Am Dienstagmittag übernahm das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jene Aufgabe, die Angela Merkel schon dreimal zu erfüllen geschworen hatte: Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Es geht um ganz konkreten Schaden, an Herzen und Lungen, an Leib und Leben. Die Richter erlaubten, dass Städte Fahrverbote gegen Dieselautos verhängen dürfen, wenn die EU-Grenzwerte für Schadstoffe überschritten werden. Dank des Eingreifens der Justiz können Bürger nun endlich vor Gesundheitsgefahren geschützt werden – und das gegen den erklärten Willen derer, die sie regieren…Union und SPD, die seit Jahren die Verpestung der Luft zulassen, wollten Fahrverbote mit aller Macht abwenden. Seit Beginn des Dieselskandals verhindern sie, dass die Autoindustrie für ihre Manipulation von Abgaswerten zur Rechenschaft gezogen wird. Auch jetzt haben die Bilanzen von VW, Daimler & Co. Vorrang.
Kaum war das Urteil gesprochen, reagierte der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt in gewohnter Manier: als Cheflobbyist der Automobilindustrie…Rund 10000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland vorzeitig an Krankheiten, die Stickoxide auslösen; weitere 45000 an den Folgen von Feinstaub, der zu großen Teilen im Straßenverkehr entsteht. Die Partikel erhöhen das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, meldet das Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung. Menschen, die an stark befahrenen Straßen wohnen, werden signifikant häufiger dement als Bewohner von Villenvierteln. Für die Autoindustrie sind die Toten und Verletzten der Kollateralschaden ihres Profits. So menschenverachtend trat bisher nur die Zigarettenindustrie auf. Mit beachtlicher krimineller Energie haben die Autobauer ihre Kunden belogen, den Staat überlistet, die Bevölkerung in Gefahr gebracht. Sie wurden erwischt – bestraft werden sie hierzulande nicht. Stattdessen lassen sie sich von der Kanzlerin auf der Automobilmesse feiern. So läuft das nun mal unter Kumpels…Die Investitionen der Industrie in der Politik rechnen sich…“ (Was ist mit dem SPIEGEL passiert – will er/darf er etwa angesichts sinkender Verkaufszahlen, immer heftigerer Leserkritik zurück zum Qualitätsjournalismus früherer Jahrzehnte – oder war die zitierte Analyse nur ein Ausrutscher?)
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“Internationale Automobilausstellung in Berlin 1935: Der Protektor der Automobilindustrie”. Ausriß