Gelegentlich werden in Lateinamerikas größter Demokratie die Streitkräfte pro forma zum „Kampf“ gegen das organisierte Verbrechen eingesetzt, agieren dabei jedoch seit jeher mehr als fragwürdig: Im Juni 2008 besetzen Armeeeinheiten den im Zentrum Rio de Janeiros gelegenen Slum „Morro da Providencia“ unweit der Präfektur, lassen indessen den dortigen hochbewaffneten Banditenkommandos freie Hand. Als sich die Einheiten von drei jungen Männern des Slums nicht genügend respektiert fühlen, werden diese in einem Armeelaster in den nahen, direkt am Sambodrome der Karnevalsparade gelegenen Hangslum „Morro da Mineira“ gebracht und dort jenem lokalen Banditenkommando übergeben, das in Todfeindschaft zu den Slum-Diktatoren, selbst den Bewohnern des „Morro da Providencia“ steht.
Bemerkenswert ist, wieviel Lob daher ein Gewalt-Gesellschaftsmodell diesen Zuschnitts von hochrangigen mitteleuropäischen Politikern, darunter aus Deutschland, seit Jahren erhält.
Die deutsch-brasilianischen Beziehungen sind politisch, wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich breit verankert. Sie basieren auf gemeinsamen Werten und übereinstimmenden Auffassungen zur globalen Ordnung. Brasilien ist das einzige Land in Lateinamerika, mit dem Deutschland durch eine „strategische Partnerschaft“ verbunden ist. (Auswärtiges Amt, Berlin)
Wem nützt die Banditendiktatur?
http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
In Brasilien weiß jedermann, was dann stets geschieht. Ein Offizier des Armeelasters fährt zu einer  Gruppe von Banditen, kündigt denen ein „kleines Geschenk“ zur Übernahme an. Die Banditen fragen sicherheitshalber zurück, ob es sich tatsächlich um Alemaes, Deutsche, im Slumjargon also Todfeinde, handele. Der Offizier bejaht und stellt klar, daß sie vom „Morro da Providencia“ seien. Der Offizier und seine Soldaten sehen gemäß den Ermittlungen noch, wie die drei jungen Männer sofort geschlagen, gefoltert werden, fahren indessen davon. Nach den Folterungen werden auf Wellington Ferreira, 19, 26 Schüsse abgegeben, auf David da Silva, 24, insgesamt 18 und auf Marcos Campos, 17, zwei tödliche Schüsse. Die drei Leichen werden, wie in Rio üblich, dann von der Stadtreinigung auf eine Müllhalde geworfen. Rein zufällig kommt der Fall ausnahmsweise an die Öffentlichkeit, zählt zu den meist kommentierten Themen der Landesmedien. Der brasilianische Anwaltsverband fordert, die Beziehungen zwischen den Streitkräften und dem organisierten Verbrechen zu klären. Schließlich stammten allein in Rio 22 Prozent der bei Banditen beschlagnahmten Waffen aus Beständen des Militärs. „Tudo muito normal“, „Alles sehr normal“, kommentiert Brasiliens führendes Nachrichtenmagazin „Veja“ das von Militärs begangene Verbrechen; ein „Kollateralschaden“ halt, wie es im Militärjargon heiße. Für mitteleuropäische Medien, gar für manche NGO, die sich mit Brasilien befassen, wie üblich kein Thema. Die Streitkräfte unterstehen direkt Staatschef Lula. Rio de Janeiro hat etwa ebensoviel Einwohner wie Kuba, weit mehr als ganz Bolivien.
Hintergrund:
http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
http://clipping.planejamento.gov.br/Noticias.asp?NOTCod=446472
http://ila-bonn.de/brasilientexte/banditenok.htm
„Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.“ (Deutsche Reisewerbung)
Hintergrund Favelas – Österreichs Südwind-Magazin:
http://www.suedwind-magazin.at/start.asp?ID=234729&rubrik=31&ausg=200304
« „Schulen in Saudi-Arabien benutzen Schulbücher, die zum religiösen Haß anstacheln“, schreibt „O Globo“. Anti-Semitismus, Anti-Christianismus… – 50 Jahre Bossa Nova(5): „Die Bossa Nova und die Faschisten“ – Deutschlandradio, Corso. »
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