Nach extrem hohem Zeitwand – bisher etwa zwei Wochen Arbeitsausfall zwecks Recherche bestehender Möglichkeiten – hat sich nach Anzeige von Klägern des Gebäudes, die modifizierte Alu-Fenster einbauen ließen, überraschend die Justiz Sao Paulos des Falls angenommen – ein Prozeß mit mehreren Etappen bleibt für die Kläger völlig kostenfrei. Bemerkenswert, daß zuständigen Justizmitarbeitern anfangs jegliches Problembewußtsein fehlte – wenn entschieden wurde, solche Fenster, die nur noch 50 % Licht und Luft durchlassen, einzubauen, sei das doch so in Ordnung. Bemerkenswert – erst nach sehr zeitaufwendiger Argumentation waren Mitarbeiter davon zu überzeugen, daß es gemäß Wertvorstellungen der zivilisierten Welt nicht rechtens ist, verschiedene übergeordnete Gesetze zu verletzen – darunter Besitzstandsrecht, Gesundheits-und Umweltgesetze. Bemerkenswert auch, wie leicht in solchen Fällen selbst materiell relativ gut gestellte Mittelschichtler aufgeben, einen Rechtsstreit für sinnlos halten. Motto: Natürlich haben wir recht, aber unter brasilianischen Verhältnissen kriegen wir das nie. Nun ist eine Klage formuliert, befassen sich Anwälte, Richter mit den bizarren Fensterstreit, steht ein erster Prozeßtermin bevor.
Ob es unter brasilianischen Verhältnissen für die vielen bisher verlorenen Arbeitstage der Kläger eine Entschädigung gibt? Schon allein wegen der Verschwendung von Arbeitstagen lassen nur zu viele Brasilianer die Finger von solchen Rechtsstreitigkeiten, geben klein bei, könnten sich solchen Einkommensverlust unmöglich leisten. Oder erhalten gar keine Freistellung von der Arbeit für Prozeßangelegenheiten.
Wie sagte gleich Sao Paulos Kardinal Odilo Scherer vor wenigen Tagen?
“Es gibt in Brasilien noch soviel Armut und Elend, gesellschaftlichen Ausschluß, soziale Ungerechtigkeit, Korruption – noch soviel Gewalt: Wir sehen, daß es strukturelle Gewalt gibt, die sich immer mehr organisiert als eine Parallelmacht – die innerhalb des Staates existiert und die Gesellschaft unterdrückt. Die Justiz ist in Brasilien noch sehr prekär und langsam – weit davon entfernt, die Bedürfnisse des Volkes adäquat zu erfüllen. “
Zu den Besonderheiten Brasilien zählt, daß man in Städten wie Sao Paulo oder Rio immer wieder mit automatischen Telefonansagen über angeblich nicht bezahlte Rechnungen terrorisiert wird, nebst Androhung des bevorstehenden Stopps der jeweiligen Dienstleistung. Hat man sich mit stundenlangem Aufwand schließlich durch das extrem kundenunfreundliche System automatischer Servicedienste bis zu einer Mitarbeiterin durchgekämpft, erläutert die einem, daß alle Rechnungen pünktlich bezahlt seien, man sich über die fortgesetzten telefonischen Androhungen ihrer Firma nicht aufregen solle. Indessen ist dennoch möglich, daß einem beispielsweise ohne Vorwarnung Internet oder Festtelefon gekappt werden.