Wie berechtigt ist die Forderung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), Navalny freizulassen? Die Antwort gibt ein Blick in das Schreiben des Gerichts.
In der Sendung russischen “Nachrichten der Woche” hat der Moderator Kisseljow ein Nachwort zu Navalny und zu der Forderung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Navalny freizulassen, gesprochen. Bevor wir zu der Übersetzung des Kommentars kommen, kurz zu der Forderung des EGMR.
Die westliche Presse vermittelt den Eindruck, dass die Forderung nach Navalnys Freilassung berechtigt wäre und dass das böse Russland eine bindende Gerichtsentscheidung ignoriert. Ein Blick in das Schreiben des Gerichtshofes und seine Begründung ist da hilfreich. Der Gerichtshof beruft sich in seiner Forderung auf Artikel 39 seiner Verfahrensordnung. Der Artikel lautet:
“Die Kammer oder gegebenenfalls ihr Präsident kann auf Antrag einer Partei oder jeder anderen betroffenen Person sowie von Amts wegen gegenüber den Parteien vorläufige Maßnahmen bezeichnen, die im Interesse der Parteien oder eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs ergriffen werden sollten.”
http://www.hart-brasilientexte.de/2021/02/20/john-kerry-unter-joe-biden-ausgerechnet-klimabeauftragter-der-usa-regierungkein-witz-woran-deutsche-staatsmedien-nicht-erinnern-duerfen/
Warum die GroKo Nawalny so mag, ihn stark unterstützt…Tagesschau:
Stand: 24.02.2021 18:02 Uhr
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wertet den Kreml-Kritiker Nawalny nicht länger als “gewaltlosen politischen Gefangenen”. Hintergrund sind Beschwerden über dessen frühere Reden.
-
RT:…Die Organisation begründete ihre Entscheidung mit Verweis auf dessen kontroverse Aussagen Mitte der 2000er-Jahre, in denen er laut Amnesty “Gewalt und Diskriminierung befürwortet” und diese Aussagen “nicht zurückgezogen” hatte. Nawalny bezeichnete damals kaukasische Migranten als “Kakerlaken”, die “ausgelöscht” werden müssten…Darin schreibt Amnesty, dass derzeit viele alte Videos von Nawalny im Internet kursieren, in denen er die “umstrittenen Äußerungen” gemacht hat…
–
Deutsche Welle:
“Amnesty geht auf Distanz zu Alexej Nawalny”
(AI distanziert sich just in dem Moment, als Nawalny keine Beweise zur Putinpalast-Affäre liefert. AI seit vielen Jahren immer fragwürdiger, in Deutschland von einer bestimmten Partei unterwandert, nicht mehr glaubwürdig, betonen Insider)
–
jw: …In den Videos hatte Nawalny unter anderem die Angehörigen von Russlands nordkaukasischen Nationalitäten mit Ungeziefer verglichen und empfohlen, sich gegen »Insekten, die größer sind als Küchenschaben«, mit der Pistole zur Wehr zu setzen. Bekannt sind auch Äußerungen Nawalnys, dass sich »weiße« Frauen nachts nicht mehr auf die Straße trauen könnten, wenn die Zuwanderung aus den muslimischen Regionen ins Innere Russlands anhalte. Dass der russische Oppositionelle eine Zeitlang offen solche rassistischen Positionen vertreten hat, ist seit langem kein Geheimnis; sie widersprechen allerdings der AI-internen Anforderung an »Gewissensgefangene«…
“Ergriffen werden sollten.” Es ist keine bindende Anweisung, sondern eine Empfehlung und Empfehlungen sind nicht bindend. Ich habe das nur der Vollständigkeit halber hier verlinkt, damit es jeder nachprüfen kann, denn es ist Thema in dem russischen Kommentar, den ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Die Vorgänge um Navalny brauchen noch ein Nachwort. Einige Punkte sind es wert, geklärt zu werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die sofortige Freilassung Navalnys gefordert. Ein entsprechendes Papier datiert auf den 17. Februar haben sie geschicht.
Ich habe persönliche Erfahrungen mit dem Europäischen Gerichtshof. Als ich vor einigen Jahren eine Klage zur Aufhebung der persönlichen Sanktionen gegen mich eingereicht habe – ich war der erste Journalist, der unter europäische Sanktionen gestellt wurde -, durfte ich nicht vor dem Gericht sprechen und nicht einmal an der Verhandlung teilnehmen, wodurch mein Recht auf Verteidigung grob verletzt wurde. Das Gericht in Luxemburg hat in Abwesenheit eine rein politische Entscheidung getroffen und die Sanktionen gegen mich bestätigt, das war alles.
Die europäische Justiz trifft weiterhin politisch motivierte Entscheidungen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat, ohne sich auf europäisches oder russisches Recht zu beziehen, von unserem Land einfach gefordert, Navalny freizulassen: “Am 16. Februar 2021 haben die sieben Richter der Kammer im Interesse der Parteien und eines ordentlichen Verfahrens beschlossen, Russland gemäß Artikel 39 der Verfahrensordnung anzuweisen, den Beschwerdeführer freizulassen.”
“Russland anzuweisen.” Mit welchem Recht geben sei Russland Anweisungen? Das ist eine offene Einmischung in unser Justizsystem. Navalny wurde von einem russischen Gericht nach russischem Recht verurteilt. Der Europäische Gerichtshof hat nicht das Recht, das Urteil zu kippen und er hat nicht das Recht, Entscheidungen im Falles Navalny zu treffen. Die Einmischung selbst bestätigt nur, dass die Europäische Union für ihren Agenten kämpft ist und sogar bereit ist, sich nur auf das Recht zu berufen, Anweisungen zu geben. Das ist Artikel 39 ihrer Verfahrensordnung, in dem es keine Bezugnahme auf juristische Argumente gibt. Damit ist klar, warum der russische Justizminister Konstantin Tschobychenko die Forderungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als “offensichtlich nicht durchsetzbar” bezeichnet und gesagt hat, dass es “keine Rechtsgrundlage” gebe, die europäische Anweisung zu befolgen. Das hätten wir also geklärt.
Aber da der Fall Navalny jetzt ein Zwischenergebnis hat, sollte man – wie es überall üblich ist, vom Sport bis zum Management – zurückschauen und die Zwischenergebnisse zusammenfassen und sie mit den gesetzten Plänen und Erwartungen abgleichen.
Deutschland – das übrigens gerade zugegeben hat, ihr Patient mit den deutschen Geheimdiensten zu tun hatte – hat den Saboteur Navalny in der Erwartung nach Russland geschickt, dass der als Anführer nach Hause zurückkehrt. Tatsächlich zeigte Nawalny unkontrollierte Hysterie, mit der er sich törichterweise seiner politischen Zukunft beraubt hat, indem er selbst vor Gericht den Veteran weiter öffentlich beleidigt hat. (Anm. d. Übers.: Die Bundesregierung gerade in der Beantwortung einer kleinen Anfrage zum Thema Navalny die Antworten mit Verweis auf Staatsgeheimnisse verweigert, womit sie eine Verbindung westlicher Geheimdienste zu Navalny bestätigt hat)
Es ist das Eine, wie ein Papagei Texte abzulesen, die ihm vom Ausland geschrieben wurden, aber es ist etwas anderen, im eigenen Saft und ohne äußere Einflüsterer aufzutreten.
Die Feier des Sieges über den Faschismus hält Navalny für “Unsinn” und die Militärparade im letzten Sommer – diese großartige Zeremonie der militärischen Ehre der Sieger – hat er eine “Dummheit” genannt. Diese Verachtung zeigte er auch im Prozess gegen den Veteranen Ignat Artemenko, als er abfällig über dessen Verdienste im Krieg gesprochen hat und meinte, die Auszeichnungen wären ihm “angehängt” worden.
Mit der Weigerung, die Verleumdungen und Beleidigungen zu bereuen, hat sich Navalny als Politiker einfach selbst erledigt. Da der Fokus in den letzten Wochen auf Navalny lag, sind auch seine früheren Strafverfahren, die seine diebische Natur zeigen, wieder in Erinnerung gekommen.
Der heutige “Berliner Patient” erhielt die erste Bewährungsstrafe, weil er seinen Status als Beraters eines Gouverneurs, das heißt, nachdem er Teil einer Regionalregierung war, ausgenutzt hat, um das Staatsunternehmen Kirovles zu plündern. Er zwang es, ihm Holz unter dem Marktpreis zu verkaufen und hat sich so bereichert. Der Direktor von Kirovles, der das staatliche Eigentum verschenkt hatte, wurde strafrechtlich belangt und Navalny bekam eine Bewährungsstrafe.
Seine nächste kriminelle Episode: Ein Franzose, der Leiter der Repräsentanz des französischen Unternehmens “Yves Roche Vostok”, Bruno Lepru, erstattete bei den zuständigen Behörden Anzeige wegen Betrug. Die Figuranten des kriminellen Plans, dieses Mal ging es um dutzende Millionen Rubel, waren die Navalny Brüder. Das Gericht verhängte eine weitere Bewährungsstrafe. Sein kriminelles Talent ist offensichtlich.
Ein weiterer Fall entsteht gerade, es geht um die Veruntreuung von Spenden, die Navalny in seinen Fonds, einschließlich des Anti-Korruptionsfonds, gesammelt hat. Er hat bereits Hunderte von Millionen Rubel für seine persönlichen Bedürfnisse ausgegeben, nicht für die der Öffentlichkeit erklärten Ziele. (Anm. d. Übers.: Es geht dabei um ca. 4 Millionen Euro, deren Verwendung Navalny nicht nachweisen kann)
Navalny mag Geld. Zum Beispiel kann man das Konto des Nawalny-Fonds, mit dem er um Spenden in Bitcoins bittet, öffentlich einsehen. Insgesamt hat er 658 Bitcoins bekommen und ungefähr die gleiche Menge abgehoben. Nach aktuellem Kurs hat Navalny in der Zeit mehr als 2,5 Milliarden Rubel (etwa 27 Millionen Euro) erhalten. Und da die Presse über die Urlaubsreisen von Navalny im Jahr vor der Pandemie berichtet hat, wissen wir von der Moscow News, dass er in dem Jahr in Ägypten, Italien, Lettland, Ungarn, Polen, Deutschland, den USA, Österreich und Spanien war… Das ist eine schöne Tournee.
Und noch ein Detail. Die gleiche Zeitung fand heraus, dass die größten anonymen Geldflüsse auf dem Bitcoin-Konto von Navalny nach den Veröffentlichungen seiner “Untersuchungen” eingegangen sind, sozusagen als Bezahlung. (Anm. d. Übers.: Das ist wahr und jeder kann es leicht überprüfen, wie ich hier aufgezeigt habe. Auch Leser haben das bereits getan und mir per Email darüber geschrieben)
Und noch etwas. Wenn die Anhänger Navalnys nun vom Westen fordern, Sanktionen gegen Russland zu verhängen und sogar Namenslisten erstellen, ist jedem hier klar, dass das ein Aufruf ist, unserem Land zu schaden.
Es ist unvorstellbar, dass Aktivisten, sagen wir in Frankreich oder Amerika, von Russland Sanktionen gegen ihre Länder fordern. Auch wenn manche Menschen immer noch nicht verstehen, warum das verrückt und schlecht ist, obwohl es oft erklärt wurde, hat Nikita Michalkow (ein berühmter Regisseur in Russland) bereits einen ziemlich radikalen Vorschlag zu diesem Thema: “Ich bin zum Beispiel absolut davon überzeugt, dass es notwendig ist, den Paragrafen über den Entzug der Staatsbürgerschaft wieder einzuführen. Nicht, um gegen Dissidenten vorzugehen, sie zu zerstören. Nicht, um Menschen zu bestrafen, die gegen Gesetzlosigkeit, Bürokratie, Korruption und so weiter protestieren. Das alles gibt es und es muss bekämpft werden. Aber nicht durch die Zerstörung des Landes. Und wenn es beispielsweise einen Appell an westliche Länder gibt, Sanktionen gegen das eigene Land zu verhängen, dann ist das ein Grund zu sagen, meine Freund… Ich bin absolut davon überzeugt, dass das absolut genau formuliert werden sollte, damit kein Missbrauch möglich ist. Das muss klar festgelegt werden.”
Übrigens wird der Entzug der Staatsbürgerschaft von Großbritannien ziemlich routinemäßig praktiziert. Das geschieht in der Regel ohne viel Wirbel in der Öffentlichkeit, aber der letzte Fall, der im Sommer 2019 bekannt wurde, betraf Jack Letts oder, wie er in der Presse genannt wurde, “Dschihad Jack”. Ihm wurde sein britischer Pass entzogen, weil er an der Seite von Terroristen in Syrien gekämpft hat.
Übrigens wurde die Praxis der Aberkennung der Staatsbürgerschaft im Vereinigten Königreichs von Theresa May intensiviert. In ihrer Zeit als Innenministerin gab das Ministerium diese offizielle Erklärung ab: “Die Staatsbürgerschaft ist ein Privileg, kein Recht. Innenministerin Theresa May wird sie jedem entziehen, der nicht im öffentlichen Interesse handelt.”
Nikita Michalkow schlägt vor, diese Logik auch in Russland anzuwenden. Er hat das Recht, seine Meinung zu äußern. Andererseits ist das Verhalten der Briten nicht unbedingt ein Vorbild für uns. Und ich persönlich bin mir nicht sicher, ob der Entzug der russischen Staatsbürgerschaft ein passendes Mittel ist. Auch die sowjetische Erfahrung in dieser Sache ist schwierig. Sollen wir dazu zurückkehren? Aber ich persönlich bin davon überzeugt, dass jemand, der seinem Heimatland vorsätzlich Schaden unter Beteiligung ausländischer Mächte zufügt, bestraft werden sollte. Zum Beispiel im Strafrecht. Das Thema steht zur Diskussion.
So oder so, die russische Gesellschaft, die die Vorgänge der letzten anderthalb Monate durchgemacht hat, mit bösartigen Fälschungen klargekommen ist, ausländische Einmischungen erkannt hat, Straßenproteste durchgemacht hat und die Einsätze unserer Polizei mit denen der Polizei im Ausland vergleichen konnte, Ordnung und Stabilität als Vorbedingung der Entwicklung ansieht und gerade Covid besiegt, dass diese russische Gesellschaft nach all dem reifer und gefestigter geworden ist. Das ist wichtig für die Zukunft.
Ende der Übersetzung
Von Dr. jur. Wolfgang Bittner
Am 20. August 2020 erlitt der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny während eines Inlandfluges einen Schwächeanfall und musste nach einer Notlandung in Omsk in einer Klinik behandelt werden. Wenig später wurde er mit Einwilligung der russischen Regierung in die Berliner Charité ausgeflogen, wo er mehrere Tage im Koma lag. Noch bevor Fakten bekannt waren, geschweige denn eine erste Untersuchung des Vorfalls stattgefunden hatte, wurde von westlichen Politikern und Journalisten behauptet, auf den „Kreml-Kritiker“ sei auf Anordnung oder jedenfalls mit Wissen Wladimir Putins ein Mordanschlag mit einem russischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe verübt worden. Es folgte eine bis zur Gegenwart andauernde Empörungswelle und Hetzkampagne gegen Russland.
Auf deutscher Seite waren unverzüglich bekannte US-affine Einflusspersonen zur Stelle, die mit Unterstützung der Leitmedien im Einsatz gegen die russische Regierung und deren Präsidenten agierten. Mit großem Bohei trat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Norbert Röttgen, auf die Bühne, assistiert von dem Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer und anderen Agitatoren. Und sofort kam die Forderung auf, den Bau von Nord Stream 2 aufgrund des Anschlags auf Nawalny endgültig abzubrechen, was den jahrelangen intensiven völkerrechtswidrigen Bemühungen der US-Regierung entsprach.
Jetzt müsse „alles auf den Prüfstand“, forderte Röttgen, die einzige Sprache, die Wladimir Putin verstehe, sei „eine Sprache der Härte“. Die Vollendung der Ostseepipeline wäre nach Röttgen die „ultimative und maximale Bestätigung für Wladimir Putin, mit genau dieser Politik fortzufahren“; dieses „gegen die Mehrheit der Europäer“ betriebene Projekt müsse aufgegeben werden.(1) Bütikofer bezeichnete das Beharren der Bundesregierung als „verbohrtes Festhalten“ an dem Projekt.(2) Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete am 2. September 2020, es lägen Untersuchungsergebnisse eines Bundeswehrlabors vor, nach denen Nawalny „zweifelsfrei“ vergiftet worden sei. Man werde mit den Partnern in der NATO und in der EU über eine „angemessene, gemeinsame Reaktion entscheiden.“(3)Im Spiegel hieß es schon am 28. August 2020 zum Fall Nawalny, Putin sei „eine destruktive Kraft der Weltpolitik“,(4) und die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete Anfang September 2020 das „System Putin“ als „aggressives Regime, das seine Interessen ohne Skrupel auch mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen versucht und die internationalen Verhaltensregeln immer wieder verletzt“.(5) Kurz darauf legte der Spiegelnach und kommentierte: „Die Zeit für Härte ist jetzt. Jetzt ist die Zeit, um dem Mann im Kreml wehzutun.“(6) Ähnlich feindlich äußerten sich weitere führende Politiker der CDU, der Grünen und der FDP; mäßigende Stimmen waren kaum zu vernehmen.
In die kriegstreiberischen Spekulationen zum Anschlag auf Nawalny, wurde auch die NATO einbezogen, und der angeblich „vom Kreml“ Vergiftete, der sich bereits nach wenigen Tagen erholt hatte, wurde als Lichtgestalt und potenzieller russischer Präsident propagiert. Allerdings stand das in völligem Widerspruch zur russischen Realität, denn Alexej Nawalny war in Russland trotz Unterstützung aus dem Ausland verhältnismäßig einflusslos. Zwar war er 2010 einige Monate an der Eliteuniversität Yale/Connecticut im „Yale World Fellows Program“ auf seine Rolle als globale Führungskraft (d. h. „Regimechanger“) vorbereitet worden,(7) aber bei Wahlen lag seine Partei russlandweit im unteren einstelligen Bereich.
Und wieder einmal entblößte sich das EU-Parlament in seiner antirussischen Haltung: Diesmal wegen der unterstellten Vergiftung Nawalnys mit einer Resolution(8), in der härtere Sanktionen gegen Russland gefordert wurden, obwohl keinerlei Beweise für russisches Fehlverhalten vorlagen. Den Bitten aus Russland um Weitergabe von Untersuchungsergebnissen, war die deutsche Regierung nicht nachgekommen. Verschwiegen wurde von den westlichen Medien, dass der Nationalist Nawalny zweimal wegen Betrugs verurteilt worden war.(9) Ein älteres Video zeigt zudem, wie er politische Gegner mit Ungeziefer gleichsetzte, „das entsprechend zu ‘behandeln‘ sei“.(10)
Wie heuchlerisch die antirussische Kampagne der Berliner Politikerkaste und ihrer Leitmedien war, zeigte sich überdeutlich daran, dass von der jahrelangen Drangsalierung und rechtswidrigen Inhaftierung des dadurch ernsthaft erkrankten Journalisten Julian Assange überhaupt keine Kenntnis genommen wurde. Auch die grausame Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi am 2. Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul durch „Spezialkräfte“ aus Riad geriet bald in Vergessenheit;(11) ebenso die Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch eine Drohne. Dass in der Ukraine ständig Regimegegner umgebracht wurden und werden, war nie ein Thema.
Zweifel werden ignoriert
Der Kremlsprecher Dmitri Peskow wies die Anschuldigungen aus Deutschland entschieden zurück und erklärte: „Wir sind bereit und daran interessiert, vollständig zu kooperieren und die Informationen zu diesem Thema mit Deutschland auszutauschen.“(12)Das konnte die Wogen nicht glätten, denn die Unschuldsvermutung vor einem Urteil gilt in den Beziehungen zu Russland schon lange nicht mehr, Zweifel werden ignoriert, Untersuchungsergebnisse aus Deutschland werden den Behörden in Russland verweigert.
Außenminister Sergej Lawrow beklagte mit ernsten Worten in einem Interview am 15. September 2020: „Gäbe es Alexej Nawalny nicht, würde man sich noch irgendetwas als Vorwand zur Einführung zusätzlicher Sanktionen einfallen lassen… Was diese Lage betrifft, so scheint mir, dass unsere westlichen Partner schlicht allen Anstand und alle Grenzen des Vernünftigen hinter sich gelassen haben. Im Kern der Sache verlangt man jetzt von uns ein ‚Geständnis‘. Man fragt uns: ‚Wie, ihr vertraut deutschen Spezialisten nicht, von der Bundeswehr? Wie kann das sein? Ihre Schlussfolgerungen wurden von den Franzosen und Schweden bestätigt. Was, ihnen traut ihr auch nicht?‘“(13)
Zu konstatieren ist: Die russische Regierung hatte zugestimmt, dass Nawalny trotz der Corona-Grenzsperre zur Behandlung und Untersuchung mit einem Privatjet nach Deutschland in die Charité gebracht wurde. Das hätte sie wohl kaum gemacht, wenn sie eine Vergiftung angeordnet hätte, noch dazu mit dem Nervengift Novitschok. In der Affäre um den Doppelspion Skripal, der angeblich in London von russischen Agenten mit Novitschok vergiftet wurde, weswegen die deutsche Regierung sofort Diplomaten ausgewiesen hat, gibt es immer noch keinen eindeutigen Beweis für einen Mordanschlag aus Russland. Diese bedauerlichen Vorgänge werden in Szene gesetzt und dramatisiert, aber die folgenden Untersuchungen bleiben ergebnislos, während Diskriminierung, Hetze und Scheinbeweise Wirkung zeigen, wenn die Unterstellungen nur oft genug wiederholt werden.
Besonders perfide an dem Vorgehen der Bundesregierung war, dass mit einem vermuteten Verbrechen an einem russischen Staatsbürger in Russland die Bundeswehr und die NATO befasst wurden. Damit erhielt der Fall Nawalny eine militärische Dimension. Aber es lag kein bewaffneter Angriff Russlands auf Deutschland vor. Die Bundeswehr als Verteidigungsarmee und die NATO, die entsprechend dem Nordatlantikvertrag ein Verteidigungsbündnis ist, hätten überhaupt nicht einbezogen werden dürfen. Was sich die Bundesregierung geleistet hat, ist eine Ungeheuerlichkeit, und ebenso ungeheuerlich ist, dass dies im Westen von keiner Seite thematisiert wurde. Die Reaktionen im Deutschen Bundestag und in den Medien waren beschämend. Erst nach Tagen regte sich allmählich Kritik an der offiziellen Version, nachdem die sogenannten alternativen Medien sie schon lange angezweifelt hatten.
In der Wochenzeitung Freitag wurde der Anschlag auf Nawalny wie folgt kommentiert: „Anstandslos wird Wladimir Putin von vielen deutschen Politikern die Verantwortung für den ‚Fall Nawalny‘ angelastet. Ob es klare Beweise gibt, erscheint zweitrangig. … Wo Fakten, Argumente und vor allem offene Fragen nicht ins Weltbild passen, werden sie der Ideologie geopfert. Beim ‚Fall Nawalny‘ geschieht das in einer krassen, geradezu fanatischen Weise, dass einem der Atem stockt. Woher diese Melange aus Vorurteil, Ressentiment, Kriminalisierungs- und Verdammungswahn gegenüber der russischen Regierung? … Es liegt nicht der geringste, schon gar kein stichhaltige Beweis dafür vor, dass ‚Putin‘ oder ‚der Kreml‘ den Anschlag auf Nawalny angeordnet und wissentlich geduldet haben. Trotzdem wird unablässig suggeriert, es könne gar nicht anders sein.“(14)
Aufschluss in der Affäre Nawalny, gibt letztlich die Tatsache, dass sie umgehend mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 verknüpft wurde. Seit mindestens zwei Jahren lief die US-Regierung Sturm gegen dieses Projekt, von Monat zu Monat heftiger. Jetzt hatte sie, assistiert von ihren deutschen Einflusspersonen, endlich den triftigen Anlass, kategorisch das Ende des Pipelinebaus zu verlangen.
Nawalnys Rekonvaleszenz in Deutschland
Am 22. Januar 2021 platzte dann eine Bombe, als der Schwarzwälder Bote berichtete, dass Alexej Nawalny während seiner „Rekonvaleszenz“ im Geheimen in den „Blackforest Studios“ in Ibach/Schwarzwald wochenlang an einem Propagandafilm über einen „Luxus-Palast“ Putins am Schwarzen Meer gearbeitet hat.(15) Das geschah unter Begleitschutz unter den Augen von Politik und Medien mit Unterstützung aus den USA und einem professionellen Mitarbeiterstab. Wie Investigationsjournalisten herausfanden, handelt es sich um einen ungeheuerlichen Betrug.(16) Der angebliche Palast Putins mit kostbar eingerichteten Gemächern ist eine noch im Rohbau befindliche Hotelanlage. In dem Film, der in Russland millionenfach gesehen wurde und zu Massendemonstrationen führte, wird Putin unterstellt, er habe sich mit staatlichen Geldern ein „Zarenschloss“ errichten lassen.
Die deutsche Regierung und die Geheimdienste haben die Filmproduktion offensichtlich unterstützt, obwohl Nawalny nach deutschem Recht unverzüglich hätte ausgewiesen werden müssen. Die stattdessen erhobenen Forderungen nach seiner Freilassung aus der Haft erscheinen vor diesem Hintergrund gewissenlos, zumal Nawalny nach seiner Rückehr in Russland zu Recht wegen der Verletzung von Bewährungsauflagen inhaftiert wurde und eine Bewährungsstrafe antreten musste. In voller Absicht wurde eine Propagandakampagne gegen den russischen Präsidenten inszeniert, die umso niederträchtiger ist, als sie darauf angelegt ist, die Bevölkerung gegen Wladimir Putin mit dem Ziel eines Regime Changes in Russland aufzuhetzen. Dass im Westen über die Untersuchungsergebnisse zum sogenannten Putin-Palast bis dato nicht berichtet wurde, ist ein weiteres Zeichen für die Verkommenheit von Politik und Medien.
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner veröffentlichte 2019 den Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ sowie das Sachbuch „Der neue West-Ost-Konflikt – Inszenierung einer Krise“. Anfang März erscheint „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“.
Quellen und Anmerkungen
(1) www.deutschlandfunk.de/nawalny-vergiftung-roettgen-die-einzige-sprache-die-putin.694.de.html?dram:article_id=483493
(2) www.boerse-online.de/nachrichten/aktien/mit-dem-kopf-durch-die-wand-buetikofer-ruegt-nord-stream-2-1027934486
(3) www.tagesschau.de/ausland/nawalny-nowitschok-103.html
(4) www.spiegel.de/politik/ausland/russland-und-der-fall-nawalny-diesem-regime-kann-man-nicht-mit-mahnungen-begegnen-a-00000000-0002-0001-0000-000172728795
(5) www.zeit.de/news/2020-09/03/fall-nawalny-berlin-will-mit-verbuendeten-beraten
(6) www.spiegel.de/wirtschaft/russland-anschlag-auf-alexej-nawalny-es-ist-zeit-dem-mann-im-kreml-wehzutun-a-72720825-6757-4a5d-9cbb-7974adafe53f
(7) Eine ähnliche Unterweisung erhielten der Ukrainer Arsenij Jazenjuk, der Georgier Micheil Saakaschwili, die Litauerin Dalia Grybauskaité, der Venezolaner Juan Guaidó und andere US-„Hoffnungsträger“. Auch einige deutsche Politiker wurden in den USA entsprechend geschult.
(8) Am 18.9.2020 mit 532 Ja-Stimmen, 84 Gegenstimmen und 72 Stimmenthaltungen; vgl. deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/506424/Wegen-Nawalny-EU-Parlament-beschliesst-Resolution-fuer-haertere-Sanktionen-gegen-Russland
(9) www.tagesschau.de/ausland/nawalny-portraet-101.html
(10) www.nachdenkseiten.de/?p=64036
(11) Nach Angaben offizieller türkischer Stellen ist Kashoggi, der sich kritisch über den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman al-Saud geäußert hatte, gefoltert und bei lebendigem Leibe zerstückelt worden.
(12) www.tagesschau.de/inland/nawalny-merkel-101.html
(13) deutsch.rt.com/international/106671-lawrow-gabe-es-nawalny-nicht-fiele-anderer-vorwand-sanktionen-ein/
(14) www.freitag.de/autoren/lutz-herden/wie-im-affekt
(15) www.schwarzwaelder-bote.de/thema/Alexej_Nawalny
(16) https://youtu.be/qalJPNmBbhE (17.2.2021) sowie www.anti-spiegel.ru/2021/neue-details-von-navalnys-film-ueber-putins-palast-zeigen-er-ist-made-in-usa/. Russisches Video: vesti7.ru/video/2264133/episode/31-01-2021/ (21.2.2021)