Die sogenannten Rotativhotels oder Motels stehen in Brasilien teils direkt neben Kirchen und Schulen – gegen Ende der Arbeitswoche rücken bisweilen Bürobelegschaften nahezu komplett schon spätnachmittags an. Vielen Brasilianern bleibt gar keine andere Wahl als das Rotativhotel: Zuhause wohnen zuviele Personen auf engem Raum, nicht selten 10 bis 15 Personen in zwei Zimmern – die Eltern mögen dagegen sein – der oder die andere ist nicht mit dem Ehepartner identisch. Oft sind die Motel-Wände so dünn, daß man zwangsläufig recht detailliert mitbekommt, was sich gleich nebenan tut. Mitunter stören die Geräusche, Schreie zu sehr, erschallen Protestrufe: „Fode baixo!“ Nicht eben stimulierend, detailliert mitzubekommen, wie sich Frauen in den Nebengemächern gegen Analverkehr wehren, weil er gräßlich wehtue.
Viele Motels haben Sonderangebote – in manchen stehen im Zimmer gleich zwei große französische Betten. Teils werden Suiten an Gruppen bis zu zwanzig Personen vermietet. Immer noch gibt es hier und da die sogenannten Namorodrome – also Spezialparkplätze zum Liebemachen, teils in Strandnähe, teils sehr unromantisch mitten im Sao-Paulo-Betonmeer. Auf manchen stehen nachts bis zu 200 PKW dicht an dicht, die Fenster bei der Tropenhitze natürlich offen. Man hört und sieht zwangsläufig ein bißchen davon, wie die Leute ihren Trieben freien Lauf lassen.
siehe Kapitel „Kulturgut Stundenhotel“, Unter dem Zuckerhut – Brasilianische Abgründe, Picus Reportagen, Picus-Verlag Wien