Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Kirche und Menschenrechtsaktivisten Brasiliens tief enttäuscht über Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer: In Brasilia keine öffentliche Stellungnahme zu Folter, Terror und Gewalt.

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Brasiliens Amazonasbischof Erwin Kräutler sowie der Leiter der nationalen Gefangenenseelsorge, Günther Zgubic, die beide aus Österreich stammen, haben sich tief enttäuscht geäußert, daß Bundeskanzler Alfred Gusenbauer während seiner Brasilienvisite keinerlei öffentliche Stellungnahme zur alltäglichen Folter, willkürlichen Gefangennahmen sowie zu Terror und Gewalt gegen Umwelt-und Menschenrechtsaktivisten abgegeben hat. Kräutler sagte, von Gusenbauer hätte man zumindest eine kurze Stellungnahme erwartet. Wenn Österreichs Bundeskanzler in Brasilia ist, so Kräutler, wäre es interessant gewesen, wenn er öffentlich Position bezogen hätte. Enttäuschend und mysteriös,  das dies indessen nicht geschehen sei. Der seit Jahren mit Mord bedrohte Bischof Kräutler stellte sich hinter die Aussagen von Gefangenenpriester Zgubic, der vor dem Eintreffen Gusenbauers die hohen Erwartungen der brasilianischen Menschenrechtsbewegung an den Besuch eines europäischen Spitzenpolitikers bekräftigt hatte.

 Nach der Abreise Gusenbauers sprach Zgubic ebenfalls von tiefer Enttäuschung. „Mir ist klar, daß europäische Nationen wie Österreich im Grunde nie Menschenrechtsanliegen vorrangig vertreten und hier zuallererst an Geschäften interessiert sind. Der Demokratieaufbau oder die internationale Solidarität sind leider sekundär. In Amazonien richtet sich Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger, die den Urwald, die gesamte Natur erhalten wollen. Auch Bischof Kräutler wird vor allem aus diesen Gründen verfolgt”, betonte Zgubic weiter. „Solange man nur brutale Ausbeutung unterstützt, um Gewinne für sich herauszuholen, ist das ganze Gerede über Umweltschutz nur leeres Geschwätz “ und bleibt es auch.”

Hintergrund:

Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel(Deutschland) und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer(Österreich) in Brasilien: Hohe Erwartungen der brasilianischen Menschenrechtsbewegung. ”Klare Worte zur alltäglichen Folter, willkürlichen Gefangennahmen, zu Terror und Gewalt gegen Umwelt-und Menschenrechtsaktivisten. **

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 Brasiliens Menschenrechtsorganisationen knüpfen angesichts der dramatischen Verletzung von Bürgerrechten hohe Erwartungen an die bevorstehenden Besuche der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihres österreichischen Amtskollegen Alfred Gusenbauer. Von beiden würden klare Worte zur alltäglichen Folter, willkürlichen Gefangennahmen sowie zu Terror und Gewalt gegen Umwelt-und Menschenrechtsaktivisten erwartet, betonte der katholische Priester Günther Zgubic, Leiter der bischöflichen Gefangenenseelsorge Brasiliens,  in Sao Paulo. Von Spitzenpolitikern Europas seien mehr denn je Zeichen der Solidarität mit jenen nötig, die in dem Tropenland für echte Demokratie kämpften und dabei ihr Leben riskierten. Priester Zgubic wies besonders auf die gravierende Lage in Amazonien hin, wo drei Bischöfe, darunter Erwin Kräutler aus Österreich, derzeit wegen ihres Einsatzes für die Bürgerrechte mit Mord bedroht würden und in jüngster Zeit mehrere Umweltaktivisten liquidiert worden seien. Die Bischöfe würden auch verfolgt, weil sie konsequent die sexuelle Ausbeutung von Mädchen sowie den Frauenhandel anprangerten. ”Bundeskanzlerin Merkel dürfte als Frau ein besonderes Gespür dafür haben, daß deshalb strengere internationale Gegenmaßnahmen nötig sind, sagte Zgubic weiter. Er wandte sich entschieden gegen die geplante Unterzeichnung eines deutsch-brasilianischen Energieabkommens, weil damit umweltschädliche und nicht nachhaltige Energiekonzepte unterstützt würden. Der zunehmende Anbau von Zuckerrohr zur Erzeugung des Kraftstoffs Ethanol fördere die Urwaldvernichtung und gehe auf Kosten der Nahrungsproduktion.

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(Scheiterhaufen-Szene aus dem Berlinale-Sieger ”Tropa de Elite. Beim Drehen der Scheiterhaufen-Szene in der Favela ”Morro dos Prazeres von Rio waren laut Presseberichten Dutzende von Banditen, die Mpis, Pistolen und Handgranaten trugen, in der Nähe und schauten zu, gaben aus eigener Scheiterhaufen-Praxis Tips.Po, der Typ stirbt nicht so, der schreit viel mehr, sagte einer von ihnen zu den Schauspielern. Die hielten sich, wie es hieß, an die Anweisungen der Banditen, produzierten die Microondas-Szene exakt so. Scheiterhaufen dieser Art loderten bereits häufig in der Amtszeit von Rio de Janeiros Gouverneur Leonel Brizola, der Vizepräsident einer großen weltweiten Parteienassoziation war.)

 Bundeskanzlerin Merkel müsse sich als Vorsitzende einer christlichen Partei daher in Brasilien klar für die Verwirklichung christlicher Sozialwerte sowie für eine human gestaltete Marktwirtschaft aussprechen. Mit der brasilianischen Regierung sollten soziale und ökologische Mindeststandards für Waren ausgehandelt werden, die von Deutschland importiert würden. Bisher seien Exportbranchen, darunter das Agrobusiness, jedoch noch von extremer Ausbeutung und sogar Sklavenarbeit geprägt.

Brasiliens Bürgerrechtsbewegung hatte Priester Zgubic im April wegen seines ”Kampfes gegen Folter und andere grausame Behandlung von Gefangenen, einen menschenwürdigeren Strafvollzug mit dem diesjährigen Menschenrechtspreis geehrt. Zgubic, der immer wieder Morddrohungen erhält,  wurde auch in Europa mehrfach für sein Engagement ausgezeichnet. Â

Hintergrund:

Folterstaat Brasilien: Deutschland, Großbritannien und die USA fordern echte Maßnahmen gegen Torturen. **

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Vor der UNO-Menschenrechtskommission in Genf ist die brasilianische Regierung laut Presseberichten von Deutschland, Großbritannien und den USA aufgefordert worden, effiziente Schritte zur Austilgung der nach wie vor gängigen Folter sowie der außergerichtlichen Exekutionen  einzuleiten. Es sei nicht hinnehmbar, daß Brasilia immer nur Absichtserklärungen und Pläne verkünde, Fortschritte aber ausblieben. Mitte Mai ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem offiziellen Besuch in Brasilien.

Günther Zgubic, Pfarrer und Gefangenenseelsorger aus Österreich: In Brasilien weiter Folter in allen Varianten ”Eine deutsche Frau wurde unglaublich mit Elektroschocks kaputtgemacht – psychisch, nervlich zerstört.Â **

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Das UNO-Hochkomissariat für Menschenrechte hat erneut Folter und Rassismus sowie Straflosigkeit und erschreckende Sozialkontraste in Brasilien angeprangert. Basisinformationen und entsprechende Statistiken des neuen UNO-Berichts stammen größtenteils von der katholischen Gefangenenseelsorge des Tropenlandes, die von dem österreichischen Pfarrer Günther Zgubic geleitet wird. Im Exklusivinterview vergleicht er die total überfüllten Haftanstalten mit Konzentrationslagern und sagt wegen der unmenschlichen Bedingungen eine neue Welle blutiger Gefangenenrevolten voraus.

Im Jahre 2003, zum Amtsantritt von Präsident Luis Inacio Lula da Silva, hatten die neue brasilianische Regierung und das gesamte Justizwesen der größten lateinamerikanischen Demokratie eine grundlegende Verbesserung der gravierenden Menschenrechtslage versprochen. Gefangenenseelsorger Günther Zgubic war sehr skeptisch. ”Die haben öffentlich im Jahre 2003 erklärt, wir dulden  Folter und andere grausame, unmenschliche Praktiken nicht mehr. Das haben sie gemacht, um die UNO zufriedenzustellen “ das Dokument existiert.”Weil die Verbesserungen ausblieben, Folter weiterhin alltäglich war, appellierte die Gefangenenseelsorge immer wieder an die Weltöffentlichkeit, an die Vereinten Nationen.  ”Wir hatten einen Rückschritt. Wir haben die UNO-Kommissionen in die Gefängnisse geführt “ das Ergebnis ist jetzt veröffentlicht worden. Alle Gefängnisse sind illegal “ und was da drinnen passiert, ist Folter. Es gibt weiterhin alle Varianten.  Eine deutsche Frau wurde unglaublich mit Elektroschock kaputtgemacht, psychisch, nervlich zerstört.  Leute werden mit Schlagstöcken zusammengehauen, man schiebt Nadeln  unter die Fingernägel, preßt Leute mit dem Kopf in Wassereimer. Bis die Polizei merkt, er könnte sterben “ und dann wird ihm eine Chance gegeben: Willst du sprechen oder nicht?”Laut UNO-Bericht “ und laut Pfarrer Zgubic werden auf diese Weise auch Menschen zu Geständnissen gezwungen, bekennen sich viele unter der Folter zu Verbrechen, die sie gar nicht begangen haben. Andere werden solange traktiert, bis sie falsche Zeugenaussagen machen, völlig Unschuldige schwer belasten. ”Sogenannte gute, schnelle Aufklärungsarbeit ist in Wirklichkeit schlechteste, sodaß Leute unschuldig in unseren zwei-bis dreifach überbelegten Gefängnissen sitzen. Überfüllt heißt “ die Leute fangen an, durchzudrehen, was zu riesigen Rebellionen führt, das organisierte Verbrechen fördert. Überfüllt heißt auch “ weniger Essen, weniger ärztliche Betreuung. Wer dort herauskommt, ist traumatisiert und hat nichts mehr zu verlieren. Und oft höre ich dann, das erste, was ich, wir machen werden, ist, ein paar Polizisten umzubringen. 2006 hatten wir diese Revolten in Sao Paulo, als Polizisten erschossen wurden, Granaten flogen, Busse angezündet wurden. Diese Sicherheitspolitik bringt nur Rückschritt “  wirkliche Verbrecher im Polizeiwesen werden befördert auf höhere Machtpositionen, bis zum Polizeigeneral der Militärpolizei eines Bundesstaats. Für mich ist Brasiliens Strafvollzugssystem purer Wahnsinn!”Nach wie vor werden laut Zgubic die katholischen Gefangenseelsorger ausgerechnet in hochproblematische Haftanstalten gesetzwidrig nicht hineingelassen. „Wir sollen nicht merken, daß dort gefoltert wird,  – Gerichte und Medien sollen nicht von den Untaten erfahren. Per Zutrittsverbot wird der Eindruck erweckt, in solchen Gefängnissen sei alles ruhig. In Wirklichkeit sind es aber Zustände wie in Konzentrationslagern. Es wird immer ärger werden, da gibts überhaupt keinen Zweifel.”Laut UNO-Bericht klassifizieren viele Richter die Folter lediglich als „Machtmißbrauch”. „Dann kann der Fall in zwei Jahren verjährt sein”, erläutert Pfarrer Zgubic.

“Unterschiede zwischen Kuba und Brasilien”

Häufig werden Frauen in überfüllte Männerzellen gesperrt und dann massenhaft vergewaltigt. Zgubic nennt neueste Fälle “ all dies habe Tradition. ”In Brasilien wissen wir, daß zum Beispiel im 19. Jahrhundert Frauen und Männer, also die Armen, die Bettler, die Arbeitslosen in den Gefängnissen zusammengepfercht wurden. Wir kämpfen gegen die Kriminalisierung der Armut an. Armut wird vom Staat, von den Oberschichten produziert, die sich nie für einen Sozialstaat geöffnet haben. Schuld ist das Wirtschafts-und Konsumsystem, für das ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung schlicht überflüssig ist. Länder, die sich diesem System nicht unterwerfen, wie etwa Kuba, werden mit einem Wirtschaftsboykott überzogen. Während Brasilien als Musterland gilt. Doch absolut klar ist “ der größte Menschenrechtsverbrecher ist der Staat. Für Gesundheit, Schulwesen, für sozialpolitische Programme in den Slums, fürs Justizwesen sind keine Mittel da. Das heißt, man fragt sich dann, wer ist verantwortlich für das Ganze?”Wegen Bagatelldelikten, etwa des Diebstahls von umgerechnet drei Euro, oder von Tellern im Supermarkt, kommen laut Zgubic nach wie vor Menschen jahrelang hinter Gitter. Besonders gravierend sei die Lage in Amazonien: „Der Richter am Bistumssitz des aus Österreich stammenden Bischofs Erwin Kräutler in Altamira ist für einen Gerichtsbezirk von etwa tausend Kilometern Durchmesser zuständig. Häufig gibt es keine Rechtsanwälte, keine Aufklärungspolizei, nur die Militärpolizei. Diese steckt Leute ins Gefängnis, ohne jegliche Ermittlungen, nur nach Hörensagen oder Privatmeinung des Polizisten. Richtern wird gar nicht mitgeteilt, daß jemand eingesperrt wurde “ man weiß gar nicht, wer alles gefangen gehalten wird.” In Brasilien seien zwischen vierzig und siebzig Prozent der Eingesperrten entsetzlicherweise Untersuchungshäftlinge. „Ich kenne einen Gefangenen, der wegen Mordes bereits zehn Jahre in U-Haft sitzt. Und wenn dann herausgefunden wird, daß er unschuldig ist?” Als vergleichsweise sehr positives Beispiel stellt Zgubic indessen den südlichen, von vielen Deutschstämmigen bewohnten Teilstaat Rio Grande do Sul heraus.Die totale Überfüllung der Haftanstalten nennt Seelsorger Zgubic „strukturelle Folter” “ die UNO habe dies im neuen Brasilien-Bericht betont. Brasilianische Menschenrechtsexperten reagierten jetzt empört auf eine Kundgebungsrede von Staatspräsident Lula. ”Wenn man durch Zusammenschlagen die Leute erziehen könnte, müßte der Bandit das Gefängnis eigentlich als Heiliger verlassen”, sagte Lula ironisch in Rio de Janeiro.Damit, so die Menschenrechtler, habe der Staatschef die gravierende Situation in den Haftanstalten vollauf bestätigt. In der Stadt Sao Carlos bei Sao Paulo ist gemäß Kirche und Menschenrechtsorganisationen seit 1980 eine Straße nach dem berüchtigten Diktatur-Folterer Sergio Fernando Paranhos Fleury benannt. Dieser habe eine Todesschwadron gegründet, Oppositionelle ermordet, im Auftrage eines großen Drogenbosses sogar Konkurrenten liquidiert. Schließlich sei er laut offizieller Version vom Boot ins Wasser gefallen und ertrunken. Doch es heiße, er habe einfach zuviel gewußt und damit gedroht, auszupacken. In Brasilien, längst bekannt, heißen zahlreiche Bürger ganz amtlich Hitler, Himmler, Eichmann “ und sind Straßen, Plätze und selbst ein Plenarsaal des Nationalkongresses nach Filinto Müller, dem von der GESTAPO ausgebildeten Chef der Politischen Polizei des Judenhassers und Diktators Getulio Vargas benannt. Die Prachtausgabe von Adolf Hitlers „Mein Kampf”, hier „Minha Luta”, ist ein Bestseller und jenes bekannte Hitler-Zitat von Lula muß nicht mehr erwähnt werden.

Pfarrer und Gefangenenseelsorger Günther Zgubic, mit mehreren Menschenrechtspreisen geehrt, immer wieder mit Mord bedroht

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”Die CIA-Lüge. Folter im Namen der Demokratie. CIA-Waterboarding laut Gefangenenseelsorge auch in Brasilien üblich **

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Deutschlandfunk über den Geheimdienst des wichtigsten NATO-Verbündeten der deutschen Regierung: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/politischeliteratur/753538/

Brasilianischer Befreiungstheologe Frei Betto im ila-Text:An US-Militärakademien wurden Folterer für verschiedene lateinamerikanische Diktaturen, darunter für Brasilien ausgebildet.

http://www.ila-bonn.de/brasilientexte/2007/ciasekten.htm

Österreichischer Pfarrer und Gefangenenseelsorger Günther Zgubic im Deutschlandfunk über Folter in Brasilien: http://www.podcast.de/episode/656693/Folter_in_Brasilien

ACAT: Folter wie im Irak http://www.ila-bonn.de/brasilientexte/menschenrechte.htm

Die ”furchtbaren Fehler der USA in Brasilien

CIA kooperierte mit Repressionsapparat der Diktatur
Brasiliens Militärregime herrschte von 1964 bis 1985 ebenso grausam und perfide wie Diktaturgeneräle benachbarter Staaten – Todesschwadronen ermordeten Ungezählte vor allem in den Elendsvierteln der Großstädte, politische Gefangene wurden Haien lebendig zum Fraß vorgeworfen oder über Amazonien aus Helikoptern gestoßen. In Stücke gehackt, verscharrte man Diktaturgegner selbst an Traumstränden Rio de Janeiros. Folter war Normalität – und die CIA immer dabei.

Helio Bicudo aus Sao Paulo, kirchlicher Menschenrechtsaktivist der achtgrößten Wirtschaftsnation, untersuchte bereits damals die CIA-Aktivitäten ebenso wie das Wüten der Todesschwadronen, die Verfolgung von Geistlichen, schrieb darüber ein Buch. Es blieb außerhalb des Landes unbeachtet. Späte Genugtuung für Bicudo, daß ein neues, aufsehenerregendes Buch der nordamerikanischen Uni-Soziologin Martha Huggins seine Recherchen vollauf bestätigt, das State Department sprach von ”furchtbaren Fehlern. Die Brasilienexpertin konnte als erste in Washington über 600 bislang geheimgehaltene Dossiers und Akten einsehen. In Interviews brachte die 54-Jährige ihre Untersuchungsergebnisse auf den Punkt:”Die Teilnahme der CIA am Alltag der politischen Repression ist bewiesen “ die Dokumente sprechen sogar von gemeinsamen Operationen “ die amerikanische Demokratie partizipierte an der Schaffung eines unterdrückerischen Staates”. Besonders gravierend, daß die CIA Polizei-Eliteeinheiten ausbildete, bei denen es sich um „staatlich legalisierte Todesschwadronen” gehandelt habe. CIA-Agenten hätten diese bei den Einsätzen begleitet, sich generell völlig frei im Repressionsapparat bewegt, alles Gesehene ausführlich nach Washington berichtet. Die politische Polizei DOI-CODI, auf US-Anregung entstanden, sei trotz ihrer Methoden, darunter Folter aller Art, nie kritisiert, sondern stets als „gute Sache” gelobt worden. Bis heute, so die Autorin, sei in den USA wenig bekannt, daß die CIA beim Schulen von Polizisten aus der Dritten Welt mitwirkte, allein rund 100 000 brasilianische Beamte trainierte:”Sie lernten Bombenbasteln, Verhörtechniken, Psycho-Operationen, bekamen außerdem beigebracht, wie man sich in Demonstrationen, Kundgebungen infiltriert und Verwirrung, Durcheinander erzeugt.” Ein anderes interessantes Detail: Die CIA half beim Aufbau des brasilianischen Diktaturgeheimdienstes SNI mit,”lieferte sogar eine Liste mit den Namen geigneter, vertrauenswürdiger Mitarbeiter.” Auf einer anderen Liste waren alle Personen verzeichnet, die gemäß CIA-Einschätzung nach dem Militärputsch von 1964 verhaftet werden sollten. Man habe, so Martha Huggins, „still lächelnd mit Folterknechten und Mördern zusammengearbeitet.” In mühseliger Kleinarbeit gelang es der Expertin, sechsundzwanzig Folterer politischer Gefangener ausfindig zu machen und unter Wahrung der Anonymität zu interviewen.  Einer davon, Militär­po­lizist, mochte nicht, wie seine Kol­legen, bei einem Einsatz ge­fan­gengenommene ”Subversive mit Schlägen traktieren und die Frau­en vergewaltigen. ”Ich for­derte, daß es doch besser sei, alle zu töten, anstatt sie zu foltern, sagte der Militärpolizist zu Mar­tha Huggins und berichtete auch über den Abschluß der Ope­ration: Alle Gefangenen wurden hoch über der Wildnis lebendig aus einem Helikopter gestoßen.

Menschenrechtsaktivist Helio Bicudo:”Polizisten, aber auch Armeeoffiziere, sind in den USA selbst, darunter in Washington, ausgebildet worden “ manche, die zum Repressionsapparat gehörten, machten “ und machen Karriere.” Bicudo nennt Romeu Tuma “ nach der Diktatur Chef der Bundespolizei, heute Kongreßsenator der starken Rechtspartei PPB, dessen gerade wiedergewählter Parlaments-Flügelmann Jair Bolsonaro offen für Folter und Massaker an Landlosen oder Gefängnisinsassen plädiert. Ausgerechnet der belastete Diktaturaktivist Marco Maciel war einflußreicher Vize von Staatschef Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso, Ehrendoktor der Freien Universität Berlin. Die Generalität würdigt nach wie vor den Militärputsch von 1964, lud lange Zeit regelmäßig den hochverehrten Kollegen Pinochet nach Brasilien ein. In Berlin oder Frankfurt hätte dieser schwerlich ungestört von Protesten, lediglich mit zwei diskreten Leigbwächtern einen lockeren Einkaufsbummel machen können “ in Rio de Janeiro schon. Nach Seminaren, Konferenzen, Vorträgen in der Militärakademie direkt unterm Zuckerhut schlenderte der Ex-Diktator gerne durch den von vielen Künstlern und Intellektuellen bewohnten Strandstadtteil Ipanema, kaufte in Buch-und Musikläden, trank hier und da einen Expresso, wurde zwar bemerkt, aber bestenfalls durch aufdringliche Pressefotografen belästigt.
Wie die Jahresberichte von Amnesty International und Human Rights Watch zeigen, gehören Folter und Todesschwadronen weiterhin zum Alltag der führenden Wirtschaftsmacht Lateinamerikas, „verschwinden” weiterhin Menschen nach der polizeilichen Festnahme. Washingtons „furchtbare Fehler” hatten entsetzliche Folgen.

Angela Merkel und Alfred Gusenbauer besuchen auch die Megacity Sao Paulo:

Menschenrechte in Brasilien: Polizei-Todesschwadronen in Lateinamerikas führendem Wirtschaftszentrum Sao Paulo konstatiert

Freitag, 22. Februar 2008 von Klaus Hart   **

Der Gouverneur der führenden lateinamerikanischen Wirtschaftsregion Sao Paulo, Josè Serra, hat die Existenz von Todesschwadronen innerhalb des Polizeiapparats eingeräumt. Serra, der zur Sozialdemokratischen Partei(PSDB) gehört, erklärte gegenüber der Presse, es sei nicht leicht, im Teilstaate Sao Paulo diese Mordkommandos zu bekämpfen. Die Polizei müsse hart gegen das Verbrechen vorgehen, doch auch die Menschenrechte respektieren. Beamte der Militärpolizei werden derzeit verdächtigt, sechs Blutbäder verübt zu haben und mit der Unterwelt zu kooperieren. Ein Polizeioberst, der entsprechende Ermittlungen leitete, war Mitte Januar offenbar von verwickelten Militärpolizisten erschossen worden. Zehn Beamte wurden deshalb bereits verhaftet.

In Sao Paulo kommt es fast wöchentlich in Restaurants und Straßenbars der ärmlichen Peripherie zu Blutbädern mit vielen Toten. Die Täter haben es in der Regel nur auf ein bis zwei Personen abgesehen, liquidieren indessen gewöhnlich auch sämtliche Augenzeugen. Ermittler können deshalb häufig das Tatmotiv der Killer nicht herausfinden.

Todesschwadronen sind in den meisten Teilen Brasiliens aktiv und führen häufig Auftragsmorde aus. Die katholische Kirche und ihre Menschenrechtsaktivisten haben  Brasilia immer wieder aufgefordert, im Interesse demokratischer Zustände die gefürchteten Killerkommandos endlich auszutilgen.

”Weit verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber der Situation in Lateinamerika. Bischof Erwin Kräutler im ORF. **

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”Es ist kurzsichtig zu sagen, da habe ich nichts damit zu tun. Wenn Amazonien überlebt, dann überleben auch wir. Wenn nicht, haben wir ein großes Problem. Die aus der Waldrodung entstehenden Klimaprobleme machen vor Österreich nicht halt.

http://www.kathpress.at/site/

”Wer im Weg ist, wird erschossen.

Jeder vierte Brasilianer würde Verdächtige foltern – neue Meinungsumfrage **

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”In Brasilien weiter Folter in allen Varianten

Gemäß einer neuen repräsentativen Meinungsumfrage würden 26 Prozent der Brasilianer, sofern sie  Polizist wären, beim Kampf gegen das Verbrechen Verdächtige foltern. Laut den von der Qualitätszeitung ”O Globo veröffentlichten Angaben liegt bei den Besserverdienenden die Rate sogar bei 42 Prozent – bei jenen, die nur höchstens ein Mindestsalär von umgerechnet rund 165 Euro bekommen, bei 19 Prozent.  Unter jenen mit Universitätsabschluß befürworten 40 Prozent die Anwendung der Folter bei Verdächtigen.

33 Prozent der Brasilianer würden sich gemäß dieser Umfrage von einem Freund entfernen, falls sie entdeckten, daß dieser homosexuell ist.

 Bereits 2004 hatten in der brasilianischen Wirtschaftsmetropole Sao Paulo, der drittgrößten Stadt der Welt, mit über tausend deutschen Unternehmen, gemäß Â einer  Studie immerhin 24 Prozent der Einwohner, in bestimmten Vierteln sogar 31 Prozent betont, daß die Polizei stets oder entsprechend der Situation foltern sollte, damit Tatverdächtige gestehen. Wie es in der Studie hieß, findet die Folter damit in der Bevölkerung mehr Unterstützung als noch vor sechs Jahren. Die Mehrheit der Befürworter seien überraschend Frauen zwischen 16 und 25 Jahren mit Grund-und Mittelschulbildung, während die Gegner vor allem in der Altersgruppe über 41 Jahre, mit Hochschulausbildung sowie mittlerem bis höherem Einkommen zu finden seien. Doch von diesen sprechen sich immerhin 55 Prozent für die Einführung der Todesstrafe aus.

Sao Paulos katholischer Menschenrechtspriester Julio Lancelotti erklärte bereits 2001:In diesem Land existiert die Sklavenhalterkultur, auch eine Kultur der Folter weiter – ein Großteil der Brasilianer befürwortet Torturen, die Todesstrafe, die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf sechzehn, teils sogar vierzehn Jahre.

In ersten Reaktionen auf die neueste Studie hieß es, die Zahlen reflektierten den Grad der Verzweiflung in einem Land mit jährlich über fünfzigtausend Mordtoten und völlig unzureichender öffentlicher Sicherheit.

Brasiliens Militärdiktatur – Überlebende von Verfolgung und Folter: Clarice Herzog, Witwe des ermordeten jüdischen Journalisten Vladimir Herzog, und Regimegegner Waldemar Rossi, heute Führer der bischöflichen Arbeiterseelsorge in Sao Paulo. Wer mit den Folterdiktatoren eng kooperierte. Brasiliens Massengräber. **

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Clarice Herzog und Waldemar Rossi auf Veranstaltung des Stadtparlaments zu Ehren von Kardinal Paulo Evaristo Arns.

http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html

Waldemar Rossi, Führer der Arbeiterpastoral der Erzdiözese Sao Paulo, wurde damals vom Militärregime eingekerkert, gefoltert – die auch von der SS benutzte Foltermethode der Papageienschaukel(das Opfer wird mit den Kniekehlen mit dem Kopf nach unten an einer Eisenstange aufgehängt,Handgelenke werden an den Fußgelenken oder der Stange befestigt; dazu täglich stundenlang Elektroschocks. Dom Paulo macht Druck, alarmiert den Vatikan, holt Waldemar Rossi und andere Widerstandskämpfer heraus, besucht sie vorher in ihrer Zelle – heute Teil des Widerstands-Memorials von Sao Paulo.

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/08/30/brasiliens-geschichtslehrbucher-unter-lula-rousseff-der-militarputsch-von-1964-war-von-demokratischem-geist-durchdrungen-die-pressezensur-war-bedingung-fur-den-fortschritt/

Dem Vernehmen nach sind Clarice Herzog und Kardinale Paulo Evaristo Arns für eine brasilianische Wahrheitskommission vorgesehen, die sich mit der Aufklärung der Diktaturverbrechen befassen soll. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/14/parabens-dom-paulo-evaristo-arns-der-deutschstammige-kardinal-sao-paulos-ist-90-hochengagiert-im-kampf-gegen-das-militarregime-der-foltergenerale1964-1985-wer-mit-den-diktatoren-eng-kooperierte/

Deutsch-brasilianischer Atomvertrag und Ermordung des jüdischen Journalisten Herzog durch die Militärdiktatur 1975 unter General Ernesto Geisel – Brasiliens größte Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo” erinnert an historische Fakten. Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher. Grass-Gedicht und Reaktionen in Brasilien. **

 http://www.hart-brasilientexte.de/2009/08/20/goethe-institut-sao-paulo-seminar-mit-marianne-birthler-uber-vergangenheitsbewaltigung-in-brasilien/

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In einer großen Ausstellung in der City Sao Paulos erinnert die Qualitätszeitung an die beiden für das Jahr 1975 bedeutenden historischen Fakten – die Unterzeichnung des Atomvertrages unter Schmidt-Genscher mit der brasilianischen Militärdiktatur sowie die Folterung und Ermordung des jüdischen Journalisten Herzog durch das Militärregime unter dem deutschstämmigen General Ernesto Geisel. Die Herzog-Familie war aus Jugoslawien vor dem Nazismus nach Brasilien geflüchtet – die brasilianische Militärdiktatur war laut Historikerbewertung nazistisch-antisemitisch orientiert.

“Juni 1975. Brasilien und Deutschland schließen Abkommen zum Bau von Atomkraftwerken in Angra dos Reis.

1. November 1975. Etwa 8000 Menschen nehmen am Gottesdienst auf dem Sé-Platz zur Erinnerung an den Journalisten Vladimir Herzog teil, ermordet unter der Folter.

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Diktator Ernesto Geisel, in dessen Amtszeit der jüdische Journalist Herzog gefoltert und ermordet wurde –  und Willy Brandt, Ausriß.   http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/16/helmut-schmidt-und-lula-lulas-sonderbeziehungen-zu-deutschland/

“Die Zeit” 1974 über den General der Folter-Diktatur, Ernesto Geisel: “In Brasilien ist am Freitag voriger Woche der 65jährige Ernesto Geisel als brasilianischer Präsident vereidigt worden. Die Zeremonie fand unter strengen Sicherheitsmaßnahmen statt: die Kontrolleure verweigerten sogar dem neuen Industrieminister, einem aus Japan stammendem Brasilianer, wegen seines „fremden” Aussehens den Zutritt. Ehrengäste waren die drei Staats- bzw. Regierungschefs Pinochet (Chile), Banzer (Bolivien) und Bordaberry (Uruguay). Die Vereinigten Staaten wurden durch Patricia Nixon und den stellvertretenden Leiter des CIA vertreten.”

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Diktaturopfer – getötete Regimegegnerin, Foto von kirchlichen Menschenrechtsaktivisten.

Treffen Nixon – Brandt in Florida 1971, laut US-Dokumenten – die Frage des Verhältnisses zur Militärdiktatur der Foltergeneräle:

“President Nixon asked for the Chancellor’s view on Brazil.

Chancellor Brandt stated that Germany has some trade and investment there, especially in the Sao Paolo area. He noted that political relations are good.”

Nixon über Militärdiktator General Ernesto Geisel : “On the other hand, the Brazilian leader9 has been good for Brazil and we continue to maintain that if he takes no foreign policy actions against us, then what he does is acceptable.”

Wer war Herzog? http://educacao.uol.com.br/biografias/vladimir-herzog.jhtm

Nach Folter und Mord an dem jüdischen Journalisten Herzog rief der deutschstämmige Kardinal Paulo Evaristo Arns in Sao Paulo zu einer ökumenischen Trauerfeier in die Kathedrale, zelebrierte mit zwei Rabbinern die Messe,die mit etwa 8000 Teilnehmern zu einem Symbol des Protestes gegen die Folter-Diktatur wurde. Nach der Beerdigung von Herzog auf dem jüdischen Friedhof von Butantá streikten etwa 30000 von 35000 Studenten der Bundesuniversität USP von Sao Paulo – Herzog war dort Professor.

Auffällig, daß außer Brandts Äußerung,  die politischen Beziehungen  zur Militärdiktatur unter General Ernesto Geisel seien gut, zumindest im Internet keinerlei Brandt-Bewertung der Diktaturverbrechen zu finden ist. 

http://womblog.de/die-brasilianische-bombe

Die Diktatur begann mit dem Militärputsch von 1964 – 1969 schloß Bonn mit dem Militärregime laut Jahreschronik ein Kulturabkommen. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/12/16/die-beruchtigten-ausnahmegesetzeai-5-der-brasilianischen-folter-diktatur-82-prozent-der-brasilianer-haben-noch-nie-davon-gehort/

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“Wo sind unsere Toten?” (Protestkundgebung in Sao Paulo 2012)

Wie Brasiliens katholische Kirche betont, wissen sehr viele Angehörige von “Verschwundenen” der Militärdiktatur bis heute nicht, was mit diesen geschah.

http://www.hart-brasilientexte.de/2012/04/02/brasiliens-vergangenheitsbewaltigung-wo-sind-unsere-toten/

Brasiliens Militärdiktator Emilio Medici, Vorgänger von Geisel,  laut Wikipedia:

http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html

“Bereits im Juni 1968 hatte BRD-Außenminister Willy Brandt bei einem Besuch in Brasilien das deutsche Interesse dargelegt, Brasilien mit Nukleartechnologie zu beliefern.  1969 unterzeichneten Brasilien und Deutschland ein bilaterales Abkommen zu wissenschaftlicher und technischer Kooperation. “Dominik Hauber, “Was passiert in Resende?

Der Spiegel 1975, im Jahr der Ermordung des jüdischen Journalisten Herzog, zu den Beziehungen des Außenministers Hans-Dietrich Genscher(FDP) zur brasilianischen Militärdiktatur:

Zugleich hofft Genscher, seiner FDP mit solchen Ideen das Image einer Fortschrittspartei zu erhalten, zumal die Freidemokraten nach seiner Ansicht “das Wählerpotential haben, das das am ehesten versteht”.

Die außenpolitische Tauglichkeit seines Plans wollte Genscher vor allem in Brasilien überprüfen, das ihm als “Schwellenmacht zum Industriestaat” (AA-Definition) als Testobjekt besonders geeignet scheint. Das Regime des deutschstämmigen Generals Ernesto Geisel versucht sich mit Macht aus der alten Abhängigkeit von Washington zu lösen und hält in Europa nach potenten Partnern für seine ehrgeizigen Industrialisierungspläne Ausschau.

Die Bundesrepublik gilt den Brasilianern als erste Wahl, denn die Deutschen halten im volkreichsten Staat Südamerikas (über 100 Millionen Einwohner) in der Rangliste ausländischer Investoren hinter den USA den zweiten Platz. Mehr als 500 westdeutsche Unternehmen produzieren bereits im Lande. Friedrich Wilhelm Christians, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und gemeinsam mit anderen Wirtschaftsgrößen in Genschers Begleitung, schätzt die Summe der westdeutschen Anlagewerte auf mittlerweile vier bis viereinhalb Milliarden Mark.

Erst recht als Schlaraffenland für Exporteure gilt Brasilien, seit es der deutschen Wirtschaft den fettesten Ausfuhrauftrag ihrer Geschichte versprochen hat: den Bezug von acht Kernkraftwerken samt Zusatzeinrichtungen im Wert von mindestens zwölf Milliarden Mark.

Politisch ist das Atomgeschäft nicht ohne Sprengkraft. Um den Vorwurf zu entkräften, Brasilien könne mit deutscher Hilfe künftig Atombomben bauen, machte die Bundesregierung ihre Zustimmung von einem Abkommen zwischen Bonn, Brasilia und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien abhängig, das regelmäßige Überwachungen durch IAEO-Inspektoren garantieren soll.

Damit geriet die Bundesregierung unversehens in Konflikt mit der verzwickten brasilianischen Innenpolitik. Denn starke nationalistische Gruppen fordern nun von der Regierung Geisel, sie müsse, um den Großmachtanspruch Brasiliens zu wahren, die Option für den Bau der Bombe offenhalten.

Unmittelbar nach Genschers Abflug reiste eine Bonner Expertendelegation an, die in Brasilia die dreiseitige Übereinkunft aushandeln soll. Prompt verbreiteten “gut unterrichtete Kreise” (Nachrichtenagentur Reuter), Brasilien werde sich gegen jede Verabredung wehren, die IAEO-Mitarbeiter jederzeit ins Land lasse. Setzen sich die Kontrollgegner durch, wäre das Atomgeschäft gefährdet, und Genscher, der die Nuklear-Allianz mit den Südamerikanern befürwortet, müßte erkennen, daß sich die Vision vom weltweiten Engagement der Bundesrepublik leichter entwickeln als durchsetzen läßt.

Auf seinem Südamerika-Trip konnten derlei Widrigkeiten die gute Laune des Bonner Chefdiplomaten nicht beeinträchtigen. Da sonnte er sich, zwischen Rio und Lima, im Gefühl, den großen Wurf gelandet zu haben. Bankier Christians: “Dem Genscher macht das richtig Spaß, der kriegt eine ganz lange Zunge.”

Der Spiegel zum deutsch-brasilianischen Atomgeschäft: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41019615.html

 http://www.investidura.com.br/biblioteca-juridica/artigos/relacoes-internacionais/168037-o-acordo-teuto-brasileiro-de-cooperacao-nuclear.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2012/01/03/bundesprasident-christian-wulff-dilma-rousseff-und-der-zugige-bau-des-neuen-atomkraftwerks-angra-3-bei-rio-de-janeiro-mit-deutscher-bundesburgschaft/

In den Archiven des Weltkirchenrates in Genf lagern Dokumente der brasilianischen Kirche, die laut Brasiliens Medien für das Diktaturjahr 1970 von “Bürgerkrieg” und etwa 12000 politischen Gefangenen sprechen. Die Diktatur erlaubte dem Internationalen Roten Kreuz nicht den Zugang zu den Gefängnissen, Diktator Medici erklärte, es gebe keine politischen Gefangenen in Brasilien. 1971 wurde ein Appell an die UNO wegen der gravierenden Menschenrechtsverletzungen gerichtet. In den Dokumenten des Weltkirchenrates werden die sadistischen Foltertechniken detailliert beschrieben, Folter werde als politische Waffe angewendet. Die Zahl der Folterzentren wird mit 242 angegeben, weibliche Gefangene seien häufig vergewaltigt worden. Zu den Taktiken gehörte, Oppositionelle in Gegenwart ihrer Ehepartner, teils sogar ihrer Kinder zu foltern. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/08/25/brasilien-rund-3500-arbeiter-errichten-das-neue-atomkraftwerk-angra-3-bei-rio-de-janeiro-laut-nationalen-wirtschaftsmedien-nuklearteile-aus-deutschland-doppelseitige-regierungspropaganda-fur-angra/

Grass-Gedicht: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/04/13/grass-gedicht-und-kritische-reaktion-in-brasilien-sein-fuhrer-in-der-jugend-adolf-hitler-hatte-es-nicht-besser-gesagt-groste-qualitatszeitung-folha-de-sao-paulo/

Hintergrundtext:

Brasiliens Massengräber


„Wenn die Toten da reingeschmissen werden, sind das Szenen wie in diesen
Holocaustfilmen“, beklagen sich Anwohner von Massengräber-Friedhöfen der größten lateinamerikanischen Demokratie. In der Tat wird seit der Diktaturzeit vom Staat die Praxis beibehalten, nicht identifizierte, zu „Unbekannten“ erklärte Tote in Massengräbern zu verscharren.

Die Kirche protestiert seit Jahrzehnten dagegen und sieht darin ein gravierendes ethisch-moralisches Problem, weil es in einem Land der Todesschwadronen damit auch sehr leicht sei, unerwünschte Personen verschwinden zu lassen. In der Megacity Sao Paulo mit ihren mehr als 23 Millionen Einwohnern empört sich der weltweit angesehene Menschenrechtspriester Julio Lancelotti: „In Brasilien wird monatlich eine erschreckend hohe Zahl von Toten anonym in Massengräbern verscharrt, verschwinden damit Menschen auf offiziellem Wege, werden als Existenz für immer ausgelöscht. Wir von der Kirche nehmen das nicht hin, versuchen möglichst viele Tote zu identifizieren, um sie  dann auf würdige Weise christlich zu bestatten. Wir brauchten einen großen Apparat, ein großes Büro, um alle Fälle aufklären zu können – dabei ist dies eigentlich Aufgabe des Staates!“

Padre Lancelotti erinnert daran, daß während der 21-jährigen Diktaturzeit in
Sao Paulo von den Machthabern 1971 eigens der Friedhof Dom Bosco geschaffen wurde, um dort zahlreiche ermordete Regimegegner heimlich gemeinsam mit jenen unbekannten Toten, den sogenannten Indigentes, in Massengräber zu werfen. Wie die Menschenrechtskommission des Stadtparlaments jetzt erfuhr, wurden seit damals allen Ernstes 231.000 Tote als Namenlose verscharrt – allein auf diesem Friedhof. Heute kommen Monat für Monat dort zwischen 130 und 140 weitere Indigentes hinzu.

Nach einem Massaker an Obdachlosen Sao Paulos kann Priester Lancelotti zufällig auf dem  Friedhof Dom Bosco beobachten, wie sich der Staat der Namenlosen entledigt: “Als der Lastwagen kommt und geöffnet wird, sehe ich mit Erschrecken, daß er bis obenhin voller Leichen ist. Alle sind nackt und werden direkt ins Massengrab geworfen. Das wird zugeschüttet – und fertig. Sollten wir später noch Angehörige ermitteln, wäre es unmöglich, die Verstorbenen in der Masse der Leichen wiederzufinden. Was sage ich als Geistlicher dann einer Mutter?“ Lancelotti hält einen Moment inne, reflektiert: „Heute hat das Konzentrationslager keinen Zaun mehr, das KZ ist sozusagen weit verteilt – die Menschen sind nach wie vor klar markiert, allerdings nicht auf der Kleidung, sondern auf dem Gesicht, dem Körper. Und sie werden verbrannt, verscharrt, wie die Gefangenen damals, und es gibt weiter Massengräber.“

Was in Sao Paulo geschieht, ist keineswegs ein Einzelfall. In der nordostbrasilianischen Millionenstadt Fortaleza leiden die Anwohner des Friedhofs „Bom Jardim“ seit Jahren bei den hohen Tropentemperaturen unter grauenhaftem Leichengeruch. „Die Toten werden oft schon verwest hergebracht, wie Tiere verscharrt, wir müssen zwangsläufig zusehen, es ist grauenhaft“, klagt eine Frau. „Fast jeden Tag kommt der Leichen-LKW – doch bei den heftigen Gewitterregen wird die dünne Erdschicht über den Toten weggeschwemmt, sehen wir die Massengräber offen, wird der Geruch im Stadtviertel so unerträglich, daß viele Kopfschmerzen kriegen, niemand hier eine Mahlzeit zu sich nimmt.“ Der Nachbar schildert, wie das vergiftete Regenwasser vom Friedhof durch die Straßen und Gassen des Viertels läuft: „Das Wasser ist grünlich und stinkt, manchmal werden sogar Leichenteile mitgeschwemmt – und weggeworfene Schutzhandschuhe der Leichenverscharrer. Die Kinder spielen damit – haben sich an die schrecklichen Vorgänge des Friedhofs gewöhnt. Wir alle haben Angst, daß hier Krankheiten, Seuchen ausbrechen.“

Selbst in Rio de Janeiro sind die Zustände ähnlich, werden zahllose Menschen von Banditenkommandos der über 1.000 Slums liquidiert und gewöhnlich bei Hitze um die 35 bis 40 Grad erst nach Tagen in fortgeschrittenem Verwesungszustand zum gerichtsmedizinischen Institut abtransportiert. Wie aus den Statistiken hervorgeht, werden in den Großstädten monatlich stets ähnlich viele Tote als „Namenlose“ in Massengräber geworfen wie in Sao Paulo, der reichsten Stadt ganz Lateinamerikas.

Priester Julio Lancelotti und seine Mitarbeiter stellen immer wieder Merkwürdigkeiten und verdächtige Tatbestände fest. „Werden Obdachlose krank und gehen in bestimmte öffentliche Hospitäler, bringt man an ihrem Körper eine Markierung an, die bedeutet, daß der Person nach dem Tode zu Studienzwecken Organe entnommen werden. Die Männer registriert man durchweg auf den Namen Joao, alle Frauen als Maria. Wir streiten heftig mit diesen Hospitälern und wollen, daß die Obdachlosen auch nach dem Tode mit den echten Namen geführt werden. Schließlich kennen wir diese Menschen, haben über sie Dokumente. Man meint eben, solche Leute sind von der Straße, besitzen also weder eine Würde noch Bürgerrechte. Wir haben in der Kirche eine Gruppe, die den illegalen, kriminellen Organhandel aufklären will, aber rundum nur auf Hindernisse stößt. Denn wir fragen uns natürlich auch, ob jenen namenlos Verscharrten vorher illegal Organe entnommen werden.“

Fast in ganz Brasilien  und auch in Sao Paulo sind Todesschwadronen aktiv, zu denen Polizeibeamte gehören, wie sogar das Menschenrechtsministerium in Brasilia einräumt. Tagtäglich würden mißliebige Personen außergerichtlich exekutiert, heißt es. Darunter sind auch Obdachlose, von denen allein in Sao Paulos Zentrum weit über zehntausend auf der Straße hausen. Wie Priester Julio Lancelotti betont, ist zudem die Zahl der Verschwundenen auffällig hoch. „Auf den Straßen Sao Paulos werden viele Leichen gefunden. Denn es ist sehr einfach, so einen Namenlosen zu fabrizieren. Man nimmt ihm die Personaldokumente weg, tötet ihn und wirft ihn irgendwo hin. Wir gehen deshalb jeden Monat ins gerichtsmedizinische Institut, um möglichst viele Opfer zu identifizieren. Die Polizei ist immer überrascht und fragt, warum uns das interessiert. Das Identifizieren ist für uns eine furchtbare, psychisch sehr belastende Sache, denn wir müssen monatlich stets Hunderte von Getöteten anschauen, die in großen Leichenkühlschränken liegen – alle schon obduziert und wieder zugenäht. Und man weiß eben nicht, ob da Organe
entnommen wurden.“

Solchen Verdacht hegen nicht wenige Angehörige von Toten, die seltsamerweise als „Namenlose“ im Massengrab endeten. In der nordostbrasilianischen Küstenstadt Maceio ging letztes Jahr der 69-jährige Sebastiao Pereira sogar mit einem Protestplakat voller Fotos seines ermordeten Sohnes auf die Straße. Dem Vater hatte man im gerichtsmedizinischen Institut die Identifizierung der Leiche verweigert – diese dann mysteriöserweise auf einen Indigentes-Friedhof gebracht. Kaum zu fassen – ein Friedhofsverwalter bringt es fertig, Sebastiao Ferreira später  mehrere Leichenteile zu zeigen, darunter einen Kopf. „Mein Sohn wurde allein am Kopf von vier MG-Schüssen getroffen – und dieser Kopf war doch intakt! Ich setzte eine DNA-Analyse durch – der Kopf war von einem Mann, das Bein von einem anderen, der Arm wiederum von einem anderen – doch nichts stammte von meinem Sohn“, sagt er der Presse.

In Sao Paulo hat Priester Lancelotti durchgesetzt, daß ein Mahnmal auf dem Friedhof Dom Bosco an die ermordeten Regimegegner, aber auch an die mehr als 200.000 „Namenlosen“ erinnern wird.

Neuerdings macht der Friedhof in Brasilien immer wieder Schlagzeilen, allerdings nicht wegen der Massengräber von heute. Progressive Staatsanwälte versuchen das Oberste Gericht in Brasilia zu überzeugen, den zur Diktaturzeit für den Friedhof verantwortlichen Bürgermeister Paulo Maluf und den damaligen Chef der Politischen Polizei, Romeu Tuma, wegen des Verschwindenlassens von Oppositionellen vor Gericht zu stellen. Erschwert wird dies jedoch durch den Politikerstatus der Beschuldigten: Paulo Maluf ist Kongreßabgeordneter und Romeu Tuma sogar Kongreßsenator – beide gehören zum Regierungsbündnis von Staatspräsident Lula.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 14. Mai 2008 um 18:31 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Naturschutz, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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