http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/
In Brasilien ist die übergroße Mehrheit der Stadtbewohner auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, der indessen wegen der absoluten Mittel-Bevorzugung für Autofahrer-Verkehrsstrukturen nur sehr schlecht ausgebaut ist. In Großstädten wie Rio de Janeiro und Sao Paulo kommt es daher angesichts ohnehin entsetzlichen Gedränges, lebensgefährlicher Enge dann bei den häufigen massiven Zugausfällen regelmäßig zu Tumulten, Panikreaktionen, kollektiven Wutausbrüchen, die zur Zerstörung von Bahnstationen führen. Auch beim jüngsten Züge-Stopp Sao Paulos waren auch wieder ungezählte alte Menschen gezwungen, kilometerweit über Bahnanlagen zu laufen, um aus den Gefahrenbereichen herauszukommen. Eine Bahnstation wurde von den Passagieren in Brand gesteckt. Kurioserweise hat just der lediglich geringe Ausbau des S-Bahn-Netzes von Sao Paulo der letzten Jahre nicht etwa zu der propagandistisch angekündigten Entlastung bzw. Verbesserung des Nahverkehrs geführt, sondern zu einer spürbaren Verschlechterung, was sich in Meinungsumfragen zeigte. Denn Millionen von bislang abgeschnittenen, isolierten Stadtbewohnern besonders der Armen-und Elendsviertel hatten nunmehr erstmals die Möglichkeit, einen Nahverkehrszug zu benutzen – was vorhersehbar eine für europäische Begriffe unvorstellbare chaotische Überfüllung der Waggons bewirkte. Dies führte laut Verkehrsexperten zudem zur Überlastung der Stromleitungen sowie einer Bahn-Infrastruktur, die teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Auch in Rio de Janeiro gehören Einsätze der Militärpolizei gegen Bahnfahrer-Revolten bereits zur Routine.
Wer sich in den wichtigsten Teilstaaten Sao Paulo, Minas Gerais und Rio de Janeiro umsieht, macht die Entdeckung, daß dort der Eisenbahn-Passagierverkehr bereits relativ gut entwickelt war, dann indessen zugunsten des teureren, unbequemeren und umweltschädlichen Busverkehrs und der Bushersteller fast völlig eingestellt worden ist. So war es allen Ernstes bis 1986 möglich, beispielsweise die Weltkulturerbe-Barockstadt Ouro Preto von Rio de Janeiro aus mit dem Zug zu erreichen. Heute ist man auf enge, laute, schlecht belüftete Fernbusse angewiesen, die auf Holperpisten nur zu oft im Schneckentempo vorwärtskriechen, in ungezählten Staus steckenbleiben. Kommt noch die Berieselung durch Zwangs-TV mit Horrorfilmen hinzu, werden Bus-Fernfahrten in Brasilien nur zu oft zu einer ungemein stressenden Strapaze. Während der Lula-Rousseff-Amtszeit hatte Forderungen der Öffentlichkeit nach einer Rückkehr zum Ausbau des Passagier-Zugverkehrs etwa nach europäischem Vorbild vorhersehbar keinerlei Erfolg.
Während die PKW im Großraum Sao Paulos zunehmend nur noch im Kriechgang vorankommen, stellen die Qualitätsmedien in ihren Analysen heraus, daß Personenzüge eine Geschwindigkeit zwischen 100 und 150 Kilometern per Stunde erreichen, die billigste, schnellste, am wenigsten umweltvergiftende und sicherste Verkehrsart seien. (O Estado de Sao Paulo 2012)
Laut brasilianischen Wirtschaftsmedien entfallen in Brasilien auf eintausend Quadratkilometer nur 3,5 Kilometer Bahnstrecke – in China seien es dagegen neun, in Kanada 4,7 in Rußland 5,1 und in den USA sogar 22,9 Kilometer.
2012 führte zu öffentlichen Diskussionen, daß die Dauerstaus auf den Fernstraßen zu den Stränden bei Sao Paulo ständig zunähmen, die Fahrt statt der früher ein bis zwei Stunden inzwischen bis zu sieben Stunden dauere. Von nicht wenigen Brasilianern wird dies auf die unter Lula-Rousseff verfolgte Verkehrspolitik zurückgeführt, die zwecks Begünstigung der Automultis den ökologischen, preisgünstigen Schienen-Nahverkehr, der der Bevölkerungsmehrheit dienen würde, zielgerichtet benachteilige. In den Informationsradios wurde 2012 von Brasilianern auf den Bahn-und S-Bahn-Verkehr in Mitteleuropa als nachahmenswertes Beispiel verwiesen. Hätte Brasilien ein solches Verkehrssystem, käme es nicht zu den immer absurderen Staus, die mit enormer Luftvergiftung, viel höherem Kraftstoffverbrauch und Streß verbunden seien. Indessen existierte bereits ein relativ gut ausgebautes Schienennetz in Brasilien, konnte man sogar von Sao Paulo mit dem Zug an die Küste fahren, gab es Bahnstrecken entlang der Küste. Jedoch wurden diese Zugverbindungen von interessierter Seite aus den bekannten Gründen gestoppt, zerstört. In diesem Zusammenhang werden stets Lulas sehr gute Beziehungen zu den Automultis betont.
Die Wasserschweine am barbarisch stinkenden Rio Pinheiros und der S-Bahn-Zug.
Wegen der grauenhaften, den PKW begünstigenden Verkehrsbedingungen braucht ein beträchtlicher Teil der Beschäftigten Sao Paulos laut neuen Studien täglich etwa sechs Stunden für den Weg zur Arbeit und zurück. Die Qualitätszeitung Folha de Sao Paulo zitiert den Fall einer Frau, die vier Uhr morgens die Wohnung verlassen muß, um acht Uhr pünktlich am Arbeitsplatz zu sein. Zwei Drittel der Paulistanos, hieß es, können daher nicht ausreichend schlafen, um sich für einen neuen kräftezehrenden Arbeitstag zu regenerieren. Die Zeitung fragt zudem, was mit Kindern wird, deren Mütter bereits vier Uhr morgens das Haus verlassen und erst spätabends wiederkommen.