Auffällig, daß Brasiliens Medien täglich eine „Welle“ schlechter Stimmung und Pessimismus im Lande kommentieren, analysieren – die indessen keineswegs neu ist. Zudem ist mehr denn je von „Afrikanisierung“ die Rede, nicht mehr kurierbarer Misere. „Willkommen in der vierten Welt!“ Brasilianische Kommentatoren haben das Recht, politisch unkorrekt zu sein – was folglich Medienkonsumenten in Ländern wie Deutschland vorenthalten wird.
Zur Erinnerung – zwei Texte von 2010 – Lula weist Kritik an mangelnder Vorbereitung zurück, bekommt deshalb viel Beifall auch im deutschen Mainstream: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/15/wir-sind-idiotensomos-idiotas-brasiliens-groste-qualitatszeitung-folha-de-sao-paulo-reagiert-auf-lulas-kritik-an-der-fifa-die-fehlende-vorbereitung-der-fusball-wm-2014-bemangelte/
Joachim Gauck in Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/05/17/brasilien-historischer-besuch-des-deutschen-bundesprasidenten-joachim-gauck-im-tropenland-trotz-gravierender-menschenrechtslage-folter-todesschwadronen-gefangnis-horror-sklavenarbeit-etc-b/
Ausriß. Scheiterhaufenopfer(Microondas), Januar 2013, Rio de Janeiro. http://www.deutschlandradiokultur.de/moderne-scheiterhaufen-aus-autoreifen.1013.de.html?dram:article_id=167263
Brasilianischer Fotojournalismus : http://www.hart-brasilientexte.de/2013/04/26/brasiliens-zeitungen-brasilianischer-fotojournalismus-teil-2-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/
Bürgerrechte in Brasilien – deutsche Autoritäten fördern Übernahme von Gewaltkultur: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/10/20/brasiliens-burgerfreiheiten-uber-8o-prozent-veranderten-wegen-zunehmender-gewalt-und-kriminalitat-die-lebensgewohnheiten-54-prozent-verlassen-nachts-nicht-mehr-das-haus-laut-neuer-studie/
Neoliberaler Wertewandel:
“Sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Bereich ist das größte Land Südamerikas zu einem Vorbild in der Region geworden. ” WeltTrends, Potsdam 2012
Berichterstattungsvorschriften: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/05/19/fusball-wm-2014-und-strenge-berichterstattungsvorschriften-deutscher-medien-selbst-in-kommentaren-halt-sich-der-deutsche-mainstream-bisher-offenbar-strikt-an-das-vorschriftendiktat/
tags: fußball-wm 2014 und brasiliens logistik
Was die Sportlogistiker von DB Schenker bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland zu leisten hatten, war, salopp gesagt, ein Kinderspiel – verglichen mit den komplexen Problemen, die Brasiliens WM-Dienstleister noch bis zum Anpfiff Mitte Juni zu lösen haben.
Stadien und andere wichtige WM-Bauten werden viel zu spät fertig, gar unkomplett übergeben. Spielorte haben auch für die Logistik wichtige Funktionsbereiche noch garnicht definiert, entscheiden erst in allerletzter Minute. Und kaum zu glauben: Sehr viele WM-Projekte stehen immer noch bestenfalls auf dem Papier, Firmen für die Realisierung wurden noch garnicht bestimmt. FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke besichtigt irritiert und resigniert im April Stadien, die bereits im Januar komplett stehen sollten. Fußball kann man in ihnen spielen, aber weiter fast nichts. Für eigentlich vorgeschriebene Testspiele ist keine Zeit mehr, wichtige Installationen in und an Stadien, darunter Pressezentren, Stromgeneratoren oder Gastronomie, fehlen noch.
Mitarbeiter, Manager der zuständigen Logistik-Dienstleister hätten allen Grund, mehrmals pro Tag auf die Palme zu gehen, Ärger herauszulassen. Doch das eingespielte Team reagiert auffällig sachlich und objektiv. „Wir sind das letzte Glied in der Kette der WM-Vorbereitung, liefern alle nötigen Dinge an – und müssen ausbügeln, was uns andere an Verspätungen, Problemen eingebrockt haben“, so die Reaktion. Es passe nicht zur Unternehmenskultur, sich sinnlos aufzuregen: Wieso ist das nicht fertig, warum werden Abmachungen gebrochen? Darauf verschwende man keine Zeit, suche sofort nach Lösungen, passe sich permanent hiesigen Realitäten an – das sei die Herausforderung.
Brasiliens Realitäten – selbst manchen weltweit agierenden deutschen Logistikmanagern sind sie nicht bekannt, lassen sich viele immer noch von PR blenden, haben nach wie vor kuriose Brasilienklischees im Hinterkopf. Weltrankings geben Nachhilfeunterricht: Auf dem aktuellen UNO-Index für menschliche Entwicklung liegt Deutschland auf Platz 5 – Brasilien weit abgeschlagen auf Platz 85. Deutschland rangiert in der Doing-Business-Statistik der Weltbank an 21. Stelle, das Tropenland folgt erst an 116.. Dieses Jahr stuft es die Weltbank bei der Logistikqualität gleich um zwanzig Plätze zurück – auf Rang 65, hinter Indien, Südafrika, China. Wo Deutschland steht – man mag es mit Rücksicht auf Brasilianer am liebsten garnicht erwähnen. Der Zoll war für Schenker 2006 lediglich ein Randthema – für die WM-Logistikdienstleister von 2014 zählt es zu den Prioritäten – denn Brasilien belegt bei der Zollabfertigungsqualität nur Platz 94. Anders als in Deutschland läuft unvergleichlich mehr auf der persönlichen Ebene, über persönliche Beziehungen – greifen Gesetze, Regelungen, Vorschriften nicht quasi automatisch.
Derzeit machen Unruhen, Schüsse, Barrikaden, selbst an der Copacabana, wieder Schlagzeilen, fordert der Stadtkrieg, „Guerra urbana“, täglich Opfer – auch dies muß man im Auge haben.
Eine bizarre Vorstellung für deutsche Logistikmanager, sich permanent um die persönliche Sicherheit, um Einwirkungen des organisierten Verbrechens auf die Geschäftstätigkeit sorgen zu müssen. Ganz anders in Brasilien, Land mit den weltweit meisten Morden – und gerade jetzt vor der Weltmeisterschaft, wo auch verschiedenste Branchen des „Crime organizado“ Chancen wittern, etwa beim ohnehin entsetzlich häufigen Frachtraub. „To what extent does organized crime (mafia-oriented racketeering, extortion) impose costs on businesses in your country?”, lautet das Ranking-Kriterium des Weltwirtschaftsforums – Brasilien, siebtgrößte Wirtschaftsnation, landet unter 144 Ländern auf dem bedenklich schlechten Platz 122.
Wem das zu abstrakt vorkommt, der schaue in die aktuellen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes für Brasilien: „Grundsätzlich ist Vorsicht angebracht, auch in als sicher geltenden Landes- oder Stadtteilen. Besonders betroffen sind Elendsviertel (Favelas). Von Favela-Besuchen wird dringend abgeraten.“ Das Problem – auch für die Logistik-Dienstleister und deren Angestellte, Subunternehmen – ein Großteil des Stadtgebiets von Rio oder Salvador da Bahia ist von solchen Favelas, im Klartext No-Go-Areas, bedeckt. Sao Paulo hat davon über 2600. Einfach mal den LKW-Fahrern raten, zwecks Zeitersparnis die Abkürzung durch eine Favela zu nutzen, geht nicht. Das Fahrzeug, die Fracht wären weg, der Fahrer womöglich ermordet.
Da wundert nicht, den WM-Ausrichter im Ranking für “Regierungseffizienz” nur auf Platz 111 zu finden.
Die Stadien sind inzwischen bereits dreimal teurer als geplant.
Brasilien zählt rund 200 Millionen Einwohner, darunter etwa 13,9 Millionen erwachsene Analphabeten. Nicht eingerechnet ist die weit höhere Zahl an funktionellen Analphabeten. Im Unesco-Ranking zur Qualität des Bildungssystems belegt Brasilien nur Platz 88. Das läßt erahnen, wie knapp Fachkräfte sind, welche Kosten den WM-Dienstleistern bei der sehr aufwendigen Auswahl von Mitarbeitern entstehen. Dazu kommen viele landestypische soziokulturelle Faktoren, etwa extreme Unpünktlichkeit, auch im Wirtschaftsleben. Mit weniger Arbeitsstunden, so die Wirtschaftszeitschrift EXAME, ist der deutsche Arbeiter viermal produktiver als der brasilianische.
Konzept und Masterplan
Wie DB Schenker 2006, sorgen die WM-Logistik-Dienstleister für den Transport aller für die WM nötigen Produkte nach bzw. aus Brasilien, die Verteilung zu den Endnutzern landesweit, für die Stadionversorgung mit Lebensmitteln. Man beschafft Arbeitskräfte, Lagerkapazitäten, Transportmittel, selbst Kräne und Golfwägelchen, kümmert sich um die gesamte Zollabfertigung, rüstet das „International Broadcast Centre“(IBC) in Rio aus, steuert die vielen Subunternehmen – alles in enger Abstimmung mit nationalem Organisationskomitee und FIFA.
Logistik-Teams mit eigenen Büros befinden sich in allen 12 Spielorten, von Sao Paulo bis Manaus. Nur – das Tropenland ist 24-mal größer als Deutschland – in Wahrheit sind es verschiedene Brasiliens in dem einen großen, mit kraß unterschiedlichem Entwicklungsstand. In mehreren Spielorten gibt es weder Eventkultur noch – struktur, müssen Fachleute aus Rio und Sao Paulo dorthin exportiert werden, braucht man zudem Frühwarnsysteme, beträchtliche Reservekräfte für Notfälle, alles Unvorhergesehene.
Wie weltweit üblich, hatte man bereits zwei Jahre zuvor einen detaillierten Masterplan möglichst einheitlicher und dennoch ortsspezifischer Logistikabläufe für alle Spielstätten erarbeitet. Er berücksichtigte ein Höchstmaß an denkbaren Eventualitäten – und muß nun dennoch jetzt fast täglich umgeworfen, verändert werden, sind Abstriche unvermeidbar. Die genannten Rankings sprechen Bände.
Man leidet unter vielen Restriktionen, fehlendem Schienenverkehr, zuwenig Flugplätzen, schlechten Straßen – Brasilien ist zudem ein sehr bürokratisches Land. Hinzu kämen politische Hindernisse – die über zwanzig Parteien im Nationalkongreß ziehen mit den WM-Organisatoren keineswegs an einem Strang, bestimmte notwendige Gesetze und Regelungen werden nicht beschlossen. Vieles von dem, was derzeit nicht funktioniert, hat politische Gründe. Jede Partei will für sich maximalen Nutzen herausholen – politische Ränkespiele schaden nationalen Interessen und eben auch der WM.
So ist der Tenor in den Kommentarspalten: „Weniger als zwei Monate vor WM-Beginn beweist Brasilien weiter Desorganisation bei der Vorbereitung und selbst in der Administration des nationalen Fußballs – manche Infrastrukturprojekte werden erst nach WM-Ende fertig, andere streicht man ganz“, kritisiert Brasiliens größte Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“. Für die Logistik-Dienstleister heißt das, mit größtmöglicher Schnelligkeit umzudisponieren, die gesamte Kette logistischer Abläufe sofort zu verändern.
Confed Cup als Test
Der Confederations Cup 2013 war Test-Event, Generalprobe für die „Copa“. Man hatte die Anforderungen unterschätzt, mußte entsprechend rudern – zumal die Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen nicht funktionierte. Jetzt sind diese Schwächen ausgemerzt. Die Frachtbewegungen zwischen den über 20 Teilstaaten klappen, die Zollabfertigung für WM-Produkte erfolgt nach einheitlichem Muster, die Kommunikation mit den rund 600 für die WM-Wochen eingestellten Mitarbeitern wurde in Workshops trainiert.
Trotzdem wird vieles erst kurz vor Anpfiff fertig – nicht alle Partner sind fix genug. 16-Stunden-Tage sind normal. Man muß bereit sein, für den Event das Privatleben, die Familie aufzugeben, darf nicht krank werden. Aber gehts kurz nach dem Endspiel-Abpfiff erstmal in verdiente Ferien? Von wegen – vor Oktober ist für die Logistik-Dienstleister die WM nicht zuende. Der Schluß ist am anstrengendsten – weil alle müde, ausgelaugt sind und trotzdem noch alles abgebaut, teils bis in entfernteste Länder zurücktransportiert werden muß. Die Manager haben in Brasilien noch keinen Event erlebt, der wie geplant über die Bühne ging.“ Die „Copa“ wird keine Ausnahme sein.
« Rußland, Geschichtsbewußtsein. Rund 30000 Russen 2014 in Sankt Petersburg mit Fotos von Angehörigen, die gegen den Hitlerfaschismus kämpften. Die Darstellung des Zweiten Weltkrieges in aktuellen Büchern großer deutscher Buchhandlungen. Joachim Gauck bei Amtseinführung des Neonazi-und Faschisten-Finanzierers Poroschenko… – Ukraine-Krieg 2014. Marionettenregierung in Kiew ohne Gelder westlicher Regierungen und des IWF nicht lebensfähig, nicht einmal in der Lage, seit Monaten ausstehende Gasrechnungen zu begleichen. Terrorattacken gegen die antinazistischen Regierungsgegner der Ostukraine werden daher de facto von westlichen Ländern finanziert, von CIA, FBI, US-Elitesöldnern gestützt bzw. geführt. Zusammenhänge dieser Art werden von deutschen Medien nicht erwähnt. »
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