Der Roman behandelt die Entstehung des Samba in Rio de Janeiros Stadtviertel Estacio. Ein dritter Roman ist laut Lins in Arbeit.
Paulo Lins, längst von Rio nach Sao Paulo umgezogen, mit seinem kleinen Sohn bei den Kinderbüchern.
http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/20/paulo-lins-gesichter-brasiliens/
Pedro Herz, jüdischer Besitzer der größten brasilianischen Buchkaufhauskette “Livraria Cultura” bedrückt 2011, daß der größte Teil der Brasilianer wegen des immer schlechteren Schulsystems garnicht verstehe, was er lese. “Die Leute können nicht mal einen kleinen Text lesen und wiedergeben, kapieren den Text nicht – und das ist grauenhaft.” Der Kulturverlust, die Medienkrise schreite fort – ob in Brasilien oder im Rest der Welt. “Alle träumen von der erlebten Vergangenheit, weil das Heute reizlos, enttäuschend ist.”
„Wir leben heute in einer enttäuschenden Welt“ (Frei Betto 2011)
Tags: City of God, Gesichter Brasiliens, Menschenrechte, Paulo Lins, Rogerio Reis
Brasilien: Paulo Lins
Schriftsteller, Filmemacher, Menschenrechtsaktivist
Der aufrüttelnde sozialkritische Streifen „City of God” lief mit großem Erfolg auch in den deutschen Kinos – verfilmt wurde der Romanerstling „Cidade de Deus” des Schwarzen Paulo Lins aus Rio de Janeiro. Das Buch erschien auch bei einem deutschen Verlag. Was Lins, der aus dem gleichnamigen Elendsviertel stammt, da zu Papier brachte, versetzte der brasilianischen Nation einen heilsamen Schock, veränderte die Kulturszene des Tropenlandes nachhaltig. Bislang unterdrückte Diskussionen über die verdeckte Apartheid Brasiliens, die Machtstrukturen der Slums kamen in Gang. Wegen Lins, so die begeisterte Kritik, könne nicht länger verheimlicht werden, daß die Hölle gleich hinter Ipanema beginne, Brasilien zu den grausamsten Ländern der Erde gehöre. DAAD-Stipendiat Lins konterte:”Würde ich die Realität so schildern, wie sie ist, könnte man das gar nicht publizieren.” Durch „Cidade de Deus” trennten sich in der Ersten Welt viele von sozialromantischen Brasilienklischees. Lins schrieb mit am Filmdrehbuch, suchte die Laiendarsteller der Elendsviertel aus, spielte den Co-Regisseur. Im Website-Interview sagt er: “Über dreißig Jahre lebte ich in der Gottesstadt, hatte keinerlei Zugang zu einer anderen sozialen Klasse. Ging ich durch Copacabana und Ipanema, fühlte ich mich ausgeschlossen, schlecht, fühlte ich Angst. Die Leute schauten mich so anders an, als ob es mir auf der Stirn geschrieben stand “ Schwarzer und Slumbewohner. Sie sagen hier, es gebe keinen Rassismus – aber wir wissen, den gibts, das Problem ist sehr ernst. Im Fernsehen gibts so gut wie keine Schwarzen, alle wichtigen Posten in Unternehmen, in der Politik, in der Regierung sind von Weißen besetzt. Bis heute fühle ich mich schlecht, wenn ich in so eine abgesperrte Wohnanlage von Betuchten reingehe. Dort werde ich übel behandelt. Sitze ich mit Weißen im Auto, werden wir von der Polizei nicht angehalten. Sind wir aber nur Schwarze im Wagen, stoppen sie uns. Bis heute fühle ich diesen Rassismus. Zu meinem Roman bekam ich nur ganz wenige negative Kritiken, weil er eben hinter die Kulissen schaut, geschrieben von einem, der im Slum haust. Das war ja das Interessante, das gab es noch nie. Heute sind die Schriftsteller doch alle aus der Mittelschicht. Die Leser waren völlig überrascht, weil da eine verheimlichte Realität zum Vorschein kommt. Ich hatte vorher nie mit Banditen gesprochen, denn nicht jeder kommt an die ran. Der Bandit ist die oberste Autorität im Slum, deshalb kann nicht jeder mit dem reden. Früher wurde man mit 18, 20, 25 Jahren Bandit, heute mit neun, zehn Jahren! Hier in Brasilien erfaßt die Gewalt schon die Kinder. Brasilien mordet seine Kinder und läßt Kinder zu Mördern werden. So viele tote Heranwachsende, nie gezählt, nie registriert. Brasilien hat eine Gabe zum Töten, Brasilien ist ein Mörderstaat. Und das seit vielen Jahren schon – man denke an die Sklaverei, die Lage der Indianer. Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert starben in Rio zweihundert Sklaven pro Woche, gab es Massaker an achthundert Menschen pro Woche! Die Slums waren immer gewaltgeprägt, nur gab es früher nicht so viele, war die Armut nicht so groß. Heute ist es überall gefährlich, heute kann jeder überfallen und entführt werden – und anders als früher auch der Reiche. Der braucht heute einfach Body-Guards, muß in diesen geschlossenen Wohnanlagen hinter hohen Gittern wohnen. Denn heute leben eben viele vom Verbrechen. Buch und Film zeigen: Brasilien steht beinahe in Flammen und die Leute merken es nicht, kümmern sich nicht drum! Die Gewalt ist aber nicht nur ein Fall für die Polizei, die Gewalt hat mit der Misere, mit Hunger, Krankheit zu tun. Es geht um Menschenrechte, um eine kraß ungerechte Einkommensverteilung. Wie wollen wir die Gewalt beseitigen, wenn wir nicht den Hunger, die Misere abschaffen? Brasilien stirbt noch mal an dieser Indifferenz, dem Volk fehlt einfach Bewußtsein. Weil der Film weltweit gezeigt wird, eine unbekannte Realität enthüllt, muß die brasilianische Regierung jetzt reagieren, wird sich die brasilianische Gesellschaft für diesen Film schämen. Wenn einer im Ausland sagt, ich bin Brasilianer, wird er hören, ich habs gesehen “ ein Scheißland! Und nach dem Film wird man die Brasilianer im Ausland fragen – hast du davon gewußt? Und die werden antworten, nein, wußte ich nicht. In Wahrheit habe ich das Buch geschrieben, um unseren Eliten zu sagen – das ist euer Werk, ihr wart das! Man wird jetzt fragen, bist du einer von den Geldleuten? Dann bist du mitschuldig an den Zuständen. Die Geschichte dieses anderen Brasilien wurde bisher nur mündlich weitergegeben, das ist jetzt vorbei, ab jetzt wird man darüber schreiben, öffentlich reden, ich habe schon Nachfolger. Wir haben eine NGO gegründet, mit der wir Heranwachsende aus den Slums zu Schauspielern, Fotografen, Maskenbildnern, Klangtechnikern ausbilden. Und die wollen wir alle auf einem Markt unterbringen, der bisher nur Mittelschichtlern vorbehalten ist. Die Filmszene öffnet diesen Heranwachsenden ein Universum, stimuliert sie, mehr zu lernen, mit Kunst zu arbeiten, kritisches Bewußtsein zu erwerben. Weil wir jetzt Schwarze ins Kino, in den Film bringen, gibt es jetzt krachende Kollisionen, weil die ganze Struktur ja nur für Weiße gemacht ist. Die Weißen dort sind über uns erschrocken, sind perplex, wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Wie mit dieser neuen Generation von Schauspielern umgehen? Denn diese Jugendlichen im Film „City of God” sind einfach wundervoll, haben alle überrascht. Wir ändern jetzt die Realität des brasilianischen Kinos, des Fernsehens, arbeiten schon bei TV Globo, der größten Anstalt, öffnen uns die nötigen Türen. Nach diesem Film, in den größten Verleihen der Welt, muß man sich jetzt um diese jungen Schauspieler kümmern, sie einstellen “ und pronto! All das passiert jetzt auch. Ich bin optimistisch!”
Zeitungsausriß NZZ.
Mord an Straßenkind in Rio de Janeiro – Zeitungsausriß.
Barack Obama in Rio: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/15/barack-obama-redet-kommenden-sonntag-auf-protest-platz-von-rio-de-janeiro-in-cinelandia/
http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/20/afro-missa-im-franziskanerkloster-von-sao-paulo/
« Rio+20: ThyssenKrupp in Rio de Janeiro weiter ohne Betriebserlaubnis, Stahlwerk soll laut neuem Abkommen mit zahlreichen Maßnahmen die verursachten Umweltprobleme verringern. Deutsche Umweltpolitik im Ausland. – „Boomland“ Brasilien: Industrieproduktion ging im Februar 2012 gegenüber Februar 2011 um 3,9 Prozent zurück, laut amtlichen Angaben. »
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