Auffällig war, wie die Regierungsgewerkschaft CUT das Maifest zu einer fast völlig unpolitischen Veranstaltung machte – lediglich teure Show-Größen des Landes aufbot. Als nachmittags die CUT-Führung, der Chef von Lulas Arbeiterpartei PT, Rui Falcao sowie Ex-Bildungsminister Haddad, Rousseff-Minister Carvalho und der neue Arbeitsminister Brizola Neto auf die Bühne traten, wurden sie mit Schweigen sowie Pfiffen empfangen. Wegen der eisigen Reaktion des Publikums gaben nur einige Politiker Kurzstatements ab, Haddad als Bürgermeisterkandidat in Sao Paulo verzichtete völlig auf eine Ansprache. Falcao sprach kurz zum neuesten Mega-Korruptionsskandal in Brasilia, ohne die Verwicklung von Regierung und einem PT-Gouverneur zu erwähnen. Wer im Publikum stand, hörte die ganze Zeit abfällige Bemerkungen über die Politiker auf der Bühne. Ohne Stars wie Belo oder Paula Fernando wäre das CUT-Maifest gescheitert.
„Vaias para politicos, gritos por Belo“(O Globo)
Scheich auf Mai-Veranstaltung der Regierungsgewerkschaft.
Brasiliens Medien haben Dilma Rousseff bereits seit Amtsantritt mit ätzender Kritik, darunter von renommierten Politikanalysten überhäuft:
Während mitteleuropäische Einschätzungen von großen Administrationsfähigkeiten, hoher Verwaltungskompetenz und Effizienz Rousseffs sprechen, betont u.a. Politikexperte Noblat, die Präsidentin sei Opfer der Kinderkrankheit Amateurhaftigkeit, was sich auch im Falle des bislang trotz aller Medien-Anschuldigungen im Amt gehaltenen Ministers Fernando Pimentel zeige. Keine andere Regierung, heißt es in anderen Analysen, habe bereits im ersten Amtsjahr so viele Korruptionsvorwürfe erhalten, alle Skandale massiver Korruption seien von den Medien enthüllt worden – die Regierung besitze keine Identität, erfülle Versprechungen nicht. Das Ministerkabinett sei eines der schlechtesten in der Geschichte Brasiliens. Brasilien könne 2011 vergessen. Aus Mitteleuropa war indessen just die Ministerauswahl, darunter die Besetzung des Chefministerpostens mit Antonio Palocci gelobt worden, der als erster gefeuert werden mußte.
Brasiliens Qualitätsmedien räumten angesehenen Politikexperten wie Marco Antonio Villa, Professor der Bundesuniversität von Sao Carlos, sehr viel Platz für Rousseff-Analysen ein, die durchweg vernichtend ausfallen. Villa wählte für einen Text die Überschrift: “Regierung? Was denn für eine Regierung?” “Die Königin ist nackt” Rousseffs Minister erinnerten in bestimmten guten Momenten, einer Komödiantentruppe, Improvisation und fehlende Planung seien ein Markenzeichen. Der neueste Mega-Korruptionsskandal war von den brasilianischen Politikfachleuten seit langem vorausgesehen worden – teils ergoß sich beißender Spott über Dilma Rousseff.
« Brasiliens 1. Mai 2012: Waldemar Rossi, Führer der bischöflichen Arbeiterseelsorge der Erzdiözese Sao Paulos, predigt in der Kathedrale beim Arbeitergottesdienst. „Eine Konfrontation mit dem repressiven Staat.“ Missa von Bischof Angelico Bernardino zelebriert. – Brasiliens unbewältigte Diktaturvergangenheit: Demonstranten fordern am 1. Mai 2012 die Bestrafung der Diktatur-Folterknechte, sofortige Öffnung der geheimen Diktaturarchive. Willy Brandt, Helmut Schmidt und Brasilien. »
Noch keine Kommentare
Die Kommentarfunktion ist zur Zeit leider deaktiviert.