Zu den auffälligen Besonderheiten Brasiliens zählt, daß anders als etwa in Europa die Frage der Aufforstung so gut wie keinerlei Rolle spielt – auch nicht öffentlich diskutiert wird. Theoretisch wäre natürlich möglich, ebenso wie in Ländern der Ersten Welt aufzuforsten – zumal in Brasilien dafür immense ungenutzte Flächen zur Verfügung stünden – gelegentlich fährt man an solchen stundenlang, etwa im Nordosten, vorbei. Soziokulturell ist Aufforsten, von Ausnahmen abgesehen, indessen unüblich, besitzt Brasilien nach Auffassung einheimischer Naturschutzexperten kein entsprechenden Umweltbewußtsein. Auf internationalen Klima-und Umweltkongressen wird Brasilien auch niemals nahegelegt, es doch angesichts der bereits angerichteten Schäden, Veränderungen des lokalen und regionalen Klimas einmal mit Aufforstung zu versuchen. Selbst angesichts der derzeitigen Dürrekatastrophe des Nordostens wird keine Aufforstungskampagne gestartet.
Ausgewiesene Naturschutzgebiete sind in Brasilien gewöhnlich nicht das, was sich der nichtinformierte Mitteleuropäer darunter vorstellt: So kann sich beispielsweise jeder ausländische Tourist bei Interesse davon überzeugen, daß mitten in sogenannten Naturreservaten der Atlantikküste sehr viele Menschen wohnen und dort wirtschaftliche Aktivitäten betreiben, entsetzlich lauter PKW-und LKW-Verkehr hindurchführt, Wilderei, das kommerzielle Fangen von Vögeln, anderen Tieren problemlos möglich ist, allen Ernstes dort sogar Campingplätze existieren. Zudem überfliegen Hubschrauber, Kleinflugzeuge die Naturreservate. All dies verscheucht, vertreibt Tiere – zu den Resultaten zählt, daß man in solchen Schutzgebieten nur selten einmal einen Vogel sieht, jene auf den Tourismusplakaten stets abgebildeten Tukane und Papageien gleich garnicht – laut brasilianischen Naturschutzfachleuten die Fluchtdistanz der Tiere, wegen des Jagens, zu Menschen enorm ist. Von einer ernstzunehmenden Überwachung der sog. Naturschutzgebiete durch staatliche Umweltbehörden kann keine Rede sein.
Kritisiert wird, daß Brasilien aus Ländern wie Deutschland sehr viele Gelder für den Naturschutz erhielt, die indessen dafür garnicht verwendet worden seien – ein typisches Beispiel war das Pilotprojekt zum Schutz der Regenwälder. Von interessierter Seite wird u.a. aus verlogener politischer Korrektheit dafür gesorgt, daß Steuerzahler in Mitteleuropa davon nichts erfahren. Ebensowenig wird klargestellt, daß Naturschutzgebiet nicht gleich Naturschutzgebiet ist, soziokulturelle Faktoren eine wichtige Rolle bei der Bewertung spielen. Kurios ist, mit welchem Pomp indessen immer wieder im mitteleuropäischen Mainstream die Ausweisung brasilianischer Schutzgebiete angekündigt wurde – ohne Klartext zu reden.
Mario Mantovani in Sao Paulo, im Website-Interview.
Jet-Ski-Horror: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/02/27/brasiliens-jet-ski-horror-immer-mehr-todliche-unfalle-zerstorte-strandnatur-veroltes-wasser-rio20/