Zu den sehr speziellen Gründen in Brasilien für durchschnittlich niedrige schulische, studentische und andere Leistungen zählt der für europäische Begriffe auffällig hohe Konsum von Rauschgift, darunter harten Drogen wie Crack, Kokain, LSD etc. Der “Kifferkinder”-Effekt ist seit Jahrzehnten bereits von westdeutschen Schulen bekannt.
(Sept.2012)
Die Szenen vom August 2012 mitten in der City des führenden lateinamerikanischen Wirtschaftszentrums Sao Paulo sprechen Bände: Hunderte von Crack-Süchtigen konsumieren in unmittelbarer Nähe der Kulturbehörde des Teilstaates Sao Paulo, am Konzerthaus des Sinfonieorchesters OSESP völlig frei die geradezu spottbillig angebotene harte Droge Crack – während rundherum stationierte Polizeipatrouillen von Militärpolizei und Stadtgarde zusehen, nicht eingreifen. Gelegentlich fährt an den Horden der grauenhaft verwahrlosten Süchtigen ein Polizeiwagen vorbei. Leicht vorstellbar ist daher möglicherweise selbst für mit den Verhältnissen nicht vertraute Mitteleuropäer, wie problemlos das Geschäft mit harten Drogen dann erst in den über 2600 Slums und den Wohnvierteln der Betuchten Sao Paulos vonstatten geht, wie es in Rio de Janeiro und anderen Milllionenstädten aussieht.
Bemerkenswert ist, wieviel Lob daher ein Gewalt-Gesellschaftsmodell diesen Zuschnitts von hochrangigen mitteleuropäischen Politikern, darunter aus Deutschland, seit Jahren erhält.
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Die deutsch-brasilianischen Beziehungen sind politisch, wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich breit verankert. Sie basieren auf gemeinsamen Werten und übereinstimmenden Auffassungen zur globalen Ordnung. Brasilien ist das einzige Land in Lateinamerika, mit dem Deutschland durch eine „strategische Partnerschaft“ verbunden ist. (Auswärtiges Amt, Berlin)
Brasilien bewegt den Bundespräsidenten: Während seines Besuchs zeigte sich Joachim Gauck beeindruckt von der Aufbruchstimmung im Land. Deutschland könne von dem Mut zu Veränderungen lernen. Regierungssender Deutsche Welle 2013
Wem nützt die Banditendiktatur?
http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
Schußwaffen illegal in Privathand – wer davon profitiert: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/22/brasiliens-schuswaffen-in-privathand-476-prozent-illegal-laut-ngo-viva-rio-resultate-achtjahriger-sicherheitspolitik-der-lula-regierung/
sonntag, 20. januar 2013 von klaus hart **
Crack ist auch Anfang 2013 für die Dealer der Wachstumsbranche ein außerordentlich lukratives Geschäft – u.a. in Sao Paulo und Rio de Janeiro. Die sozialen Kosten sind entsprechend hoch. Sao Paulos Bürgermeister ist seit Anfang Januar Fernando Haddad, Ex-Bildungsminister, aus Lulas Arbeiterpartei PT.
Laut neuen brasilianischen Studien haben 7 Prozent der Crack-Konsumenten Aids – eine Rate zehnmal höher als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
Aktivisten der katholischen Basisgemeinde von Cachoeirinha. “Das ist gegen die Menschenwürde, so viele Leute in diesem Schlamm, diesem Moder hausen zu lassen. So viele Familien, mit vielen Kindern, leben hier nur in einem einzigen Hüttenraum, vor der Türöffnung hängt ein Lappen – so ist das. Die Mafia der Drogengangster ist hier sehr stark, die beobachten alles und jeden hier, das ist furchtbar. Wer jemanden aus dem Drogenmilieu, aus der Sucht rausholen will – also jemanden, der für deren Profit sorgt, da werden die böse, da wird man gnadenlos verfolgt. Die Polizei kommt und geht wieder – aber die Banditenkommandos bleiben, terrorisieren, zwingen den Bewohnern das Gesetz des Schweigens auf. Wer sich nicht unterwirft, weiß, was ihn erwartet. 2014 ist die Fußball-WM, da will man Brasilien als Land der Ersten Welt erscheinen lassen – aber hier an der Peripherie ist es nach wie vor triste. Die meist kinderreichen Familien haben monatlich nur so um die 200, 220 Real maximal. Doch im Ausland wird verbreitet, alles toll, alles gut in Brasilien. Wir merken, es ist schwierig, Menschen von außerhalb für diese Situation zu sensibilisieren, die das hier nicht kennen, es sich nicht vorstellen können. Wir haben unsere christlichen Kriterien, und wir haben Ausdauer – das macht den Unterschied. Denn entweder ist man Christ – oder ist mans nicht, halbe-halbe geht nicht.”
Ausriß.
In der brasilianischen Crack-Szene fällt die große Zahl von Schwangeren auf, viele davon noch minderjährig. Nicht wenige davon prostituieren sich. Auch an der Copacabana oder in Salvador da Bahia bieten sich teils sehr aufreizend aufgepeppte junge schwangere Brasilianerinnen in Glitter-Bikini feil, feilschen mit den sie umringenden Männer-Gruppen um Höchstpreise – eine bizarr-morbide Situation.
Brasiliens hohe Behindertenrate: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/05/brasiliens-hohe-rate-von-behinderten-2391-prozent-der-bevolkerung-gegenuber-rund-1-prozent-in-hochentwickelten-landern-laut-studien/
“Niemand will die Hauptprobleme des Landes angehen.” Kolumnist Arnaldo Jabor, April 2012?Wir haben Horror vor allem Gemeinschaftlichen, sind pathetische Individualisten, ohne Zwecke, Inhalte.”
Wie Landesexperten, darunter kirchliche Menschenrechtsaktivisten seit Jahrzehnten betonen, kann von einem ernstzunehmenden Kampf gegen die Droge, gegen die Drogenmafia nicht zuletzt angesichts des für europäische Verhältnisse wohl unvorstellbar hohen Grades an tiefverwurzelter Korruption keine Rede sein. Wie es heißt, wurde lediglich mit Rücksicht auf entsprechenden Druck des Auslands eine Art Pseudo-Bekämpfung installiert und praktiziert, die vorhersehbar wirkungslos blieb. Nur zu häufig wurden engste Kontakte zwischen Angehörigen von Drogenmafia, Polizeispitze und Landeseliten nachgewiesen. Harte Drogen sind in Brasilien bereits seit den siebziger Jahren unglaublich billig und selbst für die Slumbevölkerung erschwinglich – bekannt sind jene hunderte Meter langen Schlangen von Favela-Bewohnern an den Drogenverkaufspunkten des organisierten Verbrechens, zwecks Erwerb von Kokain etc. Auf Mittelschichtsfeten von Psychologen, Ärzten, überhaupt der Intellligentsia, gehört es beispielsweise in Rio de Janeiro nur zu oft zum guten Ton, daß irgendwann vom Gastgeber auf blitzendem Silbertablett Kokain gereicht wird – zwecks problemloser Beschaffung hatte man halt wie üblich jemanden zu den ambulanten Verkäufern der Straße geschickt. In Rio de Janeiro war nur zu oft zu beobachten, wie gut sich Politiker im Alltag, selbst bei Wahlkampagnen mit den Drogenbossen des organisierten Verbrechens vertrugen: Das Wahlbüro eines Politikers befand sich direkt an einem Verkaufspunkt – bei noblen Wahlfesten mit großem Buffett schickte man stets Bedienstete mit gutbestückten Tabletts zu den Gangstern – sie wurden bestens versorgt. Zweihundert Meter entfernt indessen warteten Polizeipatrouillen, um mögliche Drogenkäufer abzufangen – und zu erpressen – wurde die Lage von Augenzeugen geschildert. Zusätzlichen Auftrieb gewann die Kokain-und Crack-Wachstumsbranche seit der Amtsübernahme von Evo Morales in Bolivien, wie in Brasilien immer wieder bekräftigt wird. Gelegentliche Alibi-Aktionen der Polizei etwa an den Grenzen ändern an der Gesamtlage nichts. Die Drogen-Wachstumsbranche ist hochlukrativ und fügt sich daher in die Strukturen neoliberalen Wirtschaftens, neoliberaler Werte gut ein.
In welcher bizarren Situation sich Beamte von Sondereinheiten der Polizei Brasiliens daher befinden, haben die außerordentlich erfolgreichen Spielfilme „Trope de Elite“ und „Tropa de Elite 2″ sehr anschaulich und dokumentarisch vermittelt.
Von Brasilianern ist seit langem zu hören, daß über eine mögliche Drogen-Freigabe nicht mehr diskutiert werden müsse – die gebe es de facto doch längst.
Vor allem Brasiliens katholische Kirche hat immer wieder auf die gravierenden sozialen Folgen dieser Situation hingewiesen – und wird daher von interessierter Seite entsprechend bekämpft. Daß Geistliche von Drogenbanditen verfolgt, bedroht, liquidiert werden, gehört zum Alltag des Landes.
Mega-Kulturevent „Virada Cultural“ 2012 in Sao Paulo und offene Crack-Szene – gleich neben den Bühnen.
Brasilianische Virada-Teilnehmer kommentierten erstaunt, perplex, daß ungezählte Polizeipatrouillen direkt an den Stellen massenhaften Verkaufs und Konsums von Crack vorbeiliefen, ohne einzugreifen. Laut Presseberichten wurden City-Straßen in der Nacht der Virada Cultural von der Masse der Cracksüchtigen regelrecht blockiert, reagierten Konzertbesucher mit Erschrecken und Entsetzen, machten sich davon. Offiziell existiert angesichts der landesweiten Crack-Epidemie ein Anti-Crack-Programm der Rousseff-Regierung.
Fernando William, Mediziner und Chef der Sozialbehörde Rio de Janeiros, hat die verheerenden Auswirkungen von Crack auf Kinder und Jugendliche benannt. Das organisierte Verbrechen, welches auch das Drogengeschäft beherrsche, habe bei Crack bereits Achtjährige als Kunden und beute diese – Mädchen und Jungen – im Geschäftszweig Kinderprostitution aus. William sprach von “Zuständen der Barbarei”. Es existierten zudem 12-jährige Aids-infizierte Mädchen, die jegliche Behandlung ablehnten – außerdem 16-jährige Crack-süchtige Mütter, die schon dem zweijährigen Sohn Crack gäben. ” Da Crack-Konsumenten gewöhnlich viele Tage ohne Essen und Schlafen verbringen, magern sie erschreckend ab.” Kinder, die früher Leim schnüffelten, nähmen angesichts des niedrigen Preises heute Crack. “O Crack invadiu a cidade.” “Wenn diese Kinder nicht behandelt werden, sterben sie gewöhnlich nach höchstens zwei Jahren.” Es gebe Berichte, wonach man tote Kinder verschwinden lasse, um den Ruf der Crack-Verkaufspunkte nicht zu gefährden.
Brasiliens Crack-Epidemie zählt zu den folgenreichsten Resultaten der Lula-Rousseff-Regierungszeit. Auffällig ist, daß besonders die einfachen Menschen des Landes, ob in Dörfern des Hinterlands oder in großen Städten, bei Gesprächen fast sofort auf die gewachsene Sozialstrukturen zerstörende Wirkung der Crack-Epidemie hinweisen.