http://www.welt-sichten.org/artikel/221/der-hoelle-hinter-gittern
Die Straflosigkeit ist weiterhin sehr groß, hieß es weiter. Laut Sicherheitsexperte Luiz Eduardo Soares bedeutet die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff einen Rückschritt im Bereich der öffentlichen Sicherheit. „Dilma Rousseff enttäuscht.“
Die zunehmende Gewalt hat die Sozialbeziehungen in Brasilien in den letzten Jahren bereits stark verschlechtert – und verschlechtert sie weiter. Unter anderem sind das gegenseitige Mißtrauen, der Egozentrismus gemäß neoliberalen Werten deutlich gestiegen. Es genügt, sich derartige Zustände, solche Mord-und Gewaltraten in Deutschland oder der Schweiz vorzustellen. Dort wird unterdessen sehr intensiv daran gearbeitet, für das organisierte Verbrechen typische Gewalt-Umgangsformen des Alltags einzupflanzen. http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
Anfang 2013 wurde in Sao Paulo eine zerstückelte Frau in einem Koffer aufgefunden. Verbrechen dieser Art sind in Brasilien keineswegs selten. http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/
Angeli, größte brasilianische Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo” Ende Oktober 2012 politisch unkorrekt zur Gewaltkultur in Lateinamerikas größter Demokratie:”Ja, wir überfallen, vergewaltigen und morden. Das hat einen Superspaß gemacht.”
Sao Paulos Rapper und Schriftsteller Ferrez 2013 zu jüngsten Blutbädern an der Peripherie der Megacity: „Das ist nicht jenes Land, das sie immer im Fernsehen zeigen.“ (O Estado de Sao Paulo)
“Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind von Angst und Aussichtslosigkeit geprägt, man belügt sich, betrügt sich und letztlich ist jeder auf sich allein gestellt.”
Ganz gleich, in welcher Gesellschaftsschicht die Vignetten angesiedelt sind: In der Mehrzahl spielt Gewalt eine Rolle. Direkte Gewalt wie Überfälle und Schusswechsel oder strukturelle Gewalt, also Armut und menschenunwürdige Lebensbedingungen, prägen das Bild São Paulos, das Luiz Ruffato zeichnet. “Es waren viele Pferde” vermittelt somit eine Stimmung der Aussichtslosigkeit und Angst, wie schon Paulo Lins’ 1997 erschienener Roman “Die Stadt Gottes”, der in den Favelas von Río de Janeiro angesiedelt ist. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind von Angst und Aussichtslosigkeit geprägt, man belügt sich, betrügt sich und letztlich ist jeder auf sich allein gestellt. Von der Leichtigkeit des Karnevals und seinen Sambarhythmen, die wir gewöhnlich mit Brasilien verbinden, ist in Ruffatos São Paulo der Einsamkeit, der Alkoholexzesse und des Rassismus nichts zu spüren. In Ruffatos São Paulo halten Weiße Schwarze zunächst einmal für Verbrecher und Indianer für dumm.
Es waren viele Pferde – der Titel stammt von einer Vignette – ist ein bedrückendes und beeindruckendes Buch, das hinter die Fassaden der Glitzerwelt der berühmten Avenida Paulista blickt. Luiz Ruffato beschreibt eine soziale Wirklichkeit Brasiliens, die wie seine Prosa ihren eigenen Regeln gehorcht, und wie sie in den offiziellen Werbebroschüren für die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele zwei Jahre später nicht vorkommt.
Literatur:
Luiz Ruffato: Es waren viele Pferde. Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. Assoziation A, Berlin und Hamburg 2012, 160 Seiten, EUR 18,00. (Deutschlandfunk 2013)
„Morden mit Effizienz“ – Joao Ubaldo Ribeiro: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/08/26/brasilien-morden-mit-effizienz-bestsellerautor-joao-ubaldo-ribeiro-in-rio-de-janeiro-analysiert-gewaltkultur-des-tropenlandes-unter-lula-rousseff-morden-in-brasilien-ist-viel-banaler-als-jed/
http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/11/der-brasilianische-musiker-und-poet-marcelo-yuka1/
tags: , brasilien, folter, kultur, literatur, menschenrechte, rap, slums
2007 Gast des Berliner Literaturfestivals
Der Irak und der Libanon sind täglich wegen der vielen unschuldigen Gewaltopfer in den Schlagzeilen – Brasilien nicht. Obwohl gemäß brasilianischen Erhebungen in dem Tropenland jährlich weit mehr Menschen umkommen als im Irakkrieg und die Folter alltäglich ist.
Ferrez, mit bürgerlichem Namen Reginaldo Ferreira da Silva, wurde unfreiwillig zum Frontberichterstatter im brasilianischen Stadtkrieg, weil er als einziger Romanautor an der von extremer Gewalt geprägten Slumperipherie der Megacity Sao Paulo lebt. Ferrez, dessen Bücher bei einem angesehenen brasilianischen Verlag erscheinen, bereits ins Französische, Spanische und Italienische übersetzt wurden, erhält wegen seines literarischen und politischen Engagements Morddrohungen, ist in Lebensgefahr.In den Slums ist Bücherlesen Luxus, die meisten Bewohner sind zudem funktionelle Analphabeten. Ferrez wurde deshalb auch zum Rapper, ist in den Ghettos dadurch bekannter als durch seine Bücher.
Frankfurter Buchmesse 2013 – Gastland Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/10/17/frankfurter-buchmesse-2013-gastland-brasilien-literatur-und-landesrealitaet-keinerlei-veranstalterhinweis-auf-gravierende-menschenrechtslage-auf-daten-und-fakten-von-amnesty-international-und-bras/ (more…)