht die Gelegenheit ergriff, um mit Pereira sofort Interviews zu führen…Während seines Deutschland-Aufenthalts hatte Pereira erstaunt, amüsiert, daß nicht wenige politisierte Deutsche Lula regelrecht für einen “Gott” hielten – “obwohl doch Deutschland gar kein spirituelles Land ist. Lula wurde von diesen Leuten ein Heiligenschein verpaßt”, seien absurde Mythen über Lula kultiviert worden.
Wer sich die Mühe macht, einmal die Kritik von Marcelo Machado Pereira von 2012 mit dem damaligen Lob-und Hudel-Brasilien-Agitprop des deutschen Mainstreams zu vergleichen, kommt ins Staunen…
“Südamerikas Vorzeigestaat”. Illustrierte DER SPIEGEL 2012, im Jahre des Protests von Marcelo Machado Pereira.
“Perfekte Partner. Die Regierung von Dilma Rousseff trimmt das Land auf Wachstumskurs”. Wirtschaftswoche 2013 über Brasilien – ein Jahr nach dem Protest von Pereira.
Der Banker O `Neill und Brasiliens Realitäten:http://www.hart-brasilientexte.de/2014/11/10/brasilien-und-jim-o-neill-verbreiter-exzessiven-optimismus-uber-wirtschaftlich-soziale-zukunft-brasiliens-schopfer-der-abkurzung-bric-2014-zu-brasilien-voraussagen-ich-habe-mich-geirrt-fo/
Kurioserweise hat besonders der deutsche Mainstream Rousseffs angeblich energischen Kampf gegen die Korruption gewürdigt, obwohl davon nie die Rede sein konnte. Während Brasiliens Qualitätsmedien Rousseff bereits vor dem Amtsantritt als inkompetent einstuften und ihre bedenklich schlechten Leistungen als Lula-Ministerin kritisierten, wurde Rousseff in auffällig scharfem Kontrast von europäischen, darunter deutschen Mainstream-Medien seit der Präsidentschaftswahl von 2010 geradezu über den grünen Klee gelobt – anderslautende Analysen hatten angesichts der geltenden Berichterstattungsvorschriften keinerlei Chancen. Auch politische Stiftungen, vom Steuerzahler zwangsfinanziert, tuteten in das Lob-und Hudel-Horn. So hieß es, Rousseff gehe eisern gegen Bestechung auch in den eigenen Reihen vor, sei erfolgreich, effizient und unbestechlich, pragmatisch, gradlinig, kompetent, diszipliniert, fleißig, eine Technokratin. Laut brasilianischen Politik-und Wirtschaftsexperten traf exakt das Gegenteil zu – war man wegen Rousseffs “Erfolgen” als Lula-Ministerin bereits ausreichend vorgewarnt. Auffällig war zudem, wie der gesteuerte deutsche Mainstream die gravierenden Menschenrechtsverletzungen unter Rousseff zumeist schlichtweg nicht einmal erwähnte. Deutsche Medien feierten gar 2012 die von Rousseff vorgenommene Ernennung von Maria Foster zur Chefin des staatlich kontrollierten Ölkonzerns PETROBRAS mit – obwohl doch längst bekannt war, was Foster während ihres Aufstiegs in dem Konzern alles angerichtet hatte. Im Zuge des PETROBRAS-Korruptionsskandals blieb Rousseff im Februar 2015 nichts weiter übrig, als die zuvor hochgelobte Foster angesichts der zahlreichen Enthüllungen zu entlassen. Ähnlich verhielt es sich mit der vom deutschen Mainstream als hochkompetent und effizient eingestuften Gleisi Hoffmann, von Rousseff 2011 zur Chefin des Zivilkabinetts berufen, 2014 schon wieder entlassen. Inzwischen ermittelt das Oberste Gericht Brasiliens im Zuge der jüngsten Regierungs-Korruptionsskandale just auch gegen Gleisi Hoffmann.
Daß der mitteleuropäische Mainstream derzeit den internationalen Kontext, darunter US-Interessen im Hinterhof, unerwähnt läßt, versteht sich von selbst.
Merkel am 19. August 2015 nach Brasilien:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/01/deutsche-bundeskanzlerin-angela-merkelcdu-am-19-und-20-august-mit-grossem-minister-gefolge-in-brasilien-gravierende-menschenrechtslage-erneut-ausgeklammert/
Dilma Rousseff regiert nicht mehr – nach Einschätzung führender Politikanalystenh des Tropenlands.
Brasilien – Testlabor des Neoliberalismus für soziokulturelle Umgestaltung von bislang hochentwickelten Gesellschaften:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/14/brasiliens-gewalt-gesellschaftsmodell-2015-mindestens-20-erschossene-in-einer-nacht14-8-im-grossraum-sao-paulo-laut-landesmedien-bundeskanzlerin-angela-merkel-vor-besuch-bei-strategischem-partn/
“Höre nie auf zu kämpfen.”
“Schluß mit der Straflosigkeit”.
“Brasilia stinkt”.
“Ergreift den Chef!”
Merkel am 19. August 2015 nach Brasilien:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/01/deutsche-bundeskanzlerin-angela-merkelcdu-am-19-und-20-august-mit-grossem-minister-gefolge-in-brasilien-gravierende-menschenrechtslage-erneut-ausgeklammert/
Brasilien – Testlabor des Neoliberalismus für soziokulturelle Umgestaltung von bislang hochentwickelten Gesellschaften:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/14/brasiliens-gewalt-gesellschaftsmodell-2015-mindestens-20-erschossene-in-einer-nacht14-8-im-grossraum-sao-paulo-laut-landesmedien-bundeskanzlerin-angela-merkel-vor-besuch-bei-strategischem-partn/
Lula, Dilma Rousseff und Erenice Guerra: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/24/lula-raumt-schuld-der-entlassenen-ministerin-erenice-guerra-ein-sie-verlor-die-auserordentliche-chance-eine-grose-staatsfunktionarin-zu-sein/
Erenice Guerra und Dilma Rousseff – Zeitungsausriß.
Die Rousseff-Regierung und das politische Kabarett – anklicken:http://www.kibeloco.com.br/2013/06/27/porta-dos-fundos-reuniao-de-emergencia/
Was die Korruption unter Lula-Rousseff die brasilianischen Steuerzahler kostet:
Ausriß. Folha-Karikaturist Angeli.
Ausriß – Erenicegate.
José Sarney, Ex-Chef der Folterdiktatorenpartei ARENA, feiert Wahlsieg 2010 mit Dilma Rousseff und Lula. Sarney gehört zur Partei PMDB – wie Rousseff-Vize Temer.
Rousseffs Lieblingsminister Palocci – bereits unter Lula wegen Enthüllungen gefeuert – 2011 erneut auf Druck der Medienenthüllungen. Ausriß.
“Treffen mit Koalitionspartnern” – Angeli, Ausriß, 2012.
“Der PMDB war fischen.” Ausriß
Ausriß.
Ausriß, Angeli.
Lula und Collor, Ausstellungsfoto.
Ausriß, Juli 2015. “USA zapften Telefon des Flugzeugs von Dilma an. Laut Wikileaks spionierte NSA 29 Telefonlinien der brasilianischen Regierung aus…”
Angeli – Karikaturist von Brasiliens größter Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo”, über Landeskorruption – Ausriß.
Blutbeseitigung nach Massaker – Ausriß, Lokalmedien Sao Paulo.
Ausriß, Lokalmedien. Zehnjähriger Junge in angeblich befriedeter Slumregion “Complexo do Alemao” in Rio de Janeiro im April 2015 von MG-Salve getroffen.
Brasilien 2014: Tausende Rechte und Rechtsextreme demonstrieren in Sao Paulo gegen Regierung, Regierungskorruption. Militärputsch, Rousseff-Impeachment, Erschießung von Lula und anderen Führern der Arbeiterpartei PT auf öffentlichem Platz befürwortet. “Militärputsch von 1964 rettete Brasilien!” **
tags: aecio neves, brasilien-rechtsextreme 2014
Am Kunstmuseum MASP des Stadtzentrums hielten Rechte und Rechtsextreme vor der Demonstration ihre Auftaktkundgebungen ab, wobei sich ein Teil der Teilnehmer u.a. in Reden und Ansprachen klar für einen Militärputsch zwecks Absetzung der jetzigen Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff positionierte – der andere Teil dies ablehnte, sich aber für ein Impeachment aussprach. In flammenden Reden wurde sogar befürwortet, Lula und andere PT-Parteiführer auf öffentlichem Platze zu füsilieren(fuzilar). Kundgebungsteilnehmer machten auch mit Gesten deutlich, daß sie für ein Niederknallen von PT-Politikern sind. Von Lautsprecherwagen wurde zum Applaus für den rechtsextremen Kongreßabgeordneten Jair Bolsonaro aufgefordert, der zu den bekanntesten Verteidigern der Militärdiktatur zählt, sich in Brasilia mit der kubanischen Regierungsgegnerin Yoani Sanchez traf. Wiederholt wurde betont, daß die Militärs mit ihrem Eingreifen von 1964 das Land gerettet hätten, die Wahrheitskommission der Regierung zur Aufklärung der Diktaturverbrechen wurde scharf verurteilt. Kundgebungssprecher schlugen vor, durch das brasilianische Militär Lula, Dilma und den Rest der PT-Parteispitze inhaftieren zu lassen und danach Wahlen abzuhalten. “Wir haben keine Waffen, um sie Lula und Dilma an den Kopf zu halten!” Immer wieder wurde die Arbeiterpartei mit Kommunismus gleichgesetzt:”Kommunisten arbeiten nicht, rauben nur das Volk aus – Lula ist mit Brasiliens größter Verbrecherorganisation PCC liiert!” Kritik richtete sich ausschließlich gegen die Arbeiterpartei, obwohl diese im Nationalkongreß lediglich in Minderheitsposition ist und ein Regierungsbündnis aus rund 20(!) Parteien anführt. Diesem Bündnis gehören auch Rechtsparteien an. Immer wieder ertönten Sprechchöre:”Die Militärintervention ist jetzt die Lösung!” “Schnapssäufer Lula – gib mir mein Geld zurück! – Schnapssäufer Lula – du hast mein Geld geraubt!”
Transparente:”Rettet Brasilien vor der kommunistischen Diktatur!” “Schluß mit der Wahrheitskommission!”(zur Aufklärung der Diktaturverbrechen) “Kein Kommunismus – weg mit Dilma!” “Dilma ist eine Terroristin – Lula ein Strauchdieb!” “Dilma hat im Nationalkongreß eine kollektive Vergewaltigung kommandiert!” “Weniger Marx – mehr Aristoteles!” “Wir müssen radikaler werden!” “Militärintervention ist die einzige Lösung!”
Die mehreren tausend Ärzte aus Kuba, die derzeit in Regionen arbeiten, in denen brasilianischen Ärzte nicht arbeiten wollen(Slums etc), wurden mit infiltrierten “kommunistischen Guerrilheiros” gleichgesetzt.
Bemerkenswert ist, daß Brasiliens tonangebende Medien über den stark ideologischen Gehalt der Proteste nicht berichteten, nicht einmal die Befürwortung des Erschießens von PT-Politikern, die Ablehnung der Wahrheitskommission etc. erwähnten, auch nicht die wichtigsten Sprechchöre. Hinweis darauf, daß u.a. die großen Zeitungen immer weniger als Informationsquellen taugen – nicht anders als in Deutschland.
Ausriß – für Aecio Neves, Präsidentschaftskandidat der PSDB, ist der Putsch die “Revolution von 1964?. Die Putschmilitärs des nazistisch-antisemitisch orientierten Militärregimes benutzen bis heute die selbe beschönigende Bezeichnung.
Zu den Manipulationstricks des mitteleuropäischen Mainstreams gehörte im Präsidentschaftswahlkampf, den rechtsgerichteten Kandidaten Aecio Neves und dessen Partei PSDB nicht inhaltlich zu analysieren.
Yoani Sanchez – das Medienexperiment: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/05/14/yoani-sanchez-das-medienexperiment-2013-ist-es-moglich-fakten-und-informationen-uber-die-spektakularen-engen-kontakte-der-kubanerin-zu-einflusreichen-politikern-des-rechten-und-rechtsextremen-spe/
Zu landesweiten Kundgebungen hatte der unterlegene rechtsgerichtete Präsidentschaftskandidat Aecio Neves aus der Rechtspartei PSDB aufgerufen – er selbst nahm aber in Sao Paulo nicht teil, dafür der gewählte PSDB-Kongreßsenator José Serra. http://www.hart-brasilientexte.de/2014/10/24/brasiliens-rechtskandidat-aecio-nevespsdb-als-student-in-den-usa-%E2%80%9Ci-have-never-made-my-own-bed%E2%80%9D-%E2%80%9Ceveryone-in-rio-has-one-if-not-two-maids-one-for-cooking-and-the-ot/
“Nationalkongreß – größter Puff von Brasilien!”
Militärputschbefürworterin:”Intervention ist in der Verfassung. Putschisten sind die Kommunisten.” “Say No to Communism in Latin America”
Barack Obama – das historische Foto: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/21/das-historische-foto-barack-obama-und-diktaturaktivist-jose-sarney-damaliger-chef-der-folterdiktatorenpartei-arena-des-militarregimes1964-1985-prosten-sich-in-brasilia-2011-zu/
“SOS – Streitkräfte”.
“Intervention des Militärs jetzt!!!”
Welche deutschen Politiker die brasilianische Folterdiktatur aktiv unterstützten – Bodo Ramelow und die SPD-Partner: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/05/bodo-ramelow-und-die-wertvorstellungen-seiner-spd-partner/
“Willy Brandt ans Fenster”(1970). Im Jahr vor dem Erfurter Treffen hatte Willy Brandt das Kulturabkommen sowie das Wissenschafts-und Technologieabkommen mit der Folterdiktatur Brasiliens unterzeichnet. http://www.brandtschool.de/
Kundgebungstransparten für Militärputsch “Intervencao militar” – und Militärpolizei, Relikt der 21 Jahre währenden Militärdiktatur.