Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz
Welttag des Tanzes/ International Dance Day/Journée de la Danse – 29. April. Tango in Montevideo 2016. Der Absturz des Samba im US-Hinterhof Brasilien unter der Lula-Rousseff-Regierung – staatlich geförderter brutal-sexistischer Baile Funk gegen nationale Rhythmen.
Kubas Schüler kennen die nationalen Paartänze – in neoliberalen, amerikanisierten Staaten wie Deutschland wurde diese Kultur u.a. an den Schulen nahezu ausradiert. Funktionäre von US-Musikkonzernen haben zudem dafür gesorgt, daß in deutschen Radios kaum noch genuine deutsche Populärmusik gespielt wird.
“Die Jugendlichen von heute haben ein sehr individualistisches Profil – allein, ohne Partner zu tanzen ist Ausdruck dieses Phänomens.” David Lewinsky, brasilianischer Jugendpsychiater
Rhythmus im Sambodromo von Rio de Janeiro während der Karnevalsparade ist kein Samba – sondern Marschrhythmus, laut brasilianischen Musikexperten.
Brasiliens wichtigster Sänger und Komponist Chico Buarque über Rio-Klischees: “In den Karnevalssambaschulen wird schon lange kein Samba mehr gelehrt, tanzt doch keiner mehr echten Samba no Pé. Was man dort komponiert, interessiert mich längst nicht mehr, hat mit Sambakultur nichts zu tun. Das sind Märsche, man merkt es an Struktur und Melodie.”
Auch in deutschsprachigen Ländern gilt im straff gesteuerten Mainstream häufig noch die Sprachregelung/Berichterstattungsvorschrift, Rio de Janeiro sei im Karneval Stadt des Samba – obwohl Märsche, Marchinhas dominieren.
Parade im Sambodromo ist kein Karneval, urteilt absolut korrekt Janio de Freitas, Chefkommentator und Karnevalsexperte von Brasiliens größter Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo”. “Nao é Carnaval, simplesmente.” “Von Schulen, wie man die Samba-Organisationen nennt, haben sie nichts an sich – vom Samba ebensowenig.”
Inscribed in 2009 (4.COM) on the Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity
The Argentinian and Uruguayan tradition of the Tango, now familiar around the world, was developed by the urban lower classes in Buenos Aires and Montevideo in the Rio de la Plata basin. Among this mix of European immigrants to the region, descendents of African slaves and the natives of the region known as ”criollos,” a wide range of customs, beliefs and rituals were merged and transformed into a distinctive cultural identity. As one of the most recognizable embodiments of that identity, the music, dance and poetry of tango both embodies and encourages diversity and cultural dialogue. It is practised in the traditional dance halls of Buenos Aires and Montevideo, spreading the spirit of its community across the globe even as it adapts to new environments and changing times. That community today includes musicians, professional and amateur dancers, choreographers, composers, songwriters, teachers of the art and the national living treasures who embody the culture of tango. Tango is also incorporated into celebrations of national heritage in Argentina and Uruguay, reflecting the widespread embrace of this popular urban music.
In neoliberalen, amerikanisierten Ländern wie Deutschland wird weder deutscher Volkstanz noch Tango an den Schulen gelehrt – von Ausnahmen abgesehen – Hinweis auf den von staatlicher Seite forcierten Kulturverlust. In Staaten wie Uruguay oder Kuba ist es dagegen bereits an den Schulen normal, Tango bzw. Salsa tanzen zu können.
Warum es mit Brasiliens erotischem Sex bergab geht, ganz zu schweigen vom Rest der Welt: Stephen Kanitz nennt einen wichtigen Aspekt – die stupide Abschaffung des sinnlichen Paartanzes. **
Stephen Kanitz, Sozialwissenschaftler und Kolumnist, weist auf einen gravierenden Kulturverlust – die Abschaffung der noch in den Achtzigern auch bei jungen Leuten Brasiliens so unglaublich populären Paartanz-Bälle, Schule der Nation für sinnliches Körpergefühl. Ja, Brasilien war das letzte Paartanz-Paradies dieser Erde. Eine Frau, argumentiert Kanitz, brauche mehr Informationen als ein Mann, um sich verlieben zu können. Beim Paartanz erfahre sie in wenigen Minuten sehr viel über dessen Intelligenz, Kreativität, Takt, Zärtlichkeit, Körpergefühl, Kooperation, Geduld, Beharrlichkeit.
„Die Frauen machten früher auf diesen Bällen einen wahren psychologischen, physischen und sozialen Test potentieller Lebenspartner und erreichten, was wenige Psychotests zeigen.” In einer einzigen Nacht, so Kanitz, konnte eine Frau auf diese Weise zwanzig Männer einschätzen. (Für den Mann galt umgekehrt das gleiche.)Vorbei – heute habe sie viel weniger Auswahlmöglichkeiten, tanzten Mann und Frau in den Discos getrennt, berühre er nicht einmal mehr ihren Körper, mache zudem der Lärm von etwa 130 Dezibel jegliche natürliche Konversation und Interaktion zwischen den Geschlechtern unmöglich. Schlimmer noch: Der erste echte Kontakt des Mannes mit dem Körper einer Frau sei der beim Sex – gewöhnlich mechanisch ausgeführt anstatt romantisch und sozusagen als natürliche Verlängerung eines Tango oder Bolero. Auch in Brasilien dominieren inzwischen Discos für Nichttänzer, wird zu neoliberaler Musik gestampft. Und herumgestampft, aber nicht gerade erotisch, wird dann offenbar auch immer mehr in den Betten. Wer nicht mehr weiß, wie das ist, zu Hits von Tim Maia oder Roberto Carlos zu tanzen, kriegt dann auch das rechte Körpergefühl beim Sex nicht mehr hin. „Nicht zufällig gehen Romantik, Kameradschaft und Kooperation zwischen den Geschlechtern verloren”, schlußfolgert Stephen Kanitz.
Marta Suplicy – inzwischen von PT zu PMDB von Michel Temer gewechselt:
Dieser Beitrag wurde am Freitag, 29. April 2016 um 14:35 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.