Der angesehene Unternehmer Jorge Gerdau sagte gegenüber den Qualitätsmedien Brasiliens, das Handelsdefizit der verarbeitenden Industrie habe 2011 bei 92 Milliarden US-Dollar gelegen, fünf Jahre zuvor jedoch nur bei 20 Milliarden US-Dollar. Gerdau kritisierte besonders das komplexe System hoher Steuern, was die Wettbewerbsfähigkeit brasilianischer Industrieprodukte auf dem Weltmarkt deutlich vermindere. In Bezug auf den Endpreis bei Stahl sei Brasilien daher das zweitteuerste Land der Erde.
Gerdau zählte zu Brasiliens gravierendsten Problemen die Bildung. Schüler hätten durchschnittlich pro Tag lediglich 2,7 Stunden Unterricht. Ein weiteres gigantisches Problem sei Brasiliens Logistik, die sehr hohe Kosten verursache und damit die Wettbewerbsfähigkeit verringere.
http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/
Lange Zeit war Brasiliens Deindustrialisierungsproblem im deutschsprachigen Wirtschafts-Mainstream ein Tabu, wurde dafür eine angeblich großartige Industrialisierung gefeiert. Erst 2012 wurde unter dem Druck der Fakten und der Alternativquellen das Tabu gebrochen.
Hintergrund von Anfang 2011 :
Führende brasilianische Wirtschaftsexperten haben die Hochzinspolitik der Regierung wiederholt heftig kritisiert. José Roriz Coelho, Fachdirektor für Wettbewerbsfähigkeit und Technologie in Lateinamerikas wichtigstem Industriellenverband FIESP in Sao Paulo, verglich 2011 im Website-Interview das Zinsniveau Brasiliens mit hohem Fieber, einer Krankheit: “Brasiliens Zinsen sind die höchsten der Welt – also ist die Krankheit sehr gravierend. Wieso sagen dann viele, die Zeitungen, daß im Lande alles wunderbar läuft, obwohl wir 40 Grad Fieber haben? Also läuft da etwas falsch. Denn die meisten Devisenzuflüsse, die unsere Landeswährung Real so ungünstig aufwerten, sind nur Spekulation mit Zinsgewinnen und leider keine Investitionen. Wo soll da für Brasilien ein Vorteil liegen? Zu einer Wirtschaftsmacht können wir nur werden, wenn der jetzige Kurs deutlich korrigiert wird.”
Direktor José Roriz Coelho beim Exklusivinterview in Sao Paulo 2011.
“In Brasilien nimmt der Anteil der Industrie am Bruttosozialprodukt zunehmend ab. Dafür gibt es verschiedene Gründe. So hat die Regierung ihre Ausgaben stark erhöht – muß also die Steuern erhöhen, um die Ausgaben decken zu können. Doch die Steuererhöhungen betreffen just den Industriesektor stark. Brasilien verkauft seine Rohstoffe sehr billig ins Ausland – doch teuer an die Unternehmen im Inland. Rohstoff-Firmen kommen viel billiger an Kredite als die mittleren und kleinen Industriebetriebe. Brasiliens Anteil am Welthandel ist sehr niedrig. Daß unsere Infrastruktur so teuer ist, bildet ein großes Problem. Denn unsere Transportkosten sind viel höher als in anderen Ländern, die Logistik ist sehr teuer. Die Regierung ist sehr unbeweglich – wir haben viel Bürokratie, für die die Ausgaben enorm sind. Zudem ist das Korruptionsniveau in Brasilien unakzeptierbar hoch – wir brauchen ein Programm gegen Korruption. In Brasilien existiert eine regelrechte Banken-Diktatur – Brasiliens Banken sind die rentabelsten der Welt. Dieses hiesige Bankensystem hat sehr viel Macht. In Ländern wie Deutschland ist dieses System ein Mechanismus, um die Wirtschaft zu ölen, ist das Öl im Räderwerk. Doch in Brasilien nimmt es sich fast allen Reichtum, den die Wirtschaft erzeugt. Die Regierung muß die Augen öffnen – und Korrekturen veranlassen.”