Pries verband sehr viel mit seinem Land – man merkte dies in jedem Gespräch, jedem geführten Interview. Bei der Nachbarin sah das ganz anders aus:
Ausriß. “Mich verband mit diesem Land überhaupt nichts.” Angela Merkel
Ausriß – Ernst und Monika Pries.
Umweltzerstörerische Produktion der DDR wieder hoffähig ?
1. Zur Entwicklung der industriellen Mast in Deutschland
Die Konzentration von Produktion in privater Hand findet z. Z. in fast allen Branchen statt. Sie geschieht unter den Bedingungen eines gnadenlosen Verdrängungswettbewerbes, den nur der überlebt, der seine Gewinne privatwirtschaftlich zum Zwecke der Konkurrenzfähigkeit maximiert. Damit werden nach und nach die angeblich so förderwürdigen, arbeitsplatzintensiveren klein- und mittelständigen Betriebe systematisch ruiniert. Um dieses Recht des Stärkeren juristisch abzusichern, werden die entsprechenden nationalen und internationalen Gesetze von den Lobbygruppen großer Unternehmen entscheidend geprägt oder mindestens in ihrem Interesse beeinflusst. Eine solche Entwicklung erfasste die Landwirtschaft des Westens bereits vor 30 Jahren. Das noch heute andauernde Hofsterben ist dafür charakteristisch. Insbesondere die Tierhaltung wurde zuerst von der traditionell bäuerlichen Produktion abgekoppelt. Viele Landwirte versuchten, durch technische Perfektion ihre ländliche Existenz zu retten. Den großen Investoren kam es jedoch darauf an, möglichst automatisch viel Fleisch durch Lebewesen wie jede andere Ware gewinnbringend herzustellen und so die Märkte zu beherrschen. Der geistige Zusammenhang zwischen dieser Perversion unserer christlichen Kultur und den technisch durchorganisierten Kriegen und anderen industrialisierten Massenmorden ist offensichtlich.
http://www.zeit.de/2000/09/Boese_Blaubluetige
Böse “Blaublütige”/DIE ZEIT
In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern führen Forstleute und Naturschützer bittere Klage gegen adlige Waldbesitzer und Politiker, die klein beigeben
Von Klaus Hart
24. Februar 2000, 13:00 UhrQuelle: DIE ZEIT, 09/2000
Fürst zu Solms-Lich betreibt moderne Waldbewirtschaftung. Im Brandenburgischen kaufte er nach der Wende günstig weit über 2000 Hektar. Er engagierte eine finnische Firma mit großer Holzerntemaschine, die sich forsch voranarbeitete. Abgeholzt wurde im vergangenen Jahr im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Die zuständige Umwelt- und Forstbehörde hat dem Fürsten mitgeteilt, dass in seinem Wald auch vom Aussterben bedrohte Arten wie der Schreiadler lebten – und er deshalb für Fällarbeiten stets eine Genehmigung beantragen müsse. Doch das hat er nicht getan. Die Holzpreise waren gerade günstig – also wurde auch mitten in der Vegetationsperiode, der Adler- und Kranichbrutzeit, viel Holz eingeschlagen. So viel wie sonst in zehn Jahren nicht, sagt ein Förster. Rund um die Uhr, nachts gar im Scheinwerferlicht.
Die Dörfler staunten. Adlerhorstschutzzonen, Altbäume, in deren Höhlen Jungvögel gefüttert werden, ein Schreiadlerhorststamm, Vogelnester von Bodenbrütern – weg damit. Amphibientümpel und sensible Moorflächen wurden schwer beschädigt. Auch denkmalgeschützte Hügelgräber aus der Bronzezeit wurden nicht geschont…
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7938018.html
http://www.kontraindustrieschwein.de/pries.htm
http://www.nabu-templin.de/download/eisvogel.pdf
Für die Ausgrenzung/ Zonierung der neu zu schaffenden Großschutzgebiete wurden Bearbeiter benannt. Zum Beispiel Ernst Pries, der erfahrene forstliche Standortskartierer aus dem Stab von Dietrich Kopp, der in Templin seinerzeit eine Arbeitsgemeinschaft junger Naturforscher leitete, zu der auch Angela Merkel als Schülerin gehörte: „Ernst Du musst jetzt als bester Landschaftskenner das vorgesehene Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin konzipieren, ausgrenzen. In zehn Tagen muss ich das Ergebnis, die Karte haben. Keine Grundsatzdiskussion, wir haben alle keine Zeit. Wenn Du das lieferst, wird es dieses Biosphärenreservat zukünftig geben.“(Succow)
In beiden deutschen Staaten verlief die Entwicklung der Intensivtierhaltung etwas unterschiedlich. In der DDR entstanden um 1975 z.T. riesige Großbetriebe der industriellen Mast für Schweine, Rinder und Geflügel. Sie produzierten überwiegend und billig für westliche private Unternehmen. Zusätzlich besaß in den letzten 10 Jahren der DDR fast jede LPG kleinere Massentierhaltungen. Die z.T. katastrophalen Auswirkungen auf Boden, Gewässer, Grundwasser und Wälder dauern heute noch an.
Dagegen überwogen in der BRD, abgesehen von der industrialisierten Geflügelhaltung, die vielen kleinen Intensivtierbestände, flächendeckend vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern. Das ist ablesbar an der regionalen Verteilung der Stickstoffbilanzüberschüsse auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen in kg/ha/a. Sie lagen in den erwähnten Ländern um 150 kg/ha/a. Im Frühjahr 1991 wurden die industriellen Mastbetriebe in Ostdeutschland aus angeblichen Umweltgründen kurzfristig geschlossen. Sie waren überwiegend mit westlicher Technik ausgerüstet. Wie es sich später herausstellte, ging es nur um die Stabilisierung der Preise, also um die Ausschaltung von Konkurrenz. Bereits 1994 versuchte z.B. ein niedersächsischer Investor wieder 100.000 Schweine auf dem hochbelasteten Standort Haßleben einzustallen. Er scheiterte, wie andere nach ihm, am Kaufpreis und am damals noch verlangten Raumordnungsverfahren. Die Ausschaltung der DDR-Massentierhaltung bewirkte, dass sich z.B. 1999 in Deutschland die Schweinehaltung überwiegend immer noch in bäuerlicher Hand befand. Damals hielten 141.500 Betriebe rund 6 Millionen Schweine (184 Tiere pro Betrieb). Seit einigen Jahren zeichnet sich aber in Ostdeutschland eine erneute Phase der Konzentration der Schweinemast ab. Parallel dazu werden Tausende von Arbeitsplätzen in der deutschen Landwirtschaft vernichtet. Im Jahr 2003 mussten bereits 7.200 Landwirte ihre Schweinehaltung aufgeben. Das sind 6,7 % in einem Jahr !
Die größte Anlage Deutschlands mit 95.000 Tierplätzen soll in Allstedt / Kreis Merseburg-Querfurt auf einem ehemaligen Militärflugplatz entstehen. Hier gibt es jedoch einen massiven Widerstand der Bevölkerung gegen die Anlage. Er wird von der Kreisverwaltung, dem Kreistag, den Kommunen, den Kultur-, Sport- und Tourismusverbänden, der Presse, den Kirchen und den Parteien unterstützt.
2. Der Fall Haßleben
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Haßleben und die Flächen, auf denen Gülle ausgebracht werden soll (gelb markiert) |
Die zweitgrößte Anlage Deutschlands mit 85.261 Tierplätzen und gut 50 Arbeitsplätzen soll im Innenbereich des Dorfes Haßleben / Kreis Uckermark gebaut werden. Sie ist geplant auf dem Gelände des früheren Schweinezucht- und Mastbetriebes (SZM). Nur 2 von den 4 Modulen sollen mit Schweinen besetzt werden, jedoch je Modul 42.000 statt damals 34.000 Tierplätze. Von 1978 bis Frühjahr 1991 waren hier durchschnittlich 136.000, von 1987 – 1989 127.000 Tierplätze belegt. Der Standort liegt an einer Endmoräne, die zugleich Wasserscheide zwischen Ost- und Nordsee ist. Im Untergrund herrschen z.T. karstähnliche Verhältnisse (Stauchmoräne). Die alten und neuen Begüllungsflächen reichen in die Quellgebiete der Erholungsgewässer des Altkreises Templin hinein. Deshalb lehnte die Wasserwirtschaft 1974 / 75 den Standort als ungeeignet für Tierkonzentrationen ab. Die Politik setzte sich aber schon damals darüber hinweg. Heute liegt die künftige Schweinemastgroßanlage völlig umgeben von FFH- und Naturschutzgebieten (Stromtal, Buchenwälder, Seen ect.), zwischen dem Naturpark Uckermärkische Seen und dem Biosphärenreservat Schorfheide / Chorin. Es handelt sich um sehr ansprechende Landschaften mit touristisch attraktiven Orten wie z.B. Boitzenburg, Kuhz, Gerswalde, Warthe, Jakobshagen, Klaushagen usw..
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2.1 Altlasten auf dem Acker
Die durch den SZM hervorgerufenen Umweltschäden sind katastrophal. Auf 80 % der Begüllungsflächen haben sich nach der 10–12 jährigen Begüllung jährlich Stickstoffbilanzüberschüsse von 200 – 500 kg unterhalb der Ackerkrume in bis 5m Tiefe angesammelt (2). Ähnlich verhält sich der Trend bei Kalium und Magnesium, sogar bei Phosphor. Entsprechend dem substratabhängigen Sickerwasser–Weg / Zeitverhalten (bis über 100 Jahre) wandern die Stoffe nach und nach in die Oberflächengewässer und ins Grundwasser (7). Die noch 1993 als Hochlastflächen bezeichneten Flächen dürften nicht wie geplant erneut begüllt werden. Sie sind meist in 80 cm Tiefe drainiert, ihre Sammler enden in den Seen.
2.2 Schäden an Baumbeständen und Waldböden
Optisch deutlich erkennbar sind die schädlichen Veränderungen, die im Wald in wenigen Jahrzehnten stattgefunden haben. Darüber ist weltweit publiziert worden. Hier spielt vor allem der aus dem Gleichgewicht geratene Hauptnährstoff Stickstoff eine dominierende Rolle (4). Seine enormen lokal konzentrierten und diffusen Depositionen führen zu einer Art Schock für Baumbestände und Boden. Auf den ärmeren Standorten unter Kiefer kommt es zu Veränderungen des Bodenlebens, zum Rückgang von Feinwurzeln und Mykorrhiza-Pilzen, zur Zunahme von Windwürfen und Totholz, nach anfänglichem hohen Zuwachs zu phasenhaftem akzelerierten Wachstum, zu Wuchsstockungen, einer allgemeinen Schwächung mit nachfolgender Zunahme von Sekundärschädlingen (Pilze, Insekten) und zu einer stärkeren Ausbildung der Bodenvegetation. Diese führt in Trockenzeiten zu Wassermangel und dem Ausfall der Grundwasserneubildung. Auf den reicheren Standorten unter Laubholz erfolgen zusätzlich Zusammenbrüche des bisher intakten Stickstoffhaushaltes mit deutlichen Stickstoffauswaschungen (3, 6, 7, 10, 11) und Versauerungen im Mineralboden (Rückgänge der Basensättigung, siehe 3, 6, 10, 11). Besonders davon betroffen sind die Lehmstandorte. Häufige Mastjahre z.B. bei der Buche tragen ebenfalls zur Schwächung der Baumbestände bei, die Frosthärte der Gehölze lässt nach. Die Hälfte der Humusformen (Auflagehumus) ist bereits disharmonisch, d.h. es bestehen Differenzen zwischen Stickstoff- und Säure-Basenstufen.
Vor allem in den Kiefernbeständen kann man die Eutrophierung der letzten Jahrzehnte auch an der Zunahme dementsprechender Gefäßpflanzen und Moose erkennen. Bis zu 18 neu auftretende stickstoffanzeigende Arten pro Aufnahme wurden gefunden, außerdem Kiefern- und Buchenbestände mit flächendeckendem Brennesselunterwuchs (11). Die ohnehin durch die Witterungsextreme des Klimawandels gestressten Wälder sind übervoll durch Stickstoff belastet und dadurch hochgradig in ihrer Stabilität gefährdet (vgl. 3, 5, 6, 8, 10, 11, 12). Stickstoff wird bereits generell im Wald in größeren Mengen über Sickerwasser ausgetragen (7).
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2.3 Stickstoffbelastung und Güllewirtschaft
Das jahrzehntelang bekannte Problem der Überdüngung unserer Landschaften, vor allem mit Stickstoff, wird im neuen Schweinemastprojekt Haßleben trickreich umgangen, die erheblichen Vorbelastungen einfach ignoriert. Auch die entsprechenden Angaben der im April 2005 öffentlich ausgelegten Unterlagen sind falsch oder so weit wie zulässig heruntergerechnet. Damit fehlt eine Risikoabschätzung, die den tatsächlichen Umweltbedingungen entspricht. Die 85.261 Tierplätze produzieren jährlich mindestens 860.000 kg N (Stickstoff insgesamt), davon 213.000 kg Ammoniak (NH3). Dieser enthält 170.000 kg Reinstickstoff (N-NH3).
Vergleich der Stickstoffproduktion und ihrer Freisetzung direkt aus der Anlage im geplanten SZM Haßleben
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Vorprojekt 2003 |
Projekt 2005 |
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Tierplätze |
84.340 |
85.261 |
Gesamtstickstoff |
780.000 kg |
780.000 kg |
durch Einwendung korrigiert |
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860.000 kg |
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NH3 Freisetzung /a |
73.300 kg |
64.000 kg |
Freisetzung pro Tag |
200 kg |
175 kg |
oder |
263 m3 |
230 m3 |
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Tierplätze mit vollem NH3 |
25.300 |
25.600 |
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Austrag |
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N-NH3 Freisetzung /a |
58.400 kg |
51.000 kg |
in % zum Gesamtstickstoff |
7,5 % |
6 % |
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Der vorstehende Vergleich zeigt, wie viel Ammoniak (NH3) bzw. Reinstickstoff des Ammoniaks (N-NH3) pro Jahr (a) mindestens direkt aus der Anlage in den Innenbereich von Haßleben sowie in die angrenzenden Wälder freigesetzt wird und wie weit diese Mengen Tierplätzen mit vollem Ammoniakaustrag entsprechen. Dabei zeigt sich, dass das akute Stickstoffproblem durch technische Verbesserungen nicht gelöst, sondern nur von der Luft- in die Wasserphase verlagert wird. Ganze 6 % des in der Anlage produzierten Stickstoffs werden immissionsschutzrechtlich bearbeitet.Über den Verbleib von 94 % fehlen jegliche konkrete Nachweise einer nicht umweltschädlichen Verwertung. Dieser Stickstoff geht in die Gülle und nach dem Durchlaufen der Biogasanlage in den Verantwortungsbereich des Gülle ausbringenden Landwirtes über. Ihm ist es überlassen, mit welcher Technik er wie viel Emissionen freisetzt und bei welcher wechselhaften Witterung er die Güllenährstoffe durch die Ackerkrume spülen lässt. Nachweise, ob er mittels moderner Technik und entsprechenden Fruchtanbau die Gülle überhaupt emissionsarm ausbringen kann, werden von ihm nicht gefordert. Die geplanten 9.226 ha Gülleausbringungsflächen unterliegen keiner Kontrolle und sind auch immissionsschutzrechtlich nicht erfasst. Da laut Projekt der Nährstoffbedarf dieser großen Flächen durch die Begüllung nicht gedeckt werden kann, muss noch zusätzlich Kunstdünger eingesetzt werden. Damit wird die Gülledüngung noch uneffektiver und umweltgefährdender. Es ist ohnehin immer risikoreich, Dünger und Abprodukte flüssig auszubringen. Die Gülledüngung ist auch aus anderen Gründen nicht mehr zu verantworten. Massentierhaltungen benötigen aus hygienischen Gründen Wasser mit Trinkwasserqualität aus den unteren Stockwerken. Dort braucht es zu seiner Ansammlung Jahrzehnte und Jahrhunderte. Die Grundwasserneubildung lässt jedoch heute infolge Klimawandel und Eutrophierung selbst in den oberen Stockwerken nach. Eine Trinkwasserknappheit ist somit in den kommenden Jahrzehnten vorprogrammiert.
Die neue Schweinemastanlage benötigt jährlich 176.000 m3 Tränkwasser, dazu kommen 30.000 m3 Wasser zur Stallreinigung. Somit fallen 190.000 m3 Gülle an. Das ist doppelt so viel wie die Abwassermengen der ganzen Gemeinde Boitzenburger Land. Alle Abprodukte der Schweine entsprechen einer Stadt von 191.000 Einwohnergleichwerten (18,3 EWG je GV). Dazu kommt der ganze Komplex der Tierarzneimittel, Futtermittelzusätze, Desinfektionsmittel und Biozide, der in solchen großen Tierhaltungsanlagen konzentriert anfällt und über die Gülle auf die Felder gebracht wird. So können z.B. bei ordnungsgemäßer Begüllung pro Jahr und ha bis zu 1 kg der schwer abbaubaren, antibiotisch wirkenden Tetrazykline eingetragen werden (vgl. Arzneimittel in der Umwelt, Bericht an die 61. Umweltministerkonferenz am 19./20.11.2003). Neueste Untersuchungen der Universität Paderborn beweisen erstmals, dass Antibiotika (Chlortetrazyklin, Sulfadiazin u.a.) über Pflanzen (Winterweizen, Feldsalat) auch in unsere Nahrungskette gelangen. Antibiotika-Resistenzen sind schon lange ein medizinisches Problem und nun nicht mehr allein über den Fleischgenuss behandelter Tiere erklärbar.
2.4 Transporte auf der Straße
Aus den 85.261 Tierplätzen errechnen sich 10.095 Großvieheinheiten (GV). Im Vorprojekt ergaben 84.340 Tierplätze noch 10.450 GV ! Bei 3,25 Mastdurchgängen im Jahr werden 171.600 Mastschweine und 152.500 Ferkel „produziert“. Man rechnet mit 5 % Verlust: 7.600 Ferkel, 8.500 Mastschweine. Sie müssen per LKW weggeschafft werden. Im Gegensatz zum alten SZM, wo alle Transporte, außer denen des Schlachtviehs, über Bahn und unterirdische Rohrleitungen liefen, ist man in der neuen Anlage völlig auf den Straßentransport angewiesen. In Spitzenzeiten verlässt und erreicht alle 4 – 7 Minuten ein LKW die Anlage, eine schwere Zusatzbelastung für unsere z.T. schmalen öffentlichen Straßen. Die Hälfte der 30-Tonner-Güllefahrzeuge muss die kurvenreiche Unfallstrecke Haßleben – Prenzlau (B109) und durch Prenzlau fahren.
2.5 Die neue Anlage soll trickreich durchgesetzt werden
Umweltschützer versuchten nach 1991 umweltfreundliche Produktionen auf dem erschlossenen Industrieareal anzusiedeln. Es scheiterte an den 46 Millionen DM Schulden, die über einen hohen Kaufpreis beseitigt werden sollten. Ab 1994 unterstützte das Land Brandenburg den Aufbau neuer Schweinemastgroßanlagen mit 80 – 100.000 Tierplätzen. Es stellte sich natürlich immer heraus, dass so ein großes Objekt raumordnungsrelevant war. Als der neue Investor van Gennip auftauchte, erklärten deshalb die zuständigen Behörden sofort, dass kein Raumordnungsverfahren nötig sei, man werde es natürlich prüfen. Van Gennip kaufte die Fläche, offensichtlich mit einem um mindestens 13 Millionen Euro dezimierten Preis. Es besteht der Verdacht, dass das Land diese Summe bezahlt hat, um dem Investor den Kauf zu ermöglichen. Schließlich hat in Brandenburg der Einsatz von Steuermitteln in fragwürdige private Unternehmen schon Tradition. So gibt es eine mehrheitliche Unterstützung des Investors durch die Landesregierung, den Landkreis, den Kreistag, den Gemeinderat, die Parteien, die heimische Presse und den Bauernverband. Im Sinne des Investors arbeitet ein Bürgeraktiv „Pro Schwein“. Die Mehrheit der Bevölkerung verhält sich indifferent. Ähnlich reagieren auch die Tourismusverbände, die Kirchen und die Naturschutzorgane des Landes und des Bundes. Selbst die meisten Naturschutzverbände reagieren halbherzig. Es existiert jedoch eine kleine aktive Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein Haßleben“.
Während der Prüfung der Notwendigkeit der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens kam es zu vielen Ungereimtheiten, die nicht zufällig sein konnten. Sie zeigten alle den Willen der zuständigen Behörden, das Projekt reibungslos durch die noch bestehenden gesetzlichen Vorgaben zu tricksen. Entscheidende fachliche Beanstandungen nahm man einfach bis in die Auslegungsunterlagen 2005 hinein nicht zur Kenntnis !
Durch Gemeindebeschluss wurde für das Schweinemastprojekt ein Vorhaben bezogener Bebauungsplan erstellt. So gehört das Projekt nun zum Innenbereich des Dorfes, was gleichzeitig ein ROV ausschließt. Damit reduziert sich der Untersuchungsradius von mindestens 5 km auf 1,25 bzw. 1,75 km. Man braucht nur noch den Nordteil eines FFH-Gebietes untersuchen, sonst hätten viele Naturschutz- und FFH-Flächen begutachtet werden müssen. Begleitend erließ das zuständige Ministerium im Dezember 2003 einen Handlungsrahmen zur Beurteilung von Waldökosystemen im Umfeld von Tierhaltungsanlagen. Er enthielt neben anderer grober Mängel 3 x so hohe Stickstoffgrenzwerte wie der Wald ohne Vorbelastung verkraften kann. Diese fachlichen Schlappen trugen sicher etwas dazu bei, dass die Anlage nicht, wie vorgesehen, Ende 2004 ihren Betrieb aufnehmen konnte. Um das Projekt zeitlich nicht weiter zu gefährden, erteilte die Kreisverwaltung eine Baugenehmigung, die es erlaubt, bis 900 so genannte Zuchtläufer (meist Sauen) auch ohne immissionsschutzrechtliche Prüfung und UVP einstallen zu können. Die Tiere befinden sich seit dem 22.02.05 in Haßleben. Vorher nahm der Kreistag Uckermark das noch nicht genehmigte Schweinemastprojekt zusätzlich in seinen Wirtschaftsrahmenplan auf.
Vom 11.04.05 bis 10.05.05 wurden die Unterlagen des Schweinemastprojektes öffentlich ausgelegt. Sie waren, abgesehen, von schweren Verfahrensfehlern, fachlich so lückenhaft, dass eine öffentliche Auslegung nicht hätte stattfinden dürfen. Dass diese trotzdem geschah, entspricht den bisherigen Verhalten der Landesbehörden. Sie sind entschlossen, die Mastanlage formal durchzusetzen, auch entgegen dem heutigen Wissensstand über die fortschreitenden flächendeckenden Landschaftsschäden, „Das ist politisch gewollt“, hört man intern in den kompetenten Dienststellen. Da interessieren keine Fakten ! Und die Fachleute schweigen aus Angst und Opportunismus oder weil sie so gut bezahlt werden. Selbst der für das Ressort zuständige Minister und sein Staatssekretär erzählen das nach, was der Investor bei Ignoranz und zur Vernebelung der eigentlichen Probleme zur Durchsetzung seiner Anlage darlegt. Damit büßen sie als Verantwortliche ihre Objektivität ein, sie sind als unkritische Helfer des Investors unglaubwürdig geworden. „Wir prüfen selbstverständlich genau“, wird dann immer wieder zur Beruhigung der Bürger erklärt. Bei der vermuteten Verquickung mit dem Investor ist nicht damit zu rechnen, dass die Landeregierung die eingegangenen 1200 Einwendungen ernsthaft prüfen lässt. Im Falle einer gewollten sachgerechten Prüfung hätte sie schon früher die Probleme anders behandeln und nach dem völlig unvollständigen Material der Auslegung die öffentliche Anhörung Ende August absagen müssen. Welche gravierenden landschaftsökologischen Schäden, Versäumnisse und Probleme mit der geplanten Schweinemastanlage verbunden sind, sollen zusammenfassend fünf Beispiele zeigen:
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Wie bereits dargelegt, wird 94 % des in der Anlage produzierten Stickstoffs nach Durchlaufen der Biogasanlage in Verantwortung der Landwirte gegeben. Seine Ausbringung wird auf den Flächen nicht kontrolliert und immissionsschutzrechtlich erfasst. So schädigt er seit Jahrzehnten vor allem Waldbestände und -böden, Oberflächengewässer und Grundwasser. Die mengenmäßig überwiegenden Stickstoffemissionen aus der Begüllung interessieren im Projekt überhaupt nicht.
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Entscheidende Maßgaben der Landesplanungsabteilung Berlin – Brandenburg vom 12.12.03 wurden einfach nicht erfüllt. So fehlen die Darlegungen der Entwässerungssysteme in den geplanten Begüllungsflächen völlig, ebenso konkrete Sicherheitsabstände zu den gefährdeten Flächen, selbst zu Trinkwasserschutzzonen. Tabuflächen für die Begüllung sind nur selten und unzureichend ausgewiesen. Eine provisorische Kartierung der Drainagen ergab, dass das Gros der für die Begüllung vorgesehenen Flächen drainiert ist. Ihre Sammler enden durchweg in Oberflächengewässer.
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Die Hintergrundbelastung der Stickstoffimmissionen im Umfeld von Haßleben wurde bewusst mit 15 kg/ha/a zu niedrig angesetzt, um weitere Immissionen aus der geplanten Anlage vertretbar erscheinen zu lassen. Sie ist jedoch einschließlich der trockenen Deposition mindestens doppelt so hoch ! Auf den grundwasserfernen Waldstandorten schwankt die heute noch verträgliche Dauerbelastbarkeit in unserem Klima, untergliedert nach Nährkraft- und Feuchtestufen, zwischen 5 und 15 kg pro ha und Jahr. Weitere zusätzliche Einträge sind deshalb für den Wald bzw. die Waldböden schon auf Grund der nachweisbaren enormen Vorschädigung nicht mehr diskutabel.
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Neue Erkenntnisse über Weg / Zeitverhalten des Grundwasserabflusses und die damit verbundene Gefahr des Eintrages von Schadstoffen in Sicker-, Grund- und Oberflächenwasser werden einfach ignoriert. Das gilt auch für die Rückstände von Tierarzneimitteln und deren Anreicherung in der menschlichen Nahrung.
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Die Altlasten aus der früheren Anlage werden im Projekt nur kurz erwähnt, trotzdem ist eine Begüllung der damaligen, durchweg drainierten Hochlastflächen, selbst in unmittelbarer Nähe von Naturschutzgebieten, wieder vorgesehen.
Templin, den 21.07.05
Ernst Pries
Literaturangaben
1. ASMAN, VAN JARSVELD,1992 : A variable – resolution transport model applied for NHX for Europe. Atmospherie Environment 26A : 445 – 464
2. ASMUS;F. et.al. 1993 : Aufnahmen und Gefährdung des Gefährdungspotentials der Uckermärkischen Schweinezucht – und Mast – GmbH Haßleben sowie Vorschläge zu Art und Umfang einzuleitender Entsorgungs- und Sanierungsstrategien für dieses Gebiet. Forschungsbericht FM / H 91 – 346. 14 / 46 – 20, Universität Potsdam
3. BLOCK, J. 2002 : Belastung des rheinland – pfälzischen Waldes durch Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft. Forst und Holz, 57. Jahrgang, Nr. 1 /2 (15.01.2002)
4. Böhme, F., RUSSOW, R. 2002 : Formen der atmogenen N-Deposition und deren Bestimmung in Agrarökosystemen unter besonderer Berücksichtigung der 15N-Isotopen-verdünnungsmethode (JTNJ). Worksshop „N-Depositionen in Agrarökosystemen“ 2-3.5.02. Umweltforschungszentrum Leipzig – Halle GmbH
5. KOPP,D., KIRSCHNER, G. 1992 : Fremdstoffbedingter Standortswandel aus periodischer Kartierung des Standortszustandes in den Wäldern des nordostdeutschen Tieflandes nach Ergebnissen der Standortserkundung. Beiträge für Forstwirtschaft und Landschaftsökologie 26 (1992) 3 / 4.
6. KOPP,D., JOCHHEIM, H. 2002 : Forstliche Boden- und Standortsdaten des Norddeutschen Tieflandes als Datenbasis für die Landschaftsmodellierung, Verlag Dr. Kessel, Remagen- Oberwinter
7. MELLERT, K.H., GENSIOR, A., KÖLLING, C. 2005 : Verbreitete Nitratbelastung des Waldsickerwassers. AFZ – Der Wald 4 / 2005
8. MOHR, H. 1994 : Stickstoffeintrag als Ursache neuartiger Waldschäden, Spektrum der Wissenschaft, Heft 1 (1994)
9. Nationaler Inventarbericht 2004 – Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen : Teilbericht für Quellgruppe Landwirtschaft, Institut für Agrarökologie, Braunschweig, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL)
10. NIEDER, R., WACHTER, H., ISERMANN, K. 2000 : Erhöhte Stoffausträge bald auch aus Waldböden ? AFZ / Der Wald 11 / 2000
11. PRIES, E: 2005 : Veränderungen der Waldböden und ihrer Vegetation im Umfeld des SZM Haßleben (bis 21 km) unter Berücksichtigung anderer Tierhaltungsanlagen im Nahbereich (bis 5 km) nach 20 Jahren (1976 – 78, 1996 – 1998), Tabelle, Erklärungen und Legende, Schwerpunktauswertung mit Lage der Aufnahmepunkte, unveröffentlicht
12. 1.Umweltgutachten 2004 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Deutscher Bundestag, Drucksache 15 / 3600, 2.7.2004
Stand der Dinge
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Erneute Stickstoffschleuder : Schweineanlage Haßleben
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–> Artikel als pdf
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Von 1978 bis Frühjahr 1991 wurden hier durchschnittlich 136.000 Schweine pro Jahr gezüchtet und gemästet. Schwere Umweltschäden waren die Folge. Umfangreiche Untersuchungen 1992 / 93 ergaben, dass z. B. sich auf 80 % der Gülleausbringungsflächen jährliche Stickstoffüberschüsse von 200 bis über 500 kg / Hektar / Jahr angesammelt hatten, nachgewiesen bis 5m Tiefe. Das sind die bisher höchsten in Deutschland ermittelten Werte. Ähnlich verhält es sich mit dem schwer verlagerbaren Phosphor. Heute tut man so, als ob alle diese Langzeitbelastungen nicht mehr existieren, ohne den Beweis dafür anzutreten. Nun soll hier erneut eine riesige Schweineanlage mit ursprünglich über 85.000, jetzt fast 68.000 Tierplätzen entstehen.
Abgesehen davon, dass schon die DDR – Wasserwirtschaft 1974 /75 den Standort als ungeeignet für eine Massentierhaltung ablehnte, offenbart sich von Anfang an im ganzen Verfahren zur 85.000 – Schweineanlage ein Einvernehmen zwischen dem Investor van Gennip und der Genehmigungs-Behörde des Landesumweltamtes Brandenburg.
Das Projekt sollte möglichst reibungslos durch die noch bestehenden gesetzlichen Hindernisse getrickst werden. Die zur öffentlichen Auslegung gelangten Unterlagen waren so unvollständig und mangelhaft, dass sie gar nicht ausgelegt hätten dürfen. Aber man hatte nicht mit den fundierten fachlichen Widerstand gerechnet, obwohl er sich bereits an Hand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse im Vorverfahren abzeichnete.
Die öffentliche Anhörung im Herbst 2005 sollte für 1200 Einwendungen 4 Tage dauern, wurde dann auf 16 Tage erweitert und musste nach 11 Tagen abgebrochen werden, weil viele entscheidende Unterlagen einfach zu offensichtlich falsch und fehlerhaft waren, z.B. der Nachweis der Nährstoff-Verwertung durch die Ausbringung der Biogasgülle. Die dabei hauptsächlich entstehenden Emissionen und Austräge fehlen generell noch heute! Man tut so, als würden fast alle Nährstoffe durch die Pflanzen aufgenommen. Ebenso fehlen die Nährstoffausträge über Drainagen, die 1992 / 93 nachgewiesen in den Gewässern landen. Die z.T. hochkonzentrierten Stoffanreicherungen unterhalb der Ackerkrume, besonders gefährlich für Grundwasser und Gewässer, werden ebenfalls ignoriert (nachgewiesenen Altlasten der früheren Mastanlage). Das gleiche gilt für die Vergleichsuntersuchungen der Waldböden nach 20 – 30 Jahren, die überwiegend eine Stickstoffsättigung bzw. – Übersättigung derselben zeigen.
Um trotz der Größe der Anlage ein Raumordnungsverfahren zu vermeiden, wurde die Anlage zum Innenbereich des Dorfes Hassleben gerechnet. Damit reduzierte sich der Untersuchungsradius von etwa 5 km auf 1,25 km. So berührt er nur 1 europäisches Fauna – Flora – Habitat – Schutzgebiet (FFH) – statt 6 FFH – Gebiete. Durch die massiven Folgen der Biogasgülleausbringung werden jedoch insgesamt 14 FFH – Gebiete bzw. deren Teile beeinträchtigt.
Völlig unbrauchbare Waldgutachten im Auftrage des Investors weisen Stickstoffmangel nach, obwohl an fast allen Aufnahmeflächen die typischen Stickstoffanzeiger Brennnessel und Holunder wachsen ! Dazu erklärt jetzt der Rechtsanwalt des Investors, Prof. Dombert, dass die Ergebnisse von Waldgutachten und deren Bewertung nicht interessieren, da sich rein formal durch einen Erlass des Landes Brandenburg die Bewertungsgrundlage geändert habe.
Ein Länderarbeitskreis Immissionen (LAI) hat zur Vereinfachung von Genehmigungen 3 Jahre getagt und einen Bericht herausgebracht, nach dessen Kriterien fast jede große Tierhaltungsanlage genehmigt werden kann. Dazu wurden z.B. unlogischerweise die kritischen Werte (Critical loads) für die sogenannten Produktionsfunktionen, also auch im Wirtschaftswald, verdoppelt bis verdreifacht, nicht wie betont wird, aus ökologisch wissenschaftlicher, sondern aus pragmatischer Sicht.
Das ist ein klarer Aufruf zum Gesetzesbruch, denn der Zustand der Wälder ist nachhaltig zu erhalten bzw. zu verbessern (Wald– und Naturschutzgesetze)!
Bei der Ausbreitung des Ammoniaks direkt aus der Anlage ist die Stickstoff – Niederschlags-Menge (Deposition) selbst nach der problematischen Formel des LAI – Berichts mindestens 4 x höher als sie der Investor im Projekt angibt. Die Depositionen aus der Biogasgülleausbringung sind dabei ohnehin, wie bereits dargelegt, nicht mitgerechnet. Ihre Emissionen eingeschlossen, gehen etwa 25 % des in der Anlage vorhandenen Stickstoffs kaum kontrollierbar in die Luft. Das trifft vor allem den bereits stickstoffgesättigten Wald, den Ort Haßleben / Kuhz und die FFH – Schutzgebiete. Nun will der Investor seine Mastschweine von 52.800 auf 35.200 reduzieren und in diesem Bereich Verbesserungen in der Abluft vornehmen. Ein Pflanzenklärbecken soll das belastete Regenwasser reinigen. Sein Standort ist hochgradig phosphorüberlastet, mit Fließrichtung in den nahe gelegenen FFH – geschützten Kuhzer See. Den in 600 – 700 m beginnenden bereits stark eutrophierten Waldkomplex können bei vorherrschender feuchter Witterung immer noch zusätzliche Stickstoffdepositionen von 40 – 100 kg/ha/a erreichen. Dazu kommt eine derzeitige durchschnittliche waldtypische Belastung von 30 kg Stickstoff/ha/a.
Ein Teil der Dächer der Schweineanlage wurden mit Solaranlagen versehen, eine wenigstens positive Maßnahme. Ansonsten werden im Projekt Hassleben laufend Teile überarbeitet. Sie beinhalten meist nur Scheinlösungen und ignorieren die eigentlichen Probleme weiter. Der Zusammenhang mit den 2005 ausgelegten und erörterten Unterlagen ist für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Bestimmte Maßgaben der Landesplanungsstelle Berlin – Brandenburg, z.B. die Darlegung der Entwässerungssysteme auf den Begüllungsflächen, wurden bis heute nicht erbracht und nachträglich zur „Kann – Bestimmung“ erklärt.
Daß eine Industriealisierung der Produktion allgemein viele Arbeitsplätze vernichtet, gilt auch für die Schweinemast. So haben 2003 / 2004 allein 12 % der deutschen Schweinemäster (etwa 13.000 Landwirte) aufgeben müssen, parallel zum Aufbau großer Mastanlagen. Im Jahr 2008 waren es erneut 16 %. Zudem handelt es sich bei den versprochenen 50 Arbeitsplätzen für Hassleben meist um Billiglohn – und Teilzeitarbeitsplätze.
Die Diskrepanz zwischen Tierschutzgesetzen und einer wirklich artgerechten Tierhaltung, die diesen Namen verdient, wird besonders dadurch offensichtlich, dass gesetzlich einem Mastschwein bis 110 kg Gewicht nur ein Lebensraum von 0,75 m2 zusteht ! Tierschutz als Verfassungsauftrag ist hier nur eine Farce.
Daß den Investor van Gennip und seinen Berater Dr. Rehhahn die ganze Umweltproblematik überhaupt nicht interessiert, zeigt u.a. ihr Verhalten in der Altmark. In 7 km Entfernung von der 65.000 – Schweineanlage Sandbeiendorf will er in Mahlwinkel noch 85.000 Schweine – Tierplätze schaffen, praktisch 150.000 auf einem Platz. Das Landgericht Magdeburg bestätigte jetzt die Verurteilung des Dr. Rehhahn wegen versuchter Bestechung im Zusammenhang mit der Anlage Mahlwinkel.
Infolge der niedrigen Schweinefleischpreise bei 100.000 t nicht absetzbarer Lagerhaltung in der EU zahlte diese bis August 2008 eine Exportprämie von 31 EUR pro 100 kg Fleisch. Bei nur 2,5 Durchgängen mit jetzt 35.000 Mastschweinen hätte van Gennip mindestens 2,3 Millionen EURO zusätzliche Exportprämie bekommen, da interessieren keine alten Umweltlasten und ihre zukünftige Potenzierung! Dieses subventionierte Schweinefleisch wurde z.B. in Afrika so billig angeboten, dass die einheimischen Landwirte mit ihren großen Familien Pleite gingen. Die Presse hat ausführlich darüber berichtet.
Die z.Z. steigenden Preise für Exportfleisch erübrigen vorerst solche Subventionen. Große Schweine-Anlagen schießen deshalb weiter, vor allem in Ostdeutschland, wie Pilze aus dem Boden. Lieferverträge sind vor kurzem mit China abgeschlossen worden, für Japan, Südafrika und Südkorea werden sie vorbereitet !
Hohe Weltmarktpreise bieten also den Anreiz, immer mehr zu produzieren, wenn wieder möglich, mit importierten Futter.
Die verheerenden Folgen für die Länder, in die exportiert wird, bleiben gleich, auch für unser Land, wo dieser Überschuss hergestellt wird. Dort wie hier verdrängt das industriell erzeugte Billig-Fleisch einheimische Landwirte. Die Auswirkungen der immensen Umweltbelastungen und der Arbeitsplatzverluste im bäuerlichen Bereich hierzulande bezahlen wir alle früher oder später !
Ernst Pries, Templin, den 15.09.09
Ernst Pries, seinerzeit Templiner Kreistagsabgeordneter der Grünen und Mitglied des NABU, wird zu einer Art Sprecher der ostdeutschen Privatisierungsgegner. In der DDR war er einer der angesehensten, unbequemsten Umweltexperten, die Stasi hat auf seine Frau und ihn an die dreißig IM angesetzt, entsprechend dick ist die Gauck-Akte.
„Die Beute des Kalten Krieges wird verteilt“
Pries nimmt bis heute kein Blatt vor den Mund. Die Einheit Deutschlands, argumentiert er, wird zu einem Bereicherungsfeldzug kapitalkräftiger westdeutscher Oberschichten mißbraucht, „die Beute des Kalten Krieges wird verteilt. Eine nicht mehr zu kaschierende Habgier bringt die ohnehin Reichen um ihre politische Vernunft.“ Die Bodenreform von 1945 – 1949 habe historisch zufällig und viel zu spät den auf sozialem Unrecht basierenden Großgrundbesitz einer ausgedienten Herrschaftsschicht enteignet. Jetzt geschehe in Ostdeutschland Bodenraub, würden die Grundrechte der Bürger grob verletzt, entstünden wieder neue Herren-Knecht-Verhältnisse. „Schon einmal war eine ungerechte Boden-und Besitzverteilung faschismusfördernd.“ 1993 streitet Pries sogar bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung des ORB heftig mit Graf von Stauffenberg und Graf von Arnim. Besonders werden ihm klare Worte zur Rückübertragung von Brandenburger Wald an frühere Großgrundbesitzer übelgenommen:“Dieser Besitz entstammt überholten feudalen Strukturen und widerspricht zutiefst unserem heutigen sozialen Rechtsempfinden.Er ist wie jede Besitzkonzentration antidemokratisch. Wer mehr Boden beansprucht als er zu seiner unmittelbaren Lebensgestaltung braucht, raubt ihn seinen Mitmenschen und deren Nachkommen.“ In den Kolonien, so der populäre Bürgerrechtler und Umweltschützer, brachten die Kolonisatoren immer zuerst großflächig das Land juristisch in ihren Besitz. Über die Nachfahren von Gutsbesitzern urteilt Pries:“Ihre erbfähigen Kinder und Enkel erscheinen oft selbstherrlicher, man spürt dann schon die geschichtslose Halbbildung typischer Manager.“ Pries und andere Naturschutzaktivisten Brandenburgs sind besonders aufgebracht darüber, daß die geplante Ausweisung von Totalreservaten verhindert wurde, indem die Treuhand die naturschutzfachlich besten und daher vom Westadel am meisten begehrten Flächen im Eiltempo verhökerte.
„Hochadel hat Leute in der Justiz“
Indessen – Proteste gegen die Privatisierung fruchteten nicht. Das wird von den Kritikern auch darauf zurückgeführt, dass entscheidende Positionen der ministeriellen Verwaltung in den neuen Bundesländern mit Westdeutschen besetzt seien. Ein Insider aus Manfred Stolpes brandenburgischer SPD zum telegraph: „ Der Hochadel des Landes hat inzwischen seine Leute in der Justiz – sogar Richter gehören zum Klüngel, vertreten die Privatinteressen der Blaublütigen. Auf Bürger, die gegen Adlige Anzeige erstatten wollen, wird Druck ausgeübt.“ Dass in Brandenburg und Berlin zwar Mittel für Bildung und Kultur fehlen, das Schulniveau wie beabsichtigt, rapide sinkt, Theater und Orchester geschlossen werden, andererseits Stimmung für den aufwendigen Wiederaufbau unnötiger Feudalschlösser gemacht wird, führen Kritiker auch auf den wachsenden Einfluß des Hochadels im Osten zurück. |
PNN:
…Die Gegner lehnen die Schweinemastanlage aber auch in abgespeckter Form ab. Seit Jahren gibt es erbitterten Streit über das Projekt. „Schweine-KZ“ nennen es Tierschützer: Zigtausende von Muttertieren würden in engen Einzelbuchten gehalten, die kaum eine Bewegung erlauben und die das Schwein nur verlässt, um zum Schlachter transportiert zu werden. Von tiergerechter Haltung könne da keine Rede sein. Noch schwerer wögen aber die rund 500 Kubikmeter Gülle, die täglich anfallen und die Umwelt belasten. Einige Anwohner fürchten vor allem die extreme Geruchsbelästigung – für sich selbst und für Touristen, die an der Uckermark nicht zuletzt die frische Landluft schätzen.
„Zum Glück sehen immer mehr Leute ein, dass eine solche Anlage kontraproduktiv für den Tourismus in der Region wäre“, sagt Gert Müller. Er ist Mitglied der Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein Haßleben“. Die kämpft nicht nur gegen die riesige Mastanlage, sondern auch gegen die Behauptung, bei den Gegnern des Projekts handele es sich um Wochenendgäste aus Berlin, die sich die Landluft nicht vermiesen lassen wollten. „Ich habe schon zu DDR-Zeiten gegen die Schweinemastanlage gekämpft,“ sagt Ernst Pries, einer der Gründer der Bürgerinitiative. „Damals wurden hier sogar knapp 150 000 Tiere gemästet.“
Pries, der als Forstwissenschaftler arbeitete, hat schon damals die extremen Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Umwelt nachgewiesen: Stickstoff, Phosphor, Kali und andere Reststoffe dringen fünf bis sechs Meter tief in den Boden ein, gelangen ins Trinkwasser, die Badeseen und den Waldboden.
„Es ist pervers“, sagt Pries: „Die Natur wird beschädigt, obwohl es keinen Bedarf an Schweinefleisch gibt. Im Gegenteil: Die EU zahlt wegen der Überproduktion 31 Euro Subventionen pro hundert Kilo exportiertes Schweinefleisch. Und das wird in Asien oder Afrika so billig verkauft, dass die Tierzüchter dort pleitegehen.“ Der Investor kassiere nicht nur diese Subventionen, sagt Pries, sondern habe zuvor Prämien für die Schließung seiner Anlagen in Holland eingesteckt. „Dort sind die Böden schon völlig verseucht.“…
Buch:Forstliche Boden- und Standortsdaten des nordostdeutschen Tieflands als Datenbasis für die Landschaftsmodellierung / von Dietrich Kopp und Hubert Jochheim. Unter Mitarb. von Ernst Pries und Joachim Schöneich
http://www.ostbuero.de/telegraph/101/refeudalisierung.html
http://www.telegraph.ostbuero.de/100/rotmilan.html
“Urgesteine” des Naturschutzes
Nabu zeichnet Ernst und Monika Pries aus
Märkische Allgemeine vom 31.07.2009 / Gransee
TEMPLIN Mit großer Freude haben Monika und Ernst Pries am Dienstag von Tom Kirschey, dem Landesvorsitzenden des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), die Ehrennadel in Gold entgegengenommen. Damit soll das langjährige Engagement der “Urgesteine” in Sachen Natur- und Umweltschutz gewürdigt werden, so Kirschey. “Die beiden sind ein Glücksfall für den Nabu”, sagte er auf der 76. Geburtstagsfeier von Ernst Pries. Seine Frau feierte erst kürzlich ihren 70.
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Ertappt: Angela Merkel als Umwelttäterin im Ost-Schutzgebiet
(Erinnert sich jemand?)
Leistung muß sich wieder lohnen, predigte Einheitskanzler Helmut Kohl immer – und Angela Merkel an seiner Seite hatte nichts einzuwenden. Als Bundesumweltministerin zwischen 1994 und 1998 gibt sie vor, hocheffizient für den Schutz der Natur, immer kürzere Rote Listen zu wirken, setzt das Kohl-Wort zügig um: Wann immer möglich, läßt sie sich – vom Steuerzahler finanziert – mit dem Hubschrauber zu ihrem Haus in Hohenwalde bei Templin fliegen oder von dort abholen.
Das Vierzig-Einwohner-Dörfchen liegt höchst idyllisch im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, Kraniche zuhauf, auch seltenste, sehr scheue Adler – laut Schutzgebietsverordnung braucht Angela Merkel deshalb eine Sondererlaubnis. Hatte sie die beantragt? Auf Anfrage im Berliner Büro der CDU-Generalsekretärin wehrt man erst jegliche Stellungnahme ab, verweist an die Regierungs-Flugbereitschaft – die sei zuständig. Mühselige, zeitaufwendige Recherchen und Nachfragen, bis Bundesinnenministerium und Bundesgrenzschutz endlich offiziell erklären: Ministerin Merkels Landeplatz war außerhalb des Biosphärenreservats, man habe das extra berücksichtigt. Also kein Verstoß, alles sei korrekt gewesen, Routen würden vorher stets intensiv geprüft. Will man eine hohe Politikerin schützen, auch auf Kosten der Wahrheit, ist das so üblich? Denn genau das Gegenteil stimmt – Ministerin Merkel landete doch im Schutzgebiet. Ihre Sprecherin muß es schließlich zugeben – der Hubschrauber ging immer am Ortsausgang von Hohenwalde nieder – und somit im Biosphärenreservat.
ARD-Monitor greift den Fall auf – Frau Merkel, heißt es, unternimmt während ihrer Amtszeit rund zehn Flüge, gewöhnlich Wochenendflüge, die in der Freizeit enden oder aus ihr beginnen. Jeder kostet 5943 Mark, bezahlt aus der Tasche des Steuerzahlers. Das macht bei zehn Flügen satte 59430 Mark. Nicht eingerechnet, so Monitor, habe man die reinen Dienstflüge nach Hohenwalde, wo sie nur kurz dagewesen sei. Die kommen mit ihren Kosten noch dazu. Der Bundesrechnungshof kritisiert, daß Politiker wie Angela Merkel sich die Flüge selber genehmigen – man stellt den Fluganforderungsschein aus, das reicht. Es gibt keinerlei Kontrolle, warum, wohin man fliegt, ob privat oder dienstlich, rechtens oder nicht. Dabei steht in der entsprechenden Dienstvorschrift: Fliegen darf ein Minister nur dann , wenn der Zweck der Reise nur durch Benutzung eines Hubschraubers erreicht werden kann. Fragt sich, so der damalige Monitor-Chef Bednarz, was der Zweck einer Reise von Frau Merkel ins Wochenende gewesen ist. Vielleicht dringendes Aktenstudium am Seeufer von Hohenwalde.
Das Dorf ist von Naturschutzgebieten, einem Totalreservat umgeben, Fürst zu Solms-Lich, Bruder des FDP-Schatzmeisters, hat ganz in der Nähe viel Ost-Wald erworben. Revierförster Manfred Bönke wohnt im Dörfchen, ist ein wackeres, sehr aktives CDU-Mitglied und zeigt stolz, worüber sich die ganze Gegend scheckig lacht, ausgerechnet Monitor den Landeplatz. Von dort aus sei sie dann die dreihundert Meter bis zum Privathaus gefahren worden – „mit dem vorausgeschickten Dienstwagen, versteht sich.” Mit anderen Worten – es blieb nicht bei den 5943 Mark Flugkosten, hinzu kommen jene für den Regierungsdaimler, den Chauffeur undsoweiter, die nach getaner Kurz-Arbeit über dreihundert Meter wohl wieder verschwanden. Förster Bönke beschreibt, was bei der Merkel-Ankunft mit der Natur passiert:”Das Wild flüchtet natürlich in die Wälder, auf dem Feld sieht man keins mehr, das ist dann weg.”
Gewöhnlich kommt die Ministerin von Berlin – ab Flughafen Tegel bis zu ihrem Haus ist es nur eine knappe Autostunde – die Steuerzahler hätten weit weniger zu blechen gehabt.
„Schwachsinn, Nonsens hoch drei” nennt Dr. Eberhard Henne, Leiter des Biosphärenreservats, die offizielle Darstellung, der Merkel-Landeplatz habe nicht im Schutzgebiet gelegen. Der hochengagierte Thüringer Artenexperte ist nur kurze Zeit Brandenburgs Umweltminister, bis er vor allem auf Druck der Landwirtschaftslobby und der CDU aus dem Amt gedrängt, sein Ressort ausgerechnet dem Agrarministerium zugeschlagen wird. Die Merkel-Flüge liegen vor seiner Amtszeit, entsetzen ihn, wegen des gravierenden Störeffekts auf seltenste Tiere, darunter Schreiadler, Seeadler, Fischadler, Schwarzstörche. „Für die gelten gesetzlich Horstschutzzonen – beim Überflug mit dem Hubschrauber wurden die gröblichst verletzt!” Die Ministerin, heißt es, nahm bewußt in Kauf, daß besonders sensible, bedrohte Arten wegen des Helikopterlärms ihre Bruten verlassen.
Angela Merkel wuchs ganz in der Nähe, in Templin, auf, kannte daher die Schutzzonen. Als Bundesumweltministerin erst recht. „Da hätte sie eigentlich besonderen Wert darauf legen müssen, auf keinen Fall gegen Naturschutzgesetze zu verstoßen, um als oberste Dienstherrin unangreifbar zu sein.” Eine Sondererlaubnis, falls beantragt, hätte sie ohnehin nicht bekommen. Da blitzte laut Henne schon mal ein bayrischer Umweltminister 1993 ab. Der wollte mit dem Hubschrauber allen Ernstes ins Biosphärenreservat, dachte offenbar, daß inzwischen auch dort mit der Natur umgegangen wird wie im Westen. Doch gestandene DDR-Naturschützer wie Henne und dessen Kollegen verweigerten dem bayrischen Amtsträger das Lande-Okay – noch ging sowas. Der CSU-Mann reagiert verärgert, sagt den groß angekündigten Besuch ab. Und wie hielt es Angela Merkels Amtsvorgänger Klaus Töpfer, flog der ebenfalls einfach dreist ins Schutzgebiet? „Töpfer fragte vorher an, landete außerhalb des Biosphärenreservats, fuhr dann mit dem Auto hinein – ganz korrekt.” Da stellt sich die Frage, wieso die CDU-Ministerin Merkel unter Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe und Umweltminister Matthias Platzeck problemlos die Biosphären-Schutzverordnung verletzen durfte, von den Parteien auch die Grünen und die PDS zusammen mit den Medien durchweg stillhielten, den Verstoß deckten. „Mich wundert das gar nicht”, so Ost-Artenexperte Norbert Wilke, Vorstandsmitglied der Grünen Liga in Brandenburg, spricht von Amtsanmaßung und -mißbrauch, ist beeindruckt von der neofeudalen Merkel-Gepflogenheit, auch noch den Dienstwagen nach Hohenwalde zu beordern, wegen einiger lumpiger hundert Meter Wegstrecke bis zum Wohnhaus. „Angela Merkel ist eine sogenannte Hoffnungsträgerin auf der politischen Bühne – und die deckt man eben. Ähnlich wie im Falle des damaligen Umweltministers Matthias Platzeck – dessen Verfehlungen im Umweltbereich hat man ja auch nie veröffentlicht , da wurde viel unter den Tisch gekehrt.” Wilke erinnert nur an die Abwasserproblematik, die Aufweichung des Umweltrechts.
Helmut Kohl sammelt Spenden, muß zurückzahlen – muß dies Angela Merkel bei nachgewiesenem Verstoß auch? Die in Hamburg geborene Pfarrerstochter wuchs in Templin auf, ein Bruder von ihr ist bei den Grünen, eine Schwester grüne Sympathisantin. Die Hubschrauberflüge haben die Geschwister ihr aber offensichtlich nicht ausgeredet, der Papa als Pfarrer, etwa unter Hinweis auf die zehn Gebote oder die Bewahrung der Schöpfung, wohl auch nicht. Umweltaktivist Ernst Pries aus Templin, der sich zu DDR-Zeiten zugunsten der Natur kräftig mit dem System anlegte, erinnert sich gut, wie Kohl-hörig Angela Merkel stets war, zum großen Vorsitzenden aufschaute. „Als Umweltministerin hat sie fürchterlichen Schnee erzählt. Jetzt wollen die Industriellen mit Angel Merkel eine halbwegs integre Person an der CDU-Spitze, damit sie ihre Verbrechen weitermachen können.” Überall im Osten kennt man die Umwelt-Großtaten der damaligen Ministerin bestens: Interessenkonflikte wegen des groben Umgangs mit dem „Tafelsilber” sowie wegen der FFH-Ausweisungen brodeln überall. Weil die Flora-Fauna-Habitate nicht wie vorgeschrieben, bereits 1995 an Brüssel gemeldet wurden, die Bundesrepublik Deutschland um Jahre in Verzug geriet, läuft gegen sie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof. Schuld ist ganz allein die frühere Bundesregierung unter Helmut Kohl, speziell aber Angela Merkel, betont Dr.Eberhard Henne vom Biosphärenreservat. Denn die EU-Richtlinien mußten erst in deutsches Recht umgesetzt werden, damit die Bundesländer ihre FFH-Schutzgebiete an die EU melden konnten. Indessen – erst 1998, als eine ihrer letzten Amtshandlungen vor dem Abtreten, kommt Angela Merkel ihrer Pflicht nach. Im Klartext – ausgerechnet die Umweltministerin als Naturschutz-Blockierer, zur Freude der Privatwirtschaft. Und dennoch – 1999 lädt die West-Spitze des NABU die Ex-Ministerin ausdrücklich zum Zukunftskongreß des Verbandes nach Hamburg ein, gibt ihr kräftig Gelegenheit für Wahlpropaganda, läßt sie wegen der gravierenden FFH-Problematik und der Hubschrauberflüge aber ungeschoren. Im Osten greifen sich die Naturschützer wieder einmal an den Kopf – so funktioniert also Demokratie?
(”Der Rabe Ralf”, Umweltzeitung der Grünen Liga, Berlin)
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Kurios, daß die Leistungen der DDR-Naturschützer fast ausnahmslos nach 1989 nicht von ostdeutschen Experten bewertet werden, sondern von zumeist uninformierten Laien mit Deutungs-und Interpretationshoheit aus Westdeutschland. Diese wurden in großer Zahl auf entsprechende Chefposten des Natur-und Umweltschutzes der neuen Bundesländer gehievt – die Resultate sind jedermann bekannt.
http://www.schweinefabrik-allstedt.de/images/stories/aktivitaeten-2007-1.pdf
Renommierte Artenschutzexperten Ostdeutschlands betonten 2011 im Website-Interview, beim Rotmilan seien nach dem Anschluß von 1990 nur Rückgänge zu verzeichnen. 2011 habe es im Hakel gerade drei erfolgreiche Rotmilanbruten gegeben. Zu den Gründen allgemeinen Artenrückgangs zähle die naturfeindliche neue Landwirtschaft, die u.a. die letzten Hecken vernichte, den Boden auslauge, viel mehr Agrargifte einsetze als vor dem Anschluß. Nicht zufällig nehme selbst der Bestand an Feldlerchen ab. Windkraftanlagen werden gerade bei Greifvögeln als wesentlicher Faktor des Artenrückgangs genannt, Fledermäuse würden ebenfalls in großer Zahl Opfer dieser Industrieanlagen. “Als die Windkraftbetreiber mitkriegten, daß da Leute die Kollisionsopfer beobachteten und aufsammelten, schickten sie eigene Leute los, die rasch getötete Vögel und Fledermäuse einsammeln mußten.”
“Ich war schockiert nach der Wende, als ich in einer einzigen Ackerfurche von 1,2 Kilometern Tausende und Abertausende vergifteter Laufkäfer entdeckte.”
Gerade bei Insekten sei offenbar das sehr niedrige Biodiversitätsniveau der westlichen Bundesländer bereits erreicht worden, hieß es von den Experten weiter. “Jenen, die heute Biologie studieren, fällt der enorme Artenrückgang bei Insekten, darunter Schmetterlingen, garnicht mehr auf. Studentengruppen bemerken bei Exkursionen überhaupt nicht mehr, daß heute über Wiesen keine Schmetterlinge mehr flattern, kaum noch eine Hummel zu sehen ist. Diese jungen Menschen kennen bereits keine reiche Artenvielfalt mehr.” Die Vernichtung derArtenvielfalt falle zudem auch deshalb nicht mehr auf, weil u.a. von den Medien nicht mehr darauf hingewiesen werde. Im Uni-Fach Biologie gebe es heute kaum noch die Ausbildung zur Artenkenntnis. “Die Abnahme des Bestandes an Insekten , darunter Bienen und Schmetterlingen, ist von Jahr zu Jahr gravierender und müßte erwachsenen Ostdeutschen eigentlich auffallen, die noch eine andere Artenvielfalt kannten.”
Die Experten geben nur noch sehr ungern Interviews:”Meist erscheinen dann Dinge im Text, die man garnicht gesagt hatte.” Auch bei Naturschutz-Gutachten zeige sich viel Korruption und Manipulation. “Die Gutachter wollen finanziell über die Runden kommen – und wenns denen an die Existenz geht, verbiegen sie sich eben. Und wer sich nicht verbiegt, wird beruflich ausradiert.”
Öko-Parteien, Öko-Verbände betrieben nur Alibi-Politik:”Diese Verbände machen ein bißchen Show – weiter kommt da nichts, halt amerikanische Verhältnisse.” Auch im Naturpark Hainich habe der Greifvogelbestand deutlich abgenommen. “Die Wende brachte einen enormen Rückfall im Naturschutz – viel Medienrummel, doch wenig Substanz. Wenn eine Windkraftanlage in einen bestimmten sensiblen Bereich gebaut werden soll, wird dies durchgedrückt mit allen Mitteln – Proteste, gesetzliche Bestimmungen führen zu nichts – die Wirtschaft setzt sich über alles hinweg.”
Viele Greifvögel würden an den neuen Schnellstraßen und Autobahnen getötet, da man dort als sogenannte Ausgleichsmaßnahme nahe den Fahrspuren Sitzkrücken aufstelle. Wolle der Greifvogel dann überfahrene Tiere packen, werde er überfahren. “Hirnrissiger gehts nimmer – Anleitung zum Tod. Greifvögel sind von der Evolution nicht auf den Umgang mit der hohen Schnelligkeit von Fahrzeugen vorbereitet worden, verschätzen sich daher, werden getötet.” Kritisiert wird von den Experten zudem, daß nach dem Anschluß die Wälder für den Verkehr geöffnet wurden. “Im Hakel wird abgeholzt, daß es einem schlecht wird – gleich nach der Wende wurden die stärksten Stämme herausgeschlagen – die neuen Förster von heute erzählen unglaublichen Schwachsinn über Natur und Artenvielfalt. Im Naturschutz sitzen heute nur zu oft reine Bürokraten an den Schalthebeln, echte Schreibtischtäter, denen es nur darum geht, ihren Posten zu behalten. Die wissen garnicht mehr, was draußen in der Natur vor sich geht, lassen sich von CDU-Landräten die Arbeit diktieren, gehen jeglicher Konfrontation aus dem Weg. Aus Angst vor Sanktionen, Entlassung will niemand von diesen Leuten mehr eine Entscheidung fällen. Vorauseilender Gehorsam, Feigheit dominiert, obwohl das Risiko für den Einzelnen oft garnicht so hoch ist. Viele wehren sich nicht mal als Rentner. Die Leute werden von den Medien eingelullt, auf Konsum gedrillt. Die Resultate sind im Bildungswesen sehr deutlich – entsprechend niedrig ist das Niveau der Studenten an den Universitäten. Der Niveauverlust an den Unis ist enorm – da gibt es Promovierte, die keine Seite ohne weniger als drei Rechtschreibfehler hinbekommen. Wir hatten andere Werte als diese nachrückenden Generationen. Auf heute übliche Konkurrenz-Kämpfe haben wir von damals schlichtweg keine Lust, das widert uns an. Es gab Selbstmorde von Professoren, die gemobbt wurden.”
Den Experteneinschätzungen von 2011 ist nichts hinzuzufügen – höchstens, daß einem Zeitzeugen ebenso auffällt, wie die frühere große Population an intelligenten Rabenvögeln in nicht wenigen Gebieten bis auf wenige Exemplare zielstrebig liquidiert worden ist. Selbst das Bundesamt für Naturschutz schätzt indessen bereits 2001 ein, “dass gegenwärtig in Ostdeutschland eine zunehmende Angleichung an die arten-und individuenarmen westdeutschen Verhältnisse zu beobachten ist.” Mit anderen Worten – flächendeckende Artenvernichtung in Ostdeutschland. Insofern ist bemerkenswert, daß die jedermann bekannten politisch-wirtschaftlichen Verantwortlichen trotz entsprechender Gesetze immer noch nicht in Haft sind.
Deutschlands Naturschutzaktivisten – Wilhelm Roth aus Heiligenstadt:
Wilhelm Roth bei der Fledermausnacht 2013 am Kelbraer Stausee.
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Artenvielfalt-am-Strassenrand-bleibt-nach-Mahd-auf-der-Strecke-1072551478
http://eichsfeld.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Hobby-Ornithologe-Wilhelm-Roth-aus-Heiligenstadt-lueftet-viele-Geheimnisse-908883273
Wilhelm Roth und Norbert Röse, Mitautor des Buchs “Fledermäuse in Thüringen”: http://fledermaeuse-in-thueringen.de/uber-uns/
http://eichsfeld.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Ein-besonderer-Tag-mit-Froeschen-und-anderen-Tieren-im-Eichsfeld-2114237637
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/09/06/naturschutzreport-fledermause-in-thuringen-erschienen-fledermausforscher-wolfgang-sauerbier/
http://www.nnz-online.de/news/news_lang.php?ArtNr=114447
http://www.naturschutzgrossprojekt-eichsfeld-werratal.de/_medien/presse/2012/2012_09_06-TLZ_Roth.pdf
http://eichsfeld.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Nisthilfe-fuer-Wildbienen-und-Wildwespen-1096105184
Roth, Wilhelm: Das kleine Paradies. Naturerlebnisse im Eichsfeld. Ilmenau 2001, 112 Seiten, 16 Farb-, 33 Schwarzweißfotos, ISBN 3-9807997-9-4.
Roth, Wilhelm: Das Vorkommen der Nachtigall im Obereichsfeld. UE 1 (1992), S. 66-77.
Roth, Wilhelm: Die Vogelwelt des Heinrich-Heine-Kurparks Heiligenstadt. In: EJb 9 (2001), S. 217-238.
Roth, Wilhelm: Zum Vorkommen des Mauerseglers Apus apus (L.) im Obereichsfeld. In: EJb 18 (2010), S. 239-255.
Roth, Wilhelm: Zum Vorkommen des Wachtelkönigs Crex crex (L.) im Obereichsfeld. In: EJb 3 (1995), S. 210-223.
Roth, Wilhelm; Goedecke, Andreas: Zum Vorkommen der Dohle (Corvus monedula) im Obereichsfeld. In: EJb 16 (2008), S. 315-328.
http://www.hart-brasilientexte.de/2013/08/28/massenhafte-vernichtung-theoretisch-streng-geschutzter-fledermause-durch-windkraftwerke-in-deutschland-wattenrat-ostfriesland-zu-uralt-fakten-bestatigt-durch-eine-neue-studie-umweltfreundlichkeit/
Wie “umweltfreundliche” Windkraftwerke sogar streng geschützte Uhus vernichten: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/09/16/deutschlands-%E2%80%9Cumweltfreundliche%E2%80%9D-windkraftwerke-totung-von-theoretisch-streng-geschutzten-uhus-siehe-fotos-wegen-der-offiziellen-neudefinition-des-begriffs-%E2%80%9Cumweltfreundlic/
Zerfetzter Uhu unter deutscher Windkraftanlage – Beweis für deren “Umweltfreundlichkeit”? Einfach mal nachschauen, welche deutschen Parteien 2013 im Wahlkampf das heikle, gefährliche Thema unter den Tisch kehren…Bisher noch keine Stellungnahme zuständiger politischer und wirtschaftlicher Akteure.
Natürlich müssen durch Windkraftwerke bewirkte Bestandsverluste bei Uhus, Greifvögeln, Singvögeln, Fledermäusen etc. durch entsprechende Maßnahmen wieder ausgeglichen werden – welche Regierungsmitglieder, Umweltminister der Länder etc. schweigen derzeit zu dieser Problematik, verzichten auf jegliche überfällige Vorschläge?
http://www.hart-brasilientexte.de/2012/02/05/windkraftwerke-in-deutschland-die-schlimmsten-verheerungen-seit-dem-dreisigjahrigen-krieg/
http://www.huegelland.net/succow.htm
Hintergrundtext:
telegraph #100
Wendeverlierer Natur
von Klaus Hart
Die bundesdeutsche Umweltpolitik hatte im Osten rasch durchschlagenden Erfolg – Tier-und Pflanzenarten gehen teils dramatisch zurück. Die zuständigen Ministerien sehen keinen Handlungsbedarf – trotz ostdeutscher Naturschützerproteste.
Ein komischer Vogel, dieser auffällig elegant dahinschwebende Rotmilan. Ausgerechnet in Sachsen-Anhalt, nach landläufiger Ansicht tief gezeichnet von Bitterfelder Chemie-Horror, industrialisierter Ost-Landwirtschaft und dem größten Truppenübungsplatz Mitteleuropas, fühlt er sich in vierzig Jahren DDR am wohlsten. In keinem deutschen Landstrich ist er häufiger anzutreffen, ebenso sein wichtigstes Beutetier, der Feldhamster. Dann kommt die Wende, flugs wird bundesdeutsche Umweltpolitik Töpferscher und Merkelscher Lesart auf den Osten übertragen. Die schafft zuerst den Hamster – nach wenigen Jahren ist er vom Aussterben bedroht, wird deshalb „Tier des Jahres 1996“. Folgerichtig verringert sich der Rotmilan drastisch, aufgeschreckt erklärt ihn der Naturschutzbund Deutschlands/NABU zum „Vogel des Jahres 2000“. Sechzig Prozent des Weltbestandes leben in Deutschland, davon zwei Drittel in der Ex-DDR. Dort gehen die Rotmilanvorkommen allein 1998 um fünfundzwanzig Prozent zurück. Im nur dreizehn Quadratkilometer großen Waldgebiet Hakel bei Halberstadt horsten vor 1989 über einhundert Brutpaare, sensationell für die Ornithologenwelt, kontinuierlich beforscht. Dann kracht die DDR zusammen, doch die Rotmilanpopulation vom Hakel ebenfalls – gerade noch an die dreißig Brutpaare sind derzeit übrig. Bei zahlreichen anderen Arten ist es genauso, klagen die östlichen Naturschützer. Bis zum Umweltministerium Jürgen Trittins ist das noch nicht durchgedrungen. Auf Anfrage werden die Nachwende-Rückgänge glatt bestritten. „Das ist ein Märchen“, heißt es zum Verschwinden des Feldhamsters nach 1989, „das hat mit der Wende nichts zu tun.“ Hohngelächter bei den Experten von Rügen bis Dresden, „typisch Grüne“. Vom Ministerium gleich um die Ecke, in Brandenburg, wird der putzige Nager mit dem farbenprächtigen Fell vor 1989 noch an mindestens zehn Standorten nachgewiesen, heute nur an vieren. Und alle Fachleute verweisen auf den weltbekannten Biowissenschaftler Dr. Hans Stubbe von der Uni Halle, der wisse über die Artentrends noch aus DDR-Zeiten am besten Bescheid. Dieses Jahr hat er mit seinem Team in der ganzen Hakel-Region 175 Greifvogelhorste untersucht – nur bei dreien davon ließen sich noch Feldhamster als Jungennahrung nachweisen. „Das zeigt den dramatischen Rückgang – das gleiche wie beim Feldhasen, dem Rebhuhn und anderen Tieren der offenen Landschaft“. Theoretisch soll das Bundesamt für Naturschutz in Bonn als Fachorgan Minister Trittin und seine Leute mit den nötigen Infos versorgen. Bei Anfragen zum Nachwende-Arteneinbruch erweist es sich indessen als auskunftsunfähig. Ost-Experte Dr. Stubbe winkt ab: „Das Bundesamt hat keine Ahnung – die negieren und sabotieren unsere Arbeit.“ Ein europaweites, einmaliges Greifvögel- und Eulen-Monitoring, unter Dr. Stubbe von der Uni Halle in Jahren aufgebaut, habe laut Behörde „keine Relevanz für den Naturschutz“. Die Situation sei haarsträubend: „Wir kriegen kein Geld, arbeiten auf dem Zahnfleisch, ehrenamtlich, nach Feierabend, an den Wochenenden, um dieses Monitoring-System mit seinen vierhundert Referenzgebieten in fünfzehn Ländern, mit Hunderttausenden von Daten, weiterzuführen.“ Nur ein paar Rückgang-Arten, wie Rotmilan, Feldhamster oder Hase würden wie Galionsfiguren immer genannt, „aber über die restlichen 99,99 Prozent wissen wir nichts, weil Mittel für längst überfällige Forschungen nicht freigegeben werden“. Ossis sind gemäß Umfragen naturverbundener als Wessis; wie es um die Bestandsentwicklung der Arten steht, gilt als Zeichen, als Signal für den ökologischen Zustand einer Region. Der Hamburger Pfarrerstochter Angela Merkel, die bereits in den 50ern ins heutige Mecklenburg-Vorpommern kam, war dies offenbar als Umweltministerin irgendwie entfallen. Im artenreichsten Bundesland Deutschlands hat sie bis heute ihren Bundestagswahlkreis, ließ indessen selbst dort einschneidende Biotopverschlechterungen sogar für den Schreiadler zu. „Die war doch auf dem Ministerposten eine absolute Null, tat überhaupt nichts“, hört man an der Küste entsprechend oft. Den Schreiadler gab es in Deutschland mal fast flächendeckend bis zum Rhein und zu den Alpen, doch dann suchte er sich eben nicht die BRD der Grünen und Greenpeace, sondern die DDR als letztes nationales Revier. Zur Wende gibt es im Westen gar keine Brutpaare mehr, dafür in Sachsen-Anhalt an die fünf, in Brandenburg um die zwanzig, in Mecklenburg-Vorpommern aber über neunzig. Nur von dort aus könnte er sich also wieder gen Westen ausbreiten, doch die Reproduktionsraten sinken. „Bis 1989 hatten wir gute Zahlen, bis zu einundzwanzig Adlerjungen jährlich “, so der Rostocker Experte Martin Neubauer über sein Untersuchungsgebiet, „danach wurde das nie mehr erreicht.“ Wo früher bis zu zehn Schreiadler flügge wurden, sind es dieses Jahr nur einer bis zwei. „Naturschutz ist sehr schwierig geworden“, kritisiert Neubauers Kompagnon Joachim Matthes, „obwohl die Bedrohung des Schreiadlers bekannt ist, reagieren die Umweltministerien in Berlin und Schwerin einfach nicht.“ Zu DDR-Zeiten schlich er sich sogar in die Staatsjagden des Politbüros, um die Schreiadler zu beobachten, wurde nicht selten mit vorgehaltener Waffe wieder rausgescheucht. Die neuen Besitzer der Adlerwälder, so Matthes ironisch, fanden dort „heillose Unordnung vor, wollen nun alles in wessi`scher Manier in Ordnung bringen“. Jetzt sei fast ständig Unruhe und Bewegung im Wald, doch gravierender wirke sich auf die Adler die Zerstörung ihrer angrenzenden Nahrungsreviere aus – durch starke Chemisierung, Monokulturen wie Raps. „Dort lebt nichts mehr, dort gibt’s nichts mehr zu jagen.“ Verheerende Unruhe brachten auch die wegen ihres Verscheucheffekts berüchtigten Windkraftanlagen nach Mecklenburg-Vorpommern – dass ein Komplex ausgerechnet in ein wichtiges Schreiadler-Brutgebiet gesetzt wurde, konnte der NABU gerade noch verhindern.
Unter Angela Merkel wurden die Roten Listen (Listen der bedrohten Arten) erheblich länger, beim Grünen Jürgen Trittin ist erst recht keine Trendwende in Sicht. Unter Naturschützern, an NABU-Ständen steht er wie Falschgeld herum. „Für den gibt’s doch nur Atompolitik“, höhnt man allerorten im Osten, „für den dramatischen Artenschwund interessiert er sich überhaupt nicht.“ Genauso halten es, von löblichen Ausnahmen abgesehen, die paar Rest-Grünen der neuen Bundesländer, gelten als blinde Hühner, gänzlich inkompetent in Artenschutzfragen, werden auch deshalb nicht mehr gewählt.
Biologe Dr. Wolfgang Wendt, heute Referatsleiter für Arten-und Biotopschutz im Umweltministerium von Sachsen-Anhalt, zu DDR-Zeiten zehn Jahre lang Kreisnaturschutzbeauftragter, erinnert sich noch gut an den 20. Deutschen Naturschutztag von 1990 in Bad Reichenhall. Die Politiker versprechen, den Osten, der ökologisch ruiniert sei, auf Vordermann zu bringen. Wendt glaubt noch, Mittel, die die DDR nicht hatte, würden nun fließen, der Natur zugute kommen. „Mit dem Geld, das ihr kriegt, geht’s der Natur kein Stück besser“, hört er verdutzt von Hamburger Kollegen. „Zehn Jahre hin, und ihr seid auf dem selben Niveau wie wir, die Rote Liste wird länger und länger.“ Die Besserwessis hatten wieder mal recht – und Biologe Wendt gehört heute zu den vielen Fachleuten der östlichen Landes-Umweltministerien und Naturreservate, die zahlreiche Arten eindeutig zu den Verlierern der Einheit rechnen. „Der Osten war im Naturschutz haushoch besser“, konstatiert er. „Was haben wir auf die Agrarchemikalien aus Bitterfeld und Piesteritz geschimpft – das waren doch Peanuts gegen die von heute!“ Viele frühere Umweltaktivisten, die sich in der DDR mit dem System anlegten, nach der Wende in Ämter, Behörden rückten, dort „Berufsnaturschutz“ betreiben, sähen sich heute „kaltgestellt und frustriert, am Gängelband der Politiker“. Eingebunden in den Verwaltungsapparat, können sie längst nicht mehr das fordern und realisieren, was sie sich früher vorstellten. Das Ausweisen neuer Schutzgebiete, heißt es, sei zunächst nur ein formaler Akt, garantiere nicht quasi automatisch die Zunahme bedrohter Arten.
„Eigentliche Wendegewinner gibt es nicht – weder bei Tieren noch bei Pflanzen, ebenso wenig einen positiven Bestandstrend“, konstatiert auch Dr. Frank Zimmermann, zuständiger Referatsleiter im Brandenburger Umweltamt, „ein Erfolg bundesdeutscher Umweltpolitik lässt sich im Artenbestand und bei den Biotopen überhaupt nicht feststellen.“ Dass manche Arten, wie Fisch- und Seeadler, zunehmen, sei lediglich die Fortsetzung eines Trends aus der DDR-Zeit, der sich wegen Nachwende-Faktoren teils verlangsame. Deutlich bis extrem zurückgegangen sind dem Biologen zufolge Greifvögel wie der einst so häufige Bussard, aber auch Rotmilan, Habicht und Rohrweihe, „ziemlich katastrophal“ sieht es bei Bodenbrütern offener Landschaften, darunter Kiebitz, Rebhuhn, Bekassine, Rotschenkel, Rohrdommel oder Uferschnepfe aus. Gleiches gilt für den auf einem „Tiefststand“ angelangten Schwarzstorch. „Der Zuwachs an Fischottern“, so Zimmermann, „wird totgefahren.“ Auch in Brandenburg kann die Umweltbehörde nach eigenen Angaben nicht mal ein Drittel der Naturschutzaufgaben bewältigen, fehlt es dringend an Geld und guten Leuten. Doch Frau Merkels CDU vor Ort nennt die Behörde aufgebläht, und verlangt Entlassungen. Außerdem wird nach der Wahl das Agrar-und Umweltministerium zusammengelegt, damit der Thüringer Eberhard Henne, den die ostdeutschen Naturschützer so mögen, den Ministerposten verliert.
In den städtischen Sanierungsgebieten der neuen Bundesländer geht allein der Vogel-und Fledermausbestand bis zu neunzig Prozent zurück – die neue, progressive Umweltpolitik hat es merkwürdigerweise nicht verhindert. Dennoch, so hebt Artenreferent Zimmermann hervor, sind Flora und Fauna des Ostens genau wie vor der Wende weiterhin diversifizierter und gesünder als in jeder beliebigen Region Westdeutschlands. Das hatte damals sogar ein OECD-Gutachten bescheinigt, die industriellen Ballungszentren natürlich ausgenommen. Schließlich brüteten beispielsweise seinerzeit in der kleineren DDR über 2500 Storchenpaare, im viel größeren Bundesgebiet aber nur sechshundert. 1989 zieht im Westen kein einziges Fischadlerpaar mehr Nachwuchs auf, im Osten sind es über zweihundert. Vom weit selteneren Seeadler halten sich zur Wende in den alten Bundesländern weniger als zehn Brutpaare – da hatte allein schon die Industrieregion Sachsen, wo die Chemiegiganten Leuna und Buna liegen, mehr als das Doppelte, die gesamte DDR rund zweihundert. Laut Zimmermann ist dies vor allem ein Erfolg der ehrenamtlichen DDR-Naturschützer, die über Jahrzehnte ein dichtes Betreuernetz entwickelten. „Da ist natürlich nach der Wende eine ganze Menge weggebrochen.“ Als „hundertprozentiges, absolutes Blech“ bezeichnet er die Politikersprüche von der ökologischen Anpassung des Ostens: „Wir hatten eine gute, sehr fortschrittliche Naturschutzgesetzgebung – Horstschutzzonen, keineswegs nur für seltene Greifvögel, wurden in Mitteleuropa zuerst von der DDR eingerichtet, lange vor der Bundesrepublik. In Zusammenarbeit mit den Forstbehörden wurden damit große Erfolge erreicht – auch eine allgemeine Akzeptanz.“
Mit der neuen Umweltpolitik nach der Wende ist damit Schluss – das „Volkseigentum“ Wald wird zunehmend privatisiert, neue Besitzer, meist Wessis, fällen sogar Horstbäume, trotz brütender Greifvögel. Blaublütige kritisieren Naturschützer vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, missachten immer häufiger Schutzvorschriften: Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich, Bruder des FDP-Schatzmeisters, schickt eine Holzerntemaschine neben brütende Kraniche, wird ertappt, fordert dennoch 16 000 Mark Schadenersatz. Gräfliche Jagdkanzeln stehen neuerdings rechtswidrig sogar neben Fischadlerhorsten. Die Wälder werden gesetzwidrig flächendeckend mit Autos und Motorrädern befahren – weder Polizei noch Förster schreiten gewöhnlich dagegen ein. Tiere werden wie nie zuvor bei der Jungenaufzucht gestört bzw. davon abgehalten. Die Autoritäten lassen zu, dass Umweltstraftaten stark anwachsen, als Kavaliersdelikt gelten. „Was bekannt wird,“ so Zimmermann, „ist oft nur die Spitze des Eisbergs, sehr viel mehr passiert im Dunkeln, gerade bei Greifvögeln – Ausnehmen von Gelegen, Aushorsten von Tieren. Natürlich wird auch die Landschaft wieder stärker chemisiert.“ In der DDR wurden Personen und Fracht umweltfreundlich größtenteils über die Schiene transportiert – nach der Wende stellte man zielstrebig zur Freude der Autokonzerne auf die Straße um, machte Bahnfahren durch extreme Preisanhebungen unattraktiv. Wertvolle Naturräume werden erstmals durch Verkehrswege zerschnitten – die technisch größtenteils durchaus vermeidbaren Tierverluste an Straßen sind erschreckend in die Höhe geschnellt: „Für eine ganze Reihe von Arten ist das gravierend, die litten unter dem zunehmenden Straßenverkehr nach der Wende ganz massiv.“
Auch andere Gründe für den Arteneinbruch nach 1989 sind bestens bekannt, ohne dass die Politik reagiert. Der Nutzungsdruck auf die Landschaft, dazu der ungebremste enorme Flächenverbrauch, die Autoabgase, Mülllawinen und die Bodenversiegelung haben stark zugenommen. Paul Sömmer kennt sich im Osten wie kaum ein zweiter mit Greifvögeln aus, erklettert zum Beringen und Studieren mit Steigeisen auch die schwierigsten, höchsten Baumhorste von Adlern und Falken. In der Brandenburger Naturschutzstation Woblitz pflegt der gelernte Zootechniker und international anerkannte Fachmann verletzte Tiere gesund, schreibt Expertisen. Seine Nachwendebilanz stimmt auch nicht gerade optimistisch: „Fakt ist, daß die Großtrappe aussterben wird. Man ist dabei, fast alle Vogelarten des Offenlandes auszurotten oder an den Rand des Abgrundes zu bringen. In Brandenburg ist der Feldhamster so gut wie ausgestorben, in Sachsen-Anhalt ging er nach der Wende dramatisch zurück, als Folge ebenso der Rotmilanbestand. Eine Art nimmt immer mehrere andere mit.“ Den starken Rückgang von Saatkrähe oder Kiebitz nennt er ebenfalls ein Nachwende-Problem. „Anders als früher hat heute jeder Depp `ne Waffe und ballert damit rum, schießt sogar Adler ab, die in der DDR tabu waren.“ Na klar – dass etwa die Rotmilane oder Fischadler im Westen so selten sind, liegt ja auch an der unerbittlichen, stumpfsinnigen Verfolgung. In der DDR standen generell alle Greifvögel unter Naturschutz, in der BRD sind sie dagegen dem Jagdrecht untergeordnet – nur zu viele Waidmänner missachten Schonzeiten, holen sie vom Himmel. „Nach der Wende wurden unsere Greifvögel ebenfalls dem Jagdrecht zugeschlagen – und sofort begannen die Probleme“, sagt Sachsen-Anhalts NABU-Geschäftsführer Dr. Peter Neuhäuser, der beim eingangs erwähnten Hallenser Uni-Prof Stubbe noch in der DDR seinen Biologenabschluss machte. Jagdscheine und vor allem Waffen sind viel leichter zu erwerben als früher, zunehmend werden Greifvogelfallen aufgestellt. „Die Dunkelziffer getöteter Greifvögel, auch Rotmilane, ist hoch – alles ganz klar ein Nachwende-Problem, zumal die Täter schwer zu fassen sind und eine Bestrafung heutzutage schwierig ist.“
Doch nicht nur die Umweltpolitik änderte sich, auch das Umweltverhalten der Bevölkerung. „Die Akzeptanz gegenüber Mitgeschöpfen“, so Horstkletterer Sömmer, „hat sich seit 1989 nur verschlechtert, die Intoleranz wird immer größer.“ Von denen, die in seiner Naturschutzstation Woblitz wegen dem Weißstorch anrufen, sehen fast fünfzig Prozent nur Probleme: „Der klappert zu laut, kackt auf den Opel – das wurde früher einfach respektiert, spielte keine Rolle. Da gab es nicht diesen absurden Ordnungsfimmel. Die Leute stören sich heute an Schwalbennestern – die werden runtergeschmissen.“
Jene oft erschreckend sterilen, aseptischen Dörfer Westdeutschlands – jetzt gibt’s die auch im Osten. Vor dem sanierten Gebäude muss auch der Garten so aussehen wie in der knallbunten Propaganda des Baumarkts – so dass Wildkräuter ebenso verschwinden wie undiszipliniert wachsendes Gesträuch, wo sich früher Nachtigallen und Igel tummelten. Auch die flächendeckende visuelle Umweltverschmutzung durch Firmenpropaganda wird in ostdeutschen Straßen und Landschaften inzwischen hingenommen.
Sömmers Kollege Dr. Torsten Langgemach, Leiter der Vogelwarte Buckow, zählt Bodenbrüter, Limikolen zu den „Verlierern der deutschen Einheit“. Absurde Fehlurteile würden permanent propagiert, hätten fatale Folgen: Greifvögel gehen zwar deutlich zurück, trotzdem wird das Gegenteil behauptet, fordert man inzwischen sogar bundesweit, sie zu bekämpfen, tut es bereits illegal, neuerdings auch in Ostdeutschland. Der Baumfalke brütet nur in Krähennestern – da die schwarzen Gesellen in der Landschaft stark abnehmen, fehlen ihm neuerdings Horste. In verschiedenen neuen Bundesländern, darunter Thüringen, werden dennoch Krähen zum Abschuss freigegeben. „Jetzt ziehen wieder große Schwärme durchs Land und die Leute sagen, Vögel gibt´s doch noch und nöcher“, so Langgemach ironisch. Doch kaum einer sehe, dass es sich, wie etwa beim Kiebitz, kaum um heimische Brutvögel, sondern gen Westen ziehende Scharen anderer Länder handele. Auch er konstatiert eine erschreckende Naturentfremdung als Wendefolge gerade bei Jugendlichen: „Wir hatten in der Naturschutzstation viele Oberstufenklassen, die noch nie einen Weißstorch sahen, angesichts unserer Pfleglinge aus allen Wolken fielen. Was isn das, das ist ja noch ein Storch! Die denken, das wäre was Archaisches, obwohl doch auf dem flachen Land überall welche sind.“ Das neue Schulsystem versagt offensichtlich grauenhaft – außerdem wurden die Arbeitsgemeinschaften „Junge Naturschützer“ der DDR-Zeit abgeschafft. Doch diese hatten früher überall an den Schulen laufend junge Leute an das Naturschutzthema herangeführt. „Schülerarbeitsgruppen“, erinnert sich Artenreferent Zimmermann, „haben sich in der DDR ganz stark auch um Amphibiengewässer gekümmert, Zäune gebaut, Frösche und Kröten über die Straßen getragen.“ Dass es die AGs nicht mehr gibt, spürt man überall: „Durch den Wegfall kriegen wir heute keinen Nachwuchs mehr“, sagt der Westberliner Biologe Wolfgang Mädlow, Geschäftsführer des NABU in Brandenburg. Seinem NABU-Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, dem Niedersachsen Gundolf Renze fiel auf, dass es im Unterschied zu früher heute kaum noch Möglichkeiten gebe, gegen Naturfrevler, Umwelttäter wirklich vorzugehen. „Wegen der Schreiadler und anderer seltener Arten hatte man sich sozusagen auf dem kurzen Dienstweg mit den zuständigen Förstern einigen können – heute kämpfen die Naturschützer mit den Privateigentümern der Waldflächen, doch die Störungen nehmen zu.“
Noch besser vergleichen kann Dr. Horst Zimmermann, einst Naturschutzbeauftragter des Bezirkes Schwerin, heute Referatsleiter Naturschutz in dem von CDU-Mitgliedern dominierten, doch PDS-geführten Umweltministerium – auch er bestätigt den teils drastischen Artenrückgang, nennt störungsempfindliche Arten wie Rohrdommel oder Fluß-Trauerseeschwalbe: „Wo gibt es denn heute noch Gewässer, wo keine Angler stehen, niemand mit lärmendem Motorboot draufrumrast?“ Sein Job war schon mal ein Klacks: „Alles ist viel, viel schwieriger geworden – damals in der DDR gab es viel weniger Verfehlungen und man passte auf, der praktische Naturschutz war besser und einfacher, funktionierte gut.“ Peter Strunk, heute ämterlos, vogelfrei, kann sich drastischer ausdrücken: „Vor lauter Verwaltungsvorschriften kommt niemand mehr aus dem Knick – der Staat will ja, daß niemand mehr irgendwas macht.“ Zu DDR-Zeiten geriet er mit ZK-Mitglied Harry Tisch in dessen Staatsjagdgebiet aneinander, ging da einfach rein, zeigte tausenden Schweden McPoms „Naturrosinen“. „Das Tafelsilber der deutschen Einheit kriegt immer mehr Rostflecken“, sagt Naturcrack Strunk, an der Ostseeküste bekannt wie ein bunter Hund. Er hat aus Merkel-Land zig Beispiele parat. „Wo jetzt Neubesitzer aus Bayern und sonstwoher uralte Eichen und Buchen kahl schlagen lassen, haben Adler und andere Arten gebrütet – die sind natürlich nun weg.“ ABM-Kräfte mit den neuen, nervigen westlichen Motorsensen, in Sichtweite fluchtartig verlassener Kranichnester, wären ein treffliches Symbol neuer Umweltpolitik – überall im Osten flucht man über angerichtete Biotopvernichtung, ob in nunmehr Nachtigall-freien Stadtfriedhöfen oder Wäldern. „Die ABM`s dürften nur mit einer Kugel am Bein und `nem Taschenmesser losgelassen werden – stattdessen werden sie mit Hightech ausgerüstet und machen in der Natur alles nieder“, ärgert sich Strunk. Jahrzehntelang, dröhnten die Medien nach der Wende, hatten sowjetische Militärs Ostdeutschland verwüstet und vergiftet, auf den riesigen Truppenübungsplätzen ökologische Katastrophen hinterlassen. Ausgerechnet Brandenburg wurde gar als Hauptopfer der Misere hingestellt. Anstatt sich an Politiker und Öko-Überflieger zu halten, hätte man natürlich auch Leute wie Strunk oder den Top-Experten Ernst Pries aus Templin interviewen können. Keiner kennt sich mit den Ost-Manöverflächen besser aus, hatte schon so frühzeitig deren ungeheuren Naturschutzwert betont. Den gab es – wohlgemerkt – nicht erst nach Abzug von Roter Armee und NVA, sondern bereits zu DDR-Zeiten, bei vollem Übungsbetrieb. NVA-Unteroffizier Torsten Langgemach robbte einst im schweren Atom-Schutzanzug, mit Gasmaske und Kalaschnikow bei simulierten NATO-Nuklearangriffen über brandenburgische Manövergelände, entschärfte als Sturmpionier nicht hochgegangene Splitterbomben, schaute als Naturfreak natürlich auch nach rechts und links.
„Zahlreiche See-und Fischadler, aber auch andere seltene Arten lebten dort, weil sie ungestört blieben“, konstatiert Vogelwarte-Chef Langgemach heute, stürzt mit solchen Äußerungen selbst durchschnittlich informierte Naturfreunde in Verwirrung. Mit den sächsischen NVA-Sperrgebieten kennt sich der Leipziger Fauna-Fachmann Dr. Wolfgang Kirmse besonders gut aus, haut in die gleiche Kerbe wie Langgemach, redet sogar von einem „Glücksumstand“: „Im relativ kleinen Kerngebiet wurde geschossen, alles zerwühlt – aber drumherum war eine enorme, unzerschnittene Pufferzone, dort musste absolute Ruhe herrschen, passierte gar nichts, stand Wald, gab es Seeadler, sogar Wölfe und Elche. Das ist bis heute kaum bekannt. Vielleicht gut so.“ Doch in keiner deutschen Region hatten die Truppenübungsplätze einen größeren Anteil an der Landesfläche wie in Brandenburg, und überall schaut Torsten Ryslavy vom Landesumweltamt nach dem Rechten. Der erinnert sich an entgeisterte Expertengesichter, die Aha-Effekte nach der Wende, als man erstmals reinkonnte, als Bestandszahlen extrem seltener Arten, keineswegs nur Großvögel wie See-und Fischadler oder Birkhühner und Wiedehopfe, auf einmal heftig nach oben korrigiert werden mussten. Viele stark gefährdete Tiere und Pflanzen leben heute nur noch ausschließlich auf den früheren agrargiftfreien Manöverplätzen. Aber wirken sich denn nicht die vielkritisierten Erblasten wie ausgelaufene Treibstoffe, Munition oder versautes Wasser, verheerend auf die Natur aus? „So was ist nur punktuell vorhanden“, wendet Ryslavy ein, „auf gerade mal fünf Prozent der Fläche.“ Jetzt sind die Biotope bedroht, was den Naturschützern enorme Kopfschmerzen macht. „Wahrscheinlich hatten wir in der DDR auf den Truppenübungsplätzen sehr viel höhere Artenbestände als heute“, urteilt Artenreferent Dr. Zimmermann vom Potsdamer Umweltamt.
Unter Honecker war Naturschutz sozusagen Bundesangelegenheit, oben in Ostberlin Beschlossenes wurde bis ins letzte Dorf durchgeschaltet. Heute ist Naturschutz Ländersache – man sieht, was dabei rauskommt, murren die ostdeutschen Ökologen. Und laut NABU ist mit dem heutigen gesetzlichen Instrumentarium überhaupt kein wirksamer Artenschutz möglich. Nach dem Merkel-Debakel waren die Ossis gespannt, mit welchen „Konzepten und Intentionen“ Trittin die Nachwende-Erblast des Artenrückgangs beiseitigen wollte. Schließlich hat er die Richtlinienkompetenz. Doch wie es läuft, sieht man beim Rotmilan. Auf Anfrage erklärt sich das Umweltministerium nicht zuständig, verweist überraschend – wegen des Jagdrechts – ans Bundeslandwirtschaftsministerium. Von dort kommt ein klares „Nein“ auf die Frage, ob denn zugunsten des bedrohten, zu DDR-Zeiten häufigen Rotmilans Schutzprojekte oder ähnliches geplant seien: „So etwas betreiben oder fördern wir als Ministerium selber gar nicht.“ Trittins Ministerium bezweifelt gar die Angaben der ostdeutschen Schreiadlerexperten über Biotopzerstörung, massenhaften Abschuss der seltenen Großvögel im Libanon, in Syrien. Forderungen auch des NABU-Ost, politischen Druck auf diese Länder auszuüben, werden klar zurückgewiesen. „Man ist im Ministerium offensichtlich nicht im Bilde“, reagiert Experte Matthes aus Rostock. Und Sommer kontert: „In der ganzen EU brüten keine Schreiadler mehr – außer in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Deutschland hat eine riesige Verantwortung. Entweder wir übernehmen diese oder lassen es bei irgendwelchem närrischen Geschwätz.“