Die neueste schwere Hochwasserkatastrophe in Brasilien ist nach Ansicht der katholischen Kirche wie bei vorangegangenen Tragödien dieser Art durch bewußte Fahrlässigkeit der verantwortlichen Autoritäten verursacht worden. Laut Angelico Sandalo Bernardini, Bischof der besonders betroffenen Diözese Blumenau im südlichen Teilstaat Santa Catarina, hätten verantwortliche Politiker aller Ebenen die Warnungen von Wissenschaftlern, aber auch der Kirche selbst, seit vielen Jahren in den Wind geschlagen und auf dringend nötige Präventivmaßnahmen verzichtet.
So seien zahlreiche Wälder abgeholzt sowie Berge und Hügel völlig regellos und illegal bebaut worden. Staatliche Stellen spielten dabei den Immobilienspekulanten in die Hände. Vorhersehbar hätten die starken saisonalen Regenfälle daher zu schweren Erdrutschen mit vielen Todesopfern geführt. Anstatt die Zunahme von Risikozonen zu verhindern und eine vernünftige Entwicklungsplanung zu betreiben, so der Bischof weiter, habe man oberflächliche Städtekosmetik bevorzugt und u.a. lieber beleuchtete Springbrunnen errichtet. Die urbanen Basisprobleme seien aber ungelöst geblieben. Pastoren protestantischer Kirchen erinnerten daran, daß die Blumenau-Region seit den 70er Jahren immer wieder von schweren Überschwemmungen heimgesucht worden ist, die zahlreiche Todesopfer forderten. Viele Experten hätten daraufhin selbst an den Universitäten in wissenschaftlichen Studien bewiesen, daß derartige Tragödien verhindert werden könnten. Die Untersuchungen seien indessen fast durchweg in der Schublade gelandet und von den zuständigen Politikern ignoriert worden. Laut offiziellen Angaben wurden bei der jüngsten Hochwasserkatastrophe bisher 116 Menschen getötet, weit über 30 werden vermißt. Zehntausende sind obdachlos. Unterdessen haben jahreszeitlich bedingte schwere Regenfälle auch in den Teilstaaten Sao Paulo, Rio de Janeiro und Espirito Santo zu schweren Überschwemmungen geführt.
Der Schriftsteller und Kolumnist Zuenir Ventura beschuldigte zudem die Lula-Regierung, für Präventivmaßnahmen 2008 nur 12 Prozent der vorgesehenen Haushaltsmittel investiert zu haben. Der zuständige Minister Gedel Vieira habe Fehler eingeräumt. Ventura schrieb in der Qualitätszeitung O Globo:“Wir leben in einem Land der regenreichen Sommer, der unkontrollierten Verstädterung, der nie ausgebaggerten Flüsse, der fehlenden Schutz-Vegetation an den Hängen, der verstopften Wasserabflüsse und des nicht beseitigten Mülls.“
Brasiliens Medien warfen Staatschef Lula vor, ein weiteres Mal keineswegs dem Beispiel westlicher Staatsmänner zu folgen und bei derartigen Katastrophen sofort die Betroffenen vor Ort aufzusuchen.
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