Stand noch vor ein paar Tagen die ungarisch-serbische Grenze einschließlich ihrer neuen Befestigungsanlage im Mittelpunkt, haben sich die Flüchtlingsfront und damit auch das Publikumsinteresse nun in das Herz von Budapest, genauer gesagt an und um den Ostbahnhof verlagert. Das Medieninteresse ist gewaltig. Kein Wunder, immerhin wird hier gerade Weltgeschichte geschrieben.
Im Moment scheint sich in Ungarn und speziell am Budapester Ostbahnhof zu entscheiden, ob Europa noch Widerstand leistet und ein gewisses Grenzregime aufrecht erhält oder einfach kapituliert. Vielleicht getragen von der Hoffnung, dass der aktuelle Flüchtlingsstrom schon irgendwann von selbst abebben wird und Europa mit den bis dahin eingereisten Flüchtlingen schon irgendwie fertig wird. Vielleicht aber auch getragen von der Einsicht in die schiere Unmöglichkeit, weiterhin Grenzdienst nach gültigen EU-Vorschriften zu machen.
Schon allein, weil immer klarer wird, dass die diesbezüglichen Vorschriften einfach nicht für eine Flüchtlingsbewegung von dieser Dimension erdacht worden sind. Ebenso wie die kaum noch gesicherten EU-Grenzen. Griechenland hat gleich am Anfang nahezu kampflos kapituliert und den Schwarzen Peter damit mal so eben Ungarn zufallen lassen. Der Ärger von EU-Seite bezüglich des erneuten Versagens Griechenlands hielt sich in Grenzen, wahrscheinlich weil man von den „Pleite-Griechen“ ohnehin nichts anderes erwartet hatte.
Nicht so im Fall Ungarns. Ganz deutlich wurde das am Montag. Nachdem Ungarn durch eine recht freie Auslegung einer Veränderung der deutschen Behörden im Umgang mit syrischen Flüchtlingen kurzzeitig die Grenzen geöffnet hatte, ließ die westliche Antwort nicht lange auf sich warten: Deutschland und ebenso Österreich bestehen weiterhin darauf, dass die ungarischen Behörden EU-konform ihren Dienst versehen. Ein „zweites Griechenland“ darf es nicht geben!
Offensichtlich möchte man Ungarn kompromisslos dazu zwingen, für die Zielländer Zeit zu gewinnen.Wozu, das wissen diese wahrscheinlich selbst nicht. Vielleicht hoffen sie ja noch auf ein Wunder. Etwa darauf, dass sich Obama plötzlich wie ein Friedensnobelpreisträger benimmt und sich den Flüchtlingen so auf einmal Rückkehrperspektiven eröffnen.
Zeitspiel hin oder her. Und wofür auch immer! Früher oder später wird auch der letzte in Ungarn ausharrende oder noch nach Ungarn reisende Flüchtling EU-korrekte Papiere in den Händen halten und seine Weiterreise insbesondere nach Deutschland antreten. Mit etwas Verspätung werden letztlich also fast alle Flüchtlinge dorthin kommen, wo sie hinmöchten. Während das auf gute Beziehungen zur EU bedachte Ungarn das kafkaeske Spielchen mit den „richtigen Papieren“ bis dahin wohl noch mitspielen muss…
Erneut muss also Ungarn eine Suppe auslöffeln, die sich das Land nicht eingebrockt hat.
Jetzt befindet sich Ungarn erneut völlig unschuldig in einer ähnlichen, fremdverschuldeten Bredouille. Weder hat Ungarn die Kriege in den Hauptflüchtlingsländern zu verantworten, noch die durch eine zu liberale und undifferenzierte Einwanderungspolitik entstandene Sogwirkung auf potenzielle Flüchtlinge. Nach dem Verursacherprinzip wäre Ungarn jetzt raus aus dem Schneider.
Indem sich Deutschland wiederum hinreißend um die Linderung der Folgen der Rohstoff-, Stützpunkt- und Währungskriege des Bündnispartners USA kümmert, bilden diese beiden Länder eine ideale Symbiose. Der eine bombt oder lässt bomben und der andere kümmert sich danach um die Ausgebombten. Der eine macht Flüchtlinge und der andere mag sie. Während sich Obama letzte Woche zur Aufnahme von „bis zu 10.000 Syrern“ bereiterklärt hat – wohlgemerkt bis Ende September 2016 (!) – ist Deutschland ohne Kritik an der US-„Außenpolitik“ bereit, die allein für dieses Jahr erwarteten 800.000 Flüchtlinge zu schlucken. Funktioniert doch hervorragend diese Arbeitsteilung!
Ungarn sollte sich wirklich intensiv überlegen, ob es sich hier noch länger in den Weg stellen oder nicht lieber dem Beispiel Griechenlands folgen sollte! Soll doch Deutschland möglichst rasch in den Genuss seiner Flüchtlinge kommen! So eine Realitätsdusche kann schließlich auch eine bewusstseinserweiternde Wirkung haben…Zitat Budapester Zeitung
http://www.budapester.hu/2015/09/04/der-verursacher-zahle/
Warum die Linie Ungarns in der Asylantendebatte vom straff gesteuerten deutschen Mainstream so kritisiert wird:http://www.budapester.hu/2015/09/04/europa-muss-aufwachen/