Zahlreiche brasilianische Unternehmer, die von dem Soja-Chaos auf Fernstraßen und in Häfen direkt betroffen sind, haben der Regierung von Dilma Rousseff vorgeworfen, durch eine komplett fehlende logistische Vorbereitung auf die Sojaernte ein weiteres Mal komplette Inkompetenz an den Tag gelegt, wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe verursacht zu haben. Besonders scharfe Kritik richtet sich gegen die Hafen-und Transportminister.
Laut EXAME zeigt sich derzeit erneut, daß Brasilien ein Land der Improvisation sei. Die Logistik erinnere an die Zeit des Transports mit Maultieren. Zu den Resultaten staatlicher Inkompetenz beim Infrastrukturausbau zähle, daß ein simpler Arbeiter täglich vier Stunden für den Weg zur Arbeit aufwenden müsse. Die Soja-LKW brauchen, hieß es, aus den Erntegebieten für die Strecke von rund 2200 Kilometern bis zum Hafen Santos neun Tage – die Alternative von Eisenbahnstrecken existiere nicht. Diese seien eine vor rund 200 Jahren gemachte Erfindung – die von den brasilianischen Regierungen aber bis heute noch nicht begriffen wurde. Dilma Rousseff, Lula und die sie umgebenden Politiker dächten derzeit zu allerletzt an eine Verbesserung der Transportinfrastruktur.
Brasiliens Transportministerium hatte unter Dilma Rousseff immer wieder auch im Korruptionskontext für Negativschlagzeilen gesorgt: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/12/brasilias-korruptionskrise-landesmedien-verlangen-aufklarung-uber-erenicegate-und-betrugereien-im-transportministerium-hat-dilma-davon-erst-als-letzte-erfahreno-globo/
Brasilien – Logistikprobleme 2013 – große Regierungsversprechen
Selbst das Weltwirtschaftsforum hat die letzten Jahre eine deutlich verschlechterte Infrastruktur Brasiliens konstatiert. So reduzierte allein das nationale Transportministerium 2012 laut amtlichen Angaben seine entsprechenden Investitionen um immerhin umgerechnet rund 1,6 Milliarden Euro . Indessen betonen nicht wenige Unternehmer des Landes, daß mit einer Umsetzung der Regierungsversprechen schwerlich zu rechnen sei, man für die nächsten Jahre nicht oder kaum Verbesserungen erwarte. Zumal gemäß brasilianischen Wirtschaftsexperten bereits so gut wie feststeht, daß wegen neuen enormen Verzögerungen bei der Konzessionsvergabe kein einziges der vorgesehenen Infrastrukturprojekte noch in diesem Jahr gestartet wird. Brasiliens Wirtschaftslage wird allgemein als schwierig bewertet.
Gemäß brasilianischen Hafenexperten gab es zwar Fortschritte bei Terminals, Produktivität, Umschlag und Investitionen.
Nach wie vor hinke aber die Hafeninfrastruktur den Anforderungen hinterher, fehle dort adäquate Planung, aber auch die Umsetzung der entwickelten Problemlösungen. „In Wahrheit greifen wir deshalb gezwungenermaßen bis heute zu den typisch brasilianischen Improvisationstricks, dem Jeitinho, um unsere Aufgaben zu schaffen. Die Logistik-Probleme nehmen zu – unsere größte Besorgnis angesichts der Engpässe ist daher ein Logistik-Kollaps.“ Der Containerumschlag sei immer noch sehr schwierig, die logistische Kette von den Erntegebieten bis zu den Häfen werde durch die schlechte Transport-Infrastruktur geschädigt. Die gesamte brasilianische Bevölkerung leide darunter, daß das Land über kein ordentliches, effizientes Fernstraßennetz verfüge.
Nicht nur die Soja-LKW stünden im Endlos-Stau, sondern auch die Schiffe. Weil vorgesehene Investitionen und Anpassungsprogramme nicht realisiert wurden, so Salgado, seien die Logistikkosten in Brasilien stark angestiegen. Man erleide viele Restriktionen in der maritimen Infrastruktur, weil sich Brasiliens Häfen nicht rechtzeitig auf die Ankunft der lange vorher angekündigten größeren Schiffsklassen vorbereitet haben. Nachts sei keine Einfahrt möglich, zudem seien die entsprechenden Kanäle zu eng, könnten zwei Frachter nicht gleichzeitig anlegen. Zudem hapere es auch bei den Hafenausrüstungen, die Lagerfläche hinter den Kais sei viel zu gering. „Wir möchten unseren Kunden günstige Kosten anbieten – doch unglücklicherweise sind diese auch wegen zu langsamer Abläufe, vieler Wartezeiten und eines damit verbundenen größeren Treibstoffverbrauchs sehr hoch.“ An der brasilianische Küste stelle sich stets die Frage, welche Häfen man aktuell anlaufen könne und welche nicht.
Es sei ein Unding, nach wie vor auf die erwähnten Improvisationstricks angewiesen zu sein. Jedermann in der Branche wisse seit vielen Jahren bis ins Detail, was längst hätte getan werden müssen. „Die vielen phantastischen Modernisierungsprojekte auch wirklich umzusetzen – das fehlt in Brasilien.“ Immer wieder würden staatliche Versprechen und Zusagen nicht eingehalten.
Nicht zufällig weist das Weltwirtschaftsforum unter 144 bewerteten Ländern dem Tropenland in Bezug auf die Qualität der Hafenstruktur lediglich einen sehr schlechten 135. Platz zu – während Chile an 34. und Uruguay an 46. Stelle rangieren.
Ausländische Unternehmen nervt, daß in Brasilien die Spielregeln, darunter die gesetzlichen, sehr häufig wechseln, was gerade auch 2013 Investoren abschreckt und verunsichert. Viele der für die neuen Infrastruktur-Pakete der Regierung nötigen Rahmenbedingungen haben danach noch längst nicht die nötigen Hürden im Nationalkongreß passiert – was erfahrungsgemäß noch unbestimmte Zeit dauern kann. Mit einer Unmasse neuer Regelungen ist zu rechnen – mit deren buchstabengetreuer Anwendung in der Praxis indessen keineswegs, wie die Erfahrung zeigt. Vieles an den neuen Infrastruktur-Plänen gilt noch als unausgereift, überarbeitungsbedürftig.
Hohe Logistikkosten seien wesentlich dafür verantwortlich, daß Brasiliens Exporte seit 2012 in die EU deutlich sinken, Deutschland allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres gegenüber dem Tropenland einen Handelsüberschuß von 3,6 Milliarden EUR erzielte. Der Umschlag eines Containers kommt in Santos dreimal so teuer wie in Rotterdam, hieß es.
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