Auch nach dem jüngsten Massaker entzündet sich in Brasilien wie üblich zumindest kurzzeitig die öffentliche Diskussion an der Frage, wie der arbeitslose, offenbar psychisch gestörte Täter so leicht illegal zwei Revolver und große Mengen an Munition erwerben konnte – und niemand auf sein Tun aufmerksam wurde. Solange Volksentwaffnungskampagnen zu nichts führen, der illegale Waffenhandel vor aller Augen – und besonders in den Slums – blühe, seien Blutbäder wie das neueste wohl nicht zu verhindern, lautet der Grundtenor von Medienkommentaren. Gefragt wird zudem, wo der Täter erlernte, so geschickt mit Schußwaffen umzugehen, wer ihm das Schießen beibrachte. Die Antworten darauf sind indessen seit Jahrzehnten gerade in Rio de Janeiro bestens bekannt.Bei Morden durch Schußwaffen liegt in Brasilien der Teilstaat Rio de Janeiro an der Spitze, etwa 92 Prozent der Rio-Morde bleiben laut Studien straffrei – entsprechend viele Mörder laufen frei herum, sind einem Großteil der Bevölkerung persönlich bekannt. Die Gesellschaft hat sich längst an regelmäßige Blutbäder gewöhnt, wird durch menschliche Tragödien großen Ausmaßes seit langem nicht mehr schockiert – wie auch die Erdrutschkatastrophe von 2011 zeigte. Trotz Staatstrauer wegen der rund 1000 Todesopfer und Vermißten gingen u.a. Vorkarnevals-Festivitäten auf Hochtouren weiter. http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/23/staatstrauer-und-heise-sambafeste-des-vorkarnevals-in-rio-bisher-810-amtlich-registrierte-katastrophentote/
Der renommierte Therapeut Jorge Forbes in Sao Paulo hat diese Verhaltensmuster analysiert – siehe Website-Text.
Zeitungsausriß – Qualitätszeitung O Globo. „O Brasil ficou um pouco pior ontem. Andou para trás.“
Wie es in den Landesmedien heißt, liegt in Realengo, dem Stadtviertel der Schule, das monatliche Pro-Kopf-Einkommen bei umgerechnet etwa 143 Euro – selbst für manche Grundnahrungsmittel sind die Preise in Brasilien derzeit höher als in Ländern wie Deutschland, die Teuerung galoppiert.
16 Millionen Schußwaffen illegal in Privathand: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/22/brasiliens-schuswaffen-in-privathand-476-prozent-illegal-laut-ngo-viva-rio-resultate-achtjahriger-sicherheitspolitik-der-lula-regierung/
Der Täter hatte auf die Schulkinder mehr als 100 Schüsse abgefeuert, hieß es.
Farce „Complexo do Alemao“: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/18/im-complexo-do-alemao-geschah-eine-raubzug-operation-dutzende-von-reportern-und-kameraleuten-waren-dort-doch-dies-entging-ihrer-beobachtung-o-estado-de-sao-paulo-kritik-an-unkritischer-hurra/
Fotoserie über Gewalt in Rio: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/
Neuer Spielfilm „Tropa de Elite 2″ über Rio-Alltag: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/11/berlinale-2011-tropa-de-elite-2-lula-scheiterte-komplett-beim-kampf-gegen-korruption-was-man-im-film-sieht-passiert-im-wirklichen-leben-auf-den-strasen-der-grosstadte-brasiliens-regisseur-j/
Wie verhielten sich Lula und Dilma Rousseff, als der Schüler Wesley in der Massaker-Risikozone Rios mittem im Unterricht von einer verirrten Kugel getötet wurde? http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/17/tiro-no-peitoschus-in-die-brust-die-tragodie-zeigt-die-distanz-zwischen-politik-und-realem-leben-groste-brasilianische-qualitatszeitung-folha-de-sao-paulo-zum-tode-des-schulers-wesley-von/